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Donnerstag, 6. Januar 2022

Ein historisches Datum.


aus derStandard.at, 6. 1. 2022

Kongress-Nachforschungen
Die USA schrammten am 6. Jänner 2021 knapper am Kollaps vorbei als bisher bekannt
Ein Jahr nachdem das US-Kapitol von Trump-Anhängern gestürmt worden ist, bleiben für die Untersuchungskommission noch viele Fragen offen – auch die Schuldfrage Donald Trumps

"Hau ab!", faucht Liz Cheney ihren republikanischen Parteikollegen Jim Jordan an und schlägt seine helfende Hand zur Seite: "You fucking did this!" – "Du hast das angerichtet!". Es ist der 6. Jänner 2021, kurz nach 14 Uhr, als die Sicherheitskräfte des US-Kapitols in die laufende Parlamentssitzung zur Präsidentschaftswahl platzen. Ein wütender Mob von Trump-Anhängern hat das Gebäude gestürmt.

Die Sicherheitskräfte verteidigen mit gezogener Pistole den Eingang zum Plenarsaal, während die Abgeordneten angewiesen werden, sich die unter den Sitzen befindlichen Gasmasken überzuziehen. Panik bricht aus. Der Vizepräsident samt Familie wird unter Geleitschutz in einen Sicherheitsraum eskortiert. Abgeordnete laufen um ihr Leben, verschanzen sich mit ihren Mitarbeitern in den Büros. Fünf Menschen kommen an diesem Tag ums Leben, hunderte werden verletzt.

Beim Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 wurden fünf Menschen getötet.

Dieser 6. Jänner sollte als schwarzer Tag in die amerikanische Geschichte eingehen. Ein Tag, der die USA völlig unvorbereitet traf und drohte, das gesamte Land ins Chaos zu stürzen. Die Vereinigten Staaten von Amerika, diese stolze Nation, die sich im Treueschwur auf die Flagge als "unbesiegbar" bezeichnet und die fernen Ländern gerne mit viel missionarischem Eifer und noch mehr Kriegsgerät Lektionen in Demokratie erteilt; ausgerechnet diese Supermacht wäre um ein Haar Schauplatz eines gewaltsamen Staatsstreichs geworden, angezettelt vom eigenen Präsidenten.

Wie konnte es so weit kommen? Das herauszufinden, ist die Aufgabe eines überparteilichen parlamentarischen Komitees, das seit Monaten dabei ist, ehemalige Mitarbeiter und Vertraute von Donald Trump vorzuladen, notfalls sogar verhaften zu lassen, sollten diese ihre Mitarbeit verweigern.

Mammutaufgabe

Das Gremium, zu dem auch Liz Cheney, die republikanische Abgeordnete aus Wyoming, gehört, steht vor einer Mammutaufgabe. 300 Zeugenaussagen, mehr als 60.000 Seiten an Dokumenten müssen ausgewertet werden. Auch wenn noch viele Fragen offen sind, ergeben die Puzzle-Teile, die bis heute bekannt sind, ein düsteres Bild über die allgemeine Verfassung der USA. Wie zerrissen die Gesellschaft ist und wie schnell selbst die stärksten Pfeiler von Demokratien zum Wanken gebracht werden können, sofern man weiß, welche Knöpfe gedrückt werden müssen.

Die Republikanerin Liz Cheney gehört zur Untersuchungskommission.

Schon lange vor der Wahl, im Frühjahr 2020, begann Donald Trump damit, via Twitter und Facebook Gerüchte von einem möglichen Betrug zu streuen. Je näher der Wahltermin rückte, umso verheerender fielen die Umfragewerte für den Präsidenten aus. Als die Wahl Anfang November verloren ging, kam fünf Tage später in Arlington, am anderen Flussufer von Washington, das Trump-Team zusammen, um über mögliche nächste Schritte zu beraten. Mit darunter auch Stabschef Mark Meadows sowie Kayleigh McEnany, Trumps Pressesprecherin, die noch am selben Tag im Weißen Haus verkündete, diese Wahl sei "noch nicht gelaufen – noch lange nicht".

Behauptungen und Verschwörungsmythen

Es folgten Versuche, die Wahl juristisch anzufechten und für ungültig erklären zu lassen. Dazu wurde von Trumps Gefolgsleuten eine Reihe von wilden Behauptungen und Verschwörungsmythen aufgestellt, die sich vor Gericht allesamt als Unsinn erwiesen. Darunter auch die Legende, das US-Militär hätte in Deutschland Server beschlagnahmt, die im Zusammenhang mit manipulierten Wahlcomputern stünden. Eine andere Theorie, die sich in den sozialen Medien verbreitete, sprach von gefälschten Wahlzetteln, die aus Südkorea eingeflogen worden seien. Noch nicht einmal republikanisch geführte Bundesstaaten wie Arizona oder Georgia konnten nach intensiven Nachforschungen Belege für irgendwelche Unregelmäßigkeiten feststellen. Dutzende Klagen Trumps liefen ins Leere und scheiterten zuletzt sogar vor dem durch Trump persönlich mehrheitlich konservativ besetzten Supreme Court.

Im Dezember wurden die Untersuchungsberichte der eigenen Behörden, darunter auch das FBI, von Trump in Zweifel gezogen. Der Präsident und seine engsten Vertrauten begannen damit, Mitarbeiter aus dem Justizministerium, Gouverneure und einflussreiche Wahlkampfspender anzurufen. Darunter auch ein Telefonat, das seinen Weg in die "Washington Post" fand: "Ich will nur 11.780 Stimmen finden", drängt der US-Präsident den republikanischen Wahlaufseher von Georgia, Brad Raffensperger, in dem Telefonmitschnitt. 19-mal soll Trump Raffensperger zuvor angerufen haben, um die nötigen Stimmen für ihn zu finden. Später reichte der Präsident Klage gegen den Regierungsbeamten ein, weil dieser das Gespräch aufgenommen und veröffentlicht habe.

Anweisung an Mike Pence

Anfang 2021 überschlugen sich die Ereignisse. Am 6. Jänner kamen die Abgeordneten beider Kammern zur Ratifizierung der Präsidentschaftswahl im US-Kapitol zusammen. Für gewöhnlich ein rein formaler Akt, bei dem die Stimmen der Wahlleute verlesen werden, um dann den Wahlsieger auszurufen. Für Trump war es die letzte Möglichkeit, den demokratischen Prozess einer geordneten Amtsübergabe zu stoppen. Aus beschlagnahmten E-Mails und Textnachrichten geht hervor, dass Vizepräsident Mike Pence angewiesen wurde, das Votum einzelner Bundesstaaten aufgrund von "Unregelmäßigkeiten" nicht anzuerkennen. Dadurch hätte sich das Stimmenverhältnis verschoben und Trump hätte, jedenfalls in seiner Vorstellung und in windschiefen Interpretationen der Gesetze, zum Wahlsieger erklärt werden können. Doch dazu kam es nicht mehr. Tausende von Trump angestachelte Demonstranten zogen zu diesem Zeitpunkt bereits vom Weißen Haus in Richtung Kapitol.

Was die persönliche Schuldfrage des Ex-Präsidenten betrifft, liegt auch heute noch, ein Jahr später, vieles im Dunkeln. Hatte Trump persönlich seinen Stabschef Mark Meadows oder den Kongressabgeordneten Jim Jordan dazu aufgefordert, das Gesetz zu brechen? Wieso weigerte sich der Ex-Präsident mehrere Stunden lang, seine Anhänger zurückzurufen, während er das Spektakel vor dem Fernseher verfolgte? Warum hat er nicht sofort die Armee in Bewegung gesetzt, um das Parlamentsgebäude zu verteidigen? Und: Kann der Commander in Chief als oberster Befehlshaber auch für Untätigkeit belangt werden? Hätte Trump die allgemeine Lage über den sogenannten "Insurrection Act" umgekehrt für einen Putsch nutzen können, wenn die Nationalgarde früher zum Einsatz gekommen wäre? Drohte gar ein Bürgerkrieg? Was bisher bekannt ist, legt nahe, dass die USA knapper am Kollaps vorbeischrammten als bisher bekannt.

"Präsident Trump war persönlich an der Planung und Durchführung des 6. Jänner beteiligt und dieser Ausschuss wird dem auf den Grund gehen", hatte Kongressabgeordnete Cheney zum Auftakt der Ermittlungen im letzten Herbst angekündigt. Die Uhr tickt. Sollten die Demokraten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheit im US-Kongress verlieren, wäre das vermutlich auch das Ende der Untersuchungskommission.

Mittwoch, 8. Dezember 2021

Die Zombie-Mitte von gestern.

velux

aus Der Standard, Wien, 8. 12. 2021

Welche Bedeutung hat die politische Mitte noch?
In vielen Ländern gibt es eine Art Zombie-Zentrismus. Dieses Überbleibsel aus der Zeit des Kalten Krieges bietet kaum jemandem mehr eine echte politische Orientierung

US-Präsident Joe Bidens ehrgeiziges Infrastruktur- und Sozialprogramm "Build Back Better" wird von zwei regelmäßig als "Zentristen" bezeichneten demokratischen Senatoren – nämlich Kyrsten Sinema aus Arizona und Joe Manchin aus West Virginia – torpediert und behindert. Zahlreiche Beobachter fragen sich, was diese Zuschreibung als Zentristen im Jahr 2021 eigentlich bedeutet. Nicht nur Zyniker vermuten, dass diese beiden Persönlichkeiten weniger zentristisch als vielmehr egozentrisch agieren und nur vom Imperativ der Wiederwahl geleitet sind.

Nach welchen Kriterien sind Zentristen zu beurteilen? Diese Frage ist nicht nur in den Vereinigten Staaten in den Vordergrund gerückt, sondern auch in Frankreich, wo Präsident Emmanuel Macron – der versprach, in der französischen Politik eine neue Mitte aufzubauen – im nächsten Frühjahr seine Wiederwahl anstrebt. Wie im Falle der beiden US-Senatoren betrachten Kritiker Macrons Zentrismus als Deckmantel eines Politikers, der faktisch nach der Pfeife der Rechten tanzt, weswegen die Bezeichnung "der Präsident der Reichen" gerechtfertigt erscheint.

 

 

Die Frage lautet also nicht mehr, ob die politische Mitte halten kann, sondern ob der Zentrismus in der heutigen Politik überhaupt noch irgendeine Bedeutung hat. Der Begriff war im 20. Jahrhundert überaus sinnvoll, also in einer Zeit, die vielfach als Zeitalter ideologischer Extreme verstanden wurde. Die Zugehörigkeit zur politischen Mitte bedeutete, sich im Kampf gegen antidemokratische Parteien und Bewegungen zu engagieren. Aber schon damals wurde selbsternannten Zentristen oftmals Arglist vorgeworfen. Mit der ihm eigenen Ironie zählte sich der Philosoph Isaiah Berlin, ein Liberaler par excellence, zu den "elenden Zentristen, den verachtenswerten Gemäßigten, den kryptoreaktionären skeptischen Intellektuellen".

Während diese früheren selbsternannten Zentristen von den Verdiensten zehrten, die sie sich im Kampf gegen Faschismus und Stalinismus erworben hatten, ist das Vermächtnis der selbstbewusst gemäßigten Politik inzwischen verblasst. In vielen Ländern besteht heute eine Art Zombie-Zentrismus – ein Überbleibsel aus der Zeit des Kalten Krieges, das seinen Anhängern keine echte politische Orientierung mehr bietet.

Spektakulär gescheitert

Die deutschen Christdemokraten bekamen das kürzlich deutlich zu spüren. Bei den Bundestagswahlen im September scheiterten sie spektakulär mit ihrem Versuch, die politische Mitte gegen eine mögliche Koalition aus Sozialdemokraten und der postkommunistischen Linkspartei für sich zu beanspruchen. Die antikommunistische Kampagne der Christdemokraten, die direkt aus den 1950er-Jahren zu stammen schien, war ganz offensichtlich nicht auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet.

Dennoch bestehen weiterhin zwei Formen des Zentrismus, die sich nicht auf den Zombie-Liberalismus des Kalten Krieges zurückführen lassen. Die eine Form ist prozeduraler Natur: In Systemen mit Gewaltenteilung wie in den USA sind die Politiker gezwungen, sich in der Kunst des Kompromisses zu üben; dies umso mehr in einer Zeit, in der klare Mehrheiten in den Parlamentskammern selten geworden sind.

Ein ähnlicher Imperativ gilt für die zunehmend zersplitterten europäischen Parteiensysteme. Im niederländischen Parlament sind derzeit nicht weniger als 17 Parteien vertreten (oder – je nach Zählweise – sogar mehr). Und nach wochenlangen Verhandlungen hat Deutschland eine Regierung, in der Sozialdemokraten und Grüne eine Ampelkoalition mit den wirtschaftsfreundlichen Freien Demokraten bilden.

Nicht auf Kompromisse erpicht

Die Zersplitterung – ob institutionell oder politisch – zwingt Politiker zu einer vom niederländischen Philosophen Frank Ankersmit so bezeichneten "prinzipiellen Prinzipienlosigkeit", um die Demokratie funktionstüchtig zu erhalten. Die meisten Menschen sind schließlich nicht auf Kompromisse um ihrer selbst willen erpicht, weil niemand das Zweitbeste dem Besten vorzieht.

Die Ausnahmen bilden diejenigen, die die zweite plausible Form des Zentrismus, den positionellen Zentrismus, vertreten. Da sie Äquidistanz zwischen den politischen Polen als Beweis für ihren Pragmatismus und ihre "ideologiefreie" Ausrichtung ansehen, versuchen positionelle Zentristen oftmals von der Wertschätzung zu profitieren, die der Überparteilichkeit (insbesondere in den USA) immer noch beigemessen wird. Sie ziehen einen Nutzen daraus, vernünftig zu erscheinen, wenn die Linke und die Rechte von Scharfmachern beherrscht werden. In seinem ersten Wahlkampf hob Macron immer wieder die Radikalität seiner Gegner – der rechtsextremen Marine Le Pen und des linksextremen Jean-Luc Mélenchon – hervor, um vor Augen zu führen, dass er allein eine verantwortungsvolle Position vertritt.

Nicht automatisch demokratisch

Unter Berufung auf die – unter Antikommunisten während des Kalten Krieges überaus beliebte – "Hufeisentheorie" unterstellen Zentristen auch oft, dass Links- und Rechtspopulismus letztlich auf denselben antiliberalen Endpunkt zulaufen. Doch ebenso wie die Theoretiker des Dritten Weges in den 1990er-Jahren behaupteten auch Macrons Gefolgsleute, dass es sich bei "links" und "rechts" um überholte Bezeichnungen handle. Das ermöglichte ihnen nämlich, auch ehemalige Sozialisten und Gaullisten in ihre Bewegung aufzunehmen.

Aber Zentrismus ist nicht automatisch demokratisch. Macron, den man als "liberalen starken Mann" titulierte ist ein typisches Beispiel dafür. Seine Weder-links-noch-rechts-Haltung impliziert eine rein technokratische Form der Regierung. Man geht davon aus, dass es auf jede politische Herausforderung stets eine eindeutig rationale Antwort gibt. Kritiker können so per Definition als irrational abgetan werden. Wie Macron bei der Revolte der Gelbwesten im Jahr 2018 feststellte, kann die mit diesem Ansatz einhergehende Verweigerung des demokratischen Pluralismus heftige Gegenreaktionen hervorrufen.

Politische Polarisierung

Sowohl der prozedurale als auch der positionale Zentrismus setzen eine gut funktionierende Demokratie voraus, und beide können gefährlich werden, wenn ein Land unter einer asymmetrischen politischen Polarisierung leidet. So präsentiert sich die Situation heute in den USA, wo die Republikanische Partei grundlegende Merkmale der Demokratie nicht mehr anerkennt. Die Republikaner von heute sind mit einem riesigen Projekt, bestehend aus Wahlkreisschiebungen, Wählerunterdrückung, der Aushöhlung des allgemeinen Vertrauens in Wahlen und der Behinderung der Gesetzgebung, beschäftigt und zeigen kein Interesse an Kompromissen. Nun, da Biden im Weißen Haus waltet, folgt Mitch McConnell – Minderheitsführer im Senat und Donald Trumps widerwilliger, aber trotzdem verlässlicher Ermöglicher – demselben Schema, das er während der Präsidentschaft von Barack Obama perfektioniert hat.

Prozeduraler Zentrismus ergibt keinen Sinn, wenn die politischen Gegner die Verfahren nicht mehr respektieren, wie es jetzt bei den Republikanern der Fall ist. Für den positionellen Zentrismus präsentiert sich die Situation jedoch noch schlimmer. Wenn eine Partei die Demokratie ablehnt, bedeutet Äquidistanz Mittäterschaft. Wenn Sinema und Manchin keine über Zombie-Zentrismus, prozeduralen oder positionellen Zentrismus hinausgehende Erklärung zu ihrem Verhalten anzubieten haben, könnten sie sogar von ihren eigenen Wählern dafür bestraft werden, dass sie politische Initiativen behindern, die in Wirklichkeit überaus populär sind. (Jan-Werner Müller, Übersetzung: Helga Klinger-Groier, Copyright: Project Syndicate, 8.12.2021)

Jan-Werner Müller ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Princeton und Fellow am New Institute in Hamburg. Sein jüngstes Buch trägt den Titel "Freiheit, Gleichheit, Ungewissheit. Wie schafft man Demokratie?".

 

Nota. - Unter Mitte wurde rund zwei Jahrhunderte lang, vom Juste milieu des Bürgerkönigs über Kaiser Willems Fraktion Drehscheibe bis zum westdeutschen Restliberalismus, eine po-litische - ja sollte ich sagen: "Kraft"? Na schön, Saugkraft ist auch eine Kraft - Kraft verstan-den, die parasitär von der gegenseitigen Blockade der äußersten Flügel zehrte. Die wurde im breiten Volk immer verachtet, und die erste katholische Volkspartei in Deuschland nannte sich wohlweislich nicht Mitte, sondern Zentrum. 

In einer Zeit, in der die politischen Flügel nur noch rivalisierende Apparate und durchaus keine alternativen Gesellschaftsentwürfe mehr repräsentieren, ist sie nun auch arithmetisch ganz überflüssig. Stattdessen macht sich bedrohlich der Mangel an einer Kraft fühlbar, die aus einer im Großen Ganzen gar nicht mehr strittigen Gesellschaftsprognose einen Mainstream formt, der die Nachzügler auf beiden Flügeln an der Rand drückt, an den sie gehören, und die vorwärtsdrängenden Kräfte in Konkurrenz zu einander führt.

JE

Freitag, 2. April 2021

Vom Algorithmus umstrickt.

Vernetzt aus spektrum.de, 2. 4. 2021

Wie Algorithmen uns manipulieren
Tagtäglich beeinflussen uns Algorithmen – sei es, weil man sich Videos auf Youtube ansieht oder sich mit anderen Nutzern in sozialen Medien austauscht. Doch wenn man die psychologischen Tricks und ihre Funktionsweise kennt, kann man ihnen entgehen. 

von Filippo Menczer und Thomas Hills 

Die Corona-Pandemie hat vieles verändert, unter anderem hat sie das Misstrauen der Bürger gegenüber dem Staat geschürt. Nicht ganz unschuldig an diesem Prozess sind die sozialen Medien. Stellen Sie sich dazu eine fiktive Person namens Andreas vor, der besorgt ist, an Covid-19 zu erkranken. Da Andreas nicht alle Artikel zu dem Thema selbst lesen kann, ist er auf Tipps von Freunden angewiesen. Anfangs hält er nicht viel davon, wenn Leute behaupten, die Pandemie-Ängste seien übertrieben. Doch plötzlich verhängt die Regierung einen harten Lockdown, wodurch das Hotel, in dem er arbeitet, schließen muss.

Nun da Andreas' Job in Gefahr ist, fragt er sich, wie ernst die Bedrohung durch das neue Virus wirklich ist. Ein Kollege teilt einen Beitrag über »Corona-Panik«, angeblich geschaffen von Pharmaunternehmen in Absprache mit korrupten Politikern. Nach einer kurzen Websuche findet Andreas schnell Artikel, die behaupten, Covid-19 sei nicht schlimmer als eine Grippe. Daraufhin wird er Teil einer Facebook-Gruppe, deren Mitglieder ebenfalls riskieren, durch die Pandemie arbeitslos zu werden. Mehrere seiner neuen Freunde planen, an einer Demonstration teilzunehmen, die ein Ende der Einschränkungen fordert, und Andreas schließt sich ihnen an. Er ist inzwischen überzeugt, Corona sei ein Schwindel.

4/2021 Dieser Artikel ist enthalten in Spektrum der Wissenschaft 4/2021

Das Beispiel veranschaulicht, wie verschiedene kognitive Verzerrungen das Urteilsvermögen beeinflussen. So bevorzugen wir Informationen von Menschen, denen wir vertrauen; wir picken uns jene Fakten heraus, die gut zu dem passen, was wir bereits zu wissen meinen; wir messen Risiken, die uns persönlich betreffen, einen großen Stellenwert bei und sprechen vermehrt darüber. Dieses Verhalten stammt aus unserer evolutionären Vergangenheit, es hat sich über Zehntausende von Jahren als nützlich erwiesen: So hielt man sich etwa von einem bewachsenen Seeufer fern, weil jemand gesagt hatte, es gäbe dort Schlangen.

Doch die kognitiven Verzerrungen haben auch ihre Schattenseiten. Inzwischen manipulieren moderne Technologien die subjektive Wahrnehmung der Menschen raffiniert. Im anfangs angeführten Beispiel lenken Suchmaschinen Andreas auf Webseiten mit verschwörungstheoretischem Inhalt, und soziale Medien vernetzen ihn mit Gleichgesinnten, die seine Ängste nähren. Zudem können böswillige Akteure durch automatisierte Social-Media-Konten, die sich als Menschen ausgeben (so genannte Bots), die kognitiven Schwachstellen gezielt für ihre Zwecke ausnutzen.

Die fortschreitende Digitalisierung verstärkt das Problem. Blogs, Videos, Tweets und andere Beiträge lassen sich extrem schnell und einfach produzieren und über die ganze Welt verbreiten. Wegen der dabei entstehenden Informationsflut können wir nicht mehr objektiv entscheiden, welchen Inhalten wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Daher ist es inzwischen wichtiger denn je, die kognitiven Verzerrungen sowie die Art und Weise, wie Algorithmen sie nutzen, zu verstehen.

Unsere Forschungsgruppen an der University of Warwick in England und am Observatory on Social Media (OSoMe, ausgesprochen »awesome«) der Indiana University Bloomington in den USA führen deshalb Experimente und Simulationen durch, um das Verhalten von Nutzern sozialer Medien zu verstehen. Dabei verbinden wir die Erkenntnisse psychologischer Studien in Warwick mit Computermodellen aus Indiana. Zudem haben wir verschiedene Hilfsmittel entwickelt, um der Manipulation in sozialen Medien entgegenzuwirken. Einige Journalisten, zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen nutzen unsere Programme bereits und haben damit Akteure aufgespürt, die bewusst Fehlinformationen verbreiten.Wettbewerb um die Aufmerksamkeit von Nutzern

Durch die Informationsflut im Internet ist ein regelrechter Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen entstanden. Eine der ersten Folgen davon ist der Verlust qualitativ hochwertiger Informationen. Das OSoMe-Team verdeutlichte das mit mehreren Computersimulationen. Es stellte dabei die Nutzer sozialer Medien, so genannte Agenten, als Knotenpunkte in einem Netzwerk von Online-Bekanntschaften dar. In jedem Zeitschritt kann ein Nutzer entweder einen eigenen Beitrag erstellen oder einen aus seinem Nachrichtenfeed teilen. Um die begrenzte Aufnahmefähigkeit zu berücksichtigen, sehen die Agenten nur eine bestimmte Anzahl von Artikeln im oberen Bereich ihres Feeds.

Die Datenwissenschaftlerin Lilian Weng, inzwischen bei OpenAI, ließ die Simulation viele Zeitschritte durchlaufen und schränkte gleichzeitig die Aufmerksamkeit der Agenten zunehmend ein. Wie sie feststellte, entstand dabei eine ähnliche Verteilung von Beiträgen wie in den sozialen Medien: Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Inhalt x-mal geteilt wird, entspricht etwa 1⁄x hoch einer Potenz a.

Das führt zu einem »The-Winner-Takes-It-All«-Muster. Einige wenige Beiträge kennt so gut wie jeder, während die meisten anderen kaum wahrgenommen werden. Das Phänomen hat dabei nichts mit der Qualität der Inhalte zu tun, in der simulierten Welt spielte diese Eigenschaft zum Beispiel keine Rolle. Ob sich etwas verbreitete, ergab sich allein durch das Verhalten der Agenten mit begrenzter Aufmerksamkeit.

Um zu untersuchen, wie sich die Situation verändert, wenn die Agenten zusätzlich die Qualität von Beiträgen berücksichtigen, entwickelte die Informatikerin Xiaoyan Qiu eine weitere Simulation. Darin teilten die simulierten Accounts bevorzugt qualitativ hochwertige Beiträge – doch das verbesserte die Gesamtqualität der am häufigsten verbreiteten Inhalte kaum. Selbst wenn wir gut recherchierte Artikel lesen und teilen möchten, führt unsere begrenzte Aufnahmefähigkeit unweigerlich dazu, dass wir teilweise oder völlig unwahre Informationen weitergeben.

Informationsüberfluss  Informationsüberfluss | Unser persönlicher Social­-Media-­Newsfeed ist häufig so überlaufen, dass wir uns nur die ersten Bei­träge ansehen und entscheiden, ob wir sie weiterverbreiten. Forscher vom Observatory on Social Media (OSoMe) an der Indiana University Bloomington haben dieses begrenzte Aufnahmevermögen simuliert. Jeder Knoten in ihrem Netzwerk entspricht einem Nutzer, der durch Linien mit anderen Konten verbun­den ist, welche die geteilten Beiträge sehen. Untersuchungen haben ergeben, dass mit steigender Anzahl von Inhalten (nach rechts) die Qualität nachlässt (Kreise werden kleiner). Der Informationsüber­fluss allein erklärt also schon, wie Fake News viral gehen.

Neben der eingeschränkten Aufmerksamkeit verstärken kognitive Verzerrungen das Problem erheblich. Das verdeutlichen mehrere Studien, die der Psychologe Frederic Bartlett 1932 durchführte. Dabei erzählte er Versuchspersonen die Legende von einem jungen Indianer, der Kriegsschreie hört, sie verfolgt und so in eine Schlacht zieht, die zu seinem Tod führt. Anschließend forderte Bartlett seine Probanden in Großbritannien auf, sich zu verschiedenen Zeiträumen – von Minuten bis zu Jahren später – an die verwirrende Erzählung zu erinnern. Die Testpersonen neigten mit der Zeit dazu, die kulturell ungewohnten Teile der Geschichte so zu verzerren, dass sie entweder verloren gingen oder sich in vertrautere Dinge verwandelten. Das tut unser Verstand ständig: Er passt neue Informationen an, damit sie mit dem, was wir bereits wissen, übereinstimmen. Wegen dieses so genannten Bestätigungsfehlers erinnern wir uns oft nur an jene Fakten, die unsere vorherrschende Meinung stützen.

Das ist äußerst schwer zu korrigieren. Wie Experimente immer wieder belegen, suchen Menschen selbst in ausgewogenen Berichterstattungen Beweise für das, was sie erwarten. Bei emotional aufgeladenen Themen wie dem Klimawandel können dieselben Informationen bei Personen unterschiedlicher Überzeugungen dazu führen, dass sich ihre jeweiligen Positionen verfestigen. 

Wie Experimente immer wieder belegen, suchen Menschen selbst in ausgewogenen Berichterstattungen Beweise für das, was sie erwarten  

Deshalb liefern Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen personalisierte Empfehlungen auf Grundlage der riesigen Datenmengen, die sie über die Nutzer haben. Sie geben Beiträgen den Vorrang, die am besten zu unserer Meinung passen, und schirmen uns vor Inhalten ab, die diesem widersprechen.

Nir Grinberg und seine Mitarbeiter an der Northeastern University in Boston haben kürzlich eine Studie vorgelegt, der zufolge Konservative in den USA empfänglicher für Fehlinformationen sind. Als wir jedoch den Konsum von Beiträgen niedriger Qualität auf Twitter untersuchten, zeigten sich beide Seiten des politischen Spektrums anfällig, wenn auch nicht völlig symmetrisch: Republikaner halten Bots, die konservative Ideen fördern, eher für Menschen, während Demokraten konservative menschliche Nutzer häufig mit Bots verwechseln. 

Menschen kopieren das Verhalten anderer, wie Vögel in einem Schwarm 

ls Beispiel für eine weitere kognitive Verzerrung dient eine Situation, die sich im August 2019 in New York City ereignete. Damals hörten einige Menschen einen Knall, der wie ein Schuss klang, und liefen panisch davon. Von Angst erfasst, folgten ihnen schnell andere Personen, manche riefen sogar: »Achtung, Schütze!« Tatsächlich stammten die Geräusche von einem Motorrad mit einer Fehlzündung. Dennoch ist es in einer solchen Situation besser, erst zu rennen und später Fragen zu stellen. Wenn es an klaren Signalen fehlt, kopieren wir das Verhalten anderer, ähnlich wie es bei Vögeln im Schwarm passiert.

Derartige soziale Anpassungen sind allgegenwärtig. Das zeigte der Soziologe Matthew Salganik, damals an der Columbia University, zusammen mit seinen Kollegen 2006 in einer faszinierenden Studie, an der 14 000 Freiwillige teilnahmen. Wie sich dabei herausstellte, hören sich verschiedene Personen ähnliche Musikrichtungen an, wenn sie sehen können, was andere hören. Als Salganik mehrere Gruppen bildete, in denen man die Vorlieben der Menschen innerhalb eines solchen Kreises sehen konnte (aber nicht die anderer Gruppen), unterschied sich die musikalische Auswahl zwischen den einzelnen Gruppen, doch weniger innerhalb. Wenn dagegen niemand über die Wahlmöglichkeiten anderer Bescheid wusste, blieben die Präferenzen divers. Somit können soziale Gruppen einen Anpassungsdruck erzeugen, der sogar individuelle Vorlieben überwindet.

In sozialen Medien lässt sich das besonders gut beobachten. Nutzer verwechseln häufig Popularität mit Qualität und kopieren das Verhalten anderer. Die Twitter-Experimente von Bjarke Mønsted und seinen Kollegen von der Technischen Universität Dänemark und der University of Southern California deuten darauf hin, dass sich Informationen wie eine Krankheit verbreiten: Wird man wiederholt mit einer Idee konfrontiert, die typischerweise aus unterschiedlichen Quellen stammt, wächst die Wahrscheinlichkeit, sie zu übernehmen und weiterzugeben.

Dadurch schenkt man weit verbreiteten Beiträgen zwangsläufig Aufmerksamkeit – wenn alle anderen darüber reden, muss es wichtig sein. Soziale Medien wie Facebook, Twitter, Youtube und Instagram empfehlen deshalb nicht nur Artikel, die mit unseren Ansichten übereinstimmen, sondern platzieren auch beliebte Inhalte am oberen Bildschirmrand. Damit zeigen sie uns, wie viele Menschen etwas gemocht und geteilt haben.

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Die meisten Programmierer, die Algorithmen für das Ranking von Beiträgen entwickeln, setzen eine kollektive Weisheit voraus: Die Menge an Nutzern werde wohl schnell qualitativ hochwertige Elemente identifizieren. Daher verwenden sie Popularität als Qualitätsmerkmal. Als wir 2018 zahlreiche anonyme Daten untersuchten, erkannten wir, dass alle Plattformen – soziale Medien, Suchmaschinen und Nachrichtenseiten – bevorzugt Informationen aus einer eng abgesteckten Untergruppe beliebter Quellen liefern.

Um die Auswahl besser zu verstehen, habe ich mit meinen Kollegen modelliert, wie die verschiedenen Internetanbieter Qualität und Popularität in ihren Rankings kombinieren. Wir simulierten dazu das Verhalten von Agenten mit begrenzter Aufmerksamkeit, also solchen, die nur eine bestimmte Anzahl von Artikeln am Anfang ihrer Nachrichtenfeeds sehen. Hier sind sie geneigt, auf Beiträge zu klicken, welche die Plattform weit oben zeigt. In unserem Modell haben wir jedem Artikel nach dem Zufallsprinzip eine intrinsische Qualität zugewiesen. Wie die Simulationen zeigen, führt allein ein von den Klickzahlen abhängiger Algorithmus zu einer niedrigeren Qualität der Inhalte – sogar ohne menschliche Verzerrung. Selbst wenn wir die besten Informationen teilen möchten, führen uns die Algorithmen in die Irre. 

Obwohl die meisten Menschen davon überzeugt sind, kein Mitläufer zu sein, schließen sie sich dennoch häufig Gleichgesinnten an 

Eine weitere kognitive Verzerrung ist der bereits genannte Bestätigungsfehler. Obwohl die meisten Menschen davon überzeugt sind, kein Mitläufer zu sein, schließen sie sich dennoch häufig Gleichgesinnten an. Soziale Medien verstärken das Phänomen, indem sie es Nutzern ermöglichen, anderen zu folgen, Gruppen zu bilden und so weiter. Dadurch teilen sie sich in große, dichte und zunehmend falsch informierte Gemeinschaften auf, die man gemeinhin als Echokammern bezeichnet.

Bei OSoMe haben wir deren Entstehung durch eine Computersimulation untersucht. Darin hat jeder Agent eine politische Meinung, die eine Zahl zwischen minus eins (liberal) und plus eins (konservativ) repräsentiert und sich in seinen Beiträgen niederschlägt. Die Nachrichtenfeeds beeinflussen die Agenten, die zudem Accounts mit abweichenden Ansichten gezielt ausblenden können. Wir starteten mit zufälligen Netzwerkkonfigurationen, in denen die Agenten eine politische Ausrichtung und Verbindungen zu anderen erhalten. In einem solchen Modell bildeten sich extrem schnell polarisierte Gruppen aus.Unsere Forschungsgruppe als Opfer von Fake News

Tatsächlich sind die Echokammern auf Twitter so stark ausgeprägt, dass man die politischen Neigungen einzelner Nutzer sehr genau vorhersagen kann: Sie vertreten meist die gleiche Ansicht wie die meisten, mit denen sie verbunden sind. Dadurch verbreitet sich Information effizient innerhalb einer Gemeinschaft, gleichzeitig wird diese von anderen Gruppen isoliert. Unter anderem können sich auf diese Art Fake News verbreiten.

Auch unsere Forschungsgruppe blieb davon nicht verschont: Eine Desinformationskampagne behauptete 2014, wir seien Teil eines politisch motivierten Bestrebens, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Das Gerücht verbreitete sich vor allem in konservativen Echokammern, während Enthüllungsartikel, die unser Forschungsvorhaben richtigstellten, hauptsächlich in liberalen Kreisen auftauchten. Bedauerlicherweise kursieren falsche Informationen häufig in anderen Gemeinschaften als ihre Berichtigungen.

Ein weiterer Aspekt unserer kognitiven Verzerrung führt dazu, dass sich negative Inhalte schneller verbreiten. Unser Kollege Robert Jagiello aus Warwick hat untersucht, wie Informationen in einer so genannten sozialen Diffusionskette von Mensch zu Mensch wandern. Dabei las der erste seiner Probanden mehrere Artikel über ein polarisierendes Thema wie Atomkraft oder Lebensmittelzusätze. Die Texte beleuchteten sowohl positive (etwa weniger Kohlenstoffbelastung oder länger haltbare Lebensmittel) als auch negative Aspekte (wie das Risiko einer Kernschmelze oder mögliche Gesundheitsschäden).

Verwundbarkeit durch Fake News

Verwundbarkeit durch Fake News

Anschließend erzählte die erste Person der nächsten von den Artikeln, die daraufhin dem dritten Probanden berichtete und so weiter. Entlang der Kette nahm der Anteil der negativen Fakten immer weiter zu – ein Effekt, der als soziale Risikoverstärkung bekannt ist. Darüber hinaus ergab die Arbeit von Danielle J. Navarro und ihren Kollegen an der australischen University of New South Wales, dass die weitergegebenen Informationen in sozialen Diffusionsketten am stärksten von Personen mit extremen Verzerrungen abhängen.

Schlimmer noch: Durch soziale Diffusion werden negative Einstellungen widerstandsfähiger. Als Jagiello nach dem Versuch die Teilnehmer mit den ursprünglichen Artikeln konfrontierte, reduzierte das kaum ihre negative Sichtweise. 2015 haben die OSoMe-Forscher Emilio Ferrara und Zeyao Yang empirische Daten über eine solche »emotionale Ansteckung« auf Twitter analysiert. Dabei neigten Menschen, die negativen Inhalten übermäßig ausgesetzt sind, ebenfalls dazu, negative Beiträge zu teilen. Wenn Personen hingegen vermehrt Positives lasen, veröffentlichten sie eher positive Posts. Da sich Negatives allerdings schneller verbreitet, lassen sich die Emotionen von Nutzern leicht manipulieren: indem man etwa Texte weitergibt, die Reaktionen wie Angst auslösen. So haben Ferrara, der jetzt an der University of Southern California forscht, und seine Kollegen von der Bruno-Kessler-Stiftung in Italien gezeigt, dass Bots während des spanischen Referendums über die katalanische Unabhängigkeit 2017 gewalttätige und aufrührerische Beiträge verbreiteten, wodurch sich die sozialen Konflikte verschärften.

Automatisierte Bots nutzen kognitive Schlupflöcher aus und beeinträchtigen dadurch die Qualität von Inhalten. Sie lassen sich leicht entwickeln: Social-Media-Plattformen haben Schnittstellen, die es einzelnen Akteuren ermöglichen, Tausende von Bots einzurichten. Um solche Accounts zu entlarven, haben wir maschinelle Lernalgorithmen entwickelt. Eines der Programme, das öffentlich zugängliche »Botometer«, extrahiert 1200 Merkmale aus Twitter-Profilen, um deren Verbindungen, soziale Netzwerkstruktur, zeitliche Aktivitätsmuster, Sprache und andere Eigenschaften zu untersuchen. Es vergleicht diese mit denen von Zehntausenden bereits identifizierter Bots. Dadurch weiß man für jeden Account, mit welcher Wahrscheinlichkeit er automatisiert ist.

Botometer

Das Botometer ist ein Algorithmus des maschinellen Lernens, der einschätzt, wie wahrscheinlich ein Social-Media-Account automatisiert ist. Er liefert dafür eine Zahl zwischen null (Mensch) und eins (Bot). Wie verlässlich das Ergebnis ist, hängt dabei – wie bei allen selbstlernenden Programmen – stark von den Datensätzen ab: Weichen die Beispieldaten, mit denen man die KI trainiert hat, zu sehr von den Accounts ab, die man analysieren möchte, kann die Einschätzung danebenliegen. Zudem obliegt es Wissenschaftlern, die erhaltenen Resultate zu interpretieren. Unter anderem müssen sie eine begründete Grenze festlegen, etwa 0,75, ab der sie einen Account als Bot identifizieren.

Wir schätzen, dass 2017 bis zu 15 Prozent der aktiven Twitter-Profile aus Bots bestanden – und dass sie eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Fehlinformationen während der US-Wahl 2016 spielten. Binnen Sekunden können tausende Programme falsche Nachrichten veröffentlichen, etwa jene, Hillary Clinton sei in okkulte Rituale verwickelt. Angesichts der scheinbaren Popularität teilen dann auch menschliche Nutzer solche Inhalte.

Darüber hinaus können uns Bots beeinflussen, wenn sie vorgeben, Menschen aus unserer Gruppe zu sein. Das Programm muss dafür lediglich Personen aus der gleichen Gemeinschaft folgen, ähnliche Inhalte liken und teilen. Die OSoMe-Forscherin Xiaodan Lou hat dieses Verhalten in einem Modell simuliert. Darin sind einige Agenten Bots, die sich in ein soziales Netzwerk mischen und zahlreiche minderwertige Beiträge austauschen. In den Simulationen können die Bots die Informationsqualität des gesamten Systems wirksam mindern, selbst wenn sie bloß einen kleinen Teil des Netzwerks infiltrieren. Sie beschleunigen darüber hinaus die Bildung von Echokammern, indem sie andere unwahre Berichte vorschlagen, denen man folgen sollte.

Automatisierte Nutzerkonten enttarnen

Einige Manipulatoren treiben mit Falschnachrichten und Bots die politische Polarisierung oder die Monetarisierung durch Werbung weiter voran. Bei OSoMe haben wir kürzlich ein Netzwerk automatisierter Konten von Twitter aufgedeckt, die alle von derselben Einheit koordiniert wurden. Manche gaben vor, Trump-Unterstützer der Kampagne »Make America Great Again« zu sein, während sich die anderen als Trump-Gegner ausgaben – doch alle baten um politische Spenden.

Wie können wir uns besser vor derartiger Manipulation schützen? Zunächst müssen wir unsere kognitiven Verzerrungen kennen und verstehen, wie Algorithmen und Bots sie ausnutzen. OSoMe hat mehrere Werkzeuge entwickelt, um menschliche Schwachstellen sowie die sozialer Medien zu verdeutlichen. Eines davon ist eine App namens »Fakey«, mit der Benutzer lernen, Fehlinformationen zu erkennen. Die App simuliert einen Social-Media-Newsfeed, der aktuelle Artikel aus Quellen mit geringer beziehungsweise hoher Glaubwürdigkeit zeigt. Die Nutzer müssen entscheiden, welche Inhalte sie teilen oder auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen würden. Als wir die Daten aus »Fakey« analysierten, fiel uns wie erwartet die soziale Herdenbildung auf: Nutzer vertrauen Informationen aus fragwürdigen Quellen eher, wenn sie glauben, viele andere Personen hätten sie geteilt.

Ein weiteres öffentlich zugängliches Programm, »Hoaxy«, visualisiert, wie sich Beiträge über Twitter verbreiten. Die Darstellung besteht aus einem Netzwerk, in dem die Knoten echten Twitter-Accounts entsprechen, während die Verbindungen für das Teilen von Inhalten zwischen den Nutzern stehen. Jeder Punkt hat dabei eine Farbe, die seine Punktzahl aus dem »Botometer« widerspiegelt. Damit lässt sich anschaulich erkennen, wie Bots die Ausbreitung von Fake News verstärken (siehe »Verschmutzung durch Bots«).

Verschmutzung durch Bots

Verschmutzung durch Bots | Automatisierte Accounts, die menschliche Nutzer nachahmen (so genannte Bots), mindern die Qualität der geteilten Informationen. In einer Computersimulation haben OSoMe-Forscher Bots in ein soziales Netzwerk eingeführt. Sie modellierten sie als Agenten, die Beiträge minderer Qualität erstellen und nur Inhalte anderer Bots teilen. Wie die Wissenschaftler herausfanden, ist die Qualität der Posts hoch, wenn nur ein Prozent aller Nutzer Bots folgen (links). Sobald der Anteil aber diese Grenze übersteigt, verbreiten sich Informationen mit niedriger Qualität (rechts). In echten sozialen Netzwerken können schon wenige Likes für Bots dazu führen, dass Fake News viral gehen.

Mit unseren Programmen haben investigative Journalisten Fehlinformationskampagnen aufgedeckt, etwa die »Pizzagate-Verschwörung«, wonach in einer Pizzeria in Washington, D. C., ein Kinderpornoring agiere, zu dem auch Hillary Clinton gehöre. Außerdem konnten sie botgetriebene Bemühungen entlarven, die bestimmte Personen während der Zwischenwahlen 2018 vom Wählen abhalten sollten. Weil Algorithmen des maschinellen Lernens menschliches Verhalten immer besser nachahmen können, ist es schwer, derartige Manipulationen zu erkennen.

Abgesehen von der Verbreitung falscher Nachrichten können Fehlinformationskampagnen die Aufmerksamkeit von anderen, teilweise gewichtigen Problemen abziehen. Um dagegen vorzugehen, haben wir kürzlich die Software »BotSlayer« entwickelt. Sie extrahiert Hashtags, Links, Konten und weitere Inhalte, die in Tweets über Themen vorkommen, die einen Benutzer interessieren. Damit kann »BotSlayer« Accounts kennzeichnen, die im Trend liegen und wahrscheinlich durch Bots oder koordinierte Konten verstärkt werden. Ziel ist es, Reportern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Kandidaten zu ermöglichen, gefakte Einflusskampagnen in Echtzeit zu erkennen und zu verfolgen.

Spektrum Kompakt:  Verschwörungsmythen – Wenn Fakten geleugnet werden Das könnte Sie auch interessieren: Spektrum Kompakt: Verschwörungsmythen – Wenn Fakten geleugnet werden

Diese Instrumente sind zwar nützliche Hilfsmittel, dennoch sind weitere Schritte nötig, um die Verbreitung von Fake News einzudämmen. Ein wichtiger Faktor ist Bildung, auch wenn man in der Schule nicht alle wissenschaftlichen Inhalte angemessen abdecken kann. Einige Regierungen und Social-Media-Plattformen versuchen, gegen Manipulation und gefälschte Nachrichten vorzugehen. Aber wer entscheidet, was manipulativ ist und was nicht? Das Risiko, dass solche Maßnahmen die freie Meinungsäußerung absichtlich oder versehentlich unterdrücken könnten, ist beträchtlich. Manche Anbieter nutzen immerhin bereits Systeme wie Captchas und telefonische Bestätigung, um Accounts zu verifizieren. Twitter hat zudem dem automatisierten Posting Grenzen gesetzt.

Eine weitere Möglichkeit könnte darin bestehen, Hürden gegen das Erstellen und Austauschen qualitativ minderwertiger Inhalte aufzubauen. Zum Beispiel könnte man einen Preis für die Weitergabe oder den Erhalt von Informationen festsetzen. Die Bezahlung muss dabei nicht zwingend monetär sein, sondern könnte in Form von Zeit oder geistiger Arbeit wie Puzzles erfolgen. Denn freie Kommunikation hat ihren Preis – und dadurch, dass wir die Kosten gesenkt haben, hat sich ihr Wert verringert.

Filippo Menczer ist Informatiker und Leiter des Observatory on social Media (OsoMe) an der Indiana University Bloomington. Thomas Hills ist Professor für Psychologie und Leiter des Master-Studiengangs Verhaltens- und Datenwissenschaften an der University of Warwick in England

Mittwoch, 25. November 2020

Diversity ist nicht links.

bild
aus Tagesspiegel.de, 22. 11. 2020

Der Mythos vom progressiven Block 
Weshalb das Bild von links wählenden Minderheiten immer weniger zutrifft. Ein Gastbeitrag. 

von Michael Bröning 

In der Wahlforschung galt jahrzehntelang als ausgemacht: Menschen mit Migrationshintergrund, Neueinwanderer und sichtbare Minderheiten wählen links. Im Vereinigten Königreich etwa unterstützen Ende der 1990er Jahre annähernd 90 Prozent der „ethnischen Minderheiten“ die Labour Party.

In den Vereinigten Staaten wurde Barack Obama 2008 von rund 90 Prozent der Black Votes ins Weiße Haus entsandt und auch in Mittel- und Nordeuropa galt die Stimmabgabe von Einwanderern und ihren Nachkommen für Mittelinksparteien über ein halbes Jahrhundert lang als ehernes Gesetz.

Die verbreitetste Erklärung: Gerade neue Einwanderer sowie diskriminierte Minderheiten seien besonders an sozialer Unterstützung, einer Verteilung des Wohlstandes und nicht zuletzt an einer weltoffenen Ausrichtung ihrer neuen Heimat interessiert. So verstanden, spiegelte die Unterstützung linker Parteien ein wohlverstandenes Eigeninteresse.

In der Realität aber führte diese Vermählung mit der Linken bisweilen zu einem Paradox: Manch ein Wähler, der etwa in Mitteleuropa für progressiv-säkulare Parteien stimmte, unterstützte im Herkunftsland beharrlich religiös-konservative Kräfte. Das Resultat: Parteianhänger, die zwar links wählten, aber bezogen auf zentrale soziokulturelle Werte wie die Frage der Gleichbehandlung der Geschlechter nicht links waren.

Linksschub durch Einwanderer?

Die Neigung von Einwanderern nach links ist kein aktuelles Phänomen. Schon 1787 warnte Thomas Jefferson, dass Einwanderer „die Prinzipien der Regierungen, die sie hinter sich lassen“ ins Land importierten – eine These, die noch heute gerne auf der Rechten zitiert wird. Im Sommer dieses Jahre etwa fragte das konservative Cato-Institut in den USA besorgt, wie sehr Einwanderer des 20. Jahrhunderts die Vereinigten Staaten ideologisch nach links gerückt hätten. Die Umsetzung des New Deal erscheint darin als Konsequenz der wohlfahrtstaatlichen Neigungen europäischer Auswanderer.

Angesichts der wachsenden Bedeutung der nicht-weißen Wählerschaften in westlichen Demokratien wird die Frage der politischen Ausrichtung von Minderheiten immer relevanter. In den USA sind über 23 Millionen Wahlberechtigte direkte Einwanderer. Und in Deutschland betrug der Anteil von Wählern mit Migrationshintergrund in der letzten Bundestagswahl immerhin rund 10 Prozent.

Das historische Arrangement mit der Linken scheint brüchig zu werden - und zwar weltweit. In den zurückliegenden US-Präsidentschaftswahlen wurde dies besonders deutlich: Eine Vielzahl von Latinos und schwarzen Wählern unterstützte nicht Joe Biden, sondern votierte für den Amtsinhaber.

Zwar hielt eine große Mehrzahl den Demokraten die Treue, doch selbst 35 Prozent der muslimischen Wähler stimmten für Trump – ebenso wie fast ein Drittel der asiatisch-stämmigen Amerikaner. Ein progressiver Block der People of Color erwies sich als Chimäre.

Trumps Rückhalt unter Kubanern

Der Trend ist nicht neu: Schon vor vier Jahren hatten Wahlforscher auf den überraschend starken Rückhalt verwiesen, den Trump in der kubanischen Community oder unter vietnamesischen Amerikanern genoss. Eine vergleichbarere Entwicklung findet auch außerhalb der Vereinigten Staaten statt.

Im Vereinigtes Königreich etwa ist der Anteil der Labour-Unterstützer unter schwarzen Wählern und ethnischen Minderheiten im zurückliegenden Wahljahr auf 64 Prozent zurückgegangen. Zwar ist das immer noch eine stattliche Mehrheit, aber zugleich eben auch ein Einbruch von rund 20 Prozentpunkten in zwei Jahrzehnten.

Und in Frankreich? Dort ist die jahrzehntealte Unterstützung der Parti Socialiste durch muslimische Wähler ebenfalls weitgehend Geschichte. Wurde der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande 2012 im zweiten Wahlgang noch von 86 Prozent der Muslime gewählt, fiel dieser Anteil in den Präsidentschaftswahlen vor drei Jahren auf unter 20 Prozent.

Selbst in Neuseeland erweist sich die These vom links wählenden Einwanderer als überholt. In den Wahlen im Oktober neigte eine Mehrheit der zahlenmäßig besonders starken chinesischen Einwanderer nicht der progressiven Jacinda Ardern zu, sondern ihrer konservativen Rivalin Judith Collins. Warum ist das so?

Entscheidend erscheint hier der Faktor Zeit. Untersuchungen aus den Vereinigten Staaten belegen, dass der Zeitpunkt der Einwanderung für das Wahlverhalten entscheidend ist. Je weiter die eigene Migrationserfahrung in der Vergangenheit liegt, desto stärker nähert sich das Wahlverhalten an die Ursprungsgesellschaft an. So betrachtet, erscheint die Abwendung vom linken Automatismus als paradoxes Indiz für den Erfolg der politischen Integration.

Mentalitätswandel als arrivierter Staatsbürger?

Schließlich scheint der politische Orientierungswechsel für manche Wähler den Wandel der eigenen Wahrnehmung hin zum arrivierten Staatsbürger zu illustrieren. Und: In Zeiten, in denen Milieus auch in der Mehrheitsgesellschaft volatiler werden, differenziert sich eben auch das Wahlverhalten von Einwanderern und Minderheiten weiter aus.

Dabei scheinen gerade kulturelle Fragen stärkere Bedeutung zu erlangen. So dürfte sich in den USA etwa die skeptische Sicht konservativer Christen aus Lateinamerika auf liberale Abtreibungspraktiken negativ auf die Strahlkraft der Demokraten ausgewirkt haben. In Frankreich hingegen trieb nicht zuletzt der sozialistische Einsatz für die gleichgeschlechtliche Ehe einen massiven Keil zwischen kulturkonservative Muslime und die linke Mitte.

Der Spagat aus wertekonservativen migrantischen Wählern und progressiver Parteiprogrammatik gerade in identitätspolitischen Themen ließ sich letztendlich nicht durchhalten.Dabei gilt aber auch: Innerhalb der Minoritäten sind die politischen Unterschiede oft stärker ausgeprägt als die zur Mehrheitsgesellschaft. Nicht zuletzt das scheint der Grund dafür zu sein, dass sich spezifische Parteien für Minderheiten in westlichen Demokratien bislang nicht durchsetzen konnten.

Zwar wirbt in den Niederlanden seit 2015 die Partei „Denk“ dezidiert um türkischstämmige Wähler. Und auch in Frankreich bemüht sich eine Union des Démocrates Musulmans Français um muslimische Stimmen auf der Linken. Die Resonanz aber ist dürftig. In den Niederlanden liegt Denk im niedrig einstelligen Bereich. In Frankreich kam die Muslimpartei in den Europawahlen auf gerade mal 0,13 Prozent.

Auch diese Ergebnisse belegen: Einwanderer und ihre Nachkommen sind kein einheitlicher Block. Insbesondere der Mythos der automatisch linken Minderheitenstimme entspricht nur noch eingeschränkt der Wirklichkeit. Offensichtlich kann sich manch ein Politanalyst Wählerinnen und Wähler mit Migrationshintergrund und Angehörige ethnischer Minderheiten nur als Gefangene ihrer eigenen Biografie ausmalen, nicht aber als die selbstständigen und komplex abwägenden Akteure, die sie sind. 

 

Nota. - Es tut weh, aber es lässt sich nicht ändern: Links nennen sich nur noch Leute, denen es nicht zusteht, aber es macht ihnen keiner streitig, weil es Leute, denen es zustünde, nicht mehr gibt.

Links nannten sich und wurden genannt die Leute, die mehr oder minder aktivistisch an der Revolution arbeiteten, der bürgerlich-demokratischen zuerst, doch seit dem Juni 1848 der roten und sozialen. Und je entschiedener die auftraten, umso schmählicher wurde es, in guter Gesellschaft als links zu gelten. "Geht doch rüber in den Osten!" rief man den ostermar-schierenden Friedensfreunden in Adenauers Zeiten zu, dabei war denen alles Revolutionäre fremd; zumal den unterwandernden heimlichen KPD-Sympathisanten, die ihren Seelenfrieden in der reaktionären Spießeridylle des ersten Friedensstaats auf deutschem Boden gefunden hatten. Deutsche Sozialdemokraten waren von Herzen entrüstet, als links verunglimpft zu werden. Und sie waren's wirklich nicht, sie waren atlantischer, als Adenauer sich je entblödet hätte.

Als sie dann selber regierten, nannte Willy Brandt, der Vater der Hamburger Erlasse alias Be-rufsverbote, sich auf einmal links, und die inzwischen legale DKP ließ es durchgehen, weil er auf dem Weg war, ihren Friedensstaat anzuerkennen, und linker war sie selber nicht. Links war schon kein Politikum mehr, sondern ein Lifestyle, in dem sich eine Bekentnnisgemeinde zu-sammenfand. Ihr zusehnds härterer, zumindest korpulenterer Kern war jener Teil der Öffent-lichen Dienstes, der im Bildungs- und Kulturbetrieb sein Auskommen hatte und den autono-meren Randgruppen Zugänge zur Staatsknete vermitteln konnte. Denn wenn sie auch rituell Steine warfen - fürs eventuell Revolutionäre waren und sind sie bis heute viel zu saturiert. 

Und je saturierter, umso zugänglicher den moralischen Erpressungen der noch Mindersatu-rierten. Solidartität heißt das dann, und korrekte Gesinnung muss sich daran messen lassen. Ihr Verhältnis zu Ordnung und Schweinesystem ist nicht subversiv, sondern zehrend. Die sind so revolutionär wie die Rettungsringe am Bauch von Robert Habeck.

JE 

Montag, 9. November 2020

Der lange Weg der Republikanischen Partei.

 

aus welt.de, 6. 11. 2020

Als die Republikaner noch so links waren, dass ihnen Karl Marx gratulierte
Die Republikanische Partei der USA war bei ihrer Gründung links. Sie war gegen die Sklaverei und propagierte ein Stimmrecht für Schwarze. Seitdem hat sie immer wieder überraschende Wendungen gemacht – bis hin zu Donald Trump. 
 
 

Schaut man auf Wikipedia nach, wann die Republikanische Partei geboren wurde, findet man die Jahreszahl 1854. Irgendwie stimmt das auch. 1854 wurde der „Kansas-Nebraska Act“ verabschiedet, der es möglich machte, die Sklaverei auf die Gebiete im Westen der Vereinigten Staaten auszudehnen. Ein Teil der amerikanischen Whig-Partei – einer klassisch liberalen Partei, die für Freihandel und Kapitalismus stand – war aber strikt dagegen. Er spaltete sich ab.

Richtigen Auftrieb erhielt der neue politische Verein aber erst 1857. Damals fällte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten sein Urteil im Falle Dred Scott vs. Sanford: Er entschied, dass Nachfahren afrikanischer Sklaven nie und nimmer amerikanische Bürger werden könnten.

Danach versammelten sich in der Republikanischen Partei all jene Nordamerikaner, die die Sklaverei ablehnten, sei es aus moralischen, sei es aus ökonomischen Gründen. Die neue dritte Kraft auf der Bühne der amerikanischen Politik wurde dermaßen erfolgreich, dass sie einen Teil der Anhänger der „Know nothing“-Partei schluckten – das waren Leute in den Nordstaaten, die Einwanderung ablehnten. Vor allem katholische Iren galten ihnen als ein Gräuel.

Schlaksig, hässlich, aus einfachsten Verhältnissen

1860 gelang den Republikanern ein durchschlagender Erfolg: Ihr Kandidat wurde zum Präsidenten gewählt. Ein schlaksiger, hässlicher Kerl mit Kinnbart, der aus einfachsten Verhältnissen stammte – er wurde in einer Blockhütte in Kentucky geboren. Lincoln gewann die Wahl mit nur 39,8 Prozent der Stimmen, vor allem deshalb, weil die Gegenseite gespalten war.

Schaut man sich auf der Landkarte die Bundesstaaten an, die Lincoln wählten, dann fällt auf: Sie sind beinahe identisch mit jenen Bundesstaaten, die heute eine sichere Bank für die Demokraten sind, also der Nordosten der amerikanischen Republik und Kalifornien und Oregon an der Westküste. Im Süden des Landes gewann Lincoln keinen Wahlkreis. Keinen einzigen.

Lincolns Wahl war der Anlass, nicht die Ursache, für den amerikanischen Bürgerkrieg. Am 12. April 1861 feuerte eine Truppe von Rebellen, die sich selber als „Konföderierte Armee“ bezeichnete, Schüsse auf Fort Sumter in South Carolina ab. Dieser Krieg wurde zum Befreiungskrieg. Er endete damit, dass Lincoln und seine republikanische Partei den 13. Zusatzartikel (Amendment) zur amerikanischen Verfassung durch den Kongress boxten, in dem das Wort „Sklaverei“ nur vorkam, um kategorisch zu erklären: Sie sei auf dem gesamten Territorium der Vereinigten Staaten abgeschafft.

Nachdem ein weißer Rassist Lincoln ermordet hatte, setzten die Republikaner noch das 14. und das 15. Amendment durch: Alle Menschen, die auf dem Territorium der Vereinigten Staaten geboren wurden, waren automatisch amerikanische Staatsbürger – jawohl, auch die Nachkommen von Sklaven. Und alle amerikanischen Staatsbürger sollten wählen dürfen, zumindest die Männer, unabhängig von der Hautfarbe.

War die Republikanische Partei im 19. Jahrhundert also eine linke Partei? Befragen wir einen deutschen Gewährsmann, der es ganz sicher wissen musste. „Sir“, schrieb jener Mann anno 1864 nach Washington, „wir wünschen dem amerikanischen Volk Glück zu Ihrer mit großer Majorität erfolgten Wiederwahl … Die Arbeiter Europas … sind von der Überzeugung durchdrungen, dass … der amerikanische Krieg gegen die Sklaverei eine neue Epoche der Machtentfaltung für die Arbeiterklasse einweihen wird. Sie betrachten es als ein Wahrzeichen der kommenden Epoche, dass Abraham Lincoln, dem starrsinnigen, eisernen Sohn der Arbeiterklasse, das Los zugefallen ist, sein Vaterland durch den beispiellosen Kampf für die Erlösung einer geknechteten Rasse und für die Umgestaltung der sozialen Welt hindurchzuführen.“ Gezeichnet: Karl Marx.

Wie konnte aus dieser Republikanischen Partei die Republikanische Partei von heute werden? Vielleicht begann die große Umwandlung mit der Wahl von 1876. Eigentlich hatten die Republikaner diese Wahl verloren – genauer gesagt: Sie war so knapp ausgegangen, dass nun das Repräsentantenhaus entscheiden musste.

Die Republikaner ließen sich mit der Gegenseite auf einen politischen Kuhhandel ein: Wenn die Demokraten erlaubten, dass ihr Kandidat Rutherford B. Hayes Präsident wurde, verpflichteten sie sich darauf, die Armee aus den Südstaaten zurückzuziehen. Das Resultat: In den Südstaaten stellten die Weißen mit Terror die alten Herrschaftsverhältnisse wieder her. Danach durften Schwarze nicht mehr wählen, viele von ihnen gerieten in Schuldknechtschaft, die sich kaum von der Sklaverei unterschied. Am Ende stand ein Apartheidregime, das 100 Jahre dauerte.

Vielleicht begann die Wende aber auch mit Herbert Hoover. Dieser republikanische Präsident war ein grundanständiger Mensch, nur tat er leider in der Wirtschaftskrise von 1929 das Falsche: gar nichts. Die Folge: 1932 kam die Demokratische Partei unter Franklin Delano Roosevelt an die Macht und hielt sich dort für eine Generation. Roosevelt schmiedete eine unschlagbare Koalition aus Sozialdemokraten in den Städten des Nordens und „Dixiecrats“, also Rassisten, in den Südstaaten.

Längst nicht mehr links, aber auch nicht rechts

Die Republikaner waren danach eigentlich zwei Parteien. Ein zutiefst konservativer Verein, der sich lieber aus dem fernen Krieg in Europa herausgehalten hätte. Und eine zweite Partei, die Roosevelt in seinem Kampf gegen die Nazis und japanische Militaristen unterstützte.

An die Macht kamen die Republikaner erst wieder 1953, beinahe ein Jahrzehnt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Der Präsident hieß Dwight D. Eisenhower, ein ehemaliger General, den – außer den Kommunistenfressern um Joseph McCarthy – eigentlich alle gern mochten. Die Republikanische Partei war damals längst nicht mehr links, aber sie war auch noch nicht wirklich rechts. Sie hatte einen mächtigen linksliberalen Flügel. Sie kämpfte gegen Monopole und für Sozialreformen. Und es gab immer noch einen ganzen Haufen Schwarze, die republikanisch wählten – ganze 36 Prozent! Eine Statistik aus einer sehr anderen Zeit.

Das Jahr, in dem sich das alles änderte, war 1964. Damals fuhr der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, ein hünenhafter Texaner namens Lyndon B. Johnson, einen gigantischen Sieg ein. Die Republikaner holten sich die Stimmen nur von fünf Bundesstaaten: Arizona, Louisiana, Mississippi, Alabama, South Carolina.

Sie hatten einen Fehler gemacht und einen rechten Extremisten als Kandidaten aufgestellt: Barry Goldwater. Unter dem Demokraten Lyndon B. Johnson wurde 1964 – übrigens immer noch mit den Stimmen der meisten Republikaner im Kongress – der Civil Rights Act beschlossen. Ein Jahr später folgte der Voting Rights Act, durch den Schwarze in den Südstaaten das Wahlrecht erhielten.

Präsident Johnson sagte damals wehmütig: Ihm sei bewusst, dass er die Demokraten damit in den Südstaaten für eine Generation unwählbar gemacht hatte. Eine Fehleinschätzung – es war nicht eine Generation, es waren drei.

Nach Lyndon B. Johnson kam Richard Nixon. Unter ihm begann die Republikanische Partei ihre „Southern Strategy“, mit der sie die weißen Rassisten in ihr politisches Lager lockte. In den 80er-Jahren holte Ronald Reagan noch die evangelikalen Christen ins politische Boot. Damit war die Neuordnung der politischen Landschaft in den Vereinigten Staaten beinahe komplett. Von nun an standen die Demokraten für Multikulti, Frauenrechte und den Sozialstaat. Die Republikaner standen für fiskalischen Konservatismus, sprachen verächtlich von schwarzen „welfare queens“ und waren kategorisch gegen Abtreibungen.

Natürlich waren die Republikaner trotzdem noch keine Rassistenpartei. Auf YouTube kann man Videos anschauen, wo Reagans Nachfolger, inklusive George W. Bush, mit großer Herzenswärme über Einwanderer sprechen. George W. Bush reagierte auf die Terroranschläge vom 11. September 2001, indem er erst einmal eine Moschee besuchte.

Aber es gab danach bei den Republikanern zumindest eine wichtige Unterströmung, der es nicht passte, dass Amerikas Großstädte immer bunter wurden, dass Einwanderer aus Asien und Lateinamerika und Afrika ins Land strömten, dass Schwule und Lesben händchenhaltend herumschlenderten, dass immer weniger Leute in die Kirche gingen.

2012 verlor der Republikaner Mitt Romney die Wahl gegen Barack Obama. Danach setzten seine Parteifreunde sich hin und veröffentlichten ein Positionspapier. Dort stand Folgendes: Die Republikanische Partei hat nur dann eine Chance, wenn sie sich öffnet – wenn sie klarmacht, dass ihre Botschaft grundsätzlich für alle Menschen gilt, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, sexueller Orientierung. Dann kam 2016. Die Republikanische Partei missachtete ihre eigenen Ratschläge souverän. Und gewann.

So mutierte die Partei von Abraham Lincoln zur Partei von Donald Trump. Heute vertritt sie in beinahe jeder Hinsicht das Gegenteil von dem, was sie noch vor wenigen Jahren vertreten hat. Früher war sie für fiskalischen Konservatismus, heute schmeißt sie Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus. Früher war sie für freie Märkte, heute ist sie für Schutzzölle. Früher war sie die russlandfeindliche Partei, heute schwärmen große Teile der Parteibasis für Putin.

Früher war sie die Partei des 14. Amendment, heute versucht sie mit allen möglichen Tricks, Dunkelhäutige am Wählen zu hindern. Die Hälfte der Republikaner glaubt laut Umfragen an die antisemitische QAnon-Verschwörungstheorie. 2020 verabschiedeten die Republikaner gar kein Parteiprogramm mehr, sie bekannten sich einfach nur noch vorbehaltlos zu Donald Trump. Eines ist sicher: Karl Marx würde sich heute verdutzt die Augen reiben.

Wie die Präsidentschaftswahl gezeigt hat, wird diese politische Kraft nicht einfach so verschwinden – auch wenn es den Demokraten gelungen ist, Donald Trump an den Wahlurnen zu schlagen. Ein bedeutender Teil der Amerikaner findet jene kunterbunte, Kaffee Latte schlürfende, liberale und gelassene Nation, die sich in den amerikanischen Städten herausgebildet hat (nicht nur an den Küsten, auch im Mittleren Westen und in Texas), einfach nur ekelhaft. Diese Menschen halten nicht viel von Demokratie, und sie sind bewaffnet. Sie werden uns mindestens noch eine Generation lang beschäftigen. 

 

Nota. - Karl Marx schrieb damals nicht in eigenem Namen, sondern für den Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation IAA, der Ersten Internationale, und der Glückwunsch galt natürlich nicht Abraham Lincoln und seiner Partei, sondern der Abschaffung der Sklaverei. 

Die Vereingten Staaten sind nicht aus einheimische Wurzeln enstanden, sondern als eine bri-tische Kolonie. Ihre Gesellschaft unterscheidet sich substanzielle von den europäischen, und folglich die Gesetzmäßigkeiten ihrer Politik. Weder gab es eine werktätige Bourgeoisie, die sich erst noch 'zur Klasse bilden' musste, um sich gegen einen adligen Grußgrundbesitz durchzu-setzen, noch entstand je eine politisch gewichtige Arbeiterbewegung, die jene von links unter Druck setzen konnte. An Anfang waren sie alle mehr oder minder gutgestellte Kolonisten, die sich im Kampf gegen die britische Krone zur Nation bilden konnte, bevor die Klassenkämpfe Gestalt annahmen. Zunächst war da der Gegensatz zwischen den Städten im Osten und dem flachen Land, politisch reflektiert in der Opposition von zentralistisch gesonnenen federalists und dem lokalistischen Pioniergeist an der frontier.

Und auch mit fortschreitender Industrialisierung konnte sich eine selbsttragende Arbeiterbe-wegung nicht ausbilden: Amerikanische Proletarier ware aus Europa eingewandert, von wo sie sozialistische (aus Deutschland) oder anarchistische (aus Italien) Ideen mitbrachten. Doch in Amerika angekommen, sammelten sie sich zuerst einmal in des Gangs of New York, von wo aus sie sich bald als Facharbeiter etablierten oder im Lumpenproletariat überlebten. Das Entscheidende für die Ausbildung revolutionärer Stimmungen fehlte: das Bewusstsein, keine Chance zu haben. Denn eine Chance hatte anfangs jeder, der sie wahrzunehmen wagte: Go west! Im Westen gab es genug Land für jeden, der Mühe und Gefahr nicht scheute, so dass jeder, der in Zorn geriet, ein Ausweg fand. Revolutionäre Gruppierungen blieben Sekten man Rand der Arbeiterschaft "mit Migrationshintergrund": Die deutschstämmige Socialist Labor Party in New York, die italienischen Anarchisten in den Hafenstädten des Ostens.

Revolution ist in der Vereinigten Staaten Sache einer heroischen Vergangenheit: Ihren Unab-hängigkeitskrieg gegen die britische Krone nennen sie so - Quell aller patriotischen Legitimität. Hinter ihrem Führer Washington und ihrer zur Religion aufgebauschten Verfassung sind sie alle nur Eine Nation.

Eine Linke im europäische Sinn hat sich so niemals ausbilden können: die definierte sich durch ihre Nähe zu einer Revolution, die noch kommen sollte wenn vielleicht auch refor-mistisch gemildert: das waren die Sozialdemokraten

"... eine Trennung in Links und Rechts hat auch nach dem Ersten Weltkrieg, auf den eine neue Welle des Isolationismus folgte, nicht stattfinden können: Die Oktoberrevolution hat in der Tiefe der amerikanischen Gesellschaft lediglich the Red Scare hervorgerufen, die Stimmung war in allen Lagern - cf. den Fall Sacco und Vanzetti - so reaktionär und repressiv wie selten zuvor. Was Mark Lilla "die Linke" nennt, ist überhaupt erst als Folge der Großen Depression der 30er Jahre entstanden, als sich  Industriegewerkschaften bildeten, die nicht ständisch-exklusiv waren und sich für Ungelernte und... Schwarze öffneten: Das Rassenproblem war im Lauf der Great Migration von einem lokal südstaatlichen zu einem national amerikanischen Problem geworden.

Die politische Antwort war die Politik des New Deal unter dem demokratischen Präsidenten F. D. Rosoevelt, ihr Vordenker war der Pädagoge und pragmatistische Philosoph John Dewey. Er prägte das Schlagwort von New Liberalism, der, anders als der traditionelle Wirtschafts-liberalismus der Demokraten, einsah, dass ein Staat auf der Freiheit des Individuums nur dann aufgebaut sein kann, wenn die Individuen die sachlichen Mittel haben, sich ihrer Freiheit zu bedienen. Es heißt, es sei die amerikanische, klassenlose Variante der europäischen Sozialde-mokratie gewesen. Leo Trotzki erkannte dagegen im massiven Staatsinterventionismus des New Deal und der Kumpanei mit den Apparaten des Gewerkschaftsbunds CIO das gesell-schaftspolitische Pendant zu den Programmen der europäischen Faschismen: letzte Vertei-dígungslinien gegen die drohende Weltrevolution.

Anders als in Europa war die Linke in Amerika nie die politische Form einer realen Klassen-bewegung, sondern der ideologische Firnis einer besonderen Spielart bürgerlicher Politik. In Europa ist mit der Arbeiterbewegung die eine untergegangen, in Amerika mit dem Ende des Vietnamkriegs die andre. Übrig bleibt das Lamento und die Selbstbespiegelung." 25. 8. 19

Nicht verschwinden wird unter Biden der demagogische Populismus. Den hat es in den USA immer wieder mal gegeben, in den diversen "progressiven" Listen wie bei den Demokraten und jetzt eben bei den Republikanern. Dass Trump bei letzteren der Mehrheitsführer bleiben kann, bezweifle ich. Er mag uns als Kopf einer lärmenden, ewig stänkernden extremistischen Minderheit erhalten bleiben, aber das wird ihm auf die Dauer nicht genügen. Er könnte es wiedermal mit einer Dritten Partei versuchen, aber dafür hat er wiederum nicht genug Puste. Am ehesten kann ich mir vorstellen, dass er nun, wo die Luft raus ist, gegen all die Verräter tobt, die ihn im Stich gelassen haben, und langsam so klein und hässlich wird, dass es selbst die Treuesten der Treuen graust.

JE