aus Der Standard, Wien, 4. Mai 2017
"Bei Grundeinkommen in
den USA wäre Trump nie Präsident geworden"
Für Populisten und Wutbürger wäre in einer Gesellschaft mit
Grundeinkommen wenig Platz, glaubt Unternehmer Häni
Interview von Verena Kainrath
STANDARD: Sie fragen Menschen regelmäßig, was sie arbeiten würden, wenn
für ihr Einkommen gesorgt wäre. Was würden Sie denn tun?
Häni: Das Gleiche, aber besser. Es geht beim bedingungslosen
Grundeinkommen ja nicht um mehr Geld, sondern um mehr Freiheit. Könnten
Menschen ihre Fähigkeit freier einbringen, würde das zu besseren
Arbeitsresultaten führen und die Gesellschaft dynamisieren.
STANDARD: Was macht Sie so sicher, dass der Mensch im Grunde seiner
Seele nicht doch ein Faulpelz ist?
Häni: Bei Kindern können Sie das gut beobachten: Wenn Sie ihnen was
auftragen, ohne ihnen zu vermitteln, ob es Sinn macht, wollen sie es
nicht machen. Dann ist Faulheit etwas Gesundes. Das Grundeinkommen setzt
keinen besseren Menschen voraus, und es ist auch keine karitative
Veranstaltung. Es geht darum, eine Gesellschaft durch weniger
Bevormundung auf gesündere Beine zu stellen.
STANDARD: Mit Einkommen, an das keinerlei Leistung geknüpft ist?
Häni: Menschen sind weniger manipulierbar und verführbar, ist ihre
Existenz gesichert. Hätten die USA das bedingungslose Grundeinkommen,
wäre Trump niemals Präsident geworden. In Österreich hätten
populistische Bewegungen am rechten Rand weniger Zulauf. Wir hätten
weniger Wutbürger, dafür mehr Mutbürger.
STANDARD: Eine These. Bisher hat jedoch keine einzige Gesellschaft
Erfahrungen damit.
Häni: Sie haben recht. Meine Erfahrung aber ist, dass Menschen arbeiten
wollen; sie wollen es nur selbstbestimmt tun. Zudem stecken wir durch
die Digitalisierung im Umbruch. Fleiß und Gehorsam waren einst große
Tugenden. In Zukunft sind wir mit ihnen schlecht aufgestellt. Was es
braucht, sind keine gehorsamen, sondern kreative und selbstbestimmte
Menschen. Das Grundeinkommen ist überfällig und nur eine Frage der Zeit.
Offen ist, ob es aus der Not heraus kommen wird, oder ob wir es
hinbringen, es uns gegenseitig zuzusprechen.
STANDARD: Gönnen Menschen ihren Mitmenschen eine Existenz ohne
Bedingungen? Überschätzen Sie ihre Menschlichkeit nicht erheblich?
Häni: Das Gönnenkönnen müssen wir noch lernen. In der Schweiz waren bei
der ersten Abstimmung 23,1 Prozent dafür. Das ist ein bemerkenswerter
erster Schritt.
STANDARD: Werden die Schweizer weitere Anläufe dazu nehmen?
Häni: Ja. Wir haben sie am Abstimmungssonntag gefragt, ob sie denken,
dass es eine zweite Abstimmung geben wird. 69 Prozent gingen davon aus.
Es wird nicht heute oder morgen sein – aber vielleicht schneller, als
wir denken.
STANDARD: Die Finnen und Niederländer experimentieren derzeit damit. Was
hören Sie von ihnen?
Häni: Aus den Niederlanden gibt es noch keine Resultate, Finnland gibt
nicht viel dazu her. Dort wird getestet, was passiert, ist
Arbeitslosengeld an keine Bedingung geknüpft. Mit bedingungslosem
Grundeinkommen hat das aber wenig zu tun.
STANDARD: In Österreich wird ein Mindesteinkommen diskutiert. Ist das
für Sie eine Alternative?
Häni: Das ist ein Festhalten am alten System, ein Pflaster auf der
infizierten Wunde. Man versucht, einen Schaden aus der Vergangenheit zu
flicken. Dass man von der Erwerbsarbeit leben kann, muss
selbstverständlich sein, alles andere ist eine Schande.
STANDARD: Auch ein Frauenvolksbegehren soll Baustellen beim Einkommen
hierzulande beseitigen.
Häni: Eine weitere Schande ist es, dass unsere Gesellschaft Frauen
derart benachteiligt. Das höchste Armuts- risiko ist es, Frau und
alleinerziehend zu sein. Das Grundeinkommen ist eine gute Antwort
darauf. Es ist uremanzipatorisch.
STANDARD: Die Gretchenfrage aber bleibt die Finanzierung.
Häni: Es ist kein zusätzliches Einkommen, wir müssen deswegen ja nicht
mehr Geld drucken. Die entschei- dende Frage ist, warum wir es nicht
wollen. Ist es Angst vor Machtverlust? Angst, man könne Menschen nicht
an der Leine führen? Ich aber will in keiner Gesellschaft leben, in der
die Toiletten geputzt werden, nur weil Leute, die das tun, Existenzangst
haben. Mit Details der Finanzierung sollten wir uns nicht aufhalten,
bevor der Grundsatz entschieden ist.
STANDARD: Und was wird aus den Jobs, die keiner machen will?
Häni: Die müssen wir besser wertschätzen. Wieso verdient die
Kindergärtnerin weniger als der Investment- banker, obwohl ihre Arbeit
wahrscheinlich wertvoller für die Gesellschaft ist? Investmentbanker
schaffen sich im Übrigen durch die Digitalisierung selbst ab, weil
Computer besser Lottospielen können als sie.
STANDARD: Was ist mit Sozialleistungen? Wer bezahlt
Krankenversicherungen, Pensionen, Unterhalt? Was ist mit jenen, die
zusätzliche staatliche Hilfestellung benötigen?
Häni: Keine soziale Errungenschaft wird abgeschafft. Wo höhere
Sozialleistung nötig ist, wird sie natürlich bestehen bleiben. Es geht
nicht um ein Sparprojekt.
STANDARD: Die Kluft zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Kritiker des
Grundeinkommens sehen darin kein probates Mittel, um diese Entwicklung
zu bremsen.
Häni: Es ist auch kein Umverteilungsprojekt von Geld, sondern eine
Umverteilung von Macht. Es wird immer Menschen mit viel und mit weniger
Geld geben. Aber Konkurrenz um die Existenz ist menschenunwürdig und
verderblich. Gibt es den prekären Niedriglohnbereich nicht mehr, tut
dies der gesamten Gesellschaft gut.
STANDARD: Die Wirtschaft leidet bereits jetzt unter Fachkräftemangel.
Was, wenn sich das Gros der Leute entscheidet, lieber zu garteln, als
sich zum Mechatroniker ausbilden zu lassen, lieber Bilder zu malen, als
IT-Experte zu werden?
Häni: Die Menschen werden ihren Talenten mehr nachgehen, was zu einer
höheren Qualifizierung führen wird. Unser Fachkräftemangel hat mit dem
Schulsystem von heute zu tun: Und es braucht etwa für das Handwerk
ebenso mehr Wertschätzung wie für den Bereich der Pflege.
STANDARD: Warum kam eine der Initialzündungen für das Grundeinkommen
gerade aus der vermögenden Schweiz?
Häni: Es geht um großen zivilisatorischen Fortschritt, um unsere
Gesellschaft auf die nächste Stufe zu bringen. Die Schweiz hat dazu mit
der Volksabstimmung das richtige politische Instrument.
STANDARD: Würde die Schweiz mit einem Grundeinkommen nicht ein Magnet
für Zuwanderer werden?
Häni: Nein, das Grundeinkommen ist migrationsneutral. Man müsste
natürlich mit einer Frist regeln, ab wann und wie lange man dazu
berechtigt ist.
STANDARD: Sie selbst kämpfen seit bald 30 Jahren fürs Grundeinkommen.
Was treibt Sie dabei eigentlich an?
Häni: Ich habe den Eindruck, die Menschen arbeiten unter ihren
Möglichkeiten. Hören wir doch endlich auf damit, ihnen die Lust am Leben
zu nehmen. Viele sind frustriert, rennen im Halbschlaf rum, ducken sich
und halten den Mund. Als Arzt würde ich mehr Selbstbestimmung und einen
Schuss Anarchie verschreiben.
Daniel Häni (50) gründete die "Initiative Grundeinkommen" und war einer
der führenden Köpfe hinter der Schweizer Volksabstimmung. Einst
Hausbesetzer, führt er heute in Basel mit 80 Mitarbeitern das größte
Kaffeehaus der Schweiz. Häni veröffentlichte jüngst mit Philip Kovce ein
Manifest zum Grundeinkommen: "Was würdest Du arbeiten, wenn für Dein
Einkommen gesorgt wäre?"
Homepage der Grundeinkommens-Initiative
Nota. - Was passieren würde, wenn niemand mehr zu Erwerbsarbeit gezwungen würde, weil für seinen Lebensunterhalt gesorgt iat, sehen wir an unseren Kindern. Wovor ihnen am meisten graut, ist Langeweile, und wenn sie die Schule verabscheuen, dann aus diesem Grund. Dass Kinder nur das gern tun, was keine Anstrengung kostet, kann nur glauben, wer noch nie auf einem öffentlichen Sportplatz, nie in einer Badeanstalt und sogar noch nie in einem städtischen Park gewesen ist. Man muss sie im Gegenteil immer wieder mal bremsen und zur Ruhe anhalten; dann merken sie nach einer Viertelstunde, dass Muße nicht nur erbaulich ist, sondern sogar fesselnd sein kann.
Mit andern Worten, dass bei einem garantierten Grundeinkommen die Gesellschaft an Faulheit zugrunde ginge, ist keine Befürchtung, sondern eine wissentliche Lüge.
Sicher wird es immer einen Grundbestand an Leuten geben, die von Natur träge sind. Den gibt es auch heute, auch heute wird er von den andern durchgeschleppt. Aber heute sind sie dabei gezwungen, etwas zu tun, was sie nicht gerne tun, und das tun sie schlecht. Unterm Strich schadet diese Sorte erzwungener Erwerbsarbeit der Gesellschaft.
Weiß einer nicht, was ich meine? Der soll sich nurmal bei uns (Ich wohne in Berlin) in der Öffentlichen Ver- waltung umsehen!
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Auf die Frage nach der Finanzierbarkeit hat Häni die richtige Antwort gegeben: Die entscheidende Frage ist, warum wir es nicht
wollen.
In den westlichen Gesellschaftten ist die Produktivität der Arbeit - der Arbeit derer, die noch immer welche haben - so exorbitant, dass sie alle, die nicht arbeiten (wollen oder) dürfen, mühelos miternähren könnte, wenn die Gesellschaft dafür organisiert wäre. Das Dass steht außer Frage. Ein Wie wird sich selbstverständlich nicht finden lassen, wenn man es gar nicht erst will. Wenn man es aber will, wird man einen Weg finden. Was wie objektive Hindernisse aussieht, wird sich im Grunde auf subjektive Bedingungen zurückführen lassen.
Das ganze Problem liegt im Wollen. Wer nicht will und warum er nicht will - das muss die Kampagne ans Tageslicht bringen; das allein wäre schon all den Aufwand wert.
JE
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