Freitag, 1. April 2022

Ein Putin-Versteher bin ich schon lange.

flickr                                                                           aus Putin ist doch kein Stalin.

Stalin war nicht zuerst eine Figur der russischen Geschichte, ein roter Zar, in dem sich ledig-lich die lokale Tradition des Selbstherrschertums fortsetzte. Stalin war eine Figur der Weltge-schichte, der Weltrevolution - indem er zu deren Totengräber wurde. Dass nach der Zer-schlagung der Bolschewistischen Partei und nach der Vernichtung aller Reste der revolutionä-ren Arbeiterbewegung die Restauration (gar nicht so) alter autokratischer Traditionen das an-gezeigte Mittel war, die bürokratische Konterrevolution ideologisch zu verbrämen, ist eine Folge und keine Ursache.

Stalins totalitäres Terrorsystem war unter den Breschnews und Andropows zu einem feudal-bürokratischen Vergeudungs- und Verknappungsregime mit mafiösen Zügen verlottert, das nackten Terror nicht mehr brauchen und auch gar nicht mehr leisten konnte; ein Universum der durchgängigen Korruption auf allen Etagen der Gesellschaft, dem gegenüber die Restau-ration eines ordentlichen produktiven und dynamischen Kapitalismus das kleinere Übel war: hätte sein können, wenn sie gelungen wäre. Davon konnte in Jelzins abenteuerlichen Wildost aber nicht die Rede sein, Glücksritter und kriminelle Paten warfen sich zu einer Oligarchie auf, die sich die feudalisierten Überreste des pp. Volkseigentums unkontrolliert unter den Nagel riss.

Jelzins Nachfolger konnte eine irgendwie geartete öffentliche Ordnung nur herstellen, wenn er die an die Leine legte. Da rechtsstaatliche Strukturen und demokratische Verfahren nicht gege-ben waren, konnte es nur mit unrechtsstaatlichen Mitteln auf undemokratischen Wegen ge-schehen, und wenn sich Putin immerhin eines rechtsstaatlichen und demokratischen Scheins befleißigte, kann man das fast schon als einen Gewinn ansehen. Aber es ist ein Wurschteln von der Hand in den Mund, ohne Putins persönliches Regiment wäre womöglich nicht einmal die sprichwörtliche Stagnation der Breschnew-Ära wiederzuhaben, geschweige denn ein gesell-schaftlicher Aufbruch zu bewerkstelligen. Dass er links und rechts verzweifelt nach jedem er-denklichen Gadget greift, das den Laden für die nächsten paar Wochen zusammenhält und vielleicht an der einen oder andern Stelle sogar ein bisschen Elan mobilisiert, ist ihm nicht zu verdenken, es bleibt ihm ja nichts anderes übrig.

Ich bin ein Putin-Versteher, ja, ich verstehe, dass die Position, in die er sich freiwillig begeben hat, ihn zu einem hochgefährlichen Mann macht, und wenn, wie in der letzten Zeit immer wie-der zu hören ist, sein persönlicher Charakter - an Intelligenz fehlt es ihm wohl nicht -  nicht zu den saubersten zählt, können einem ganz schön die Knie zittern, und man muss wünschen, man habe jederzeit ein gutes Sortiment tüchtiger Knüppel zur Hand für den Fall, dass man sie braucht.

Und das wird man mit ziemlicher Sicherheit, denn im Innern Russlands ist einstweilen keine Kraft abzusehen, die etwas Besseres machen könnte als Putin.

18. 5. 15 

 

 

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