aus Süddeutsche.de
Frühere Femen-Aktivistin Zana Ramadani
"Muslimische Mütter erziehen ihre Söhne zu Versagern"
Zana Ramadani, 33,
wurde in Skopje, Mazedonien, geboren und kam als Siebenjährige mit
ihrer Familie nach Deutschland. Sie studierte Recht, Soziologie und
Politikwissenschaft und war Mitglied bei Femen; heute politisiert sie
für die CDU. Seit 2009 hat sie die deutsche
Staatsbürgerschaft, und nur diese, denn ihrer Meinung nach ist ein
klares Bekenntnis von Migranten zur neuen Heimat unabdingbar. Ihr
Anfang März veröffentlichtes Buch "Die verschleierte Gefahr - Die Macht
der muslimischen Mütter und der Toleranzwahn der Deutschen" ist ein
leidenschaftliches Plädoyer gegen falsch verstandene Toleranz dem
konservativen Islam gegenüber.
Interview von Bettina Weber
Sie legen sich in Ihrem Buch mit allen an: mit der Politik, vor
allem der linken, mit den Feministinnen, dem Feuilleton, dem
konservativen Islam, den muslimischen Machos und deren Müttern. Brauchen
Sie Polizeischutz?
Zana Ramadani: Der ist schwerer zu bekommen, als man denkt. Ich
habe unzählige Anzeigen eingereicht, aber weil die Drohungen, vor allem
auf Social Media, fast immer anonym sind, kann die Polizei nicht viel
machen. Ich habe deshalb letztes Jahr einen Waffenschein beantragt.
Wer reagiert am heftigsten?
Die Gender-Feministinnen. Sie sprechen mir meine Bildung ab, nennen
mich einen Einzelfall und relativieren. Von den konservativen Muslimen hingegen kommt keine Kritik, die drohen nur.
Wie sehen die Drohungen aus?
Ach, da ist alles darunter. Sie nennen mich Hure, drohen mit
Vergewaltigung, Mord und seitdem ich schwanger bin, damit, mir das Kind
aus dem Leib zu treten.
Haben Sie Angst?
Es wäre absurd, wenn ich Nein sagen würde. Es belastet mich, ja, aber ich versuche, mich davon nicht vereinnahmen zu lassen.
Ist es besonders schlimm, dass Sie als Muslimin den Islam kritisieren?
Wäre ich Deutsche, würde man mich eine Nazi-Schlampe und eine
Rassistin nennen, dieser Vorwurf kommt ja immer. Dass ich Muslima bin,
macht es schwieriger und daher schlimmer. Dass ich als Frau Kritik
äußere, ist das Allerschlimmste. Und so nennt man mich halt einfach
gestört und traumatisiert. Aber man fürchtet mich auch mehr, weil ich
sehr genau weiß, wovon ich rede. Meine Gegner vermeiden es wenn immer
möglich, mir in einer Talkshow gegenüberzusitzen.
Zana Ramadani: "Die Frauen sind die größten Unterdrücker der Töchter."
Was haben Sie gegen Feministinnen? Sie waren doch einst Mitglied bei Femen.
Ich habe nur etwas gegen einen ganz bestimmten Schlag von
Feministinnen. Und zwar gegen jene, die von Frauensolidarität reden,
diese aber nicht leben. Die meinen, das einzige Übel sei der westliche
weiße Mann, und diesen dürfe man ungehindert kritisieren, während sie
Kritik an Angehörigen einer fremden Kultur, die genauso
frauenverachtend ist, automatisch als rassistisch bezeichnen. Beim
Feminismus geht es um Menschenrechte: Man darf alles und alle
kritisieren, die Frauenrechte mit Füßen treten, auch Muslime. Wenn mich
Feministinnen deswegen als Rassistin bezeichnen, dann hab ich ein
Problem mit deren Verständnis von Feminismus.
Sind Sie deshalb bei Femen ausgetreten?
Das war mit ein Grund. Femen hat immer mehr solche
Gender-Feministinnen angezogen. Es ging so weit, dass die als Protest
gegen die Fifa eine Deutschlandfahne auf dem Holocaust-Mahnmal
verbrennen wollten, und eine schrieb sich wegen Pegida in Dresden
"Bomber Harris, do it again" auf die Brüste. Das ist inakzeptabel.
Ihre Familie floh aus Mazedonien nach Deutschland, als Sie
sieben Jahre alt waren. Während Ihr fortschrittlicher Vater ein neues
Leben begann, verhärtete sich Ihre Mutter. Weshalb?
Ich hatte großes Glück, dass mein Vater gebildet war. Er stammte
aus einer liberalen Familie, keine Frau trug Kopftuch. Als wir in
Deutschland ankamen, vermied er den Kontakt mit anderen Albanern, nahm
stattdessen aktiv am Dorfleben teil, lernte sofort Deutsch und sagte uns
immer wieder, wie wichtig die Sprache sei und dass wir uns
anstrengen müssten.
Und Ihre Mutter?
Sie fand den Anschluss nicht. Sie telefonierte jede Woche
stundenlang mit ihrer Familie zu Hause und blieb so in dieser Welt
verhaftet. Die Werte und die Moral von dort, die mein Vater nie gemocht
hatte, gegen deren Enge und Beschränktheit er sich gewehrt hatte, wurden
immer wichtiger für sie. Weil die Deutschen als Ungläubige gelten und
die deutschen Frauen als Schlampen, hatte sie, je älter ich wurde desto
mehr das Gefühl, mich kontrollieren zu müssen. Weil ich ja die
Familienehre beschmutzen könnte und mich dann kein albanischer Mann mehr
heiraten würde. Und sie daran schuld wäre.
Der fatale "Söhnchenkult"
Die Frauen setzen fort, worunter sie einst selbst gelitten haben?
Die Frauen sind die größten Unterdrücker der Töchter. Deshalb wäre es so wichtig, bei der Integration
auf die Frauen zu setzen, ihnen die Errungenschaften der westlichen
Welt aufzuzeigen, denn in der muslimischen Welt sind sie für die
Aufrechterhaltung der Familienehre zuständig, nicht die Männer. Die
Söhne können Drogen verkaufen, gewalttätig sein, das ist alles kein
Problem für die Mütter, denn dadurch nimmt die Familienehre keinen
Schaden. Aber die Jungfräulichkeit der Tochter, die muss um jeden Preis
erhalten werden. Wenn das nicht der Fall ist, hat die Mutter versagt,
bringt Schande über die Familie. Deshalb bestellte meine Mutter
irgendwann ihre Brüder ein. Ich floh am selben Abend ins Frauenhaus,
weil ich befürchten musste, nach Mazedonien gebracht und verheiratet
zu werden.
Die muslimischen Mütter kommen bei Ihnen ohnehin schlecht weg: Sie schreiben von einem fatalen "Söhnchenkult".
Weil die Jungs zu Prinzen erzogen werden. Sie werden verhätschelt,
verwöhnt, bedient und damit letztlich zu Versagern erzogen. Sie
scheitern, weil der Westen eine Leistungsgesellschaft ist, ihnen aber zu
Hause etwas ganz anderes beigebracht wird. Sie kennen es nicht, dass
etwas von ihnen verlangt wird, dass sie sich anstrengen müssen. Und so
scheitern sie. Schuld sind dann alle anderen: die Lehrerin, diese
ungläubige Schlampe, die dem Sohn nichts zu sagen hat, oder überhaupt
die Westler, die alle Rassisten sind und den Muslimen keine Chance geben.
Sie schreiben, dass Sie gewisse Quartiere in Berlin meiden,
Neukölln etwa: Sie würden dort als Freiwild betrachtet. Ist das nicht
übertrieben?
Nein. In Neukölln, Wedding und Kreuzberg gibt es Straßen, wo man
als Frau nicht hingehen kann, erst recht nicht im Sommer. Es ist ein
Spießrutenlauf, man wird bedrängt. Kürzlich parkte ich mein Auto in
Neukölln, und ein junger Muslim schrie mich an: "Hey Schlampe, hau ab,
ich will diesen Parkplatz haben." Sicher fühlte ich mich dort nur ein
einziges Mal: als ich letztes Jahr für eine Reportage einen Hidschab
trug - zum ersten Mal beachteten mich die Männer nicht. Das kann doch
nicht sein, dass ich als Frau in einer deutschen Stadt nur dann Respekt
erfahre, wenn ich verhüllt bin.
Wehren Sie sich deshalb so vehement gegen das Kopftuch?
Das Kopftuch steht für Geschlechterapartheid. Wo immer der
politische Islam Einzug hält, hält die Verhüllung der Frauen Einzug. Das
Kopftuch diente ursprünglich dazu, ehrbare Frauen von Sklavinnen
unterscheiden zu können, die man benutzen durfte. Benutzen, ja, so
heisst das. Auf diesem Gedanken basiert das Kopftuch, und es gilt immer
noch: Man unterscheidet damit sittliche von unsittlichen Frauen. Deshalb
gelten westliche Frauen als Schlampen, die man anfassen darf.
Das denken Muslime, die in der dritten Generation im Westen leben?
Ach, Sie sollten mal hören, wie viele von denen über Westler
sprechen. Das ist Pegida auf Türkisch. Oder Albanisch oder Arabisch.
Trotzdem: Gläubige Musliminnen, die Kopftuch tragen, pochen auf ihr Selbstbestimmungsrecht.
Das mit der Selbstbestimmung ist ein Witz. Millionen von Frauen in
muslimischen Ländern haben keine Wahl, ob sie das Kopftuch tragen wollen
oder nicht. Im Iran rasieren sie sich sogar die Haare ab deswegen. Und
hier reden die von Freiheit? Ich wünsche mir ein Kopftuchverbot, vor
allem an Schulen, wenigstens dort sollen die muslimischen Mädchen frei
sein können. Für Minderjährige sollte es sowieso verboten sein: Wenn man
Zwölfjährigen das Kopftuch anzieht, sexualisiert man sie, dabei sind
das noch Kinder! Es macht mich wütend, wenn da jemand vor lauter
Verständnis die Zusammenhänge nicht sieht.
Sie machen genau dieses Verständnis für den radikalisierten Islam verantwortlich. Eine
gewagte These.
Nein. Die Politik hat den konservativen Islam jahrelang hofiert,
deren Vertreter werden in jede Talkshow eingeladen. Dabei geht es denen
nie um Spiritualität, sondern immer um Politik. Gleichzeitig hört die
fortschrittlichen Muslime niemand, weil sie nicht so laut sind. Und sie
nicht so viel Geld haben. Deshalb haben auch jene Muslime, die noch bis
zur Jahrtausendwende kaum je eine Moschee besuchten - also die
überwiegende Mehrheit -, mit einem Mal den Eindruck, dass Muslim sein
eine eigene Identität sei. Und dass sie von "den anderen", den Deutschen
oder den Schweizern, diskriminiert würden und sie ihre muslimische
Identität verteidigen müssten. Die Toleranten unter den Muslimen werden
vor lauter westlicher Toleranz den Rechten unter den
Muslimen ausgeliefert.
Sie gehen einen Schritt weiter: Sie machen den Islam für den Islamismus verantwortlich.
Keine andere Religion bringt so viele Mörder hervor wie der Islam.
Da kann man doch nicht einfach sagen, das habe nichts miteinander zu
tun. Natürlich hat es das. Da muss man auch keine Entschuldigungen
suchen oder sich herausreden. Muslime sehen sich lieber als Opfer,
anstatt selbstkritisch zu sein. Aber genau das gewöhnt ihnen der
rückständige Islam ja ab, weil der auf das Jenseits und nicht auf das
Diesseits fixiert ist. Es geht nicht um Fortschritt oder darum, Fragen
zu stellen. Zum Beispiel diese: Weshalb wird in einer Moschee, einer
heiligen Stätte, einem Ort der Spiritualität, Hass gepredigt? Dass Sie
darauf nie eine Antwort bekommen, sagt alles.
Dieser Artikel erschien zuerst in der SonntagsZeitung des Tagesanzeigers vom 8. April 2017.
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