Freitag, 1. Dezember 2017

Neue Stimmen für eine Minderheitsregierung.


aus FAZ.NET

... Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner erwartet sich von einer möglichen Minderheitsregierung eine positive Entwicklung für die deutsche Demokratie. Der Bundestag sei voll einsatzfähig „und dem täte es auch gut, wenn er revitalisiert wird“, sagte Lindner am Freitag in Berlin FAZ.NET am Rande der Konferenz „Denk ich an Deutschland“, die von der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veranstaltet wird. Mit einer Minderheitsregierung würden wieder mehr Entscheidungen „aus der Mitte des Parlaments getroffen“ und nicht nur von der Regierung. 

Eine große Koalition garantiere zwar Stabilität, sagte der FDP-Chef. Aber sie sei „nicht kreativ“.
Im Hinblick auf die verschiedenen Möglichkeiten einer Regierungsbildung habe er aber keine Präferenzen, sagte Lindner. Es wäre seiner Meinung nach auch merkwürdig, wenn er als FDP-Chef sich nun dazu äußern würde, „nachdem man selbst gerade erklärt hat, nicht in eine Regierung eintreten zu wollen“.

Doch niemand, weder seine Partei noch die CDU, „sollte sich erpressen lassen“, sagte Lindner. Er bezog sich dabei ausdrücklich auf die SPD, die gerade öffentlich „so hohe Preise“ für eine große Koalition auslobe, dass auch über Alternativen zu diesem Bündnis nachgedacht werden müsse. Der Bundestag sei bereits voll arbeitsfähig und die FDP würde eine Minderheitsregierung „konstruktiv begleiten“, sagte der FDP-Chef.

Dabei würden die Liberalen weiterhin entsprechend ihrer Überzeugungen abstimmen. Dies habe die FDP in der vergangenen Plenarsitzungswoche bereits bewiesen, so Lindner. Bei der Frage nach der Umschuldung Irlands habe die FDP einen Antrag der Regierung unterstützt, gegen den sogar der Noch-Partner SPD gestimmt habe. „Und das zeigt eins: Wir nehmen staatspolitische Verantwortung wahr und entscheiden nach der Sache“, sagte Lindner.



aus Süddeutsche.de

Der Rechtswissenschaftler Thorsten Kingreen beklagt in der Süddeutschen das momentane Starren auf den Bundespräsidenten, das monarchistische Sehnsüchte erkennen lasse. Wir hätten aber eine Republik, und dieses sei nicht die Stunde des Präsidenten, sondern die der Bundestagsabgeordne- ten.

... Allein ihnen weist das Grundgesetz die Zuständigkeit und die Verantwortung für die Entscheidung zu, wie es jetzt weitergeht. Sie könnten zu dem Schluss kommen, dass eine sogenannte Minderheitsregierung vielleicht gar nicht so schlimm ist und schon im ersten Wahlgang einen Kandidaten mit der erforderlichen Mitgliedermehrheit ausstatten. 

Dagegen wird zwar gerne vorgebracht, dass Minderheitsregierungen in Deutschland keine Tradition hätten und Deutschland angesichts der derzeitigen instabilen Lage in Europa eine stabile Regierung benötige. Aber dieses Argument ist nicht sonderlich stark. Die Alternative Neuwahlen würde Deutschland für ein weiteres halbes Jahr europapolitisch lahmlegen. In vielen europäischen Staaten haben zudem Minderheitsregierungen eine schon langjährige Tradition, namentlich in den skandinavischen Ländern, die bislang nicht als Orte der Instabilität aufgefallen sind. Wenn sich eine Regierung nicht immer auf die gleichen Mehrheiten verlassen kann, kann das die Lebhaftigkeit in die parlamentarischen Debatten zurückbringen, die diese in den vergangenen Jahren verloren haben. Fraktions- und Koalitionsdisziplin haben diese Debattenkultur in den vergangenen Jahren weitgehend unterbunden; wurden sie ausnahmsweise einmal aufgehoben, war fast immer von "Sternstunden des Parlaments" die Rede.

Es ist daher an der Zeit, dass das Parlament seinem Namen wieder Ehre macht. Für diese Erkenntnis brauchen wir keinen Befindlichkeiten auslotenden Bundespräsidenten, sondern ebenso fantasievolle wie kompromissbereite Parlamentarier, die nicht nur Steigbügelhalter einer Regierung sind.

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