Montag, 30. November 2015
Kuhhandel?
Lassen wir die Kirche im Dorf. In der Türkei ist die Pressefreiheit in Gefahr, die Demokratie selbst ist dort nicht sicher. Freiheitlich gesonnene Zeitgenossen in aller Welt und namentlich in Europa sehen das mit Sorge. Aber was sie tun können, bleibt sekundär: Nämlich die Türken unterstützen, die sich dagegen zur Wehr setzen. Die tragen die Hauptlast, die kann ihnen keiner abnehmen.
Das gegenwärtige Flüchtlingsproblem ist ein europäisches, unmittelbar. Es kann nur europäisch verstanden und nur europäisch bewältigt werden. In Europa sind manche besser gerüstet, es auf sich zu nehmen, als andere, und dass die andern sich gern drücken würden, ist begreiflich. Da muss wohl einer das Heft in die Hand nehmen, das ist schon klar. Der muss es dann auf sich nehmen, das Notwendige und das Wünschenswerte zu unterscheiden, was immer die Ohnemichels auch wieder maulen werden. Und wenn sich das gegenwärtige Problem als ein dauerndes erweisen sollte, gilt das umso mehr.
Ob dann in der Durchführung womöglich nicht doch wieder falschgemünzt wird, wird man aufmerksam beob-achten müssen. Der Teufel sitzt im Detail, und Vertrauen hat sich in dieser Sache bislang keiner erworben.
Samstag, 28. November 2015
Aber ohne uns.
Am besten wäre es natürlich, wir könnten sie einfach wieder rausschmeißen, aber das erlaubt unser Rechtsstaat nicht, und den werden wir unter keinen, ich meine: unter gar keinen Umständen aufs Spiel setzen; nicht weil sie ihn verdient hätten, sondern weil wir ihn uns schuldig sind. Um seinetwillen werden wir Kröten schlucken.
Aber uns selber schuldig sind wir ihn, weil wir nicht erst vor den Andern, sondern vor uns selber bestehen wollen. Da wird uns das Pack nicht dran hindern. Wenn sie sagen, zu uns wollen sie nicht gehören, haben sie unsern Segen. Wir auch nicht zu ihnen.
Samstag, 21. November 2015
Bairische Gast-Stätten.
Alle Medien sind sich einig, keiner tanzt diesmal aus der Reihe: Wie sie in Bayern die Flüchtlinge aufgenommen haben und aufnehmen, ist bis heute vorbildlich. Und in andern Bundesländern gar nicht.
Aber das kann doch nicht sein - weil dort zwei Gockel rivalisieren, der eine nachfolgen, der andre aber noch nicht gehen will, wackelt der Schwanz mit dem Hund! Frau Merkel hat sich auf dem CSU-Parteitag nicht den Schneid abkaufen lassen; "noch" nicht, unkt die Tagesschau. Das soll wohl bitte auch so bleiben, die Bayern sind unter den deutschen Stämmen einer der gastfreundlichsten, sie werden uns übrigen doch nicht unsere guten Anlagen verder-ben wollen.
Dienstag, 17. November 2015
Es war ein Fehlschlag.
Der Schock ist vorüber, die Hysterie sollte es auch sein. Es ist Zeit festzuhalten: Rein taktisch ist der Anschlag von Paris misslungen. Die drei Selbstmörder vom Stade de France wurden von den Kontolleuren nicht durchgelassen, sie mussten sich vor den Toren einsam und allein selbst in die Luft sprengen, gerade einer hat es immerhin bis zu McDonalds geschafft.
Man muss auch der Mystifikation von der stupenden Logistik ein Ende machen: Gewiss, ein bisschen Geld wird nötig gewesen sein, das musste irgendwo herkommen, aber so raffiniert, dass nicht ein halbes Dutzend Terroristen das Ding hätten selber durchziehen können, war es nicht, jedenfalls nix im Vergleich zum 11. September. Ich bin kein Fachmann wie all die Fernsehreporter, die wir seit drei Tagen hören und sehen, aber mir will scheinen: Ein Beweis für die Allgegenwart, die Unverwundbarkeit und die Furchtbarkeit des Islamischen Staats war es nun eben nicht.
Wenn einer sagte: In Syrien und im Irak sind sie militärisch auf ihre Grenzen gestoßen, sie sind weiterhin eine Horde bezahlter Söldner; eine Masse von Gläubigen haben sie bis heute nicht für ihre Sache begeistern können, sondern gerademal einen Haufen von Dropouts in der europäischen Diaspora; sie wissen nicht, wie weiter, sie müssen die Initiative peripheren Sympathisanten in Europa überlassen – wenn einer das sagte, klänge er unglaubwürdig?
Macht euch das klar: Das Blutbad, das sie in Paris anrichten wollten, haben sie nicht geschafft. Die Zweiundachtzig vom Bataclan sind nix im Vergleich zu den Zehntausenden, die ihnen im Stade de France entgangen sind.
Montag, 16. November 2015
Paris ändert nicht alle.
Das ist ja wie im Irrenhaus: Eben haben sie vor unserer Haustür, wo du und ich schon manchen Kaffee getrunken haben, Zustände hergestellt wie in Aleppo oder Homs, da posten die Ohnemichels als wär nichts geschehen: Da woll'n mer nix mit zu tun ham! Eben sollte noch der Letzte begriffen haben, dass sich Deutschland viel zu lange raus-gehalten hat, da rufen sie uns zu: Uns müsstet ihr schon totschlagen, damit wir's Maul halten!
Und darum gehts, bei uns müssen sie nicht das Maul halten und wird man sie nicht totschlagen, weil sie ihre Mei-nung haben. Andernorts geschieht das täglich; hinten in der Türkei, wo die Völker aufeinanderschlagen. Und siehe da: Heute ist das nebenan. Das wollten die Gartenzwerge gestern nicht wahrhaben, das verstehen sie auch heute nicht, drei Tage danach. Deutschland hat so lange still gehalten, dass es nicht auf einmal den wilden Mann markieren darf und sagen: Die Flüchtlinge sind nicht unser Problem, da soll sich das Mittelmeer drum kümmern!
Wir haben lange weggeschaut, aber einen Fehler muss man nicht verewigen, man kann ihn auch korrigieren, wenn noch Zeit ist.
Samstag, 14. November 2015
Bittere Lehre.
Was Schorsch Dabbelju vorausschauend im Irak zu verhindern wusste, hat Obama durch sein Zaudern in Syrien möglich gemacht.
Jetzt sitzen wir alle in der Tinte. Über die Flüchtlingslawine darf sich kein Deutscher beklagen. Die Ohnemichels von heute sind nur das späte Echo der damaligen Ohnemichel Schröder und Chirac.
Und wie hieß noch gleich der Dritte im Bunde? Richtig, das war ja der Friedensfreund Putin, der packt jetzt in Syrien mit an. Oh, der hat dazugelernt!
Nicht dazugelernt haben die, die auch heute noch Deutschland aus allem heraushalten wollen. Aber zum Glück sind sie nicht mehr in der Mehrheit.
Donnerstag, 12. November 2015
Nach dem Grundsätzlichen kommen die Details.
Wenn das Grundsätzliche geklärt und festgestellt ist, darf und soll man in diesem Fall sogar alles weitere pragmatisch diskutieren.
Das Grundsätzliche ist erstens: Wir haben es mit einer Dimension zu tun, die nur von Europa gemeinsam zu bewäl-tigen ist.
Zweitens: Die Wagenburg ist keine Möglichkeit, das Problem zu bewältigen, eher würde sie es verschärfen. Denn sie würde den Zustrom nicht effektiv bremsen können, aber ihr Geist würde nach innen so durchschlagen, dass sie die europäischen Völker auseinandertreibt und den Bestand der Union in Frage stellt.
Es ist also drittens so zu bewältigen, dass man die Flüchtlinge - nicht nur die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, sondern auch die Hungerflüchtlinge aus Afrika - in Europa aufnimmt. Wie das gehen soll, muss das Land vorma-chen, das dafür am ehesten ausgestattet ist, und das sind wir. Sonst hätten die andern jedwede Ausrede, sich zu drücken.
Herr de Maizières, sind Sie anderer Meinung? Ist er nicht, jedenfalls hat er's bisher nicht gesagt.
Und ab da muss alles pragmatisch und wenn nötig im Detail diskutiert werden; und wer mit seiner Meinung an der einen Stelle Recht behält, muss sich selber fragen, ob der Nutzen den Aufwand lohnt. Ein geeigneter Anlass zu Glaubenskriegen ist es nur für Leute, die die Sache scheitern lassen wollen; egal, welcher Richtung sie ansonsten angehören.
Wenn nun ganz unterschiedliche Gesichtspunkte zur Sprache kommen, ist das nicht kakophon, sondern zeigt, dass einstweilen der gesunde Menschenverstand den Ton angibt und nicht Parteirücksichten: So muss es sein.
Mittwoch, 11. November 2015
Je komplexer eine Gemeinschaft ist, umso weniger bedarf sie persönlicher Führung.
aus derStardard.at, 7.11.2015
Warum Menschen schwache Anführer sind
Transdisziplinäre Studie zeigt: Menschliche Gesellschaften neigen weniger zu Machtkonzentration als Rudel anderer Säugetiere
von Tanja Traxler
Wien/Oakland – Es dauerte nicht lange, bis nach der Vertreibung des Bauern Jones in Animal Farm eine andere Spezies eine Gewaltherrschaft errichtete. In George Orwells Parabel sind es die Schweine, die sich zu den Führern der anderen Tiere machen – mit ähnlichen und teils schlimmeren Methoden als der Mensch.
Im Gegensatz zu Orwell ist in der Wissenschaft bisher angenommen worden, dass Führerschaft unter Menschen anders und weit komplexer funktioniert als im Tierreich. In einer transdisziplinären Studie zeigen Forscher nun im Fachblatt "Trends in Ecology & Evolution", dass menschliche Führer sehr ähnlich agieren wie tierische – aber weniger zu Machtkonzentration neigen.
Untersucht wurden Muster von Führerschaft in Gruppen von Säugetieren – neben acht menschlichen Gemein-schaften wie den Inuit oder dem Stamm der Tsimane in Bolivien, wurden dabei etwa Afrikanische Elefanten, Tüpfelhyänen und Meerkatzen empirisch erforscht. "Indem wir vergleichbare Maße entwickelt haben, konnten wir mehr Ähnlichkeiten zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Führern enthüllen als bisher angenom-men", sagt Jennifer Smith, Assistenzprofessorin am Mills College in Oakland (Kalifornien), die Erstautorin der Studie.
Kooperation unter Artgenossen ist im Tierreich häufig anzutreffen: Schimpansen reisen gemeinsam, Kapuziner-affen unterstützen einander bei Kämpfen, Tüpfelhyänen beim Jagen. Doch bislang war nicht bekannt, wie es Anführern gelingt, diese kollektiven Aktionen zu fördern. Um das herauszufinden, haben sich Biologen, Anthro-pologen, Mathematiker und Psychologen am National Institute for Mathematical and Biological Synthesis an der Universität Tennessee in Knoxville zu einer Gruppe zusammengeschlossen.
Erfahrung oder Vererbung
In vier Bereichen wurde Führerschaft untersucht: Bewegung, Futterbeschaffung, Konfliktmediation in der Gruppe und Interaktion zwischen verschiedenen Gruppen. Eine der Fragen dabei war, ob die Fähigkeit zu führen durch Erfahrung erworben oder geerbt wird. Wie sich herausstellte, ist meist Ersteres der Fall: Individuen werden zu Führern, indem sie Erfahrung gewinnen. Allerdings gibt es ein paar bemerkenswerte Ausnahmen: Unter Tüpfelhyänen wird Führerschaft vererbt, ebenso vereinzelt bei indigenen Völkern – wobei die genauen Gründe dafür noch zu erforschen sind.
Im Vergleich zu anderen Spezies stellten sich Menschen als weniger führungsstark denn erwartet heraus: Die Anführer unter den Säugetieren haben häufig mehr Macht über die Gruppe, die Führerschaft bei Hyänen oder Elefanten etwa ist deutlich konzentrierter als beim Menschen. Ein Grund dafür könnte laut Smith das Faktum sein, dass Menschen dazu tendieren, spezialisiertere Rollen in einer Gesellschaft einzunehmen, als dies bei Tieren der Fall ist. "Selbst bei den am wenigsten komplexen menschlichen Gemeinschaften ist das Ausmaß an kollektiven Handlungen größer und vermutlich entscheidender für das Überleben und die Fortpflanzung als in den meisten Säugetiergemeinschaften", sagt die Biologin Smith.
Weiters machen es die menschlichen kognitiven Fähigkeiten für Planung und Kommunikation einfacher, Lösungen für kollektive Probleme zu finden. Die Mitglieder profitieren enorm von Zusammenarbeit, Zwang ist daher nicht notwendig, Menschen zu motivieren, ihren Anführern zu folgen – sie arbeiten mitunter auch freiwillig zusammen.
Abstract
Trends in Ecology & Evolution: "Leadership in Mammalian Societies: Emergence, Distribution, Power, and Payoff"
Nota. – Während es bei Orwell darum ging, dass eine Gruppe – die stalinistische Bürokratie – die Macht an sich reißt, weil sie sie will, wurde hier untersucht, welche Gemeinschaften einen Machthaber brauchen und welche weniger.
Es handelt sich aber ausdrücklich um Studien an kleinen Lebensgemeinschaften, wo es um persönliche Füh-rerschaft geht, weil die Individuen einander persönlich kennen, und die also nicht übertragbar sind auf die großen Gesellschaftsbildungen unter den Menschen.
Allenfalls könnte man den trivialen Schluss ziehen: Je komplexer eine Gesellschaft, umso weniger bedarf sie persönlicher Machtausübung, um zusammengehalten zu werden. Die anonymen Sachzwänge besorgen schon das Nötige, oder wie schon die Liberalen des 19. Jahrhunderts predigten: Lasst nur den Markt frei walten, dann braucht ihr keinen Sonnenkönig. Und wie Max Weber hinzufügte: Wo genügend Bürokratie ist, braucht man auch kein Charisma.
JE
Warum Menschen schwache Anführer sind
Transdisziplinäre Studie zeigt: Menschliche Gesellschaften neigen weniger zu Machtkonzentration als Rudel anderer Säugetiere
von Tanja Traxler
Wien/Oakland – Es dauerte nicht lange, bis nach der Vertreibung des Bauern Jones in Animal Farm eine andere Spezies eine Gewaltherrschaft errichtete. In George Orwells Parabel sind es die Schweine, die sich zu den Führern der anderen Tiere machen – mit ähnlichen und teils schlimmeren Methoden als der Mensch.
Im Gegensatz zu Orwell ist in der Wissenschaft bisher angenommen worden, dass Führerschaft unter Menschen anders und weit komplexer funktioniert als im Tierreich. In einer transdisziplinären Studie zeigen Forscher nun im Fachblatt "Trends in Ecology & Evolution", dass menschliche Führer sehr ähnlich agieren wie tierische – aber weniger zu Machtkonzentration neigen.
Untersucht wurden Muster von Führerschaft in Gruppen von Säugetieren – neben acht menschlichen Gemein-schaften wie den Inuit oder dem Stamm der Tsimane in Bolivien, wurden dabei etwa Afrikanische Elefanten, Tüpfelhyänen und Meerkatzen empirisch erforscht. "Indem wir vergleichbare Maße entwickelt haben, konnten wir mehr Ähnlichkeiten zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Führern enthüllen als bisher angenom-men", sagt Jennifer Smith, Assistenzprofessorin am Mills College in Oakland (Kalifornien), die Erstautorin der Studie.
Kooperation unter Artgenossen ist im Tierreich häufig anzutreffen: Schimpansen reisen gemeinsam, Kapuziner-affen unterstützen einander bei Kämpfen, Tüpfelhyänen beim Jagen. Doch bislang war nicht bekannt, wie es Anführern gelingt, diese kollektiven Aktionen zu fördern. Um das herauszufinden, haben sich Biologen, Anthro-pologen, Mathematiker und Psychologen am National Institute for Mathematical and Biological Synthesis an der Universität Tennessee in Knoxville zu einer Gruppe zusammengeschlossen.
Erfahrung oder Vererbung
In vier Bereichen wurde Führerschaft untersucht: Bewegung, Futterbeschaffung, Konfliktmediation in der Gruppe und Interaktion zwischen verschiedenen Gruppen. Eine der Fragen dabei war, ob die Fähigkeit zu führen durch Erfahrung erworben oder geerbt wird. Wie sich herausstellte, ist meist Ersteres der Fall: Individuen werden zu Führern, indem sie Erfahrung gewinnen. Allerdings gibt es ein paar bemerkenswerte Ausnahmen: Unter Tüpfelhyänen wird Führerschaft vererbt, ebenso vereinzelt bei indigenen Völkern – wobei die genauen Gründe dafür noch zu erforschen sind.
Im Vergleich zu anderen Spezies stellten sich Menschen als weniger führungsstark denn erwartet heraus: Die Anführer unter den Säugetieren haben häufig mehr Macht über die Gruppe, die Führerschaft bei Hyänen oder Elefanten etwa ist deutlich konzentrierter als beim Menschen. Ein Grund dafür könnte laut Smith das Faktum sein, dass Menschen dazu tendieren, spezialisiertere Rollen in einer Gesellschaft einzunehmen, als dies bei Tieren der Fall ist. "Selbst bei den am wenigsten komplexen menschlichen Gemeinschaften ist das Ausmaß an kollektiven Handlungen größer und vermutlich entscheidender für das Überleben und die Fortpflanzung als in den meisten Säugetiergemeinschaften", sagt die Biologin Smith.
Weiters machen es die menschlichen kognitiven Fähigkeiten für Planung und Kommunikation einfacher, Lösungen für kollektive Probleme zu finden. Die Mitglieder profitieren enorm von Zusammenarbeit, Zwang ist daher nicht notwendig, Menschen zu motivieren, ihren Anführern zu folgen – sie arbeiten mitunter auch freiwillig zusammen.
Abstract
Trends in Ecology & Evolution: "Leadership in Mammalian Societies: Emergence, Distribution, Power, and Payoff"
Nota. – Während es bei Orwell darum ging, dass eine Gruppe – die stalinistische Bürokratie – die Macht an sich reißt, weil sie sie will, wurde hier untersucht, welche Gemeinschaften einen Machthaber brauchen und welche weniger.
Allenfalls könnte man den trivialen Schluss ziehen: Je komplexer eine Gesellschaft, umso weniger bedarf sie persönlicher Machtausübung, um zusammengehalten zu werden. Die anonymen Sachzwänge besorgen schon das Nötige, oder wie schon die Liberalen des 19. Jahrhunderts predigten: Lasst nur den Markt frei walten, dann braucht ihr keinen Sonnenkönig. Und wie Max Weber hinzufügte: Wo genügend Bürokratie ist, braucht man auch kein Charisma.
JE
Montag, 9. November 2015
Was ist falscher Nationalismus?
"Dieser falsche Nationalismus kann zu Krieg führen", überschreibt die Süddeutsche heute einen Beitrag:
... Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat angesichts der Flüchtlingskrise vor einem Zerfall der Europäischen Union und einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen den EU-Staaten gewarnt. "Die Europäische Union kann auseinanderbrechen. Das kann unheimlich schnell gehen, wenn Abschottung statt Solidarität nach innen wie nach außen die Regel wird", sagte der dienstälteste Außenminister der EU der Nachrichtenagentur dpa in Luxemburg.
... Deutschland und die meisten EU-Länder hätten verstanden, dass die Genfer Flüchtlingskonvention gelte, sagte Asselborn, dessen Land derzeit turnusgemäß den Ratsvorsitz der EU führt. In der EU seien aber auch "einige dabei, die haben wirklich die Werte der Europäischen Union, was ja nicht nur materielle Werte sind, nicht richtig verinnerlicht".
"Der Kitt, der uns zusammenhält, ist noch immer die Kultur der humanen Werte. Und dieser falsche Nationalismus kann zu einem richtigen Krieg führen", sagte der Außenminister. ...
Nota. - Mindestens was Deutschland betrifft, hat er das richtige Wort gewählt: Es ist ein falscher Nationalismus, denn sie wollen Deutschland kleinhalten, statt ihm die Verantwortung aufzutragen, die ihm zukommt. Das ist dumm, feige und kleinkariert. Aber nationalistisch kann man es nicht nennen.
JE
Sonntag, 8. November 2015
Mutti matters.
In einem bereits vielkommentierten Beitrag brachte der Londoner Economist in seiner gestrigen Ausgabe ein Bewertung von Angela Merkels und folglich Deutschlands Rolle in Europa.
Germany and Europe
The indispensable European
LOOK around Europe, and one leader stands above all the rest: Angela Merkel. In France François Hollande has given up the pretence that his country leads the continent (seeCharlemagne). David Cameron, triumphantly re-elected, is turning Britain into little England. Matteo Renzi is preoccupied with Italy’s comatose economy.
By contrast, in her ten years in office, Mrs Merkel has grown taller with every upheaval. In the debt crisis, she began as a ditherer but in the end held the euro zone together; over Ukraine, she corralled Europeans into imposing sanctions on Russia (its president, Vladimir Putin, thinks she is the only European leader worth talking to); and over migration she has boldly upheld European values, almost alone in her commitment to welcoming refugees.
It has become fashionable to see this as a progression from prudence and predominance to rashness and calamity. Critics assert that, with her welcoming attitude to asylum-seekers, Mrs Merkel has caused a flood that will both wreck Europe and, long before, also bring about her own political demise. Both arguments are wrong, as well as profoundly unfair. Mrs Merkel is more formidable than many assume (see article). And that is just as well: given the European Union’s many challenges, she is more than ever the indispensable European.
Why Mutti matters
Mrs Merkel’s predominance in part reflects the importance of Germany—the EU’s largest economy and its mightiest exporter, with sound public finances and historically low unemployment. She is also the longest-serving leader in the EU.
Her personal qualities count for much, too. She has defended Germany’s interests without losing sight of Europe’s; she has risked German money to save the euro, while keeping sceptical Germans onside; and she has earned the respect of her fellow leaders even after bruising fights with them. Most impressively (and alone among centre-right leaders in Europe), she has done this without pandering to anti-EU and anti-immigrant populists. For all the EU’s flaws, she does not treat it as a punchbag, but rather as a pillar of peace and prosperity.
Mrs Merkel is far from perfect. She is not given to great oratory or grand visions. She can be both a political chameleon who adopts left-wing policies to occupy the centre-ground, and a scorpion who quietly eliminates potential rivals. Her natural caution has given rise to a German neologism, merkeln (“to merkel”, or put off big decisions). Her timidity in handling the euro’s woes deepened the crisis unnecessarily; she has spurned the risk-sharing that the euro area needs to thrive.
Ironically it is boldness, not timidity, that has brought Mrs Merkel the greatest challenge of her time in office. Her staunch refusal to place an upper limit on the number of refugees that Germany can absorb has caused growing consternation at home and criticism abroad. As German municipalities protest, her political allies are denouncing her and eastern European countries are accusing her of “moral imperialism”. With Willkommens-kultur fading, there is even talk of her losing power.
The doubts are overblown. Critics are wrong to assume that Mrs Merkel is about to be toppled. Grumbling aside, she remains the dominant figure of her Christian Democratic Union (CDU). A recent poll found that 82% of CDU members approve of her leadership and 81% want her to run for a fourth term as chancellor at the election due in 2017. The electoral maths favours another CDU-led government. Mrs Merkel is unlikely to go unless she chooses to.
And the naysayers are wrong to suggest she has lost her way on migration. Quite the opposite. During the crisis the Lutheran pastor’s daughter has found a forceful political and moral calling. Mrs Merkel did not cause the onrush of migrants, as her critics maintain. The migrants were coming anyway: she acted to avert a humanitarian disaster. Fences will not hold back the flow. Mrs Merkel can neither stop the wars that drive people out of their homes nor set the policies of the countries they pass through. Her critics offer no plausible alternative. Short of overturning international and European law, and watching refugees drown or die of exposure, EU countries must process the claims of asylum-seekers. The question is: will the process be orderly or chaotic?
Under Mrs Merkel, a four-part policy is taking shape: unapologetically absorb refugees at home; share the burden across Europe and beyond; strengthen controls and the processing of asylum-seekers at Europe’s external borders; and negotiate with transit countries.
This approach is principled and, in the long run, it is the only one that can work. Of course it comes with drawbacks and risks. There are likely to be less-than-principled deals, particularly with Turkey: turning a blind eye to the erosion of civil liberties and the disturbing election victory of President Recep Tayyip Erdogan’s ruling Justice and Development (AK) party (see article), and other concessions, in the hope that he will agree to act as Europe’s gatekeeper.
And there is no denying that the mass influx of refugees is aggravating many of Europe’s other looming problems: it is fraying relations between Germany and eastern European countries just when solidarity is vital to contain Russia’s aggression; it is adding to the burdens of Greece, already crushed by years of austerity and never far from leaving the euro; it is bringing Brexit from the EU closer, too, by giving voters more reasons to leave in Mr Cameron’s promised in/out referendum; and it is stoking populism everywhere.
Stormy weather
This is Europe’s biggest crisis in a generation. If integration once seemed inexorable, the pressing question now is how to stop the EU from fraying. Mrs Merkel did not cause this grim reality, but she is the continent’s best hope for dealing with it. It is in Europe’s best interests to help the chancellor rather than leave her to confront the crisis alone. After a decade in power, politicians usually retire, lose touch or are overthrown. But, without Mrs Merkel, it is hard to see Europe mastering its destructive forces.
Nota. - Helmut Kohl hat einfach Glück gehabt, als ihm damals die Wiedervereinigung auf den Fuß gefallen ist wie weiland Gerd Müller die Bälle. Seine Hohe Kunst war das Aussitzen, das ging dies einemal nicht. Aber er hätte dämlich sein müssen, um die Gelegenheit nicht zu ergreifen, ...
Frau Merkel sitzt nicht aus, die regiert nach Hausfrauenart im Sichtflug. Und es trifft sich, dass dies in Fragen der Europäischen Union das klügste Verfahren ist, Doktrinen - und wenn sie sich noch so aufdringlich als Visionen anpreisen - sind notwendigerweise an an gehabten Vorbildern orientiert, die es für den Prozess der europäischen Vereinigung aber nicht gibt. Da hat sie Glück gehabt, dass ihr Naturell zu Europa passt, und Deutschland und Europa haben auch Glück gehabt.
PS. Heute wird gemeldet, dass in Umfragen die AfD bereits mit der Linken gleichgezogen hat. Wir werden noch amüsiert erleben, wie Gysi & Co. so heimlich wie möglich Angel Merkel politisch stützen in der Hoffnung, dass sie es "schaffen" wird, damit bis zu den nächsten Bundestagswahlen die AfD wieder auf den Platz fällt, auf den sie gehört. Wer in Gottes Namen könnte Interesse daran haben, dass Frau Merkel stürzt?
JE
Freitag, 6. November 2015
Wenn die Welt einmal erwachte...
...o wenn doch die Welt einmal erwachte, und wenn auch drei Millionen am Galgen stürben, so würden doch viel-leicht 50 bis 80 Millionen dadurch glücklich; so sprach einst ein Peruquenmacher in Landau auf der Herberge, man hielt ihn aber mit Recht für völlig verrückt, er wurde ergriffen, und von einem Unteroffizier noch ehe er in Verhaft gebracht wurde mit dem Stock todgeschlagen, der Unteroffizier verlor den Kopf.
_______________________
Lichtenberg, Sudelbücher A
Nota. - Über das richtige Verhältnis kann man geteilter Meinung sein.
JE
Donnerstag, 5. November 2015
Politik auf Hausfrauenart.
Ham wir ein Glück gehabt mit der Merkel!
Politik auf Hausfrauenart, nach Augenmaß und gesundem Menschenverstand und gottlob ohne Visionen – was andres stünde unserm Schland gar nicht zu Gesicht.
Stellt euch vor, der Schröder hätte mit den Griechen pokern müssen! Was er zu den Flüchtlingen gesagt hätte, will ich mir lieber nicht vorstellen.
Mittwoch, 4. November 2015
Deutschland hat nicht das Maul gehalten.
Die Merkel haben sie nie gemocht - und jetzt hat sie ihnen auch noch die Tour vermasselt. Sie hätten wieder so schön krakeelen können, aber zusammenrücken hätten sie so wenig gemusst wie alle andern.
Mal gut, dass Deutschland nicht das Maul gehalten hat. Das hätte den Nachbarn in Ost und West so passen können!
Dienstag, 3. November 2015
Die Grenzen sichern.
Die heutige FAZ schreibt: "Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor militärischen Auseinandersetzungen gewarnt, wenn Deutschland die Grenze zu Österreich für Flüchtlinge schließen sollte. Mit Blick auf die Erfahrungen mit dem ungarischen Zaunbau an der Grenze zu Serbien sagte Merkel am Montagabend auf einer CDU-Veranstaltung in Darmstadt: „Es wird zu Verwerfungen kommen.“ Es gebe heute auf dem westlichen Balkan zum Teil schon wieder solche Spannungen, dass sie jüngst um eine Konferenz zur Balkanroute gebeten habe. „Denn ich will nicht, dass dort wieder (...) militärische Auseinandersetzungen notwendig werden“, sagte sie. Sie wolle nicht schwarzmalen. Aber es gehe schneller als man denke, dass aus Streit Handgreiflichkeiten und daraus dann Entwicklungen würden, die niemand wolle."
Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen deutschen und österreichischen Grenzpolizisten? Ganz unvorstell-bar. - Bisher hat aber noch kein bayerischer Beamter einen Flüchtling mit gezückter Pistole nach Österreich zurückgejagt. Einmal ist keinmal, aber man stelle sich vor, das passiert täglich tausendfach...
Montag, 2. November 2015
Sonntag, 1. November 2015
Diesmal nicht alternativlos.
Grenzbefestiung an der Ostsee "Auf dem Priwall"
Die FAZ meldet heute: " 'Die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio ist eine Selbstverständlichkeit', sagte der umstrittene Europaparlamentarier der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur." Zuerst solle man aber in die Luft schießen, hatte Marcus Pretzell bei anderer Gelegenheit gesagt, das werde wohl reichen: "die Mensch sind ja vernunft-begabt". Er ist Vorsitzender des AfD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen.
Nein, alternativlos ist Merkels Kurs diesmal nicht: Das ist die Alternative. Die Außengrenze der Europäischen Union zu einer modernen Grenze ausbauen, für die es bestimmt im Bundesarchiv noch irgendwo die Baupläne gibt, und ohne Schießbefehl und Todesstreifen wäre die allerdings witzlos. Und in Spanien, Italien und Grie-chenland an der Küste dasselbe Grenzregime wie damals an der Ostsee; das wäre nicht gut für den Tourismus, nein, das wär es nicht, aber ein bisschen was müssen wir uns unsern Frieden schon kosten lassen.
Über technische Einzelheiten kann man immer streiten, und da ist die Frage, was praktikabel ist, mindestens so am Platz wie die, was wohl das Ausland dazu sagt. Aber darüber kann es ein Feilschen erst geben, wenn in der Substanz klar ist: Es geht darum, wie wir die Leute am besten aufnehmen und unterbringen. Denn Fernhalten geht bloß mit Mauer und Schießbefehl - und das geht nicht, selbst wenn man es wollte.
Die FAZ meldet heute: " 'Die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio ist eine Selbstverständlichkeit', sagte der umstrittene Europaparlamentarier der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur." Zuerst solle man aber in die Luft schießen, hatte Marcus Pretzell bei anderer Gelegenheit gesagt, das werde wohl reichen: "die Mensch sind ja vernunft-begabt". Er ist Vorsitzender des AfD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen.
Nein, alternativlos ist Merkels Kurs diesmal nicht: Das ist die Alternative. Die Außengrenze der Europäischen Union zu einer modernen Grenze ausbauen, für die es bestimmt im Bundesarchiv noch irgendwo die Baupläne gibt, und ohne Schießbefehl und Todesstreifen wäre die allerdings witzlos. Und in Spanien, Italien und Grie-chenland an der Küste dasselbe Grenzregime wie damals an der Ostsee; das wäre nicht gut für den Tourismus, nein, das wär es nicht, aber ein bisschen was müssen wir uns unsern Frieden schon kosten lassen.
Über technische Einzelheiten kann man immer streiten, und da ist die Frage, was praktikabel ist, mindestens so am Platz wie die, was wohl das Ausland dazu sagt. Aber darüber kann es ein Feilschen erst geben, wenn in der Substanz klar ist: Es geht darum, wie wir die Leute am besten aufnehmen und unterbringen. Denn Fernhalten geht bloß mit Mauer und Schießbefehl - und das geht nicht, selbst wenn man es wollte.
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