Donnerstag, 28. Mai 2020

Langzeitspuren von Herrschaft.

aus derStandard.at, 26. Mai 2020

Von den langfristigen Effekten von Herrschaft
Die Ökonomin Melissa Dell hat die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen des Kolonialismus in Lateinamerika untersucht 

von Valentin Seidler 

Für die meisten Ökonomen weltweit gilt der Nobelpreis als die höchste denkbare aller Auszeichnungen. Für Kollegen in den USA ist das jedoch die "John Bates Clark Medal". Seit 1947 ehrt die American Economic Association damit die einflussreichsten Ökonomen unter 40. Die Liste der Empfänger der Auszeichnung liest sich wie das Who's who der Wirtschaftswissenschaften. Jeder Wirtschaftswissenschafter, der an einer US-Universität angestellt ist, kann nominiert werden. Entwicklungsökonomen finden sich immer wieder darunter: Esther Duflo, Nobelpreisträgerin 2019, erhielt die Medaille im Jahr 2010. Am 28. April diese Jahres ging die Auszeichnung wieder an eine junge Kollegin aus der Entwicklungsökonomie, Melissa Dell von der Harvard University in Boston.

Langfristige Auswirkungen

Melissa Dells bekannteste Studie, die auch die Grundlage für die Entscheidung der Jury war, führt uns in die ehemaligen Silberminen im Süden von Peru. Von 1573 bis 1812 zwangen dort spanische Kolonialherren die lokale Bevölkerung zum Abbau des Erzes. Das System der Zwangsarbeit ("mita") existierte nur in den Provinzen mit Silbervorkommen. Benachbarte Provinzen blieben verschont und setzten auf "Haciendas", große, von Spaniern geführte Farmen, die allerdings ebenfalls auf Zwangsarbeit beruhten.

Die Mita-Provinzen sind heute die ärmsten im Land: Im Vergleich zu allen anderen Provinzen verfügen die privaten Haushalte in den Mita-Provinzen um 25 Prozent weniger Kaufkraft. Verkümmertes Größenwachstum bei Kindern ist um sechs Prozent häufiger als im Rest des Landes. Dells Studie macht dafür den Mangel an Haciendas verantwortlich. Der Mangel an Arbeitskraft ließ offenbar keine doppelte Ausbeutung zu: entweder Silberminen oder Landwirtschaft. In den Mita-Provinzen entschieden sich die Spanier für die lukrativeren Silberminen, was nach dem Zusammenbruch der "mita" zur völligen Verarmung der Bevölkerungen führte.
Entwicklungsökonomen vermuteten schon seit den 1990er-Jahren, dass politische Strukturen über Jahrhunderte Entwicklungspfade beeinflussen können. Das Interessante an der Studie ist (neben der schönen methodischen Umsetzung) auch die Tatsache, dass die ebenfalls ausbeuterischen Haciendas zumindest besser waren als Minenarbeit.
 
Gleichzeitig erlaubt die exakte methodische Umsetzung in Dells Studie wenig Zweifel an der Interpretation. Könnten koloniale Strukturen am Ende nicht nur negativ für Entwicklung sein? In einer späteren Studie belegt Dell (gemeinsam mit Benjamin Olken vom MIT in Boston), dass indonesische Dörfer in der Nähe ehemaliger niederländischerZuckerfabriken im 19. Jahrhundert heute wohlhabender sind als Nachbardörfer. Auch hier gab es Zwangsarbeit auf den Zuckerplantagen und in den Fabriken. Die negativen Effekte dürften allerdings durch die verbesserte Infrastruktur mehr als ausgeglichen worden sein. Niederländische Kolonialherren investierten massiv in den Straßenausbau, um Zuckerproduktion mit Anbauflächen und Exporthäfen zu verbinden.

Positive Auswirkungen?

Die Annahme, dass sich Kolonialherrschaft positiv auf die spätere Entwicklung eines Landes auswirken kann, ist durchaus beachtenswert. Als Österreicher müssen wir gar nicht so weit in die Ferne blicken. In den letzten Jahren haben eine Reihe von Studien untersucht, ob die Verwaltung des Habsburgerreichs in Osteuropa längerfristige ökonomische Effekte hatte. Sascha Becker von der Monash University in Australien untersuchte mit einer Gruppe von Kollegen das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Verwaltung in einem 200 Kilometer breiten Gürtel diesseits und jenseits der ehemaligen Habsburgergrenze, die heute quer durch Polen, die Ukraine, Rumänien, Serbien und Montenegro verläuft.

Einwohner dieser Staaten, die heute innerhalb der Grenzen des ehemaligen Habsburgerreichs leben, geben in Befragungen an, dass sie mehr Vertrauen in die Polizei und in Gerichte haben als Landsleute außerhalb der ehemaligen Habsburgergrenze. Auch die Bereitschaft, Bestechungsgelder zu zahlen, ist auf dem Territorium des ehemaligen Habsburgerreichs geringer als in der Vergleichsgruppe.

Karte des Untersuchungsgebiets. 

Eine Studie von Pauline Grosjean (University of New South Wales, ebenfalls in Australien) untersucht in derselben Region (Osteuropa und Balkan), inwieweit die Zugehörigkeit zu einem der ehemaligen langlebigen Staatengebiete (Habsburg, Osmanisches Reich und Russisches Reich) das Grundvertrauen der heutigen Bevölkerung in ihre Landsleute beeinflusst.

Das interessante Ergebnis: Die Frage "Finden Sie, dass man generell anderen Leuten trauen kann oder dass man nicht zu vorsichtig im Umgang mit anderen Leuten sein kann?" wird innerhalb der heutigen Staatsgrenzen signifikant unterschiedlich beantwortet. Doch innerhalb der ehemaligen Grenzen der vier großen Reiche geben die Bewohner dieselben Antworten. Zugehörigkeit zu weniger langlebigen oder noch nicht so lange existierenden Staatensystemen wie der UdSSR, der EU oder den neuen Staaten auf dem Balkan beeinflusst die Antwort nicht.
 
Die kulturelle Zugehörigkeit (abgebildet durch das Geben derselben Antwort auf eine Frage zum allgemeinen Grundvertrauen) wird also vom jahrhundertelangen Zusammenleben mehr beinflusst als von neu gezogenen Staatsgrenzen. Ob zum Guten oder zum Schlechten –politische und ökonomische Systeme aus der Vergangenheit beeinflussen Wohlstand und kulturelle Zusammengehörigkeit noch Jahrhunderte später. 


Nota. - Bei flachem Denken hilft auch die akribischste Empirie nichts. Der Vergleich von Silberminen und Haciendas in Peru bewiese mal dies und mal das? Er beweist, dass die Silberminen in merkantilistisch-abso-lutistischem Geist lediglich ausgebeutet worden sind, bis sie erschöpft waren - aber was anderes gab es dort nicht. Die Haciendas gab es dagegen noch immer.

Und die Holländer in Indonesien? Die haben dort Zuckerplantagen und zugleich weiterverarbeitende Industrien gegründet. Das waren kapitalistische Investitionen in eine Produktion für den Weltmarkt. So sehr dort die Arbeitskräfte ausgebeutet wurden (keine Naturvorkommen!), ist doch eine Infrastruktur entwickelt worden, die bis heute der ökonomischen Entwicklung dient.

Und wie ist es mit den osteuropäischen Provinzen, die zur k.u.k.-Monarchie gehörten, im Vergleich mit jenen, die in Russland oder im osmanischen Reich lagen? Über das Habsburgerreich ging das fliegende Wort, es sei ein orientalische Despotie, gemildert durch Schlamperei. Orientalische Despotien waren Russland und das Osmanenreich. Unterschied sich Österreich-Ungarn von ihnen nur durch Schlamperei?

Der Habsburger Monarch war kein orientalischer Selbstherrscher, sondern Moderator zwischen vielen ethnischen Aristokratien (und später einer Wiener Bourgeoisie) über einem uferlosen Beamtenapparat. Dessen sprichwörtliche Schlamperei milderte sowohl die Überreste des Absolutismus als auch den in den westlichen Reichsteilen wenigstens schlecht und recht herrschenden Rechtsstaat.  

Vor allem aber hatten auch in den habsburgischen Provinzen Osteuropas auf dem Lande seit dem Mittelalter feudale Verhältnisse geherrscht, die immerhin auf Treueverhältnissen beruhten (die immer wieder gebrochen wurden, was aber immer wieder auch Skandal machte). Doch selbst im Vergleich dazu vertrat die habsburgische Bürokratie immerhin ein allegemeingüliges Gesetz. 

Jahrhundertelange Herrschaft hinterlässt jahrhundertelang ihr Spuren - wär hätte das gedacht! Aber die Eine diese und die Andere andere. Nämlich je nachdem, welcher Art die Herrschaft war - eine bloß raubende und plündernde oder eine ordnende und aufbauende? Die im Artikel referierten Forschungsergebnisse bestätigen, was der gesunde Menschenverstand schon ahnte. Das ist ja auch schon bissel was.

PS. Ist auch schon bissel was? Das ist gar nicht sarkastisch gemeint. Historische Forschung will zuerst einmal herausfinden. 'was gewesen ist'. Ob es die Eingangsannahmen bestätigt oder widerlegt, ist wissenschaftlich ohne Belang. Aber nicht für die Bedingungen, unter denen Wissenschaft heute betrieben werden. Die erforderlichen Gelder macht man eher locker, wenn man was Besonderes herauszufinden verspricht - etwas, das nicht erwartet wurde. Wenn dann das herauskommt, was jeder ahnte, muss man es trotzdem wie eine Sensation darstellen. Die Forschung selbst braucht das nicht zu beeinträchtigen? Auf die Dauer wird's das aber.
JE





Mittwoch, 27. Mai 2020

Das wird keine Schuldenunion.

aus derStandard, Wien, 26. Mai 2020 

Kein Weg in die "Schuldenunion"
Österreich ist als kleine Volkswirtschaft von seinen EU-Partnerländern abhängig und profitiert vom Euroraum. Die Position der Regierung ist kurzsichtig
 
Deutschland und Frankreich drängen auf einen EU-Wiederaufbaufonds in Höhe von 500 Milliarden Euro. Damit verstärken sie die Bemühungen um eine koordinierte fiskalpolitische Reaktion der EU auf die Covid-19-Pandemie. Die zusätzlichen Ausgaben sollen durch EU-Anleihen finanziert werden, wobei das Geld über das EU-Budget in Form von Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, an besonders hart getroffene Regionen und Sektoren ausbezahlt werden könnte.

 
Österreichs Regierung lehnt den deutsch-französischen Vorstoß ab. Gemeinsam mit den Niederlanden, Dänemark und Schweden beharrt sie darauf, dass von der EU nur rückzahlbare, eng befristete Kredite und keine Zuschüsse vergeben werden; dazu soll es Umschichtungen von Geldern im EU-Budget geben.
 
Tücke der Kredite
 
Auf europäischer Ebene ist bislang ein Maßnahmenpaket im Umfang von 540 Milliarden Euro beschlossen. Dieses Paket beinhaltet eine neue ESM-Kreditlinie von bis zu 240 Milliarden Euro, die zwar nur an geringfügige Auflagen geknüpft ist, aber auf die Deckung der Gesundheitskosten beschränkt bleibt – was auch die makroökonomische Wirkung stark limitiert, da die Staatsausgaben für Gesundheitskosten in der Gesamtbetrachtung der Krisenkosten keine große Rolle spielen werden. Zusätzlich gibt es ein neues EU-Programm, das den EU-Mitgliedsstaaten zur Unterstützung von Kurzarbeit billige Kredite ohne Auflagen gewährt. 

Weitere zurückzuzahlende Kredite helfen Ländern wie Italien in dieser Krisensituation jedoch nicht weiter, sondern würden die Probleme für die gesamte Eurozone noch verschärfen, sodass auch das österreichische Wirtschaftsmodell nachhaltig gefährdet wäre. 

Denn einige Länder, allen voran Italien, starten bereits mit einem so hohen öffentlichen Schuldenstand in die Corona-Krise, dass sie nicht einfach – wie etwa Deutschland oder Österreich – in großem Umfang weitere Anleihen begeben können. Dies zeigt sich bereits daran, dass die bisherige fiskalpolitische Reaktion auf die Krise in Italien und anderen südlichen Eurozonenländern bislang viel schwächer ausgefallen ist als in Deutschland und Österreich. Eine weiter stark divergierende fiskalpolitische Reaktion der Mitgliedsstaaten würde jedoch eine ungleichmäßige Erholung von der Corona-Krise und eine politische Dynamik zur Folge haben, die bis zum Zusammenbruch des gemeinsamen Währungsraumes führen könnte.

Ein Kampfbegriff

Sebastian Kurz fürchtet bei einer Umsetzung des deutsch-französischen Vorschlags den Weg in eine "Schuldenunion". Er bekämpft mit diesem Kampfbegriff etwas, das so überhaupt nicht von Angela Merkel und Emmanuel Macron gefordert wird. Im Gegenteil: Auch der deutsch-französische Vorschlag ist befristet und würde einem klaren Zweck dienen, nämlich der Bewältigung der Folgeprobleme der Pandemie im europäischen Schulterschluss. 

Wie könnte der deutsch-französische Plan funktionieren? Der Wiederaufbaufonds soll finanziert werden, indem die EU auf den Finanzmärkten Geld aufnimmt. Die Ausgabenobergrenze im EU-Haushalt könnte für die nächsten drei Jahre von derzeit etwa einem auf etwa zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens angehoben werden. Die EU könnte rund 165 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr ausgeben, was sich über drei Jahre hinweg auf 500 Milliarden Euro belaufen würde. Der Fonds würde Ausgaben für die am stärksten betroffenen Regionen und Sektoren bereitstellen. Der deutsch-französische Vorschlag erwähnt dezidiert, dass gerade zukunftsrelevante Investitionen in die Digitalisierung und in einen "grünen" Strukturwandel ebenso gestärkt werden sollen wie Forschung und Entwicklung.

Klarer Zweck

Im Gegensatz zu "normalen" EU-Ausgaben, also den Ausgaben von circa ein Prozent des Bruttonationalein-kommens, würden die zusätzlichen Ausgaben im Rahmen des Wiederaufbaufonds nicht durch jährliche Beiträge der Mitgliedstaaten, sondern durch neue EU-Schulden gedeckt werden: Die Europäische Kommission würde langfristige Anleihen im Namen der EU begeben. Dabei müssten die einzelnen EU-Staaten zwar Garantien auf Basis ihrer EU-Beiträge abgeben. Diese würden jedoch nur die Ausgabe der EU-Anleihen über die bestehende Marge zwischen Ausgabenobergrenze im mehrjährigen EU-Finanzrahmen und jetziger Eigenmittelobergrenze ermöglichen.

Von einer "Schuldenunion" kann keine Rede sein: Die Haftung für die begebenen Anleihen bliebe bei der EU. Es gäbe keine gesamtschuldnerische Haftung einzelner Mitgliedsstaaten, wie dies bei Eurobonds oder Corona-Bonds in Diskussion stand. Die zusätzlichen EU-Ausgaben, die durch die EU-Anleihen finanziert werden, wären befristet und klar zweckbestimmt.

Langfristiges Eigeninteresse

Die aktuelle österreichische Position ist kurzsichtig: Ein Festhalten an zurückzuzahlenden Krediten für den Wiederaufbaufonds würde den Schuldenstand in Italien und anderen Ländern weiter in die Höhe treiben und über die dadurch entstehende Destabilisierung der Finanzmärkte und des Eurosystems auch negativ auf Österreich zurückwirken. Ein zentraler Vorzug des deutsch-französischen Vorschlags besteht darin, dass die vorgesehenen EU-Anleihen die Schuldenstände in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, die von den zusätzlichen EU-Ausgaben profitieren, nicht erhöhen würden. 

Deutschlands exportorientiertes Wachstumsmodell hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark vom gemeinsamen europäischen Währungsraum profitiert. Merkel scheint das nun anzuerkennen; sie hat ihre harte Ablehnung von Zuschüssen aufgegeben. Doch Österreich ist als kleine, offene Volkswirtschaft in hohem Maße von seinen EU-Partnerländern abhängig und profitiert vom Euroraum. Italien ist Österreichs drittwichtigster Exportabnehmer; eine Erholung der italienischen Wirtschaft wäre nicht zuletzt für Österreichs Industrie von großem Interesse. 

Österreich würde nicht einfach solidarisch handeln, wenn es bei der europäischen Lastenteilung seine Blockadehaltung bezüglich Zuschüssen aufgibt, sondern auch seinem langfristigen Eigeninteresse an einem intakten gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum gerecht werden. 
 
Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche und am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft in Linz.


Dienstag, 26. Mai 2020

Coronischer Populismus.


aus FAZ.NET, 26.05.2020

Ramelows Corona-Populismus 
Ramelow wollte den Ost-Laschet geben und ist damit gründlich auf die Nase gefallen. Aber der Unfall zeigt, was auf die Politik noch zukommt. Denn die Thüringer Perspektive werden früher oder später alle Länder haben. 

Ein Kommentar von Jasper von Altenbockum

Was Bodo Ramelow angerichtet hat, nennt man wohl ein Kommunikationsdesaster: Er wollte den Ost-Laschet geben, und das ging gründlich schief: unabgestimmt, undeutlich, widersprüchlich – und am Ende auch noch überflüssig. Denn der Schlussstrich unter den Lockdown, den Ramelow ziehen wollte, entpuppte sich bei nähe-rem Hinsehen dann doch als die Fortsetzung einer Krisenpolitik, nur sollte das Thüringer Pandemie-Glas nicht mehr halbleer, sondern halbvoll sein. Mundschutz, Abstand, eingeschränkter Schulbetrieb, keine Großveran-staltungen – all das soll es auch nach dem 6. Juni in Thüringen geben.

Und auch die Thüringer Gesundheitsämter sollen so arbeiten wie überall in Deutschland: Bei 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen einer Woche müssen sie sich etwas einfallen lassen. Allein das Krisenmanage-ment in Pandemie-Zeiten soll neu überdacht werden, aber das fällt schon unter Schadensbegrenzung einer rot-rot-grünen Regierung, die jetzt weiß, was Angela Merkel unter „Öffnungsdiskussionsorgie“ verstanden hat.

Er habe niemandem gesagt, er solle sich den Mundschutz von der Nase reißen, ereiferte sich Ramelow über die Aufregung, die er verursachte. Was meinte er dann aber damit, dass sich „Verbote“ nunmehr in „Gebote“ ver-wandeln sollten und dass Eigenverantwortung das Gebot der Stunde sei? Sind Gebote nicht einfach die Kehr-seite von Verboten?

Gebote klingen einfach besser als Verbote. Zumal in einem Bundesland, das zwar vor kurzem noch einen Corona-Hotspot aufwies, jetzt aber Neuinfek-tionen mit der Lupe suchen muss. Ramelow und die Linkspartei sehen sich nicht nur als Übergangsregierung. Sie haben Ambitionen, die sich auf die Landtagswahl im kom-menden Jahr richten.

Da macht es sich nicht gut, wenn den Sinn ihrer Politik nur noch eine Minderheit begreifen würde – zumal die Mehrheit der Thüringer Wählerschaft ohnehin zwischen linkem und rechtem Rand irrlichtert. Ist es ein Zufall, dass der linkslibertäre Ramelow uneingeschränktes Lob nur von der rechtslibertär geschminkten AfD erhielt? 

Länder wie das weitgehend verschont gebliebene Thüringen mögen es schwerer haben, Beschränkungen auf lange Sicht aufrechtzuerhalten und als solche auch klar zu benennen. Das wird, je erfolgreicher die Corona-Politik ist, früher oder später aber auf die meisten anderen Bundesländer zutreffen. Die Justiz tut ihr übriges: die Verhältnismäßigkeit kippt in Richtung Lockerung, je weniger Infektionen es gibt. Insofern hat das Ramelow-Desaster dann doch seinen guten Nutzen. Es zeigt, was auf die Politik noch zukommt.

Schon jetzt gilt es deshalb, diejenigen beim Wort zu nehmen, die den Regierungen in Bund und Ländern vor-werfen, schlecht vorbereitet in die Corona-Krise geschlittert zu sein. Politik und Verwaltung, nicht dem Virus, wird deshalb aus dieser Sicht die Schuld am Lockdown und dessen Folgen gegeben. Jetzt machen Regierung und Verwaltung aber genau das: Sie sind gut vorbereitet – durch Prävention und Aufrüstung der Krankenhäuser.

 Weder auf das eine noch auf das andere lässt sich verzichten. Maßstab dafür ist nicht die Zahl der Neuinfek-tionen, sondern der Impfstoff, den es irgendwann einmal geben wird (oder auch nicht). Wer sich bis dahin auf Wortspielereien über Verbote und Gebote einlässt, hat den Ernst der Lage nicht verstanden oder hat anderes im Sinn als Gesundheitsschutz. Man kann es auch Corona-Populismus nennen. 


Nota. - Eine weltweite Seuche ist keine Summe von Einzelursachen, sonden ein systemischer Prozess. Dazu gehört nicht nur, was biologisch im Einzelnen geschieht - aber dies in Masse -, sondern auch das, was die Men-schen dazu meinen; und zwar die einen dies und die andern anderes.  Virologen haben dazu das Ihre beizutra-gen, Epidemiologen einiges Andere; aber Maßnahmen ergreifen müssen Politiker.

Die müssen ihre Maßnahmen so verpacken, dass ihnen gefolgt wird. Gefolgt wird nicht, weil eine Regierung das gernhat, sondern weil es die Seuche bekämpft. Doch die Seuche ist nicht zu bekämpfen durch diese oder jene Einzelmaßnahme, sondern durch eine systemische Gegenwehr. Nämlich eine, die möglichst umfassend befolgt wird, und das betrifft nun wieder die Meinungen, die die Bürger aus guten oder schlechten Gründen haben. Mit den allgemeinen Seuchenvorkehrungen ist es wie mit der Straßenverkehrsordnung: Es kommt nicht darauf an, ob sie im einzelnen klug und richtig ist, sondern darauf, dass es sie gibt.

*

Zu einem systemischen Vorgehen gehört, dass es an der gegebenen Stelle so, an der andern anders spezifiziert wird. Aber auch, dass wegen der Lockerungen beim Nachbarn gleich nebenan hier der Leichtsinn steigt. Da-zwischen müssen Politiker navigieren.

Aber wie die Dinge bei uns nunmal liegen, wollen Politiker, wenn sie ein Amt haben, wiedergewählt werden; und die, die keins haben, eins bekommen. Wenn Regierungen bei uns nicht gewählt werden müssten, wäre das anders, doch gewissenhafter wären sie deshalb noch nicht.  

Wenn sie aber nur dies wollen, läuft es auf dasselbe hinaus.

PS. Das Adjektiv libertär ist zu uns aus Amerika zurückgekehrt: In Europa bezeichnete es ursprünglich die politische Philosophie der Anarchisten. Aber die ist mit dem spanischen Bürgerkrieg untergegangen. Aufer-standen ist sie in den Vereinigten Staaten, als mit F. D. Roosevelt und John Dewey New Liberalism zu einem Namen für das wurde, was man in Europa als Sozialdemokratie bezeichnet. Die alte erzkonservative, aber staatsfeindliche Grundströmung in der amerikanischen Rechten hat das Wort libertär seither für sich gekapert. Dass es in dieser Bedeutung nach Europa zurückkommen  konnte, ist ein weiteres Zeichen für dessen Nieder-gang; rechtslibertär ist eine Missgeburt, und linkslibertär ist der Lutheraner Ramelow ganz gewiss nicht.
JE 


 

Sonntag, 24. Mai 2020

Ein Epochenbruch für Europa?

Elmer Bischoff, 1955 
aus welt.de, 24. 5. 2020

Das Ende der Schaukelpolitik
Die Europäische Union ist von einer Werte- in eine Identitätskrise gerutscht. Doch dann kamen Angela Merkel und Emmanuel Macron. Sie wagen für Europa den Epochenbruch. Was ohne ihren Wiederaufbaufonds mit der EU geschähe, mag man sich nicht vorstellen.


Es gibt nicht nur einen leichtfertigen Optimismus, sondern auch einen leichtfertigen Pessimismus. Vorhandene Chancen nicht wahrnehmen und wahrhaben zu wollen, kann so bedenklich sein wie der Versuch, vorhandene Bedrohungen zu vernebeln. Mit Blick auf Europa leben wir seit Jahren in einem Zustand der oberflächlichen Schwarzseherei. Sie führte bisher unter anderem dazu, dass man die Schwächen der Europäischen Union in einer Weise betrachtete, welche die Sicht auf ihre Stärken nahezu ausschloss.

Fast ist es wie in einer Liebesbeziehung: Im Rausch der ersten Sehnsucht schaut man auf sein Gegenüber wie durch einen Weichzeichner. Man hebt ihn in die höchsten Höhen, traut ihm alles zu, schmiedet tollkühne Pläne. Im Fron des Alltags entdeckt man allmählich die Makel, sieht schließlich nur noch sie, betont, wie sehr sich der eben noch Geliebte verändert habe und ist nicht ehrlich genug einzugestehen, dass man immer nur die eine Hälfte seines Wesens betrachtete, während die andere im Dunkel der eigenen Fantasie blieb. Auswege und Möglichkeiten, die sich noch immer in der Partnerschaft böten, werden ausgeschlossen – solange bis die Beziehung am Ende ist.

Mit der EU ist es ähnlich. Ein vormals gesunder Patriotismus hat sich über die Jahre in eine handfeste nationale Selbstsucht verwandelt. Zwischen den europäischen Staaten herrscht ein innerer Kalter Krieg. In diesem Zu-stand redet man kurz und flüchtig über das, was Europa bringt, um dann in einem langgezogenen „Aber“ zum Kümmelspalter, Pfennigfuchser und Geizdrachen zu werden. Auch aus diesem Grund ist die EU von einer Bedeutungs- in eine Wertekrise geraten und von dort in eine Identitätskrise gerutscht. Diese wird allmählich existenzbedrohend.

Der leichtfertige Pessimismus führt dazu, dass man die EU irgendwie abgeschrieben hat und nicht wahrnehmen will, dass die schwere Krise, in die sie ein Virus gestürzt hat, der letzte Infekt sein könnte, der ihr Ende einleitet. Man mache sich keine Illusion: Nicht wenige Deutsche und Europäer wünschen sich eine Rückkehr zur Euro-päischen Wirtschaftsgemeinschaft. Doch sie wird nicht kommen! Auch hier mag das Beispiel einer verronnenen Liebe helfen: Auf der Lava erloschener Gefühle lässt sich kein Gemüsegarten pflanzen.

Noch ist nicht klar, ob die Folgen der Pandemie das vom Brexit geschwächte, durch die Finanzkrise ausgezehrte und durch Flüchtlingsdramen gebeutelte Europa nur in eine schwere Rezession stürzen werden oder in eine tiefe Depression mit Staatsbankrotten und der Wiederkehr der Horde als politische Größe, so wie wir sie aus der Zwischenkriegszeit kennen. Eindeutig aber ist: Straucheln Spanien, Frankreich oder/und Italien, ist nicht nur die EU tot, sondern auch Deutschland in einem Zustand des wirtschaftlichen und politischen Chaos, das man bisher allenfalls aus den Geschichtsbüchern kannte; von der Verarmung breiter Teile des Mittelstands zu schweigen.

Man muss nicht ins tatsächlich ermüdende Tremolo der Berufseuropäer verfallen, man braucht auch nicht die Vereinigten Staaten von Europa zu beschwören, die nach einem „Hamilton-Effekt“ am rot-goldenen Horizont auszumachen seien (Olaf Scholz). Es genügt, knallhart auf die eigenen Interessen zu verweisen. Die Export-nation Deutschland braucht europäische Handelspartner, die ihr gewogen sind. Sie kann nicht zurück in eine Mittellage zwischen Ost und West, die zur Schaukelpolitik zwingt. Sie darf nicht in einen Zustand geraten, in der missgünstige und rachsüchtige Nachbarn das Land beständig zu isolieren trachten. Nicht nur, aber auch aus diesem Grund ist es klug, den leichtfertigen Pessimismus zu überwinden, die derzeitigen Gefahren klar zu bewerten und die Chancen zu ergreifen, die sich aus der gegenwärtigen Lage ergeben.

Konkret: Emmanuel Macrons und Angela Merkels Vorstoß, der Europäischen Union einen Wiederaufbaufonds im Wert von einer halben Billion Euro vorzuschlagen, ist ein Gebot der Stunde. Er kann die Regionen stützen, die genauso unverschuldet in die Krise gerieten wie die Lufthansa. Diese sei systemrelevant und deshalb zu retten, heißt es zu Recht. Gegen den Untergang der EU aber nähme sich das Ende der deutschen Fluggesell-schaft wie der Tod einer Bakterie im Kot der Großstadt aus. Der Wiederaufbaufonds, so er kommt, wird der EU neue Kraft und vor allem Selbstvertrauen verleihen. Wie seinerzeit die Montanunion mag in ihm der Keim einer künftigen Fiskalunion mit einer einheitlichen europäischen Finanzpolitik stecken, entscheidend aber ist heute vor allem eines: Er hilft dem dahinsiechenden Kontinent und führt trotzdem nicht zur Vergemeinschaftung der Schulden.

Gehen Merkels und Macrons Plan auf, würde die Europäische Kommission die 500 Millionen Euro streng an bestimmte Vorhaben binden und auf diese Weise verhindern, dass das Geld im Nirvana überschuldeter nationaler Haushalte verschwindet. Der Fonds soll auf dem Haushalt der EU 2021 bis 2027 aufsetzen und an dessen Programme anknüpfen. Mit den in Deutschland zu Recht missliebigen Eurobonds hätte er in soviel zu tun wie Florenz mit Marzahn.

Helmut Kohl band feinfühlig die kleinen EU-Länder ein

Man kann nur hoffen, Berlin und Paris werden auf der Suche nach europäischen Bündnispartnern für das Vorhaben nicht den Fehler begehen, der sich seit dem Ende der Ära Helmut Kohl auch in die deutsche Politik eingeschlichen hat. Achtete der Kanzler der Einheit stets feinfühlig darauf, besonders die kleinen Nachbarn miteinzubinden, neigen Franzosen und Deutsche seit geraumer Zeit dazu, Europa als einen Zug zu betrachten, an den die osteuropäischen Waggons nur herangehängt wurden, ohne die Möglichkeit zu besitzen, das Reiseziel zu bestimmen oder zu bremsen. Der deutsche Alleingang in der Flüchtlingskrise mag als Hinweis an dieser Stelle genügen.

Wer einen Wiederaufbaufonds dieses Umfanges aufsetzen will, der wird um eine Änderung des europäischen Vertragswerk wohl kaum herumkommen. Diese aber bedarf der Einstimmigkeit der Mitglieder. Sie wird nur in mühseligen Verhandlungen und mit zahlreichen Kompromissen zu erreichen sein. Die Arbeit lohnt, wer bedenkt, was auf dem Spiel steht. Geht Europa durch die Folgen der Pandemie unter, ist es unser aller Schuld. Europa kann an nichts anderem zugrunde gehen als an sich selbst.


Nota. -  Merkels Zielgenauigkeit während der Flüchtlingskrise ist die Voraussetzung dafür, dass sie in Sachen Wiederaufbaufonds heute das Vertrauen der andern Europäer beanspruchen darf und dass der eitle Macron sein Gesicht wahrt, wenn er sich von ihr ins Schlepptau nehmen lässt. Denn dass der Fonds vor allem Deutschland eine Menge Geld kosten wird, ist jklar. Und dass Frankreich zu den Nutznießern zählen wird, nicht minder.
JE



Donnerstag, 21. Mai 2020

Waffen und Menschwerdung.

Ein 300.000 Jahre alter Wurfstock, aufgenommen bei seinem Fundort in Schöningen (Niedersachsen)
aus welt.de, 20. 4. 2020                Ein 300.000 Jahre alter Wurfstock, aufgenommen bei seinem Fundort in Schöningen (Niedersachsen)

Steinzeitjäger verfügten über ganzes Arsenal tödlicher Waffen
Das Rätsel eines Holzfundes aus dem Braunkohletagebau bei Schöningen ist offenbar gelöst: Der Stock diente Frühmenschen als Jagdgerät. Er belegt, dass Homo heidelbergensis ein geschickter Konstrukteur effektiver Fernwaffen war.


Die Jagd gehörte offenbar zu den wesentlichen Motoren der menschlichen Evolution. Die Organisation von Jagdgemeinschaften, das Nachstellen wehrhafter Tiere und das Aufbereiten und Konservieren von Fleisch förderten physische und psychische Intelligenz und Kommunikation. Mit der tierischen Nahrung wiederum gewann Homo eine energiereiche Ressource, die nicht zuletzt sein Gehirn wachsen ließ.

Welche Fertigkeiten Menschen bereits vor 300.000 Jahren erlangt hatten, zeigt ein Fund, der bereits 2016 im Braunkohletagebau Schöningen (Niedersachsen) gemacht wurde. Es handelt sich um ein Fichtenholz mit einer Länge von 64,5 Zentimetern, in der Mitte hat es einen Durchmesser von 2,9 Zentimetern und wiegt 264 Gramm. Wissenschaftler vom Senckenberg-Zentrum für menschliche Evolution und Paläoumwelt der Universität Tübingen und der Universität Liège (Belgien) haben darin ein Wurfholz erkannt, mit dem frühe Menschen Großwild wie Pferde trieben oder auf Vogeljagd gingen. Ihre Analyse stellen die Teams jetzt im Fachmagazin „Nature Ecology & Evolution“ vor.

ARCHIV - Blick am 15.06.2016 auf die Ausgrabungsstätte in Schöningen im Landkreis Helmstedt (Niedersachsen) (Luftaufnahme mit Drohne). Rund um den Fundort der Schöninger Speere am Forschungs- und Erlebniszentrum Paläon graben Archäologen noch immer nach neuen Fundstücken. Foto: Julian Stratenschulte/dpa (zu dpa "Ausgrabungstätte am Paläon bietet erstmals regelmäßige Führungen an" vom 19.07.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit Blick am 15.06.2016 auf die Ausgrabungsstätte in Schöningen im Landkreis Helmstedt (Niedersachsen) (Luftaufnahme mit Drohne). Rund um den Fundort der Schöninger Speere am Forschungs- und Erlebniszentrum Paläon graben Archäologen noch immer nach neuen Fundstücken.

Das Wurfholz gehört in ein ganzes Arsenal von Waffen, mit dem die Menschen der Altsteinzeit auf die Jagd gingen. Im gleichen Fundzusammenhang kamen seit den 1990er-Jahren bereits mehrere Speere und eine Lanze aus Fichten- und Kiefernholz ans Licht. Dass das Wurfholz wie diese nahezu vollständig erhalten ist, macht den Fund zu einer Sensation.


Die Schöninger Waffen werden dem Homo heidelbergensis zugerechnet, einer späten Entwicklungsstufe des Homo erectus. Die Trennlinie zwischen zum frühen Neandertaler (Homo neanderthalensis) ist allerdings fließend, sodass Forscher oft einfach von Waffen des Neandertalers sprechen. Nach Ansicht des Urgeschichtlers Nicholas Conard von der Universität Tübingen haben die Jäger die Waffen kombiniert eingesetzt: „Jetzt erst haben wir eindeutige Belege dafür.“

Eine Seite des Wurfstocks ist leicht gebogen, die andere relativ flach. „Die Einschlagspuren im mittleren Bereich können wir mit australischen und tasmanischen Wurfhölzern vergleichen. Das verrät uns erstmals auch, wozu das Gerät genutzt worden ist“, sagt Conard.

ARCHIV - 10.12.2015, Niedersachsen, Schöningen: Die Schöninger Speere - die ältesten vollständig erhaltenen Holzwaffen der Menschheit - werden im Forschungs- und Erlebniszentrums Paläon ausgestellt. Schon in der Planungsphase gab es Kritik am Bau eines Erlebniszentrums am Fundort der Speere in der Provinz. Wie geht es mit dem Paläon weiter? Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweitDie Schöninger Speere - die ältesten vollständig erhaltenen Holzwaffen der Menschheit - werden im Forschungs- und Erlebniszentrums Paläon ausgestellt.

Anders als ein Bumerang kehrten die Wurfstöcke aber nicht zum Werfer zurück, sondern bewegten sich in gerader Richtung, erklärt Conards Kollege und Grabungsleiter Jordi Serangeli. „Sie sind effektive Waffen über verschiedene Entfernungen, unter anderem bei der Jagd auf Wasservögel.“ Das belegten auch Knochen von Schwänen und Enten aus derselben Fundschicht.

Nach Einschätzung Conards könnten mit solchen Stöcken zudem größere Säugetiere wie Pferde aufgeschreckt und in eine bestimmte Richtung getrieben worden sein. Die Funde und die Analyse verändern nach seiner Ansicht das Bild des Eiszeitmenschen. Viele Forscher gingen bislang davon aus, dass der Homo heidelbergensis meist von der Hand in den Mund lebte. „Aber sie waren stets Herr der Lage, sie haben eigentlich immer genau gewusst, was sie machen“, ist Conard überzeugt. Mit komplexen Waffen wie Speeren und Stöcken seien sie sehr wahrscheinlich „an der Spitze der Nahrungskette gewesen“.

Wurfstöcke sind keine unbekannten Jagdwaffen. Sogenannte Rabbit Sticks oder Killing Sticks wurden auch in Nordamerika, Afrika und Australien genutzt. Die Waffen erreichten Entfernungen zwischen fünf und mehr als 100 Metern, wie Gerlinde Bigga von der Universität Tübingen erklärt. Sie hat die Anatomie des Holzwerkzeugs analysiert.

Neandertaler bei der Jagd auf ein Mammut (Rekonstruktion)
Schöninger Speere
Zuletzt hatten die bislang neun gefundenen Speere aus Schöningen für Aufsehen gesorgt. Forscher hatten damals herausgefunden, dass wohl schon der Neandertaler in der Lage gewesen ist, Beute auf große Distanz zu erlegen. Bei Versuchen mit exakten Repliken der Speere kamen Experten des University College London zu dem Ergebnis, dass trainierte Sportler mit den Waffen Ziele bis auf eine Entfernung von 20 Metern genau treffen – und das mit einer Wucht, die ein Beutetier getötet hätte.

Zuvor war man vielfach davon ausgegangen, dass der Neandertaler, ein ausgestorbener Verwandter des modernen Menschen, seine Waffen nur in einem begrenzten Radius einsetzen konnte: indem er etwa seiner Beute einen tödlichen Stoß versetzte oder seinen Speer auf kurze Distanz warf.mit dpa


Die Eiszeitjäger setzen den Wurfstock möglicherweise zur Jagd auf Wasservögel ein. aus spektrum.de, 20.04.2020

Eiszeitmenschen erlegten Wasservögel mit Wurfstöcken
Ein Wurfholz aus Niedersachsen ist eine der ältesten bekannten und vollständig erhaltenen Jagdwaffen. Es erzählt von Eiszeitmenschen, die geschickt und zielsicher jagten.

Eiszeitmenschen sind wohl geschickte Jäger gewesen. Bei ihren Beutezügen griffen sie nach Überzeugung von Tübinger Forschern auf ein umfangreiches Arsenal von Holzwaffen zurück. Neben Speeren und Lanzen nutzten sie demnach Wurfstöcke, vor allem um Wasservögel zu erlegen oder Pferde vor sich herzutreiben. Das belege ein rund 300 000 Jahre alter, geschnitzter Stock aus der Altsteinzeit, der vor vier Jahren bei Ausgrabungen im Braunkohletagebau Schöningen in Niedersachsen gefunden wurde. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin »Nature Ecology & Evolution«.

Neben den Schöninger Speeren aus Fichten- und Kiefernholz sowie einer Stoßlanze gehört ein 2016 gefundenes Wurfholz zu den ältesten bekannten vollständig erhaltenen Jagdwaffen der Welt. Es wird dem Homo heidelbergensis zugerechnet. Die Trennlinie zum frühen Neandertaler ist allerdings fließend, so dass Forscher oft einfach von Waffen des Neandertalers sprechen. Nach Ansicht von Nicholas Conard von der Universität Tübingen haben die Jäger die Waffen kombiniert eingesetzt. »Jetzt erst haben wir eindeutige Belege dafür«, sagt er.

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Der Wurfstock aus dem Jahr 2016 stammt aus einer Fundschicht, aus der in den 1990er Jahren immer wieder sehr gut erhaltene Wurfspeere und eine Stoßlanze ausgegraben wurden. Das Stück aus Fichtenholz ist 64,5 Zentimeter lang, hat in der Mitte einen Durchmesser von 2,9 Zentimetern und wiegt 264 Gramm. Eine Seite ist leicht gebogen, die andere relativ flach. »Die Einschlagspuren im mittleren Bereich können wir mit australischen und tasmanischen Wurfhölzern vergleichen. Das verrät uns erstmals auch, wozu das Gerät genutzt worden ist«, sagt Conard.

Anders als ein Bumerang kehrten die Wurfstöcke aber nicht zum Werfer zurück, sondern bewegten sich in gerader Richtung, erklärt Grabungsleiter Jordi Serangeli. »Sie sind effektive Waffen über verschiedene Entfernungen, unter anderem bei der Jagd auf Wasservögel.« Das belegten auch Knochen von Schwänen und Enten aus derselben Fundschicht.

Homo heidelbergensis war wahrscheinlich »an der Spitze der Nahrungskette«

Nach Einschätzung Conards könnten mit solchen Stöcken zudem größere Säugetiere wie Pferde aufgeschreckt und in eine bestimmte Richtung getrieben worden sein. Die Funde und die Analyse verändern nach seiner Ansicht das Bild des Eiszeitmenschen. Viele Forscher gingen bislang davon aus, dass der Homo heidelbergensis meist von der Hand in den Mund lebte. »Aber sie waren stets Herr der Lage, sie haben eigentlich immer genau gewusst, was sie machen«, sagt Conard. Mit komplexen Waffen wie Speeren und Stöcken seien sie sehr wahrscheinlich »an der Spitze der Nahrungskette gewesen«.

Wurfstöcke sind keine unbekannten Jagdwaffen. So genannte »rabbit sticks« oder »killing sticks« wurden auch in Nordamerika, Afrika und Australien genutzt. Die Waffen erreichten Entfernungen zwischen 5 und mehr als 100 Metern, wie Gerlinde Bigga von der Universität Tübingen erklärt. Sie hat die Beschaffenheit des Holzwerkzeugs analysiert.

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Zuletzt hatten die bislang neun gefundenen Speere aus Schöningen für Aufsehen gesorgt. Forscher hatten damals herausgefunden, dass wohl schon der Neandertaler in der Lage gewesen ist, Beute auf große Distanz zu erlegen. Bei Versuchen mit exakten Replikaten der Speere kamen Experten des University College London zu dem Ergebnis, dass trainierte Sportler mit den Waffen Ziele bis auf eine Entfernung von 20 Metern treffen – mit einer Wucht, die ein Beutetier getötet hätte.

Zuvor war man vielfach davon ausgegangen, dass der Neandertaler (Homo neanderthalensis), ein ausgestorbener Verwandter des modernen Menschen, seine Waffen nur in einem begrenzten Radius einsetzen konnte: indem er etwa seiner Beute einen tödlichen Stoß versetzte oder seinen Speer auf kurze Distanz warf. (dpa/asw)

 

Dienstag, 19. Mai 2020

Die ersten amerikanischen Ureinwohner kamen direkt aus Afrika.

aus FAZ.NET, 3.02.2019                                                                                                                                        Ewige Liebe: Der jahrtausendealte Kuss an einer Felswand im Parque Nacional Serra da Capivara zählt zu den Hauptattraktionen des Unesco-Weltkulturerbes.

Der erste Kuss
Nur wenige Touristen interessieren sich für sie – dabei erzählen Tausende Jahre alte Felsmalereien in Brasilien Geschichten von den Anfängen der Menschheit. Im Februar 2019 war unser Autor dort auf Entdeckungstour.

Von Peter-Philipp Schmitt 

Wie man ein Gürteltier erschlägt? Ganz einfach: Einer hält es an seinem Schwanz fest, der andere schlägt mit einem Knüppel drauf. Das ist heute nicht anders als vor Tausenden Jahren, zumindest im heutigen Brasilien, genauer im Südosten des Bundesstaats Piauí. Hier finden sich steinalte Felszeichnungen, auf denen unverkenn-bar die Jagd auf Gürteltiere dargestellt ist. Überhaupt lassen sich viele der oft nur mit wenigen Strichen auf die Sand- oder auch brüchigen Schluffsteinwände hingemalten Tiere selbst vom ungeübten Auge bestimmen: Affen haben aufgerollte Schwänze, Geparden runde Pfoten, der Ameisenbär hat eine spitze Schnauze, der Hirsch ein Geweih.

Die dargestellten Tiere leben fast alle auch noch immer irgendwo hier in diesem riesigen Nationalpark, zeigen sich aber nur selten den menschlichen Besuchern. Anders die Felsenmeerschweinchen, die Mocós, auf die man im Parque Nacional Serra da Capivara überall stößt. Im Gegensatz wiederum zu den Capivaras, den Wasser-schweinen, die ausgestorben zu sein scheinen, obwohl sie dem Park ihren Namen gegeben haben.

Die Felsen im Park sind nicht nur eindeutig von Menschen bemalt worden, die Künstler haben auch ihr dama-liges Alltagsleben an Hunderten Stellen dokumentiert. Da wird gejagt und getanzt, ganze Familienverbände finden sich zusammen, unter ihnen Kinder, Frauen und Männer, die leicht an ihren auch mal erigierten Penissen zu erkennen sind. Andere Szenen lassen sich nicht so einfach deuten. Haben unsere Vorfahren womöglich Bäu-me angebetet? Oder stehen sie neben Bäumen und strecken ihre Arme gen Himmel, wo sie Götter vermuteten? Sex jedenfalls hatte der Mensch damals auch schon, und es gab ihn zwischen Mann und Frau, aber auch eindeu-tig zwischen Mann und Mann. Auch Kinder werden vor den Augen der neugierigen Betrachter geboren. Die schönste Zeichnung des gesamten Parks ist allerdings ein Kuss zwischen zwei geschlechtsneutralen Personen. Es könnte der älteste Kuss der Menschheitsgeschichte sein, auf jeden Fall ist es der älteste, der auf uns gekom-men ist.


Eine Sensation

Das Alter der Zeichnungen aber wirft bis heute Fragen auf, die sich nicht so einfach klären lassen. Die Malereien bestehen nämlich aus einem Farbton, der sich zeitlich schwer zuordnen lässt, da in ihm keine organischen Spuren vorhanden sind. Allerdings hat man, wie Mauro Lima, einer der vom Park anerkannten Führer, auf der Besichtigungstour erzählt, eine Zeichnung gefunden, die in einer Erdschicht verborgen lag, die 30.000 Jahre alt ist.

Bei der Jagd: Bis heute werden Gürteltiere mit einem Knüppel erlegt. 

Zudem gibt es andere Zeugnisse, die Menschen hinterlassen haben, etwa Reste von Feuerstellen. Und die Holzkohle ist, wie die Radiokarbonmethode unzweifelhaft ergab, bis zu 60.000 Jahre alt. Tatsächlich fand man Holzkohlereste sogar in noch tieferen und noch einmal 40.000 Jahre älteren Erdschichten. Bezweifelt aber wird von manchen Wissenschaftlern, ob die Feuer menschengemacht waren. Sie könnten ja auch durch einen Blitz ausgelöst worden sein, lautet ihr Gegenargument. Buschbrände aber breiten sich gewöhnlich aus und bleiben nicht an einer einzigen Stelle, wird dem wiederum entgegengesetzt.

Schließlich bleiben noch einige Dutzend Steinwerkzeuge, die unterhalb einer Felswand gefunden wurden. Diese lagen wiederum in einer Erdschicht, die laut Thermolumineszenz-Datierung vor 30.000 Jahren letztmals dem Licht ausgesetzt war. Die Untersuchung von Forschern der Universität Bordeaux, nur wenige Monate alt, gilt als „unanfechtbar“.

Die Erkenntnis darf man noch immer als Sensation bezeichnen. Denn über Jahrzehnte wurde die Erstbesiedlung des amerikanischen Kontinents, Nord wie Süd, auf das Ende der letzten Eiszeit datiert. Demnach sollen vor gut 15.000 Jahren Menschen erstmals amerikanischen Boden betreten haben, und zwar ganz im Norden über die sogenannte Beringbrücke. Einige tausend Jahre später seien ihre Nachfahren bis an den Südzipfel des Kontinents vorgedrungen. Belege dafür, Speerspitzen aus Feuerstein, fand man in den dreißiger Jahren im Ort Clovis im amerikanischen Bundesstaat New Mexico. Daraus wurde die Clovis-First-Theorie, an der vor allem nordamerikanische Forscher lange unverrückbar festhielten.

Ein Mensch allein kann die Zeichnungen nicht gemalt haben

Dabei waren die Felszeichnungen in Brasilien schon lange bekannt. Doch niemand interessierte sich wirklich für sie – was ihnen zugute kam. Erst Niède Guidon erkannte ihre Bedeutung und wurde dafür jahrelang angefeindet. Die brasilianische Naturwissenschaftlerin, Jahrgang 1933, stieß erstmals 1963 auf Fotos der ungewöhnlichen Malereien. Seither kommt sie von ihnen nicht mehr los. Zunächst wurde sie aber von der damaligen Militärdiktatur außer Landes gedrängt. Guidon ging nach Frankreich an die Sorbonne in Paris und kehrte in den siebziger Jahren mit französischen Forschern nach Brasilien zurück, um sich fortan ganz den Felsmalereien im unwegsamen Landesinneren zu widmen.

Schon wenig später, im Jahr 1979, setzte sie durch, dass ein 129.140 Hektar großer Nationalpark eingerichtet wurde, zum Schutz der immer zahlreicher werdenden archäologischen Stätten nördlich der kleinen Stadt São Raimundo Nonato. Die „Frau Doktor“, wie sie allgemein in der Gegend genannt wird, nahm es dabei in Kauf, dass sie es sich mit jedem verscherzte, der für ihr Forschungsprojekt nicht genügend Verständnis aufbrachte. Zu ihren Gegnern zählen besonders die 54 Familien, die von ihrem angestammten Besitz im Park vertrieben wurden und bis heute dagegen prozessieren.

  Übermalt: Zeichnungen aus verschiedenen Zeiten und in unterschiedlicher Qualität überlagern sich.

Als Niède Guidon dann 1986 in der Fachzeitschrift „Nature“ ihre Erkenntnisse international veröffentlichte, brach ein Sturm der Entrüstung los. Noch 30 Jahre später bezeichneten Clovis-First-Anhänger die Kritzeleien als stümperhafte Fälschungen, die wahrscheinlich von der Brasilianerin mit französischen Wurzeln selbst stammten – aus reiner Ruhmessucht. Dabei hatte sogar die Unesco den Park schon 1991 zum Weltkulturerbe erklärt.

 Ein Mensch allein kann die Vielzahl von Zeichnungen – es sind bislang etwa 30.000 Werke an 400 verschiedenen Stellen – nicht gemalt haben. Und noch immer werden neue entdeckt. Inzwischen weiß man, dass sie auch aus ganz verschiedenen Zeiten stammen. Die ältesten sind an die 30.000 Jahre alt, die jüngsten werden auf 4000 vor Christus datiert. An vielen Stellen wurden ältere Bilder übermalt, Zeichnungen von unterschiedlichster Qualität und Farbe überlagern sich. > Dass sie bis heute überdauert haben, ist ein Wunder

Drei Arten von Malereien werden unterschieden. Am häufigsten finden sich Szenen, die eine Geschichte erzählen. Menschen gehen auf die Jagd, tanzen in langen Reihen über die Felswände oder sammeln sich in Gruppen um ein Lagerfeuer. Diese narrativen Zeichnungen sind für die Wissenschaft von besonderem Wert, auch wenn sich nicht alles deuten lässt. Und sie zeugen von großem künstlerischem Geschick, einem Gefühl für Proportionen und Perspektive. Weniger Kunstfertigkeit war nötig, um einen Frosch, einen Fisch, eine Schlange oder auch nur die Umrisse einer Person auf den Felsen zu übertragen. Diese Art der Malerei findet sich überwiegend im Nordosten des Parks. Die letzte Gattung umfasst Zeichnungen, die vereinzelt auftauchen und nicht näher bestimmt werden können, auch wenn sie manchmal durchaus komplex sind. Neben den Malereien gibt es auch in Stein geritzte Symbole und Ornamente, allerdings nur wenige.

Die rote Farbe besteht zum großen Teil aus Eisenoxidpigmenten und wurde mit einer Flüssigkeit vermischt. Die Farbe drang oft tief ein, so dass sich die Zeichnungen trotz Wind, Regen und Sonne erhalten haben. Allerdings hängen die Felsen oft so stark über, dass die Malereien am Fuß vor Erosion geschützt sind.

Dass sie bis heute überdauert haben, ist dennoch ein Wunder. Es liegt vor allem daran, dass das Klima seit etwa 10.000 Jahren im Landesinneren immer trockener wurde. So entstand die Caatinga, wie die Landschaft des Sertão im nordöstlichen Teil Brasiliens genannt wird. Die Ureinwohner glaubten zudem, sagt Mauro Lima, dass auf den Zeichnungen ein Fluch läge. „Sie machten einen großen Bogen um sie.“ Und dass es hier Eisenerz zu holen gab, war auch lange nicht bekannt, sonst hätte der Tagebau die Felsen wahrscheinlich längst platt gemacht.
Beim Tanz: Viele der Malereien zeigen Rituale, die sich nicht einfach deuten lassen.

Die größte Gefahr für das Weltkulturerbe sind zur Zeit noch die bis zu 30 Zentimeter großen Meerschweinchen, die bis in die höchsten Felsen klettern können. Die Mocós pinkeln und kacken alles voll, ihre Exkremente laufen auch über die Felsmalereien.

Was ausbleibt, sind Touristen. Dabei wurde eigens ein Flughafen für zwei Millionen Passagiere für den Nationalpark gebaut. Eine Bauruine. Auch ein zweites Museum wurde im Dezember eröffnet. Im vergangenen Jahr kamen allerdings nicht einmal 20.000 Besucher in den Park, um die Malereien zu sehen. Für Niède Guidon ist das eine bittere Enttäuschung. Die Fünfundachtzigjährige scheint überhaupt etwas müde geworden zu sein. Angeblich will sie Brasilien und ihrem Lebenswerk noch dieses Jahr den Rücken kehren und nach Frankreich ziehen.

Bleibt noch zu klären, wie vor 100.000 Jahren die ersten Menschen nach Amerika kamen. Mit Schiffen, so die Theorie. Von der Wiege der Menschheit brach der Homo sapiens irgendwann zu Beginn der letzten großen Eiszeit auf, weil es in Afrika eine Dürre gab. Europa lag damals unter einer dicken Eisschicht, was bedeutete, dass sich die Meeresoberfläche des Atlantiks 140 Meter unter dem heutigen Niveau befand. Auf ihrem verkürzten Weg über den Ozean trafen sie auf Inseln, die längst wieder versunken sind. Schließlich erreichten sie den Norden des heutigen Brasiliens und folgten von dort den großen Flüssen ins Landesinnere, bis sie zu den Felsen kamen, die heute Teil des Nationalparks Serra da Capivara sind. 


Nota. - Das stehts ganz lapidar und ganz zum Schluss: Die ersten Menschen kamen, kaum dass Homo sapiens auf der Welt erschienen war, direkt aus Afrika nach Amerika - früher als nach Europa! Wäre die Nachricht an einem 1. April gedruckt worden, würde ich sie nicht bringen. Aber ob Sie und ich sie getrost nach Hause tragen können, bin ich auch so nicht ganz sicher...
JE