Dienstag, 14. Juli 2015

Nun also doch: Griechenland.




Hätte ich mich schon früher zu Griechenland äußern sollen?

Ich werde mich nicht klüger geben, als ich bin. Von Wirtschaftspolitik verstehe ich wenig, von Finanzpolitik gar nichts, und so werde ich auch hinterher nicht den Naseweis spielen.

Doch so, dass mir gar nichts einfiele, ist es nun auch nicht. Ich denke, wenn ein Oberster Strippenzieher, der zwar an den Umständen nichts ändern kann, aber alle Akteure an der Leine hält, dieses Stück hätte inszenieren müssen, hätte er es nicht besser gekonnt. Nicht nur die griechische Regierung muss vor ihren Wählern bestehen, die andern Regierungen müssen es auch. Jeder muss glaubhaft machen, dass er bis ans Äußerste gegangen ist, was er seinem Land zumuten kann.

So viel nach innen. Nach außen musste Europa glaubhaft machen - nicht: glauben machen -, dass es keinen der seinen, und wenn er ihm noch so auf der Nase getanzt hat, untergehen lässt. Um des Erhalts der Union willen; aber der ist jeder von ihnen aus Eigeninteresse beigetreten, und aus Eigeninteresse müssen sie sie erhalten. Und es muss glaubhaft machen, dass es sich nicht ewig auf der Nase tanzen und dann auch noch erpressen lässt.

Das sind alles nur politische Erwägungen und keine wirtschaftlichen? Das hört sich so an, als wäre Wirtschaft etwas handfest Reales und Politik Laune und Phantasie. Dabei ist die wirtschaftliche Verflechtung Europas längst viel enger als seine politische Einigung, und noch nie war es umgekehrt. Ob die Einführung einer gemeinsamen Wäh- rung ökonomisch gesehen verfrüht war, mag man diskutieren, aber die politischen Erwägungen, die sie forciert haben, waren gewichtig. Und nun haben wir sie, sie wieder abzuschaffen würde tausendmal mehr Unwägbarkeiten zeitigen, als ihre Bewahrung auch unter widrigen Umständen.


Der Euro ist ja nicht durch seine eigenen Regeln in Bedrängnis gekommen, sondern weil Griechenland sich seiner- zeit regelwidrig eingeschlichen hat. Das haben die andern Regierungen nicht gewusst, aber sie hätten es wissen können. Nur fand sich damals wohl keiner bereit, so wie Schäuble heute den europäischen Sittenwart zu spielen; und das war nicht gut so, stimmt's? Das griechische Volk hat es vielleicht nicht wissen können, aber ob es das wissen wollte, steht in den Sternen. Die Vorteile waren zu offenkundig, wer konnte da widerstehen!

Ja ja, die früheren Regierungen waren schuld. Aber Griechenland ist schon seit langem wieder ein demokratisches Land, die Griechen haben ihre Regierungen selber gewählt. Mehr als abwählen konnten sie sie nicht, das ist wohl wahr, und es ist nicht gerecht, dass nun der Kleine Mann die Zeche bezahlen soll. Aber wäre es gerecht, wenn Andere sie zahlen müssten? "Die Reichen sollen zahlen, die haben sich die doch Taschen am vollsten gestopft!" Und mit diesem Versprechen hat Syriza die Wahlen gewonnen. Aber unternommen hat die neue Regierung nichts in diese Richtung.

An der Stelle ein Wort zur sich noch immer so nennenden Linken. Die Machtergreifung der Arbeiterklasse und die Diktatur des Proletariats wurden für Griechenland nicht in Vorschlag gebracht. Aber ein wirklicher Systemwechsel wäre nur dies gewesen. Es mit der Weltrevolution doch nochmal versuchen, das ist die einzig denkbare radikale Al- ternative. Ich kann verstehen, dass das keiner mehr riskieren will. Aber dann bleiben eben nur kleine Alternativen und Basteln am Detail. Und dass man das griechische Volk nicht in die Verelendung treiben darf, wissen auch die europäischen Regierungen, und nicht aus Barmherzigkeit, sondern aus Eigeninteresse. Alles in Allem - wenn ein oberster Strippenzieher die Regie geführt hätte, wäre das Schauspiel kaum anders ausgefallen; und wäre auch nicht rascher über die Bühne gegangen, denn nur wenn es bis zum allerletzten Moment dauerte, konnten alle glaubhaft bleiben.

Und natürlich geht das Basteln am Detail jetzt überhaupt erst los, wo sollen die 50 Phantastilliarden* für den Treu- handfonds denn herkommen, wollen sie das Parthenon nach Las Vegas verhökern oder nach Shanghai? - Entschie- den ist ja momentan nur, dass die Griechen wirklich nicht aus dem Euro rauswollen und dass die anderen sie wirk- lich nicht rauswerfen. Das war bislang nicht sicher und musste der Welt erst glaubhaft gemacht werden. Darum war das Theater nicht überflüssig, sondern unverzichtbar; "alternativlos", wie jemand sagen würde.


*) so nennt sie die FAZ



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