Grundeinkommen.



Ein Missverständnis ist das Haupthindernis, das ist wahr. Aber es ist nicht bloß ein semanti-sches. Es ist ein perspektivisches. Dass Michael Müller das Thema neu aktualisiert hat, ist löblich. Dass er es aber wieder so dargestellt hat, als ginge es um Ausweitung und Totalisie-rung des Sozialstaats, ist ein Skandalon, der in den Mittelpunkt gestellt zu werden verdient. Ganz laut muss man sagen: Das Bedarfsunabhängige Grundeinkommen ist kein "linkes" Projekt. 


Es geht nicht um Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Nicht dass das belanglose Dinge wären. Aber hier stehen sie nicht zur Diskussion. Das Bedarfsunabhängige Grundein-kommen hat einen plausiblen Sinn als eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft der Ar-beit:
aus Nicht erweitern, sondern vertiefen.

Die Digitalisierung auch der industriellen Fertigungsprozesse, die viel älter ist als das Internet, überträgt nicht nur, wie die herkömmliche “Automatisierung”, die exekutiven Tätigkeiten, son-dern auch die kombinatorischen (planerischen) Funktionen an die Maschine. Nicht nur kör-perliche Arbeit, sondern auch der größte Teil der intellektuellen Arbeiten im Fertigungsprozess wird nicht mehr von Menschen ausgeübt werden müssen. Auch hochqualifizierte Arbeiter wer-den überflüssig. Übrig bleibt für die lebendigen Menschen der eigentlich inventive Teil der in-tellektuellen Arbeit – im Fertigungsprozess wie in allen anderen Bereichen der gesellschaftli-chen Reproduktion; nicht mehr so sehr ‘Arbeit’ als vielmehr ‘Kunst’.

Und haben wir uns das nicht schon immer gewünscht? Der springende Punkt ist aber, dass nach Marx intellektuelle Arbeit (und Kunst) grundsätzlich “unter ihrem Wert” verkauft werden muss. Doch wenn am Ende nur sie für den Menschen übrigbleibt, kann das nicht mehr unter Marktgesetzen geschehen. Mit andern Worten, die aufs Intellektuelle herabgebrochene Ar-beitskraft kann auf die Dauer nicht Ware bleiben, von deren Verkauf allein sich die große Masse der Menschen ernähren muss. Die werden einen andern Lebensunterhalt finden müs-sen. Und finden können, weil die Digitale Revolution die Produktion so explosiv steigern wird, dass alle leben können, auch wenn sie nicht selber an der industriellen Fertigung beteiligt sind.

Darum ist das Bedarfsunabhängige Grundeinkommen sowohl notwendige Voraussetzung als auch unausweichliche Konsequenz der Digitalen Revolution."  


Das Internet ist die Spitze eines Eisbergs. Wenn diese Spitze riesig ist wie die Alpen, dann ist der Berg unterm Wasserspiegel wenigstens so gewaltig wie der Himalaya. Denn das Internet ist nur ein Tool der Datenübermittlung. Doch lange bevor das www die weltweite Kommunikat-ion revolutioniert hat, hat die digitale Technologie weltweit die industriellen Fertigungspro-zesse zu revolutionieren begonnen.

Kurz gesagt: Mit der Digitalen Revolution beginnt für die Menschheit die Zeit nach der Ar-beitsgesellschaft. „Die größte Revolution seit der Erfinduung des Buchdrucks“, wurde gesagt. Damals wurden die Daten haltbar und um alle Welt transportierbar gemacht. Etwas anderes tut auch das Internet nicht; nur viel schneller und in unvergleichlich größerer Masse. Aber die Digitale Industrierevolution beginnt, die lebendige menschliche Arbeit überflüssig zu machen. Das wird die größte Revolution seit der Sesshaftwerdung von Homo sapiens und der Erfin-dung des Ackerbaus.
 

Und die Folgen beginnen schon heute: Eine vollkommene Umwertung der Arbeit ist im Gange. Die ausführenden physischen Tätigkeit werden entwertet, die Ausübung von Intelli-genz alias Einbildungskraft und Urteilsvermögen wird einen Rang einnehmen, den sie noch nie hatte. Und dass dies nicht ohne schlimmste Friktionen abgeht, muss ich in der Piratenpar-tei nicht betonen – sie ist ja entstanden aus dem öffentlichen Streit um das „Geistige Eigen-tum“!

Die Lösung wird sein – ein jedermann garantiertes Grundeinkommen, das ihm erlaubt, gute und sogar nützliche Arbeit zu leisten, ohne sie auf dem Markt „verwerten“ zu müssen (und den Ertrag der Verwertung andern zu überlassen).



„In dem Maße aber, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wahren Reichtums abhängig weniger von dem Quantum angewandter Arbeit, als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder in keinem Verhältnis stehen zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Techno-logie. Was Tätigkeit des Arbeiters war, wird Tätigkeit der Maschine.“ So tritt der Arbeiter „neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein. Sobald die Arbeit in unmittel-barer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört [auf] und muß aufhö-ren, die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert [Maß] des Gebrauchswerts.“ [9] 
 
Mit andern Worten, das Wertgesetz verfällt. 

Es ist – unmittelbar – der Gebrauchswert des fixen Kapitals, der sich ändert, und – mittelbar – der Gebrauchswert der verbleibenden lebendigen Arbeit: “Hier wieder ein Beispiel von der Wichtigkeit der Bestimmung des Gebrauchswerts für die ökonomische Formbestimmung.”[10]

Seine Erfüllung findet der Prozeß der technologischen Arbeitsteilung in den computerge-steuerten automatisierten Werkstätten der Gegenwart.Dort wird noch lange nicht die größte Menge an Gebrauchsgegenständen, aber längst die größte Wertmasse erzeugt. In deren Werkhallen überwacht ein Fachmann einen Komplex von Automaten, die die Arbeiten von einst Hunderten besorgen. Er versteht was davon, aber er tut normalerweise nichts. Dort entsteht täglich der vielfache Wert seines monatlichen Arbeitsent-gelts, wobei es auf ein paar Nullen mehr oder weniger nicht ankommt. Kann man sagen, diese Wertmasse bestünde aus seiner “unbezahlten Mehrarbeit”? Dem ‘Begriff’ entspricht es wei-terhin, aber der Begriff ist offenbar aus seinen Nähten geplatzt. Er ist unverhältnismäßig ge-worden und der Sache nicht mehr angemessen.

Nun ist auch noch ein Teil, nämlich der kombinatorische Anteil der lebendigen Intelligenz als ‘Programm’ kodiert worden und auf die Maschinen selbst übergegangen. Als Spezifikum der wirklichen lebendigen Arbeit, das schlechterdings nicht digitalisiert und kybernetisiert werden kann, ist am Ende des Prozesses allein der inventive, konzipierende Anteil der Intelligenz übrig geblieben: das lebendige Einbildungs- und Urteilsvermögen. Die Arbeitsteilung erreicht einen Punkt, wo sie die Qualität der Arbeit verändert. Die ‘Gebrauchswertseite’ macht sich gegen die bloße Formbestimmung (wieder) geltend. Das Individuelle gewinnt über den Durchschnitt die Oberhand. Der Tauschwert verfällt. 

Ressourcen, die durch Arbeit vermehrt werden können, sind an sich nun nicht mehr knapp. Virtuell sind die Bedürfnisse befriedigt, “produktionell” herrscht Überfluß. Wo Mangel aktuell noch immer auftritt, ist er kein ökonomisches, sondern lediglich ein Verteilungsproblem, das “nur noch” politisch gelöst werden muß. Und umgekehrt werden zusehends solche Ressour-cen knapp, die durch Arbeit nicht vermehrt werden können und ipso facto keinen Tauschwert haben. Deren Verteilung auf die Bedürfnisse ist von Anfang an keine ökonomische, sondern “nur” eine politischen Aufgabe. 

Arbeit bleibt übrig als schiere Intelligenz: Einbildungs- und Urteilsvermögen. Deren Betäti-gung bezeichnen wir mit dem aktivischen Zeitwort wissen. Insofern ist die Feuilletonrede vom “Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft” treffender als ihre Kolporteure den-ken. Freilich, nicht die Datei – nicht die Daten und schon gar nicht deren Gespeichertsein – macht Wissen aus, sondern die Generierung von Wißbarem; denn die Kombinatorik besorgt die Maschine. Ein so auf seinen ‘einfachsten Ausdruck’ zurückgeführtes Arbeitsvermögen ist nun nicht mehr regelmäßig getrennt von den Bedingungen seiner Ausübung. Es reicht ein Internetanschluß, mag man zugespitzt sagen.

Aber Intelligenz hat keinen Tauschwert. Weil einbilden und urteilen nur actu geschieht und als solches nicht wiederholbar ist, wird der Philosoph sagen. Doch die Erzeugnisse von Einbil-dung und Urteil kann man sehr wohl wiederholen, sogar hersagen, ohne sie zu verstehen. Und gerade darum hat Intelligenz keinen Tauschwert: “Das Produkt der geistigen Arbeit steht im-mer tief unter ihrem Wert. Weil die Arbeitszeit, die nötig ist, um sie zu reproduzieren, in gar keinem Verhältnis steht zu der Arbeitszeit, die zu ihrer Originalproduktion erforderlich ist. Z.B. den binomischen Lehrsatz kann ein Schuljunge in einer Stunde lernen.”[11] 

Der Tauschwert ist keine sachliche Eigenschaft des Produkts, sondern eine durch den gesell-schaftlichen Verkehr ihm zugerechnete Größe, “nur eine eingebildete, d.h. bloß soziale Exi-stenzweise der Ware, die mit ihrer körperlichen Realität nichts zu schaffen hat; sie wird vor-gestellt”[12] nicht als die Arbeit, die gestern zu seiner Herstellung wirklich aufgewendet wurde, sondern als die Arbeit, die heute notwendig wäre, um es wieder herzustellen. 

Die Ausbildung – oder sagen wir besser: die Bildung einer lebendigen Intelligenz mag viele lange Jahre dauern und ein Vermögen kosten. Aber ihre Produktionen sind so gut wie gar nichts ‘wert’, weil schon morgen sie die Spatzen von den Dächern pfeifen oder ein ABC-Schütze mit der Maus klickt. Wo soll da ein Mehr-Wert herkommen? Selbst in seinem inner-sten Kern, dem Doppelcharakter der Arbeit, führt sich das Wertgesetz ad absurdum.

Das Arbeitsprodukt muß, um als individueller Gebrauchswert zur Geltung zu kommen, zwi-schenhin die allgemeine Geltung als Tauschwert annehmen. Der Ort dieses Umschlags ist öffentlich: der Markt. Öffentlich ist auch der Umschlagplatz der Gedanken, öffentlicher denn je: das Internet. Zur Geltung kommen beide durch Verkehr. 

Die Arbeiten tauschen sich nicht unmittelbar gegeneinander. Arbeit ist reell immer eine be-stimmte, qualitativ besondere Tätigkeit, Gebrauchswert, und kann unmittelbar nicht verglichen werden; sondern nur privat “geschätzt”. Verglichen wird die Produktivität der – durchschnitt-lichen – Arbeit: vergegenständlicht im Tauschwert des Arbeitsprodukts. Das Produkt der In-telligenz sind die Gedanken. Vergleichen kann man sie auch mittelbar nicht. Aber sie ‘verge-genständlichen’ sich auf ihre Weise, im Datenspeicher. Doch der Tauschwert des Buchs beruht nicht auf den vergegenständlichten, schriftlich symbolisierten Gedanken, sondern auf seinem Materialwert: den Herstellungskosten. Hinzu kommt, als imaginäres, spekulatives Element, der Idealwert der Namen: der Ruf des Autors und des Verlegers. Die beeinflussen den Absatz. Ob und wie weit, kann aber nicht gemessen, sondern wiederum nur geschätzt werden (so wie der Käufer seinen Gebrauchswert ‘schätzen’ muß). Das gilt für “alle Produkte der Kunst und Wissenschaft, Bücher, Gemälde, Statuen usw. eingeschlossen, soweit sie sich dinglich dar-stellen”.[13] 

Um Tauschwert zu haben, muß sich die verausgabte Arbeitskraft irgendwo in Res extensa vergegenständlichen, denn anders könnte sie nicht angeeignet werden, nämlich so, dass jeder Andere von ihrem Gebrauch ausgeschlossen ist. Sollten Gedanken ‘Wert’ haben, so könnte er doch nicht als Tauschwert erscheinen: Denn sie können nicht den Eigentümer wechseln. Sie sind, einmal in die Welt gesetzt, öffentlicher Besitz. Sie sind das Öffentlichste überhaupt. An-geeignet werden kann der Datenträger, der sie speichert. Ist aber das Medium selber öffentlich, entfällt auch das. Sie sind eine virtuelle Realität. Nur virtuell, soweit sie erst noch vernommen werden müssen. Aber real sind sie auch unabhängig von ihrem Träger. Genauer gesagt, ist das Medium auch global und öffentlich zugänglich – irgendwo müssen sie schon gespeichert sein, aber wo und wie ist ganz gleichgültig, es könnte in Vergessenheit geraten, ohne der Präsenz der Gedanken Abtrag zu tun. ‘Wirklich real’, nämlich ursächlich wirkend werden sie freilich erst durch die Intelligenz, die sie vernimmt.

Die Nützlichkeit der Arbeiten kann nur mittelbar, durch den Tauschwert verallgemeinert werden. Die Gedanken sind unmittelbar allgemein, sie ‘haben’ keinen Wert, sondern sind ein Gut. Darum werden sie nicht ausgetauscht, sondern mitgeteilt. Wie weit sie geschätzt werden, wird man an ihren Wirkungen erkennen. Aber messen kann man es nicht.


[9] K. Marx, Grundrisse, in: MEW, Bd. 42, S. 600f.
[10] ders., Theorien über den Mehrwert, MEW 26.2, S. 489
[11] aaO., MEW Bd. 26.1, S. 329
[12] ebd., S. 141f.
[13] ebd., S. 142


arbeit

Die Frage nach dem Urherberrecht in Zeitalter des Internet ist daher sachlich verknüpft mit der Frage nach dem Tausch- und dem Gebrauchswert der Arbeit.

Da ergibt sich ein unerwarteter Zusammenhang mit der von Milton Friedmann, dem Schwar-zen Mann des Neoliberalismus, in die Welt gesetzte Idee eines staatlich garantierten Grundein-kommens, gelegentlich auch als „Bürger- geld“ apostrophiert. Zunächst stammte der Gedanke aus dem Wunsch nach einer Vereinfachung des Besteuerungssystems, das, wenn es „gerecht“ sein soll, je nach Höhe der Einkommen ungleich sein muss und tausend Ausnahmelagen be-rücksichtigen muss; dann aber unübersichtlich und überkompliziert ist und dabei einen gigan-tischen Verwaltungsaufwand verschlingt – was am Ende ungerecht ist gegen alle.

Am ‚effektivsten‘ ist ein einheitlicher Steuersatz für alle. Aber indem er die Geringverdiener, die gerade eben das Lebensnotwendige im Portmonnaie haben, ebenso belastet wie die Eigen-tümer des großen Kapitals, ist er von allen der ungerechteste. Daher die Idee, dasjenige, was für eines jeden Lebensunterhalt das Unabdingbare ist, überhaupt nicht zu besteuern – und alles, was darüber liegt, mit ein und demselben Satz. Und von den gewaltigen Summen, die durch diese Vereinfachung eingespart würden, könnte in den entwickelten Industriesländern laut Berechnung der Weisen dieser Grundbetrag einem jeden Bürger ohne Prüfung der ‚Be-dürftgkeit‘ vom Staat ausgezahlt werden – auch wenn er sie nicht durch den Austausch seiner Produkte oder den Verkauf seiner Arbeitskraft ‚verdient‘ hat!

Ihre ersten energischen Fürsprecher außerhalb der Gruppe der Steuerexperten hat diese Idee bei den Sozialpolitikern gefunden – die damit das leidige Thema der Sozialhilfen, Arbeitsosen-unterstüzungen, deren Undurchsichtigkeit und ihren angeblich wuchernden Missbrauch gleich mit erledigen wollten.

Dann meldeten sich die Zukunftsforscher zu Wort. Die galoppierende Digitalisierung und Kybernetisierung der Arbeitswelt macht die einfachen, lediglich ausführenden Tätigkeiten überflüssig – und macht alle die arbeitslos, die sonst nichts gelernt haben. Die Etablierung einer stabilen Gesellschaftsklasse – „ein Drittel“! – von gezwungenen Nichtstuern droht, die ihre freie Zeit mangels Geld nicht mal durch Konsum ausfüllen können. Ein Sprengsatz für die gute Gesellschaft…
 

Dabei ist der Vorschlag am Innovativsten nicht am unteren, sondern am oberen kulturellen Rand der Mediengesellschaft! Der Fall Pirate Bay macht es deutlich, man muss nur genau hin-schauen. All die ‚Kreativen‘ (ein blöder Ausdruck, aber es fällt mir momentan kein besserer ein), denen es zuerst darauf ankommt, der Welt das mitzuteilen, was sie ihr zu sagen haben, und nicht darauf, in Luxus zu leben... all die könnten genau das tun, ohne sich um ihren Le-bensunterhalt sorgen und dabei ihre fruchtbarste Zeit verplempern zu müssen. Wenn sie, wie man ihnen ja wünschen darf, dabei auf gute Resonanz stoßen und einen mondänen Erfolg erzielen, mögen sie ja auf diese oder jene Weise hinzuverdienen, soviel die Marktlage hergibt; und denselben einheitlichen Steuersatz zahlen wie alle andern.


Der Taxifahrer mit Dr. phil. ist eine gängige deutsche Witzfigur. Vielleicht nicht ganz so re-präsentativ, wie die Comedians glauben machen; aber sicher finden sich unter den akademisch Gebildeten einige Zehn-, womöglich Hunderttausende, die des blöden Gelderwerbs willen ihre Lebenszeit mit Tätigkeiten überdauern, die weit unterhalb ihrer gefühlten Möglichkeiten lie-gen. Und wenn sich davon nur jeder Zehnte nicht überschätzt – dann ist das immer noch eine Riesenmasse von Talent, das für den Fortgang der Kultur vergeudet ist!

Und dass zu Viele dann ’nix arbeiten‘, sondern nur ihren Phantasien nachjagen, braucht eine Gesellschaft, „in der Arbeit künftig Mangelware sein wird“, nicht zu fürchten; denn solange sie eben das tun, kommen sie wenigstens nicht auf dumme Gedanken…

Dass unter solchen Umständen von einer Klasse von Menschen, die ‚gezwungen sind, ihre Arbeitskraft an Andre zu verkaufen, weil ihnen die Arbeitsmittel fehlen, um selber Waren zu produzieren‘, nicht mehr die Rede sein kann, ist abschließend noch zu erwähnen. Nicht nur, weil keiner mehr ‚gezwungen ist‘; sondern auch, weil das wichtigste Arbeitsinstrument der Zukunft, der PC, längst zum „garantierten Minimum“ zählt und noch im ärmsten Haushalt nicht weniger selbstverständlich ist als das Tiwie.



... Denn eins ist richtig: Über Nacht mit einem großen Knall flächendeckend einführen ließe sich das Bedingungslose Grundeinkommen nur im Rahmen einer allgemeinen, akribisch geplanten und makellos konzertierten Revolution - was ein Widerspruch in sich ist. Man müsste schon irgendwo im Kleinen anfangen, aber so, dass es sich zwar schrittweise, aber doch dimensional erweitern ließe. ...



Zu großem Unglück hatte sich weiland die PiratenPartei das Bedingungslose Grundeinkom-men auf die Fahnen geschrieben - und mutwillig mit sich selbst versenkt. Nun wird es extra schwerhalten, darüber eine ernsthafte politische Auseinandersetzung in Gang zu setzen. Es ist nicht pikant, sondern nur logisch, dass ausgerechnet der Führer eines Digitalkonzerns dafür den Auftakt gibt, und zudem noch sich und seinesgleichen als die Hauptfinan- ziers vorschlägt. Ob aber von den Gewinnen der Digitalindustrie noch genügend übrigbleiben wird, um sie wirtschaftlich führen zu können, ist, wenn sonst alles beim Alten bleibt, noch die Frage.

Es ist aber gar nicht wünschenswert, dass sonst alles beim Alten bleibt. Und darum ist die Idee, das Bedingungslose Grundeinkommen durch eine radikale Simplifizierung des Besteu-erungssystems zu finanzieren, so verführerisch. Ob das aber finanziell - wenigstens in der Größenordnung - überhaupt realistisch ist, steht noch ganz in den Sternen. Wären die Piraten in den Bundestag gekommen, d. h. hätte die PiratenPartei aus anderen Leuten bestanden, hät-ten sie dort auf die Einrichtung einer Enquête-Kommission drängen sollen, die den erforder-lichen wissenschaftlichen Aufwand für ein solches gesamtgesellschaftliches Projekt hätte lei-sten können - und, wenn schon nicht mehr, immerhin eine gesellschaftliche Diskussion aus-gelöst.

Dass das eine 'einfache Sache' wäre, die 'extraschwer zu machen ist', steht ganz außer Zweifel. Interessant wird aber sein, wer vor allem sich dagegen stemmen wird. Denn die Pointe ist die, dass soziale Gruppen- oder gar Klassen-Interessen gar nicht berührt würden! Und trotzdem werden die Realpolitiker, da lege ich meine Hand ins Feuer, Himmel und Erde in Bewegung setzen, um "diesen Wahnsinn" von der Menschheit fernzuhalten. Das wäre gut, wenn  man sie alle bei Tageslicht sähe. Dann wüsste man, wen alles man sich vom Hals schaffen muss.



Was passieren würde, wenn niemand mehr zu Erwerbsarbeit gezwungen wäre, weil für seinen Lebensunterhalt gesorgt ist, sehen wir an unseren Kindern. Wovor ihnen am meisten graut, ist Langeweile, und wenn sie die Schule verabscheuen, dann aus diesem Grund. Dass Kinder nur das gern tun, was keine Anstrengung kostet, kann nur glauben, wer noch nie auf einem öffent-lichen Sportplatz, nie in einer Badeanstalt und sogar noch nie in einem städtischen Park gewe-sen ist. Man muss sie im Gegenteil immer wieder mal bremsen und zur Ruhe anhalten; dann merken sie nach einer Viertelstunde, dass Muße nicht nur erbaulich ist, sondern sogar fesselnd sein kann.

Mit andern Worten, dass bei einem garantierten Grundeinkommen die Gesellschaft an Faul-heit zugrunde ginge, ist keine Befürchtung, sondern eine wissentliche Lüge.

Sicher wird es immer einen Grundbestand an Leuten geben, die von Natur träge sind. Den gibt es auch heute, auch heute wird er von den andern durchgeschleppt. Aber heute sind sie dabei gezwungen, etwas zu tun, was sie nicht gerne tun, und das tun sie schlecht. Unterm Strich schadet diese Sorte erzwungener Erwerbsarbeit der Gesellschaft.

Weiß einer nicht, was ich meine? Der soll sich nurmal bei uns (Ich wohne in Berlin) in der Öffentlichen Verwaltung umsehen.

*

Auf die Frage nach der Finanzierbarkeit hat Häni die richtige Antwort gegeben: Die ent-scheidende Frage ist, warum wir es nicht wollen.

In den westlichen Gesellschaftten ist die Produktivität der Arbeit - der Arbeit derer, die noch immer welche haben - so exorbitant, dass sie alle, die nicht arbeiten (wollen oder) dürfen, mühelos miternähren könnte, wenn die Gesellschaft dafür organisiert wäre. Das Dass steht außer Frage. Ein Wie wird sich selbstverständlich nicht finden lassen, wenn man es gar nicht erst will. Wenn man es aber will, wird man einen Weg finden. Was wie objektive Hindernisse aussieht, wird sich im Grunde auf subjektive Bedingungen zurückführen lassen. Wer nicht will und warum er nicht will - das muss die Kampagne ans Tageslicht bringen; das allein wäre schon all den Aufwand wert.
 

 

Globalisierung und Digitalisierung sind die zwei Seiten derselben Medaille. Es ist aber nicht die Globalisierungsseite, von der Menschen sich zu Recht bedroht fühlen, sondern die Digi-talisierungsseite. Demagogen und alle, die zu faul und feige sind, den Stier bei den Hörnern zu packen, lamentieren über die Globalisierung und finden bei jedem Datschenbesitzer und Gar-tenzwerg ein offenes Ohr.

Die gegenwärtige Bundesregierung versucht hartnäckig, dagegen zu steuern. Das wird ihr dauerhaft nur gelingen, wenn sie die Rattenfänger mit den wahren Problemen der Digitalen Revolution konfrontiert, denn da müssen sie passen. Dass Angela Merkel das Thema in den vergangenen Wochen immer wieder angesprochen hat, lässt hoffen. Doch ein Politiker sollte Fragen nur dann öffentlich stellen, wenn ihm auch schon Antworten vorschweben.


30. 11. 16 


Ich muss es doch auch mal aussprechen: Ich glaube natürlich nicht, dass ein Bedarfsunabhän-giges Grundeinkom- men möglich ist; weil ich mir nicht vorstellen kann, wer wie die unver-meidlichen Widerstände dagegen überwinden soll. 


Doch das ist der springende Punkte: Ich kann es nicht glauben. Vernünftige Gründe, die dagegen sprächen, gibt es allerdings nicht. Mein Verstand sagt mir: Das ist möglich, meine Vernunft sagt mir, daran werden wir gar nicht vorbeikommen. Doch was konnten Verstand und Vernunft je gegen den Glauben ausrichten ?  

Beim Unglauben haben sie aber vielleicht eine Chance. 


Citroen-Getriebe
 
Doch von wo kommt denn der Widerstand gegen das Grundeinkommen? Noch hat die De-batte nicht so weite Kreise gezogen, noch fühlt sich nicht jeder gehalten, eine Meinung zu haben. Wir werden sehen müssen...

Aber ich wage eine Prognose, fast möchte ich wetten: Er kommt nicht von Seiten des großen Kapitals - dort haben sich einige schon dafür ausgespochen, aber das mögen Einzelgänger sein; denn das Kapitaleinkommen sollte nach dem Modell nicht stärker belastet werden als bisher. "Betroffen" wären vielmehr all jene, die in den vermittelnden Tätigkeiten ihr Auskom-men finden, denn die werden überflüssig. Das gilt für den größeren Teil des Öffentlichen Dienstes, das gilt für Verbands- und Gewerkschaftsfunktionäre - und es gilt für die Masse der juristischen und fiskalischen Berater; und die sind um einiges zahlreicher als die Handvoll Kapitalisten.


Dass sie alle selber vom Grundeinkommen profitieren würden, dass für ihren Lebensunterhalt gesorgt wäre, dass sie sich von nun an ihren persönlichen statt ihren beruflichen Interessen widmen oder, wenn's beliebt, ordenlich dazuverdienen könnten - das wird sie nicht umstim-men. Denn über Nacht verlören sie ihre gesellschaftliche Wichtigkeit.


Und das ist es, warum wir andern alle dafür sind: Das garantierte Grundeinkommen wäre der endlich gefundene Hebel zur Entbürokratisierung der Welt. Es ist kein soziales, sondern ein radikal liberales - um nicht zu sagen: ein libertäres Projekt. 




 

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