Sonntag, 16. Juli 2017

Die neolithische Revolution.


aus scinexx
Die Urzeit-Revolution

Vor rund 10.000 Jahren ereignete sich der große Wandel: Unsere Vorfahren wurden sesshaft und begannen Landwirtschaft zu treiben. Diese radikale Neuerung brachte ganz neue Lebensweisen, Technologien und kulturelle Errungenschaften mit sich. Doch warum, wo und wann genau diese neolithische Revolution begann, ist bis heute rätselhaft.

von Nadja Podbregar, 05.02.2016

Seinen Ausgang nahm die Entwicklung von Jägern und Sammlern zu sesshaften Bauern wahrscheinlich im fruchtbaren Halbmond – so viel scheint immerhin klar. Aber ob unsere Vorfahren an mehreren Orten gleichzeitig auf die Idee kamen, nun Pflanzen zu züchten und Tiere zu halten oder ob es ein einmaliger, aber dafür durchschlagender Geistesblitz war, ist unklar. Und offen ist auch die Frage, warum sich unsere Vorfahren von ihrer über hunderttausende von Jahren bewährten Lebensweise verabschiedeten.

Zwar haben Archäologen inzwischen einige Funde gemacht, die zumindest einen Teil dieser Fragen beantworten helfen. Vollkommen aufgeklärt ist dieser vielleicht folgenreichste Wandel der Menschheitsgeschichte aber noch lange nicht.

 
Der große Wandel

Über weite Teile der Menschheitsgeschichte lebten unsere Vorfahren als Jäger und Sammler. Wie schon ihre Primatenvorfahren sammelten sie wildwachsende Pflanzen, darunter Früchte, Wurzeln, Blätter und Wildgetreide. Fleisch beschafften sie sich durch die gemeinschaftliche Jagd, aber auch durch das Fangen von Insekten und Kleintieren.


Die größte Zeit ihrer Entwicklung lebten unsere Vorfahren als Jäger und Sammler - hier ein Neandertaler.
Erfolgskonzept mit Nachteilen

Als sogenannte Wildbeuter lebten unsere Vorfahren hunderttausende von Jahren quasi von der Hand in den Mund. Das funktionierte auch bestens, solange Klima und Tierwelt für ausreichend Nahrungs-Nachschub sorgten. Diese Lebensweise verschaffte den frühen Menschenformen immerhin genügend Nährstoffe, um nach und nach ein immer größeres Gehirn auszubilden – ein bekanntlich notorisch energiehungriges Organ.

Aber dieser Lebensstil hat auch eine Schattenseite: Wächst wegen einer Dürre gerade nichts oder bleibt die Jagd erfolglos, fehlt es an Nahrung und man muss hungern. Außerdem ist diese Art des Nahrungserwerbs meist kaum effektiv genug, um auf Dauer größere Gruppen zu ernähren. Das änderte sich gängiger Lehrmeinung nach erst, als die Menschen ihre Lebensweise radikal umstellten – sie wurden von wildbeuterischen Nomaden zu sesshaften Bauern.


Bis heute gibt es Jäger-und-Sammler-Kulturen, wie die Hadzabe in Tansania. Aber sie sind jetzt die Ausnahme.
Mehr als nur die Ernährung

"Nach zwei Millionen Jahren des Jagens und Sammeln katapultierte die Entwicklung der Landwirtschaft die Menschheit in eine völlig neue Bahn", erklärt Gordon Hillman vom University College London. Denn es änderte sich damit weit mehr als nur die Art der Nahrungsbeschaffung: Mit der Sesshaftigkeit entwickelten unsere Vorfahren eine ganz neue Kultur.

Es entstanden neue Formen des Zusammenlebens und der Gesellschaftsstruktur, an die Stelle von Gemeinschaftseigentum trat jetzt immer mehr der Besitz. Vorgegeben durch die anfallenden Tätigkeiten in der Landwirtschaft verstärkte sich zudem die Arbeitsteilung. Die sesshaft gewordenen Menschen bauten immer größere Siedlungen, schufen neue Werkzeuge und Gerätschaften und begannen, mit ihren Gütern zu handeln. Die neolithische Revolution schuf damit die Voraussetzung für die Entwicklung großer Zivilisationen und kultureller Fortschritte.


Die ersten Bauern ernährten sich vermutlich ziemlich einseitig
Kümmerwuchs und Infektionen

Allerdings: Der Anfang war vermutlich alles andere als leicht. Denn entgegen bisherigen Annahmen gibt es den ersten Bauern nicht besser als ihre Jäger und Sammler-Kollegen – eher im Gegenteil: "Die Menschen zahlten einen hohen biologischen Preis für die Landwirtschaft, vor allem, wenn es um die Vielseitigkeit der Nährstoffe ging", erklärt George Armelagos von der Emory University.

Und die oft eher einseitige Ernährung unserer bäuerlichen Vorfahren blieb nicht ohne Folgen, wie Knochen- und Zahnanalysen aus der Jungsteinzeit zeigen. Die Bauern litten häufig unter Mangelernährung und ihre Körpergröße nahm dadurch im Vergleich zu Jäger-und-Sammler-Völkern ab, die allgemeine Fitness ebenfalls. Durch das enge Zusammenleben in Dörfern steckten sich die Menschen zudem schneller mit Infektionen und Parasiten an.

Nur ganz allmählich überwanden die Menschen diese Probleme und ihre Körpergröße und der Ernährungszustand besserten sich wieder. Dem Siegeszug der Landwirtschaft aber konnten auch diese vorübergehenden Rückschläge wenig anhaben…


Revolution in zwei Schritten

Die Erfindung der Landwirtschaft war zwar eine Revolution, sie ging aber wahrscheinlich eher schleichend vonstatten – zumindest am Anfang. Denn unsere Vorfahren vollzogen den Wandel zur Tierhaltung und dem gezielten Anbau von Nutzpflanzen nur allmählich und in zwei Schritten. Darauf deuten archäologische Funde und genetische Vergleiche hin.


Wilder Einkorn (Triticum boeoticum), wie er noch heute in Anatolien wächst.

Vom Sammeln und Säen…

Am Anfang stand die bloße Aussaat: Die Menschen dieser Kulturstufe sammelten nach wie vor Wildpflanzen, begannen aber zunehmend, deren Samen selbst auszusäen. Dadurch konnten die Steinzeit-Menschen mit beeinflussen, wo und wieviel von einem besonders begehrten Gemüse oder Getreide wuchs. Wahrscheinlich begannen sie zu dieser Zeit auch, allmählich sesshaft zu werden. Denn dank der Aussaat mussten sie nicht mehr so weit umherstreifen, um Nahrung zu finden. Jagen und Fischen gingen diese Menschen aber vermutlich trotzdem noch.

Die von ihnen genutzten Pflanzen blieben nach wie vor wild, es gab keine genetischen oder äußerlich erkennbaren Veränderungen. Denn die Menschen dieser in der Levante auch als Natufien bezeichneten Kulturstufe wählten nicht aus, welche Samen sie aussäten – es erfolgte noch keine gezielte Zucht. Stattdessen übernahmen sie einfach die Funktion anderer natürlicher Verbreitungshelfer wie dem Wind oder von Tieren.



Spelzen des domestizierten Einkorns (Triticum monococcum), einem der ersten Zuchtgetreide der Welt.
…zur gezielten Zucht

Die echte Revolution aber bahnte sich an, als der Mensch begann, einige Pflanzen und Tiere zu domestizieren – dies war der entscheidende Schritt der neolithischen Revolution. Die ehemaligen Jäger und Sammler begannen nun, gezielt nur die Samen von Pflanzen auszusäen, die besonders günstige Merkmale besaßen – beispielsweise große Körner und dichte Ähren beim Getreide.

Im Laufe der Zeit führte diese ständige Selektion dazu, dass die Pflanzen sich äußerlich und genetisch veränderten. Exemplare mit den gewünschten Merkmalen vermehrten sich stärker und dominierten dadurch immer mehr. Langsam entstanden so unter anderem die ersten domestizierten Getreidearten. Sie unterschieden sich vom Wildtyp durch dichtere, stabile Ähren mit vielen großen Körnern, die alle mehr oder weniger gleichzeitig reif wurden.

Auf ähnliche Weise begannen die frühen Bauern auch die ersten Tiere zu domestizieren: Sie hielten wilde Rinder, Schweine und Ziegen und kreuzten gezielt die Tiere miteinander, die besonders viel Fleisch ansetzen, viel Milch gaben oder allgemein zahm und umgänglich waren.

 
Spurensuche am Steinzeit-Monument

Warum und wann unsere Vorfahren die entscheidenden Schritte von Wildbeutern zur Landwirtschaft absolvierten, ist leider nicht so einfach festzustellen. "Jahrzehnte der archäologischen Forschung und Tausende von Publikationen haben sich der Frage gewidmet, wann, wo und warum dieser Wandel geschah", erklärt der Archäologe Gordon Hillman vom University College London.


Der Steinkreis von Göbelkli Tepe ist schon rund 10.000 Jahre alt.

Denn die Anfänge von Pflanzenbau und Tierzucht lassen sich oft nur schwer anhand der archäologischen Funden nachweisen. Ein Indiz dafür können zwar Werkzeuge sein, wie sie zur Feldarbeit und zum Verarbeiten des Getreides benötigt werden. Auch ungewöhnlich viele Getreidereste können auf größere Ernten und eine Vorratshaltung hindeuten, weil bloßes Sammeln selten so große Erträge bringt. Aber theoretisch können auch Jäger und Sammler größere Mengen an Nahrung gelagert haben – beispielsweise zur Vorbereitung von großen Ritualen oder Festen.

Göbekli Tepe: Wildbeuter als Baumeister

Dies könnte bei den vor mindestens 10.000 Jahren errichteten Steinkreise von Göbekli Tepe in Anatolien der Fall sein. Archäologen vermuten, dass die Erbauer dieses Monuments noch als Jäger und Sammler lebten, weil in der Nähe des Bauwerks weder Siedlungen noch Spuren domestizierten Getreides gefunden wurden.


Tierrelief auf einem der Pfeiler von Göbekli Tepe

Gleichzeitig aber erforderte der Bau dieses Steinkreises mit seinen verzierten Pfeilern einen hohen Grad der Organisation und natürlich viele Helfer. Zudem wurden hier wahrscheinlich Rituale und Feste gefeiert – auch wenn noch nicht ganz klar ist, ob der Steinkreis nun ein Tempel, ein Mausoleum oder eine sonstige heilige Stätte war. "Besonders in der älteren Schicht des Göbekli Tepe mit den monumentalen Anlagen zeugen große Mengen an Tierknochen von großen Festen, die sicher religiös motiviert waren", berichtet Klaus Schmidt vom Deutschen Archäologischen Institut.

Steinkreis als Auslöser für die Innovation?

Um die Arbeiter und Besucher dieser Stätte zu ernähren, musste in jedem Fall genügend Nahrung herangeschafft werden – keine leichte Aufgabe für Jäger und Sammler, die nach gängiger Auffassung eher von der Hand in den Mund lebten. Schmidt vermutet daher, dass der Bau des Steinkreises die in dieser Gegend lebenden Menschengruppen sozusagen dazu zwang, miteinander zu kooperieren und die ersten Schritte hin zur Landwirtschaft und Sesshaftigkeit zu vollziehen.

"Möglicherweise lag hierin der Grund zur Erschließung neuer Ressourcen, ein Vorgang, der schließlich mit der Domestikation von Pflanzen und Tieren in eine gänzlich neue, nahrungsmittelproduzierende Lebensweise mündete", so der Archäologe. "Göbekli Tepe bietet damit einen Einblick in einen der grundlegendsten Wandlungsprozesse der Menschheitsgeschichte."

 
Säen gegen den Hunger

Einen weiteren Hinweis darauf, warum sich unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit von der bewährten Tradition des Jagens und Sammeln abkehrten, könnten Archäologen um Gordon Hillman vom University College London im nordsyrischen Abu Hureyra gefunden haben. Vor rund 11.500 Jahren lag hier, am Ufer des Euphrat, eine Siedlung, in der knapp 200 Menschen lebten.

Aber obwohl diese Menschen allem Anschein nach schon sesshaft waren, handelte es sich nicht Bauern. Stattdessen lebten die Bewohner von Abu Hureyra zunächst noch als Jäger und Sammler. Sie profitierten vom Wildreichtum und dem reichen Pflanzenwuchs im feuchtwarmen Klima dieser Zeit, wie die Funde zahlreicher Tierknochen und Pflanzenreste belegen.


Die Bewohner von Abu Hureyra gehörten zur Kulturstufe des Natufien - einer Vorstufe der echten Landwirtschaft.
Klimawechsel frisst Nahrung

"Doch 300 bis 400 Jahre nach der Gründung dieser kleinen Siedlung deuten Veränderungen in den Nahrungspflanzen darauf hin, dass das Klima in diesem Gebiet begann, trockener zu werden", berichtet Hillman. Im Zweistromland brach eine Periode kühleren, trockeneren Wetters an, die sogenannte jüngere Dryas. Als Folge veränderte sich die Pflanzenwelt im fruchtbaren Halbmond, die bis dahin üppig wachsenden wilden Linsen, Eicheln und Früchte verschwanden.

"Man kann sich fragen, warum die Bewohner Abu Hureyras nicht einfach fortzogen", konstatiert Hillman. "Aber höchstwahrscheinlich gab es diese Option damals gar nicht, denn im weiteren Umkreis bot Abu Hureyra noch die besten Bedingungen." Andere, klimatisch günstige Regionen in der westlichen Levante waren zudem bereits von anderen Gruppen besetzt. Sie hätten die einwandernden Nahrungskonkurrenten wohl kaum mit offenen Armen empfangen.


Mahlsteine aus einer Siedlung der Natufien-Kulturstufe in Israel.
Säen als Notlösung

"Die Leute von Abu Hureyra mussten daher eine lokale Lösung für dieses Problem finden", so der Archäologe. Und genau das taten sie offenbar auch: Sie begannen, die Samen von wildem Roggen und wildem Weizen gezielt auszusäen, um ihren Nahrungsnachschub zu sichern. Sie gelten damit als frühe Vertreter des Natufien. Indizien dafür liefern zahlreiche Reste von Roggen- und Weizenkörnern in den Ruinen von Abu Hureyra.

Interessanterweise nahm die Menge dieses Getreides kurz nach dem Klimaumschwung sogar noch zu, wie die Forscher feststellten. Zu dieser Zeit wären diese Wildgetreide in der trockener gewordenen Region aber kaum noch von selbst gewachsen. "Die dennoch anhaltende Präsenz von wildem Roggen und Weizen um Abu Hureyra deutet daher darauf hin, dass diese Wildgetreide gezielt ausgesät worden sein müssen", so Hillmans Schlussfolgerung.

Triebkraft auch anderswo?

Seiner Ansicht nach legt dies nahe, dass der Anbau von Nahrungspflanzen bei unseren Vorfahren ursprünglich aus einer Notlage entstand - als Reaktion auf schwindende natürliche Ressourcen. "Weil die Bewohner von Abu Hureyra keine Ahornsamen, Früchte und Linsen mehr fanden, begannen sie, die Samen der wenigen verbliebenen Wildgetreide zu sammeln und auszusäen", erklärt der Forscher.

Einige hundert Jahre später dann folgte bei den Bewohnern von Abu Hureyra dann auch der zweite Schritt der neolithischen Revolution: Die gezielte Auslese der Samen und die allmähliche Zucht ertragreicherer Getreidesorten. Zudem begannen sie aus Mangel an jagdbaren Gazellen, nun wilde Ziegen, Schafe und Rinder zu halten.

 
Von Syrien bis zum Iran

Klar scheint, dass die Wiege der Landwirtschaft im Mittleren Osten lag – irgendwo im Bereich des fruchtbaren Halbmonds. Dieser erstreckte sich vor und 12.000 Jahren vom Norden des heutigen Syriens über den Südosten der Türkei bis in den Norden des Irak. In diesem Gebiet haben Archäologen schon zahlreiche Relikte früher Bauern und ihrer Siedlungen entdeckt.


Orte mit neolithischen Funden im fruchtbaren Halbmond (1 = Chogha Golan)
In Syrien oder Anatolien?

Wer aber die "Erfinder" der gezielten Pflanzen- und Tierzucht waren, ist weitaus weniger klar. "Schon seit langem debattieren Forscher darüber, ob die Landwirtschaft ihren Ursprung in einem oder in mehreren Gebieten innerhalb des fruchtbaren Halbmonds hat", erklären Simone Riehl von der Universität Tübingen und ihre Kollegen.

Die meisten bisherigen Funde stammen aus dem Nordwesten des fruchtbaren Halbmonds – Beispiele sind Abu Hureyra in Syrien, aber auch der Karacadağ in der Türkei, an dessen Hänge das Einkorn entstanden sein könnte. Deswegen gingen Wissenschaftler bisher davon aus, dass irgendwo in dieser Region auch die ersten Bauern begannen, Getreide zu domestizieren.


Ausgrabung in Chogha Golan: Reste eines Gebäudes mit Mahlsteinen.
Entdeckungen in Chogha Golan

Doch dann machten Riehl und ihre Kollegen am anderen Ende des fruchtbaren Halbmonds eine spannende Entdeckung. Ausgrabungen in Chogha Golan, einer steinzeitlichen Siedlung am Fuße des Zagros-Gebirges im Iran, förderten ebenfalls Hinweise auf frühe Landwirtschaft zutage – und dies etwa zur gleichen Zeit wie sehr viel weiter westlich in den bisher bekannten Fundstellen.

In Chogha Golan stießen die Archäologen auf zahlreiche Relikte von Gebäuden, Steinwerkzeuge, Tonfiguren und auch viele Mörser und Mahlwerkzeuge aus der Zeit von vor 12.000 bis vor rund 9.800 Jahren. Außerdem fanden sie große Mengen von gut erhaltenen Pflanzenresten, darunter wilden Vorläufern einiger heutiger Getreidearten wie Gerste und Weizen. Zusammen mit den Mahlsteinen und Mörsern deutet dies darauf hin, dass die Bewohner des Orts gezielt Wildgetreide anbauten und verarbeiteten. "Die Mahlsteine und Mörser könnten dazu gedient haben, aus den Körnern dieser Gräser eine Art Bulgur oder Mehl zu machen, das dann gekocht oder geröstet wurde", vermutet Riehl.


Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Korns der wilden Gerste (Hordeum spontaneum) aus Chogha Golan
Spreu und Körner von Emmer

Doch das war noch nicht alles: Die systematische Analyse und Datierung der Pflanzenreste ermöglichte es den Forschern, nahezu lückenlos nachzuvollziehen, wie die steinzeitlichen Bewohner von Chogha Golan allmählich zu echten Bauern wurden. Demnach begannen sie vor knapp 12.000 Jahren zunächst, immer mehr wilde Gerste anzubauen, aber auch Linsen und wilden Weizen.

Vor rund 9.800 Jahren tauchen dann erstmals auch Spreu und Körner von Emmer auf. Er gehört zu den ältesten domestizierten Getreidearten - und ist ein klares Zeichen dafür, dass die Menschen in Chogha Golan zu diesem Zeitpunkt die ersten Nutzpflanzen gezüchtet hatten. Sie hinkten damit zwar ihren Zeitgenossen im Westen des fruchtbaren Halbmonds um rund 500 Jahre hinterher. Dennoch spreche dies gegen einen einzigen Ursprung der Landwirtschaft, konstatieren Riehl und ihre Kollegen.

Nach Ansicht der Forscher muss es mehrere, über den fruchtbaren Halbmond verteilte Gebiete gegeben haben, in denen die Menschen nahezu gleichzeitig damit begannen, Nahrungspflanzen anzubauen und zu züchten - möglicherweise angeregt durch den Wechsel zu einem kühleren Klima, wie es auch Hillman postuliert.

 
Als die Bauern nach Europa kamen

Nachdem die ersten Bauern im fruchtbaren Halbmond die Landwirtschaft als neuen Lebensstil für sich entdeckten, breitete sich diese neue Kulturtechnik schnell immer weiter aus. Innerhalb weniger Jahrtausende übernahmen erst die Bewohner des Mittelmeerraums, dann auch die Mitteleuropäer und die Völker Nordeuropas die Landwirtschaft und die mit ihr verbundenen kulturellen Neuerungen.


Seeweg mit Inselpausen: Die Route der ersten Bauern auf dem Weg nach Europa.
Eingewandert statt bloß abgeguckt

Wie sich die bäuerliche Lebensweise verbreitete, ob durch bloße Weitergabe der Ideen oder aber durch direkte Einwanderung von Menschen, die diese Kultur mitbrachten, war lange Zeit umstritten. Inzwischen scheint allerdings klar, dass die jungsteinzeitlichen Bauern selbst nach Europa kamen. Sie importierten dabei nicht nur neue Tier- und Pflanzenarten, wie zum Beispiel Hausrind oder Einkorn, sie lebten auch mit der hiesigen Bevölkerung zusammen, prägten die Kultur und hinterließen ihre Gene.

Denn im Erbgut der heutigen Europäer finden sich neben Erbgut-Anteilen ursprünglicher Wildbeuter und in der Bronzezeit eingewanderten Steppennomaden aus Zentralasien auch beträchtliche Genanteile von frühen Bewohnern des Nahen Ostens. Sie könnten vor rund 9.000 Jahren aus Anatolien und dem Nahen Osten gekommen und über die Inseln der Ägäis weiter nach Europa eingewandert sein.


Dieses gut erhaltene 6.000 Jahre alte Kochgefäß mit Holzlöffel wurde im Amose-Sumpf in Zealand, Dänemark gefunden.
Nur langsam durchgesetzt

Allerdings: Allzu begeistert scheinen die steinzeitlichen Europäer die neumodischen Sitten erst einmal nicht angenommen zu haben. Denn archäologische Funde im westlichen Ostseeraum zeigen, dass die Menschen dort auch 4.000 Jahre nach der Ankunft der ersten Bauern an ihrer traditionellen Lebensweise als Fischer und Sammler festhielten.

Ähnliches zeigen auch Ausgrabungen im heutigen Norddeutschland. Auch hier behielten große Gruppen von Jägern und Sammlern noch lange Zeit ihre angestammte Lebensweise bei. 2013 allerdings entdeckten Archäologen in einem Lager dieser Ertebølle-Kultur Verwirrendes: Unter den Nahrungsresten der Jäger und Sammler fanden sich auch Knochen von Hausschweinen.

Offenbar hielten die Ertebølle-Menschen zwar nichts von der Landwirtschaft, wussten aber das wohlschmeckende Fleisch der domestizierten Tiere ihrer Nachbarn durchaus schon zu schätzen. "Ob diese Menschen diese Hausschweine allerdings durch Tausch, Handel oder aber einfach durch Diebstahl oder Jagd auf unbewachte Herden ihrer Nachbarn bekamen, bleibt unbekannt", berichten die Forscher.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen