Mittwoch, 26. Dezember 2018

Vom Ursprung der Schrift.


aus spektrum.de, 1. 12. 1978

Vom Ursprung der Schrift
Lange bevor die Sumerer in Mesopotamien die Schrift erfanden, gab es im westlichen Asien Buchhaltungssysteme, die unterschiedlich geformte Tonstücke als Symbole benutzten. Wahrscheinlich waren diese Symbole die Vorläufer der sumerischen Schriftzeichen.
 
von Denise Schmandt-Besserat, Übersetzt von Ulrich Jaeger 

Wer erfand die Schrift? Es gibt Hinweise, daß die Kunst des Schreibens von mehreren Völkern unabhängig und zu verschiedenen Zeiten entwickelt wurde. Chinesische Schriftzeichen können bis zu ihren Urformen im zweiten Jahrtausend vor Christo zurückverfolgt werden. Sie sind eingraviert in Schildkrötenpanzer oder Schulterblätter von Schafen erhalten geblieben. Die Schrift der Mayas entfaltete sich etwa tausend Jahre später in Mittelamerika. Sie bestand aus vielen Hieroglyphen und einigen einfachen Zeichen für die Zahlen. Beide Schriften sind trotz ihres Alters verhältnismäßig junge Entwicklungen. Schon im letzten Jahrhundert des vierten Jahrtausends vor Christo entwickelten die Bewohner der sumerischen Stadt-Staaten eine Schrift, die Zahlen, Pictogramme (das heißt bildhafte Darstellungen von Objekten) und abstrakte Schriftzeichen umfaßte – zusammengenommen mindestens 1500 Symbole.

Im Stadt-Staat Uruk fanden deutsche Archäologen 1929 und 1930 zahlreiche beschriftete Tontafeln. Erstaunlicherweise waren sie alle gewölbt und nicht – wie unsere Schiefertafeln – flach. In feuchten Ton lassen sich Zeichen mit einem Holz-, Knochen- oder Elfenbeingriffel besonders leicht einprägen. Zahlen wurden mit dem stumpfen Ende des Griffels im Ton markiert. Alle anderen Zeichen, also die Pictogramme und die unseren Buchstaben vergleichbaren Schriftzeichen, ritzte man mit der Spitze des Griffels ein.

Archäologen und Sprachforscher nehmen gemeinhin an, daß bildhafte Zeichen die Vorläufer abstrakter Schrift-Symbole sind. Die Tafeln von Uruk scheinen gegen diese Vermutung zu sprechen, denn der größte Teil der in ihnen enthaltenen Symbole hat abstrakten Charakter. Die wenigen leicht lesbaren Pictogramme stellen Tiere, wie Wolf und Fuchs, oder technische Entwicklungen, wie den Wagen oder den Hammer dar. Aus den wenigen Fragmenten, die sich bisher entziffern ließen, geht hervor, daß die Schreiber im wesentlichen geschäftliche Transaktionen und Landverkäufe aufgezeichnet haben: Am häufigsten treten die Zeichen für Brot, Bier, Schafe, Vieh und Kleidung auf.

Auch Schrifttafeln, die man später in anderen Teilen Mesopotamiens in den Ruinen von Privathäusern fand (die Tafeln von Uruk stammten aus einem Tempel), sind reich an abstrakten Zeichen und überraschend arm an Pictogrammen. Viele Forscher glauben daher, daß man es bei all diesen Tontafeln mit Dokumenten einer späten Stufe der Schriftentwicklung zu tun hat (was sicher zutrifft) und daß sich schriftliche Aufzeichnungen früherer Jahrtausende nicht erhalten haben, weil sie aus verderblichem Material (Papyrus, Pergament oder Holz) bestanden. Hier bin ich anderer Meinung. Ich glaube, daß die Urformen der Schrift keineswegs verlorengegangen sind, sondern in unseren Museen noch heute in Augenschein genommen werden können.

 Zwischen 1927 und 1931 wurden im Iran die Ruinen der Stadt Nuzi ausgegraben, die ihre Blütezeit im Jahr 2000 vor Christo hatte. Im Palast fand man ein aus dem Jahr 1500 vor Christo stammendes Text-Archiv. Etwa dreißig Jahre nach den Ausgrabungen entdeckte ein Archäologe, daß die Bewohner der Stadt ein Buchhaltungssystem benutzt hatten, das aus »Zählsteinen« bestand. Im Zusammenhang mit den Steinen berichten die Texte von »Einzahlungen«, »Überweisungen« und »Abhebungen«. Offenbar führte man also in doppelter Weise Buch, das heißt, parallel zu den kunstvollen Keilschriftbelegen des Schreibers unterhielt die Palastverwaltung ein Archiv in greifbarer Form. Dort konnte man jedem Tier der Palastherde einen Zählstein von bestimmter Form zuordnen. Wurden im Frühjahr Tiere geboren, so fügte man passende Steine hinzu; wurden Tiere geschlachtet, so nahm man deren Steine fort. 

Die Entdeckung eines verschlossenen eiförmigen Tongefäßes in dessen Oberfläche eine Liste von 48 Tieren graviert war, unterstützt diese These, denn beim Öffnen des Behälters fand man 48 Zählsteine. Wahrscheinlich beurkundeten die Schriftzeichen auf dem Gefäß und die Zählsteine in ihm die Lieferung von Vieh von einem Palastdienst an einen anderen. Leider gingen die Zählsteine nach ihrer Entdeckung verloren.

Bei Ausgrabungen in Susa entdeckte ein Mitarbeiter des Louvre 1964 ein Buchhaltungssystem, das dem in Nuzi verwendeten glich, aber um mehr als 1500 Jahre älter war. Die Behälter, in denen er die Zählsteine fand, waren hohle, aus Ton modellierte Kugeln. Der Entdecker nannte sie »Bullae« (lat. bulla= Blase). Bis heute konnten fast siebzig solcher Gebilde ausgegraben werden. Sie enthielten aus Ton geformte geometrische Figuren: Kugeln, Scheiben, Zylinder, Kegel und Tetraeder. Der Fund von Susa ist so bedeutend, weil er zeigt, daß Bullae und Zählsteine schon zur Zeit der frühesten Tafeln von Uruk in Gebrauch waren und wahrscheinlich noch sehr viel älter sind.

1969 begann ich, die Frühgeschichte der Ton-Verarbeitung im Nahen Osten zu untersuchen. Der Forschungsauftrag führte mich in die Museen vieler Städte der USA, Europas und des Nahen Ostens und – auf die Spuren der ersten Schrift. Neben den erwarteten Tonperlen, Ziegeln und Figuren entdeckte ich in den Museen Objekte, deren Existenz mir unbekannt geblieben war: Kleine Tongegenstände unterschiedlicher Form, unter ihnen Kugeln, Scheiben, Kegel, Tetraeder, Ovoide (eiförmige Körper), Dreiecke, Doppelkegel, Rechtecke, und unregelmäßig geformte Gegenstände, die nur schwer zu beschreiben sind.

Obwohl alle Objekte klein waren, erlaubten sie die Gliederung in zwei Gruppen: Es gab kleine Kegel von etwa einem Zentimeter Höhe und große, die drei bis vier Zentimeter maßen. Neben dünnen, etwa drei Millimeter starken Scheiben gab es solche, die bis zu zwei Zentimeter dick waren. Außer vollen Kugeln fanden sich Halb-, Viertel- und Dreiviertel-Kugeln. Einigen Formen ergänzten einander. Viele Tonstückchen wiesen tiefe Linien auf, einige waren mit Tonkügelchen oder Spiralen bedeckt, andere trugen schwach eingedrückte kreisförmige Markierungen. Alle waren von Hand gefertigt worden. Um ihre Form zu erhalten, hatte man sie an der Luft getrocknet oder im Feuer gehärtet. Spuren einer besonderen Behandlung fanden sich nicht.

Überraschend war die weite Verbreitung dieser Tonstücke. Sie wurden bei Ausgrabungen in Beldibi im Südwesten der Türkei, in Chan Daro im heutigen Pakistan und selbst am Nil nahe Khartum entdeckt. Am ergiebigsten waren Grabungen im etwa 8500 Jahre alten Jarmo im Irak. Man fand dort 1153 Kugeln, 206 Scheiben und 106 Kegel. Aus fast allen Grabungsberichten geht hervor, daß die Tonstücke in Häusern an sehr vielen Stellen des Grabungsgebietes lagen. Oft waren sie über den Boden verstreut, aber es gibt auch Anzeichen dafür, daß sie von anderen Gegenständen getrennt aufbewahrt wurden, denn in vielen Fällen lagen sie in Haufen von 15 oder mehr beisammen, und zwar immer in den Speicherräumen der Häuser.

Obwohl ich die Berichte über die Zählsteine von Susa kannte, blieb mir deren große Ähnlichkeit mit »meinen« Objekten lange verborgen. Dann schien es unmöglich, eine Beziehung zwischen beiden Gruppen herzustellen, denn mindestens fünftausend Jahre trennten die Tonsymbole der Jungsteinzeit von den Zählsteinen aus Sua. Erst als ich meine Forschungen auf Tongeräte ausdehnte, die in der Zeit zwischen dem siebenten und vierten Jahrtausend vor Christo entstanden waren, bemerkte ich, daß man gleichartige Tonformen offenbar in ganz Westasien seit dem neunten vorchristlichen Jahrtausend ununterbrochen bis zum zweiten Jahrtausend vor Christo benutzt hatte.

Eine systematische Aufstellung aller Tonsymbole ergab, daß sie sich in etwa 15 Haupttypen und 200 Untertypen gliedern lassen. Die Untertypen unterscheiden sich durch ihre Größe, Markierung und Unterteilung (Kugel, Dreiviertelkugel, Halbkugel). Offenbar hat jede Form eine besondere Bedeutung. Einige scheinen Zahlen zu bezeichnen, andere repräsentieren bestimmte Objekte, insbesondere Waren. Wir sind hier aber gar nicht auf Vermutungen angewiesen, denn viele Zeichen auf den Tafeln von Uruk sind die getreuen zweidimensionalen Wiedergaben der Tonsymbole: Der kleine kegelförmige Eindruck für die Zahl 1, der kreisförmige Eindruck für die Zahl 10 und der größere, wiederum kegelförmige Eindruck für die Zahl 60 stimmen genau mit den Formen der entsprechenden Zählsteine überein: Kleiner Kegel, Kugel und großer Kegel. Weitere Beispiele sind das Uruk-Zeichen für Schaf (ein Kreis mit einem Kreuz), das einem scheibenförmigen Tonsymbol mit eingeprägtem Kreuz entspricht. Um ein Kleidungsstück zu notieren, ritzten die Schreiber von Uruk vier parallele Linien in einen Kreis und ahmten damit ein altes Tonsymbol nach: Vier parallele Linienauf einer Scheibe. Ebenso stimmen die Zeichen für Metall und Öl überein, und noch deutlicher ist die Ähnlichkeit bei den Pictogrammen für Vieh, Hunde und Gefäße. Auch viele bisher nicht entzifferte Schriftzeichen gleichen nach Form und Prägung den Tonsymbolen.

Es ist sicher kein Zufall, daß die ersten Zählsteine in der frühen Jungsteinzeit auftreten, in einer Zeit also, in der die Gesellschaft der Jäger und Sammler zu Tierhaltung und Feldwirtschaft übergeht. Bis dahin unbekannte, mit der Lagerung von Vorräten und der Überwachung der Viehherden im Zusammenhang stehende Probleme waren wohl die Ursachen für die Entwicklung des ersten »Buchhaltungssystems« der Geschichte. Die ältesten uns bekannten Zählsteine stammen aus zwei Orten des Zagros-Gebirges im Iran: aus Tepe Asiab und Ganji-Dare Tepe. Die Menschen, die diese Stätten um 8500 vor Christo bewohnten, hielten Schafherden und haben wahrscheinlich auch schon mit Feldfrüchten experimentiert. Nebenher waren sie Jäger und Sammler. Ihre Zählsteine zeigen vielfältige Formen: Neben den vier Grundtypen Kugel, Scheibe, Kegel und Zylinder hatten sie Tetraeder, Ovoide, Dreiecke, Rechtecke, Spiralen und stilisierte Tierformen, und einige Steine waren mit Einritzungen und eingedrückten Markierungen versehen.

Während der Jungsteinzeit und der ihr folgenden Kupferzeit, einer Periode von insgesamt etwa 5000 Jahren, ändern sich die Zählsteine kaum, ein Beweis dafür, wie gut dieses System den Bedürfnissen der frühen Bauerngesellschaft entsprach. Funde aus Tepe Sarab, das seine Blütezeit um das Jahr 6500 vor Christo hatte, sind lediglich etwas formenreicher: Eine vierseitige Pyramide und ein stilisierter Ochsenschädel, der wahrscheinlich Vieh symbolisieren sollte, kommen hinzu. Auch die Zählsteine aus vier Orten, die zwischen 5500 und 4500 vor Christo in Blüte standen -Teil Arpatschija und Teil as-Sawwan im Irak sowie Chaga Sefid und Jaffarabad im Iran – lassen nur geringe Fortschritte erkennen: der Doppelkegel tritt auf, und in einigen Fällen hat man die Furchen und eingedrückten Zeichen durch aufgemalte schwarze Linien und Punkte ersetzt.

Erst das frühe Bronzezeitalter (zwischen 3500 und 3100 vor Christo) bringt deutliche Veränderungen des jetzt schon Jahrtausende alten Systems. Mit der Gründung der ersten Städte im westlichen Asien gehen handwerkliche Spezialisierungen und die Anfänge von Massenproduktionen einher. Wohl gaben die Bronzeschmiede der Epoche ihren Namen, aber auch andere Berufe entstanden in dieser Zeit. Mit der Erfindung der Töpferscheibe entwickelte sich eine Tonwaren-Industrie, die mit dem Ausstoß ihrer Brennöfen weitverzweigten Handel trieb, und die vom Handel lebende Stadt-Wirtschaft stellte neue Anforderungen an die Buchhaltung. Produktion und Lagerbestände, Verfrachtungen und Lohnzahlungen mußten kontrolliert und registriert werden, und für die Kaufleute war es unerläßlich, die Belege ihrer Handelsaktionen aufzubewahren. Diese Erfordernisse haben das System der Zählsteine sowohl in seinen Symbolen als auch in deren Gebrauch stark verändert.

Aus sechs Städten des späten vierten Jahrtausends vor Christo im Irak (Uruk, Tello und Fara), im Iran (Susa und Chogha Misch) und in Syrien (Habuba Kabira) sind insgesamt 660 Zählsteine erhalten. Sie zeigen das ganze Spektrum der frühen Formen sowie einige neue Formen, unter ihnen parabelförmige Körper (ähnlich einem Zuckerhut), Rhomben und Nachbildungen von Gefäßen. Auffälliger ist die Vielfalt der Gravierungen in den Zählsteinen. Sie weisen parallele Linien, Kreuzmuster oder querlaufende Markierungen auf. Am häufigsten sind Muster, aus einem, zwei, drei oder fünf Strichen. 26 Zählsteine tragen kreisförmige Markierungen. Einige haben nur einen Eindruck, anderen dagegen sechs in einer Reihe oder je drei Eindrücke in zwei Reihen. Auch die ersten Zählsteine mit aufgelegten Mustern stammen aus dieser Zeit: sie sind mit Perlen oder Spiralen aus Ton verziert.

Bedeutend ist, daß 198 Zählsteine durchbohrt sind. Die Löcher sind so fein, daß man heute nur einen dünnen Draht hindurchziehen kann. Viele Forscher sehen damit ihre These bestätigt, daß die Zählsteine eben doch nur Amulette waren, die von den Bewohnern des westlichen Asiens um Hals und Handgelenk getragen wurden. Ich halte diese Interpretation aus zwei Gründen für falsch. Zum einen weist keiner der von mir untersuchten Zählsteine Merkmale auf, die sich beim Tragen eines Amuletts bilden müssen: Sie sind weder abgeschliffen noch ist ihr Loch erweitert. Zum anderen scheint die Annahme absurd, daß diese Vielfalt an Formen, geographisch weit verbreitet und überall von erstaunlicher Gleichheit, zu Schmuckzwecken gefertigt worden ist. Auch könnte die Schmuck-These nicht die Existenz der unperforierten Zählsteine erklären. Ich glaube, daß man die Steine durchbohrt hat, um sie nach Abschluß einer geschäftlichen Transaktion zu »Akten« bündeln zu können. Dem gleichen Zweck dienten offenbar auch die hohlen Tonkugeln (Bullae), die man in Susa fand und die ungefähr aus der gleichen Zeit stammen: In den aus Tonklumpen geformten und mit flachen Tonscheiben verschlossenen Behältern bewahrte man die Zählsteine einzelner Geschäftsabschlüsse auf. Nach sumerischem Brauch wurde ein Handel erst durch die Siegel, die »Unterschriften« der Parteien gültig. Tatsächlich tragen die meisten der bisher gefundenen 350 Hohlkugeln die Eindrücke zweier Siegel. Die Kugeln konnten auch als Frachtbriefe dienen. Gab etwa ein ländlicher Tuchfa brikant einer Sendung seiner Ware an einen Kaufmann in der Stadt eine versiegelte Bulla mit, so hatte er die Möglichkeit, anhand der Zählsteine, die er in die Bulla legte, Art und Umfang der Lieferung zu beschreiben. Da es dem Spediteur oblag, eine unversehrte Bulla abzuliefern, konnte er unterwegs nicht einen Teil der Ware verschwinden lassen, denn der Empfänger brauchte die Tonkugel nur zu öffnen, um sich von der Vollständigkeit der Sendung zu überzeugen. Da aber das Siegel auf der Bulla Ausdruck für die Gültigkeit des Geschäftsabschlusses war, durfte es nicht gebrochen werden.

Wie konnte der Empfänger dann feststellen, welche und wieviele Zählsteine die Kugel enthielt? Das war ein Problem, aber die Lösung ließ sich offenbar leicht finden: Man drückte die Zählsteine in der Oberfläche der Bulla ab, solange diese noch weich war und bevor man die Steine ins Innere der Kugel tat. So war der Bulla schon von außen anzusehen, was sie enthielt, und man brauchte die Siegel nicht zu zerstören, um den Frachtbrief zu »lesen«.

Eines der schönsten Beispiele dafür ist eine unversehrt ausgegrabene Bulla, die sechs mit Furchen versehene Ovoide als Zählsteine enthielt. Jeder dieser Steine war in die Oberfläche der Kugel eingedrückt worden, bevor er in den »Umschlag« kam, und noch heute passen die Steine genau in diese Vertiefungen. Allerdings hat man den Inhalt einer Bulla nicht immer auf diese unmittelbare Weise gekennzeichnet. Die meisten Kugeln tragen außen vielmehr Zeichen, die mit dem Daumen oder mit einem Griffel in den weichen Ton gedrückt wurden, wobei eine runde Vertiefung einer Kugel oder einer Scheibe entsprach und ein Dreieck einem Kegel.

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Die Entwicklung dieser Inventarlisten hat dann einen Verlauf genommen, den ihre Schöpfer wohl kaum vorhersehen konnten: Zunächst setzte sich die Neuerung durch, weil sie praktisch war. Jeder konnte »lesen«, welchen Inhalt eine Bulla hatte. Dann aber traten die Abbildungen allmählich an die Stelle ihrer Originale, und darin besteht vermutlich der Übergang vom Buchhaltungssystem zur Schrift. Als nächstes wurden die hohlen Tonkugeln von massiven Tonobjekten abgelöst: Tontafeln kamen in Gebrauch. Wahrscheinlich leitet sich die gewölbte Form der frühen Tafeln von Uruk aus der Form der Bullae ab. Auch die Tatsache, daß die Sumerer auf Ton schrieben, dürfte so zu erklären sein, denn an sich sind Tontafeln nicht gerade als Schriftträger prädestiniert. Zwar lassen sie sich leicht gravieren, solange der Ton weich ist, aber dann muß das Material an der Sonne oder im Feuer härten, ehe es als dauerhaftes Dokument gelten kann.

Vieles spricht also dafür, daß die frühen Formen der Schrift, wie sie uns aus Mesopotamien überliefert sind, nicht einfach erfunden wurden, sondern sich allmählich aus einem Buchhaltungsverfahren entwickelten, das vor etwa 11000 Jahren im westlichen Asien entstand. Bis ins vierte vorchristliche Jahrtausend blieb das System der Zählsteine im wesentlichen unverändert, denn seine Leistungen entsprachen den geringen Ansprüchen der frühen Agrargesellschaften. Erst die Gründung von Städten und die damit einhergehende Entwicklung weitverzweigter Handelsbeziehungen machten Verbesserungen notwendig. Das Bild des Zählsteins ersetzte dessen physische Gegenwart, und damit war der entscheidende Schritt zur Erfindung der Schrift getan.

 

Mittwoch, 19. Dezember 2018

Frühe Migration über die Balkanroute.

Figurinen, Südserbien
aus derStandard.at, 19. Dezember 2018, 07:30

Die ersten Ackerbauern kamen über den Balkan nach Zentraleuropa 
Österreichisches Wissenschafterteam entdeckte neuen neolithischen Fundort im Süden Serbiens.

Wien – Nach bisherigen Erkenntnissen ließen die ersten Menschen vor rund 11.000 Jahren im nahen Osten ihr Jäger- und Sammlerdasein hinter sich, um erstmals Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Den Weg nach Europa fanden diese Kulturtechniken erst bedeutend später – wann das geschah, war allerdings lange Zeit weitgehend unklar. Immerhin ließen bisherige Funde darauf schließen, dass die ersten Bauern über die Balkanroute von der Ägäis nach Zentraleuropa vordrangen. Ein österreichisches Forschungsteam konnte nun diese Annahmen aufgrund aktueller Untersuchungen untermauern.

Die Wissenschafter um die Archäologin Barbara Horejs fanden an einem neolithischen Fundort im Süden Serbiens darüber hinaus Hinweise, warum die frühen Ackerbauern für ihr Vordringen in den Norden mehrere hundert Jahre brauchten. "Wir waren gezielt auf der Suche nach einem 'missing link' zwischen dem Neolithikum in der Ägäis und Zentraleuropa", sagte Horejs vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Keine Ost-West-Achsen

Dass dieser nur von Süden nach Norden entlang der sogenannten Balkanroute liegen konnte, war von vorneherein klar. "Es gibt so gut wie keine Ost-West-Achsen", so Horejs. Fündig wurden sie in der ersten Ebene nach Skopje, südlich von Nis auf einer Terrasse entlang des Flusses Morava.

"Die Terrasse liegt in einer Höhe von 400 bis 500 Metern, also perfekt für den Ackerbau", vermutet die Archäologin einen von frühen Ackerbauern und Viehzüchtern ganz gezielt gesuchten Punkt. Im August dieses Jahres begann das österreichische Forscherteam in Kooperation mit dem Archäologischen Institut von Belgrad zu graben und wurde fündig.

Sesshafte Gruppe mit materieller Kultur

Steinwerkzeuge, Keramikgefäße, Tierknochen, aber auch eindeutig verbrannte Bereiche, die auf Öfen schließen lassen, sowie eine große Anzahl von Figurinen kamen zum Vorschein. "Wir können davon ausgehen, dass es sich dabei um Reste einer zumindest partiell sesshaften Gruppe mit entsprechender materieller Kultur handelt", ist Horejs überzeugt.

Damit ist es aber nicht getan. Unter den bisherigen Grabungen des Fundortes – genannt "Svinjaricka Cuka" nach dem benachbarten Fluss – liegen noch etwa eineinhalb Meter neolithische Kulturschichten, wie entsprechende Radio-Carbon-Untersuchungen ergaben. "Nun herrscht natürlich große Aufregung, was da jetzt noch kommen wird," sagte die Archäologin. Einen "missing link" stelle der Fundort, der noch dazu eine "relativ große Ausdehnung hat" und laut Horejs "mindestens 20 große Strukturen" umfasst, auf jeden Fall dar und dürfte damit essenzielle Fragen rund um die Sesshaftwerdung in Europa beantworten.

Kleine Migrationsgruppen

Erste sesshafte Pioniere gab es in der Ägäis um 6.700 vor der Zeitrechnung. Dagegen datieren berühmte neolithische Fundorte – wie etwa "Lepenski Vir" an der Donau nördlich von Belgrad als einer der ältesten Zeugnisse frühen Ackerbaus – von 6.000 vor der Zeitrechnung. "Wir fragen uns natürlich, wie es zu dieser Zeitverzögerung kam", so Horejs. Generell gehe man davon aus, dass kleine Migrationsgruppen ausgehend vom Nahen Osten nach Mitteleuropa zogen und dabei das sehr komplexe Wissen über Ackerbau, Viehzucht, das Leben in sesshaften Gemeinschaften in gebauten Häusern mitbrachten. "Der Schritt vom Sammler und Jäger zu Ackerbau und Viehzucht ist eine der größten und nachhaltigsten Revolutionen der Menschheitsgeschichte und prägt uns bis heute", so die Archäologin.

Neben den Grabungen strengt das Forscherteam auch Umweltuntersuchungen an. Gesucht wird nach Zeichen von Umwelteinflüssen wie Überschwemmungen oder Klimawandel. Diese dürften Auslöser dafür gewesen sein, warum frühe Siedler weiter in Richtung Norden zogen. (red, APA,)


Dienstag, 18. Dezember 2018

Das Reich von Nebra.

dpatopbilder - 11.12.2018, Sachsen-Anhalt, Halle (Saale): Nicole Nicklisch, Anthropologin, und Frank Ramsthaler, Rechtsmediziner, begutachten in einem Arbeitsraum des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle/Saale die sterblichen Überreste des Fürsten von Helmsdorf (Mansfeld-Südharz). Nach 3828 Jahren ist klar, der Herrscher ist in der Epoche der Himmelsscheibe von Nebra einem Attentat zum Opfer gefallen. Umfangreiche Untersuchungen, die seit 2012 laufen, belegen den ältesten nachweisbaren Fürstenmord der Weltgeschichte. Wissenschaftler konnten drei eindeutige Verletzungen an den Knochen nachweisen · vermutlich ging ein Stich mit einem Dolch in den Bauchbereich, ein weiterer traf das Schlüsselbein. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++  
aus welt.de, 17.12.2018                                                                                      Die Anthropologin Nicole Nicklisch und der Rechtsmediziner Frank Ramsthaler analysieren die sterblichen Überreste des Fürsten von Helmsdorf

Der erste Fürstenmord der Geschichte geschah in Deutschland 
Vor mehr als 100 Jahren wurde in Sachsen-Anhalt ein Hügelgrab entdeckt. Neueste Analysen zeigen, dass der Tote brutal ermordet wurde – und zur Oberschicht eines unbekannten Reiches gehörte.

Von Berthold Seewald  

Wahrscheinlich war es eine übliche Audienz am Hof des Fürsten. Eine hochstehende Persönlichkeit, die dem Herrn des Hauses nahestand und ihm daher mit Waffen gegenübertreten durfte, wurde vorgelassen. Dann ging alles sehr schnell. Der Besucher zog seinen Dolch und rammte ihn mit voller Wucht in den Bauch des Fürsten. Der Attentäter hatte sogar noch die Zeit, weitere Male zuzustoßen. So starb der Fürst oder König von Helmsdorf.

So beschreibt der Künstler und Illustrator Karol Schauer den Mordanschlag, der sich vor etwa 3850 Jahren im heutigen Sachsen-Anhalt ereignet hat. Seit Jahren setzt Schauer die Objekte des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle detailgetreu in Szene. Ausführlich haben dessen Direktor Meller, zugleich Landesarchäologe Sachsen-Anhalts, und der Wissenschaftsjournalist Kai Michel Schauers pralle Schilderung in ihrem neuen Buch „Die Himmelsscheibe von Nebra“ (Propyläen 2018, 25 Euro) zitiert – allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass weitere Analysen erst Gewissheit bringen würden. Die reichen Meller und Michel jetzt nach. „Es war Mord“, bestätigt der Rechtsmediziner Frank Ramsthaler. „So weit wir jetzt sehen, haben wir den ältesten tatsächlich nachweisbaren Fürstenmord der Weltgeschichte entdeckt“, zieht Michel ein erstes Resümee.


  ARCHIV - 20.09.2018, Berlin: Die Himmelsscheibe von Nebra steht in einer Glasvitrine in der Ausstellung «Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland» im Martin-Gropius-Bau. (zu dpa vom 05.11.2018) Foto: Anne Pollmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit  
Die Himmelsscheibe von Nebra wird seit 2013 auf der Unesco-Welterbeliste geführt  

Die Geschichte ist eng verknüpft mit der berühmten Himmelsscheibe von Nebra, die erste realistische Darstellung einer konkreten Himmelskonstellation. Die Scheibe wurde 1999 von Raubgräbern entdeckt, auf dem Schwarzmarkt angeboten und von Meller 2002 in einer spektakulären Aktion gesichert. Seitdem wird sie im Museum in Halle untersucht. Dabei schält sich immer deutlicher heraus, dass die Ergebnisse der Analysen zugleich ein Schlüssel für zahlreiche andere Funde sind, die in Sachsen-Anhalt gemacht wurden und werden.


Einer davon ist der Grabhügel von Helmsdorf (Landkreis Mansfeld-Südharz). Er wurde bereits 1907 von dem Heimatforscher Hermann Größler ausgegraben. Auf einem aus Eichenholz gefertigten Totenbett kam seinerzeit ein schlecht erhaltenes Skelett ans Licht. Dass es sich offenbar um eine hochgestellte Persönlichkeit handelte, belegte der Goldschmuck, der dem Toten ins Grab mitgegeben wurde.

 
11.12.2018, Sachsen-Anhalt, Halle (Saale): Eine Anthropologin legt in einem Arbeitsraum des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle/Saale die sterblichen Überreste des Fürsten von Helmsdorf (Mansfeld-Südharz) aus. Nach 3828 Jahren ist klar, der Herrscher ist in der Epoche der Himmelsscheibe von Nebra einem Attentat zum Opfer gefallen. Umfangreiche Untersuchungen, die seit 2012 laufen, belegen den ältesten nachweisbaren Fürstenmord der Weltgeschichte. Wissenschaftler konnten drei eindeutige Verletzungen an den Knochen nachweisen · vermutlich ging ein Stich mit einem Dolch in den Bauchbereich, ein weiterer traf das Schlüsselbein. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Das Skelett des Herrn von Helmsdorf ist nur noch in Teilen erhalten  

Seit einigen Jahren werden die Reste dieses Skeletts noch einmal mit modernsten Methoden analysiert. „Erstmals untersuchten wir die Knochen 2012/13“, sagt die Anthropologin Nicole Nicklisch. „Damals vermuteten wir schon, dass einige Knochen Verletzungen durch scharfe Gewalt aufweisen.“ Als sie an ihrem Buch arbeiteten, regte Kai Michel an, die früheren Ergebnisse noch einmal einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Das Ergebnis ist eindeutig. „An den Knochen können eindeutig drei Verletzungen nachgewiesen werden“, sagt Frank Ramsthaler, stellvertretender Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes in Homburg. „Möglicherweise gab es noch weitere, aber diese drei waren allein schon tödlich. Bei der Tatwaffe könnte es sich um einen Dolch handeln, dessen Klinge gut 15 Zentimeter lang gewesen sein muss.“

Der Rechtsmediziner rekonstruiert den möglichen Tatablauf: Ein mit großer Entschlossenheit ausgeführter Stich ging in den Bauchbereich. Die Dolchspitze traf den elften Brustwirbel und hinterließ dort eine deutlich erkennbare Kerbe von sechs Millimeter Länge und drei Millimeter Tiefe. Um überhaupt durch den Bauch zu stoßen und dem Wirbel eine solche Scharte zuzufügen, brauchte es enorme Kraft. Das Opfer hat entweder an der Wand gestanden oder lag auf dem Boden. Sonst hätte der Täter den Dolch nicht bis in den Knochen stoßen können. Dabei wird er auch die Hauptschlagader getroffen haben.

Ein weiterer Stich traf den Fürsten von oben hinter dem Schlüsselbein und spaltete das linke Schulterblatt. Zahlreiche Blutgefäße, aber auch Teile der Lunge wird der Dolch hier verletzt haben – auch das mit Sicherheit tödlich. „Das spricht für einen erfahrenen Krieger“, schließt Meller, „noch die römischen Gladiatoren setzen dort den Todesstoß.“ Und der Täter? „Es muss eine Vertrauensperson aus dem Umfeld des Herrschers gewesen sein. Vielleicht ein Verwandter, ein Freund oder die Leibwache. Der Herrscher war arglos und wurde durch den Angriff überrascht.“

Die Herren der Himmelsscheibe von Nebra schufen das erste "Reich" in Mitteleuropa      
Die Herren der Himmelsscheibe von Nebra schufen das erste "Reich" in Mitteleuropa

Für Kai Michel ist die Entdeckung der Mordanschlag noch aus einem anderen Grund sensationell. „Schließlich handelt es sich bei dessen Knochen um die einzigen Überreste eines Menschen aus dem direkten Umfeld der Himmelsscheibe von Nebra.“ Auf die Frage, wie die Gesellschaft ihrer Schöpfer verfasst war, konnte die Wissenschaft in den vergangenen Jahren spektakuläre Antworten zusammentragen. 

Michel und Meller gehen in ihrem neuen Buch sogar so weit, den Herrn von Helmsdorf als Repräsentanten einer Oberschicht zu identifizieren, die in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. ein erstes „Reich“ in Mitteleuropa geschaffen hat. Seit der Entdeckung des monumentalen Grabmals von Bornhöck (unweit von Halle) seit 2014 wird deutlich, dass die sogenannte Aunjetitzer Kultur zwischen Magdeburger Börde und Goldener Aue offenbar eine differenzierte Gesellschaft mit kontinuierlicher Herrschaft entwickelt hat.

Dieses Reich entstand zum einen auf der Basis ertragreicher Böden, zum anderen mit den Gewinnen des Fernhandels, den eine umsichtige Oberschicht kontrollierte. Eines der Güter, die über europaweite Trassen gehandelt wurden, war Zinn für die Herstellung von Bronze. Eine der wichtigsten Fundstätten des Metalls war Cornwall im Südwesten von England. Metallurgische Untersuchungen zeigen, dass das Gold aus dem Grab von Helmsdorf, der Goldhort, der dem Tumulus von Bornhöck zugeordnet wird und das Gold, das auf der Himmelsscheibe von Nebra eingesetzt wurde, ebenfalls aus jener Gegend stammte.

 
Die Dimensionen der Grabhügel von Helmsdorf (ca. 34 Meter Durchmesser) und Bornhöck (65 Meter) lassen auf eine Gesellschaft schließen, in der zentrale Planung und Arbeitsteilung möglich war und die über Ressourcen verfügte, solche Bauwerke zu errichten. Und das über Generationen hinweg. Denn der Fürst von Helmsdorf wurde um 1830 v. Chr. bestattet. Mindestens 100 Jahre jünger ist der riesige Tumulus von Bornhöck, den sich offenbar eine Herrscherfamilie als Grablege errichten ließ.

Dieser Dynastie weisen Meller/Michel die Schöpfung der Himmelsscheibe zu. Über Generationen hinweg hatten ihre Vertreter demnach ihr Wissen um Astronomie und Kalender so weit vervollkommnet, dass sie es auf einem Kunstwerk dokumentieren konnten. Die Himmelsscheibe wurde zu einem Symbol der Herrschaft über die Zeit, wann die Äcker bestellt werden mussten und die Karawanen zu erwarten waren.

Für die Fähigkeit, eine einigermaßen stabile und kontinuierliche Herrschaft zu errichten, steht auch das Attentat auf den Fürsten von Helmsdorf. Denn der 30- bis 50-jährige Mann wurde nicht einfach verscharrt, sondern standesgemäß mit allen Ehren in dem Hügel, den er sich beizeiten errichtet hatte, begraben. Das „Reich von Nebra“, wie Meller/Michel es nennen, brach nicht auseinander, sondern blühte unter seinen Nachfolgern weiter.

Harald Meller, Kai Michel: „Die Himmelsscheibe von Nebra. Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas“. (Propyläen, Berlin. 384 S., 25 Euro)


Samstag, 15. Dezember 2018

Hat Merkel Geschichte geschrieben?



In der ZEIT vom 9. 12. stellt der Mannheimer Zeithistoriker Phillipp Gassert die Frage, ob Angela Merkel mit ihrere Kanzlerschaft Epoche gemacht hat.


...Welche historischen Maßstäbe haben wir an der Hand? Hat Merkel das Zeugs zur epochalen Namensgeberin? Ich glaube ja. Dabei ist erstens die Länge der Amtszeit ein Faktor. Das zweite, nicht quantifizierbare Kriterium für ein Kanzlerrating aber ist, ob wir im kulturellen Gedächtnis der Zukunft Platz für eine Ära Merkel schaffen. Dazu muss etwas von der Person auf ihre Epoche abfärben, sie ein Problem wirkmächtig verkörpern: Merkels Politikstil, auch ihre floskelhafte Sprache, die kaum angekündigten, dann urplötzlich durchgezogenen Wenden (Atomstrom, Wehrpflicht, Migration), ihr auf Konsens zielender Pragmatismus, der eine implizierte Moderni- sierung des Konservativen verlangte, ohne es klar zu sagen, ist typisch für eine saturierte Gesellschaft, die sich vor Reformen fürchtet. Dann wird auch Äußerliches wie Merkel-Raute und Blazer plötzlich Kult. Drittens muss es ein signifikantes Thema, keine Petitesse, sein, für das die fragliche Persönlichkeit künftig steht.

Was nach Merkel selbstverständlich ist

Bei Merkel ging es in Kontinuität zu Gerhard Schröder um zwei große Fragen: Wie halten wir es mit Europa und der Globalisierung einerseits sowie wie mit unserem neuen Selbstverständnis als Einwanderungsgesell- schaft andererseits? Als erste Ostdeutsche und erste Frau im Kanzleramt stand sie, nach ihrer anfänglich neo- liberalen und übrigens auch stark migrationsskeptischen "Leipziger" Phase um 2003, für den Versuch, die CDU in die liberale Mitte zu rücken. Sie wollte das konservative Spektrum in den neudeutschen umwelt-, europa- und migrationspolitischen Konsens einbeziehen. ...

Der Übergang zur Einwanderungsgesellschaft

... Die Ära Merkel steht mit dem von ihr sträflich unerklärt gelassenen Satz "Wir schaffen das" für den Über- gang zur Einwanderungsgesellschaft, der mental noch nicht vollständig nachvollzogen wurde. Dieser neue Status quo wird mit Merkel untrennbar verbunden bleiben: In der postmerkelschen Republik werden wir hoffentlich nicht mehr über den bloßen Fakt streiten, dass viele Deutsche eben auch "Migrationshintergrund" haben. Es ist längst eine unaufgeregte Selbstverständlichkeit. Künftig streiten wir besser darüber, wie wir Einwanderung vernünftig regulieren und welcher Strategien der Integration es bedarf: Das sind klassische Diskurse eines Einwanderungslands.

Paradoxerweise wirkt die Gesellschaft so gespalten, weil Merkel einen neuen Konsens zu bauen versuchte. Damit hat sie Mut bewiesen und einen Übergang zu einem neuen deutschen Selbstverständnis ermöglicht, das künftig mit ihrem Namen verbunden bleiben wird.


Nota. -  Das ist ein wenig dünn geraten. Wer Migration sagt, muss auch Globalisierung sagen. Und wer Glo- balisierung sagt, darf zu Digitalisierung nicht schweigen.

Geschwiegen hat sie nicht, aber ihre Beiträge dazu waren mehr rhetorischer Art, und da liegt nicht gerade ihre Stärke. Das Kapitel hat sie ihrer Nachfolgerin im CDU-Vorsitz hinterlassen, die ja auch eine Chance zu histo- rischer Bedeutung bekommen will.

Doch ausschlaggebend ist Merkels Beitrag zur Neubestimmung von Deutschlands Rolle in der Welt. Der begann mit ihrem - oder war es das ihres Finanzministers? - Auftreten in der Griechenland-Krise. Ihr scheinbar rein tagesopportunes Tasten entsprach aber ihrem energischen Entschluss, die europäische Einigung nicht in Frage stellen zu lassen. Der wurde auf weltpolitisch spektakuläre Weise durch die Flüchtlingskrise auf die Probe ge- stellt.

Die Probe hat sie bestanden. Wir haben das geschafft, und dass die Migration ein Weltproblem ist, dem Europa nur gewachsen ist, wenn es sie als Kontinent angeht, ist seither im Bewusstsein festgeschrieben. Natürlich gibt es Krakeeler, die aufgeregt hinterherrennen. Aber sie hat Tatsachen geschaffen, in Deutschland wie in Europa. Sie hat Deutschland  zu Weltgeltung gebracht.

Nur vaterlandslose Gesellen können davor die Augen verschließen.
JE

Freitag, 14. Dezember 2018

Wir haben das geschafft.


aus Süddeutsche.de, 

Arbeitgeber-Chef zu Flüchtlingen 
Merkel lag mit "Wir schaffen das" richtig
 
Die Integration von Flüchtlingen in Deutschland läuft nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer deutlich besser als angenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe mit ihrem Satz "Wir schaffen das" Recht behalten, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA) der Zeitung Augsburger Allgemeine. Von mehr als einer Million Menschen, die seit 2015 nach Deutschland gekommen seien, hätten knapp 400 000 einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, sagte Kramer.

Die meisten jungen Migranten könnten nach einem Jahr Unterricht zudem so gut Deutsch, dass sie dem Berufsschulunterricht folgen könnten, erklärte der Wirtschaftsvertreter. Die große Mehrheit der erwerbstätigen Flüchtlinge arbeite mittlerweile in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und sei somit integriert. Viele Migranten seien "eine Stütze der deutschen Wirtschaft geworden".

Deutschland müsse das Thema Migration "nüchterner betrachten", fordert Kramer. "Wir dürfen keine Angst vor Zuwanderung haben, sondern müssen Menschen, die zu uns kommen und hier arbeiten, als Bereicherung sehen." Die meisten Mittelständler seien weiter auf der Suche nach Mitarbeitern und hofften auf das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Großen Koalition.

Wenn es nicht gelinge, künftig Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, bestehe die Gefahr, dass Deutschland wirtschaftlich zurückfalle wie in den 90er Jahren, so Kramer. "Dann bräuchten wir allerdings wieder einen Politiker wie den einstigen SPD-Kanzler Gerhard Schröder, der den Mut aufbringt, das Ruder radikal rumzureißen." Seine Reformen seien "ein Segen für unsere Volkswirtschaft" gewesen, sagte Kramer - auch wenn Politiker wie Schröder später persönlich oft abgestraft würden.


Nota. - Die Rede von der "Willkommenskultur" hat viel politischen Schaden angerichtet. Sie hat Leute nach vorne geschwemmt, die das Bedürfnis hatten, sich als die besseren Menschen darzustellen, und das hat der Sache geschadet. Noch mehr hat geschadet, dass auch von dieser Seite Migration und politisches Asyl voreilig in einen Topf geworfen wurden. Voreilig, denn es erlaubte Anderen, das Asylrecht zu diskreditieren - und verhinderte, sie dort zusammen zu betrachten, so sie dasselbe Problem darstellen: bei der Integration. 

Ob viele oder wenige politische Flüchtlinge kommen, ist offenbar eine Frage der jeweiligen Situation. Millionen werden es kaum sein. Millionen werden auf die Dauer aber die Migranten werden, die als Wirtschaftsflüchtlige keinen Asylanspruch haben. Das ist gar keine Frage von Nächstenliebe oder Willkommenskultur, sondern von gewöhnlicher politischer Klugheit: Soll es an den Rändern Europas nicht zu explosiven Stauungen kommen, müssen wir diese Menschen nach sachlichen Kriterien in Europa verteilen; ob nun gerne oder nicht so gerne. Nämlich damit sie keine explosiven Situationen schaffen. Sie müssen also hier unterkommen können. Und da ist natürlich die Frage, wo sie am ehesten Arbeit finden. 

Und umgekehrt: Wo sie Arbeit gefunden haben, da wurden sie wohl gebraucht. Dass die Vertreter der Arbeit- geberschaft einen verständigeren Blick für ein sozialpolitisches Problem haben als der Durschschnittsmensch, kommt nicht oft vor. Doch in diesem Fall liegt es in der Natur der Sache.
JE


Mittwoch, 12. Dezember 2018

Wie konnte sich das Christentum über die Welt verbreiten?

 aus Die Presse, Wien,


Zeitlose Strategie
Der Aufstieg des Christentums zur Weltreligion ist laut einem deutschen Historiker einem überlegenen Marketing geschuldet. Eine bemerkenswerte Hypothese.



Die Frage ist ziemlich alt: Wie konnte es einer verfolgten Splittergruppe aus Palästina gelingen, zu einer Weltreligion zu werden? Die theologische Antwort, dass der Aufstieg des Christentums göttlichem Wirken zuzuschreiben sei, lassen wir hier einmal beiseite. Der Stuttgarter Historiker Holger Sonnabend ist überzeugt, nun eine Lösung für das alte Rätsel gefunden zu haben: „Eine noch so gute und attraktive Botschaft allein reicht nicht aus“, schreibt er in seinem neuen Buch, „Triumph einer Untergrundsekte“ (223 Seiten, Herder, 22,70 Euro). „Die Christen siegten, weil sie die Vorteile, die das große Römische Reich bot, für sich zu nutzen verstanden.“

Konkret: Vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt, die den Transfer von Ideen begünstigte, hatten die Christen – anders als konkurrierende Religionsgruppen wie etwa der Mithras- oder der Isis-Kult – perfekte Strategien der Vermarktung. Einerseits warben sie konsequent für ihre Sache, andererseits hüllten sie ihre Lehre in ein Gewand, das für breite Schichten verständlich und interessant war.
Die Belege Sonnabends für diese These sind recht überzeugend. Überdies kann er die maßgeblichen Akteure nennen – vom großen Regisseur Paulus, der die Entscheidung traf, das Christentum in der ganzen Welt, auch außerhalb des Judentums, zu verbreiten, und dafür auf die griechische Sprache setzte, über wortgewaltige Publizisten wie Tertullian oder Augustinus bis hin zu tatkräftigen Helfern in den immer zahlreicher werdenden Gemeinden (die durch die Verfolgung zusammengeschweißt waren). „Keine andere Religionsgemeinschaft konnte in puncto Organisation und Management mit den Christen mithalten“, so der Historiker.

In fast 300-jähriger Aufbauarbeit hätten sie aus eigener Kraft ein starkes Netzwerk von Syrien bis Spanien und Nordafrika bis Britannien errichtet, das schließlich auch für die – schwachen – Kaiser interessant wurde. „Konstantin war kein Christ, sondern ein kühl kalkulierender, pragmatisch denkender Machtpolitiker, der das Christentum dazu benutzte, seine eigenen politischen Ziele durchzusetzen“, so Sonnabend.

Gewiss ist der Zugang, den der Historiker wählt, einseitig. Er streift viele wichtige Aspekte nur am Rande – etwa theologische Argumente, soziale Prozesse oder ökonomische Entwicklungen. Der enge Fokus ermöglicht aber einen unverstellten Blick auf eine bisher eher unterbelichtete Seite der Geschichte.


Nota. - Mit Organisation und Management kann ja wohl nichts anderes gemeint sein als der Auf- und Ausbau eine Kirche, ecclesia militans, mit amtlicher Autorität. Doch die amtliche Autorität, woher kam sie? (Die amt- liche Autorität - warum fehlte sie in andern Bekenntnissen?) Sie kam aus einem sakralen Priestertum, dessen Weihe hierarchisch von oben nach unten erfolgte. Nur als römisches, nur als katholisches konnte das Christen- tum das mittelalterliche Abendland schaffen und sich ebenbürtig mit den weltlichen Mächten messen. ('Eben- bürtig' ist wörtlich zu nehmen; denn wie das Papsttum waren Kaiser- und Königtum von Gottes Gnaden. Nicht dass die weltliche Herrschaft dem Glauben, sondern dass der Glaube der weltlichen Herrschaft ebenbürtig war, ist die differentia specifica.)
JE

 

Pest im neolithischen Europa?

Grab einer 20jährigen Frau in Schweden
aus derStandard.at, 11. Dezember 2018, 18:52 

Die Pest könnte schon das neolithische Europa entvölkert haben
Forscher wiesen Yersinia-pestis-Bakterien in rund 5.000 Jahre alten menschlichen Überresten im heutigen Schweden nach.

Als im 14. Jahrhundert die Pest Europa heimsuchte, raffte die Seuche annähernd ein Drittel der Bevölkerung des Kontinents dahin. Mittlerweile weiß man, dass der dafür verantwortliche Erreger, Yersinia pestis, in dieser Region nicht das erste Mal derart radikal wütete. Bereits im sechsten und siebten Jahrhundert sorgte die Pest nicht nur im Mittelmeerraum für eine Pandemie, die annähernd apokalyptische Ausmaße annahm.

Aber auch diese sogenannte Justinianische Pest war offenbar nicht die erste Begegnung der europäischen Bevölkerung mit Yersinia pestis. Eine DNA-Studie vom November 2017 kam zu dem Schluss, dass der Erreger bereits am Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit in Europa präsent gewesen sein dürfte. Nun haben Forscher in den Gebeinen aus einer Grabstätte im heutigen Schweden eine Bestätigung dafür gefunden. Wie sich zeigte, hat eine genetisch sehr ursprüngliche Form des Bakteriums vor über 5.000 Jahren in Europa zahlreiche Todesopfer gefordert – womöglich sogar mit weitreichenden Folgen.

Unerwartet frühe Pestepidemie

"Die Pest geht wahrscheinlich auf einen der tödlichsten Erreger in der Geschichte der Menschheit zurück", sagt Simon Rasmussen von der Universität Kopenhagen. Der Genetiker und seine Kollegen identifizierten das Bakterium nun in den Überresten einer zum Zeitpunkt ihres Todes vor 4.900 Jahren rund 20-jährigen Frau in Nordeuropa. Die Umstände ihres frühen Ablebens sprechen nach der im Fachjournal "Cell" veröffentlichten Studie dafür, dass sich die Seuche tatsächlich schon im Neolithikum über Europa ausgebreitet hat.

Sollte dies der Fall gewesen sein, könnte es dabei helfen, das rätselhafte Verschwinden früher europäischer Bauern zu klären. Diese Bevölkerungsgruppe, die vor rund 9.000 Jahren begann, aus dem Nahen Osten nach Europa einzuwandern und sich als die heute bekannten Cucuteni-Kultur zu etablierte, verschwand praktisch über Nacht vor 5.400 Jahren.

Rätselhafter Bevölkerungsaustausch

Der Ausbau ihrer Siedlungen stoppte abrupt und letztlich bewiesen auch frühere genetische Untersuchungen ihr plötzliches Verschwinden. In weiterer Folge kam es, so belegen es die Erbgutanalysen, zu einem drastischen Bevölkerungsaustausch durch Menschen aus den zentralasiatischen Steppen, der vor etwa 4.500 Jahren mehr oder weniger abgeschlossen war. Was also hat der Cucuteni-Kultur davor dermaßen zugesetzt?

Rasmussen und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass Yersinia pestis für den dramatischen Bevölkerungsschwund der Cucuteni-Kultur verantwortlich war. "Wir glauben, dass unsere Befunde das erklären würden", meinen die Forscher. Die Analysen der Erbanlagen sprechen dafür, dass der nun identifizierte Peststamm sich von einem noch ursprünglicheren Stamm vor 5.700 Jahren abgespalten hat und vor dieser Migrationswelle mutierte.

Die im nun vorliegenden Pestfall nachgewiesene genetische Veränderung dürfte Yersinia pestis nach Ansicht der Wissenschafter sehr gefährlich gemacht haben und letztlich zu einer Epidemie geführt haben, die vor mehr als 4.900 Jahren wohl zahlreiche europäische Siedlungen entvölkerte. Hinzu kommt, dass damals die ersten bevölkerungsreichen Großsiedlungen mit bis zu 20.000 Einwohnern entstanden sind, was es der Ausbreitung der Pest umso leichter gemacht hat. Wahrscheinlich kam der Erreger dann über frühe Handelsrouten auch zu kleineren Ansiedlungen, wie etwa jene, in der die junge Schwedin gelebt hatte. (tberg.)


Abstract



Dienstag, 11. Dezember 2018

Einbinden?

Hagen versenkt den Nibelungenhort

Als hätte Deutschland keine andern Sorgen, kümmert sich die CDU seit ihrem ungefähren Richtungsentscheid vor- rangig darum, ihre gekränkten Nostalgiker "einzubinden". Frau Kramp-Karrenbauer macht fürs Publikum erstmal dabei mit. Doch eine Zukunft hat sie nur, wenn sie einsieht, dass es in der CDU vielmehr darum geht, ihre selbst- gefälligen Altlasten zu entsorgen. Ich meine, wenn die CDU eine Rolle dabei spielen will, in Deutschland die Mitte scharf zu machen.

Ob sie dabei eine Rolle spielt, ist ja noch gar nicht auszumachen. Doch dass es nötig wäre, liegt flach auf der Hand.






Samstag, 8. Dezember 2018

Scharf machen.


Wenn man die Mitte scharf machen will, muss man an den Rändern feilen und schleifen. Ein christlich-sozialer und wertkonservativer Akzent an einem liberalen und weltoffenen Kern kann nicht schaden. Doch nach den Seiten hin muss man nicht schielen, sondern den eignen Kurs im Auge haben. 




Hossa: Gehen die Dunkelmänner von allein?


aus welt.de, 8. 12. 2018

CDU-Konservative: "Partei-Neugründung ist nicht auszuschließen"

Kann AKK die Spaltung wirklich aufhalten? Der Vorsitzende der konservativen Werteunion, Alexander Mitsch, hat im Interview mit der “Neuen Osnabrücker Zeitung” das Szenario einer Partei-Neugründung ins Spiel ge- bracht, sollten Wertkonservative und Wirtschaftsliberale aus der Partei austreten. 

Es sei ein Szenario, “das man im Moment nicht ausschließen kann, aber nicht gewollt sein kann.” Allerdings habe es nach der Wahl Kramp-Karrenbauers bereits Parteiaustritte gegeben. AKK als Parteivorsitzende sei “eine schwere Enttäuschung” für diejenigen, die an eine politische Wende geglaubt hätten. Das äußerst knappe Ergeb- nis zeige, dass die CDU ihre inhaltliche Ausrichtung neu definieren müsse. Dies sei auch mit Blick auf an die AfD und die FDP verlorene Wähler nötig. 

Aber: “Mit der nun gewählten neuen Parteivorsitzenden an der Spitze wird es in den Augen vieler keine Wende geben, sondern vermutlich so weiterlaufen wie bisher”, sagte Mitsch.