Montag, 24. April 2017
Im Westen nichts Neues.
Die gestrige Wahl in Frankreich markiert das Ende von de Gaulles Fünfter Republik. Nicht das Ende ihrer Institionen, sondern zunächst nur das Ende ihres Parteiensystems.
Die Fünfte Republik ist entstanden aus einer Art Staatsstreich, in dem de Gaulle die parlamentarische Verfassung der Republik von 1944 durch seine persönliche Herrschaft ablöste. Parteienschacher und ständige Regierungswechsel hatten den französischen Staat zu Entscheidungen von nationaler Tragweite - die Beendigung des Algerienkrieges - unfähig gemacht. Mit der Verfassung de Gaulles entstand eine Mehrheit ex officio: die 'Partei' des jeweiligen Präsidenten. Der vergab die Plätze an den Fleischtöpfen, die Parlamentarier mussten sich damit arrangieren.
Allerdings braucht es dafür den Starken Mann. Die bonapartistische Versuchung ist seit zweihundert Jahren eine Konstante der französichen Politik. Nach dem Abgang de Gaulles bot die 'Mehrheit' des Präsidenten nur die Verwaltung des Status quo - und die Verteilung der Pfründe. Sie versank in einer Klüngelwirtschaft wie unter dem Parteienregime der IV. Republik.
Mitterands Sozialistische Partei war das linke Pendant zur gaullistischen Bewegung. Solange die Linke von der Kommunistischen Partei dominiert wurde, konnte kein Linker Präsident werden, und ohne Präsidenten gibt es keine linke Mehrheit. Mitterand musste die Kommunisten dezimieren und in die Ecke drängen, und denen blieb nichts übrig, als ihm zähneknirschend dabei zu helfen; seine sozialistische Rhetorik hatte sie entwaffnet.
Mitterand wurde Präsident, weil die Sozialisten gegenüber der ausgelaugten Rechten als Neue Kraft erscheinen konnte: "Changement" war das Parteiprogramm; Wechsel allerdings vor allem auf den Posten und Pöstchen: In atemberaubendem Tempo erschien Mitterands Partei als ebenso korrupt und zu wirklicher Politik unfähig wie die Rechte.
Die sozialistische Partei wurde gestern marginalisiert wie die Kommunisten, die sich inzwischen hinter einem linken Mann der Vorsehung unkenntlich machen. Die Rechte hat ihre Volktribunin gefunden, ob sich die bürgelichen Konservativen davon erholen, ist fraglich.
Dass Macron als Favorit in die Stichwahl geht, ist für Europa und den Rest der Welt gewiss von Vorteil. Dass aber die Franzosen etwas davon haben, darf bezweifelt werden. Es ist eine Art Déjà-vu; sein Partei-Surrogat En Marche erinnert fatal an Mitterands 'neue' Sozialisten. Aber Macron hat sicher nicht die Statur eines de Gaulle oder Mitterand. Unter ihm wird die Fünfte Republik ihren Geist aushauchen.
PS. Allenthalben liest man in den Blättern, "noch nie" sei es geschehen, dass der Kandidat der pp. Gaullisten schon im ersten Wahrlgang ausgeschieden ist. Das muss einer vom andern abgeschrieben haben. Wie konnte dann Giscard d'Estaing je Präsident werden? Weil er im ersten Wahlgang mehr Stimmen bekommen hat als der Gaullist Chaban-Delmas. - Es gibt mehr alternative facts, als die Qualitätspresse uns wissen lässt.
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