Zahlen fürs PrahlenEin Selfie vor toller Kulisse? Aber ja doch, die Likes auf
Facebook scheinen sicher. Dass der Aufbau sozialer Anerkennung etwas
komplexer ist, haben Harvard-Psychologen in einer neuen Studie
nachgewiesen. Sie zeigt: Selbstdarstellung kann schnell nach hinten
losgehen.
von Kim Björn Becker
Den Wettkampf um das beste und glücklichste Leben bestreiten viele Menschen heute virtuell, bevorzugt auf Facebook,
und ihn gewinnt für gewöhnlich, wer die meisten "Gefällt mir"-Angaben
auf sich vereinigen kann. Herausragende Erlebnisse firmieren dabei als
Treibstoff, mit dem sogenannte "Likes" generiert werden können: Das
Video vom Himalaja, ein Foto aus dem Stadion während des WM-Finales, ein
Selfie mit der Kanzlerin. Forscher von der amerikanischen Harvard-Universität haben nun
etwas herausgefunden, das für Menschen mit einem eher durchschnittlichen
(Facebook-)Leben wohl recht tröstlich sein dürfte: Die meisten
Versuche, ein spektakuläres Erlebnis zur Maximierung von
gesellschaftlicher Anerkennung zu instrumentalisieren, schlagen fehl -
zumindest im Labor. "Außergewöhnliche Erfahrungen sind nur im jeweiligen
Moment ein Vergnügen, langfristig können sie uns sozial ärmer dastehen
lassen", sagt Gus Cooney, Psychologe und einer der Autoren der Studie. Um den sozialen Effekt besonderer Erfahrungen zu messen, spielten
die Forscher den Probanden Kurzfilmen vor. Dabei wurden je vier
Teilnehmer einer Gruppe zugeordnet. Drei von ihnen wurde ein
langweiliges Video gezeigt: eine eher schlecht gemachte Animation, die
in einer unabhängigen Bewertung nur zwei von fünf Sternen erhielt. Das vierte Gruppenmitglied hingegen bekam einen Film von einem
Zauberer vorgeführt, der in der Fußgängerzone Tricks aufführt. Das Video
erhielt vier von fünf Sternen und taugt damit potentiell als wertvoller
Inhalt in sozialen Netzwerken. Anschließend sollten die Probanden in
ihrer Vierer-Gruppe über ihre Erlebnisse sprechen. Danach wurden sie -
wie auch schon vor der Filmvorführung - zu ihrem Befinden befragt. Das Ergebnis: Vor der Filmvorführung waren Alle in ähnlicher Laune, auf einer Skala von 0 bis 100 lag der Mittelwert zwischen 68 und 69
Punkten. Nach der Unterhaltung hingegen zeigte sich ein völlig anderes
Bild: Jene, die etwas Außergewöhnliches erlebt (also den Film mit dem
Zauberer gesehen) hatten, fühlten sich schlechter - im Mittel machten
sie bei 53 Punkten ihr Kreuz. Die Gruppe der "Gewöhnlichen" kommt im Schnitt auf 64 Zähler. Der Grund dafür ist eindeutig: Jene, die innerhalb der Gruppe als
einzige das Zauberer-Video gesehen hatten, fühlten sich durch ihr
besonderes Erlebnis aus der Unterhaltung ausgeschlossen. Auf einer Skala
von 0 bis 100 kreuzten sie als Wert für ihr Gefühl der Ausgrenzung im Schnitt die 80 an. Bei den übrigen Teilnehmern lag der Wert der Ausgrenzung lediglich bei 51
Punkten. "Wenn ein Erlebnis Dich zu jemandem macht, der nichts mit den
anderen gemein hat, dann wird es Dich auf Dauer nicht glücklich machen,
egal wie gut es war", sagt Gus Cooney. Die Ergebnisse widersprachen allen Erwartungen Bemerkenswert ist auch: Die meisten Menschen haben überhaupt kein
Gespür dafür, dass ein solches Erlebnis sie überhaupt zu Außenseitern
machen könnte. In einer Kontrolluntersuchung, die auf demselben Schema
aufbaute, äußerten die Probanden die Erwartung, dass die Zuschauer des
Magier-Videos einen positiven sozialen Effekt aus dem exklusiven
Erlebnis ziehen würden. Dass sie in der darauffolgenden Unterhaltung
ausgegrenzt werden würden, hielt niemand für denkbar. "Die Teilnehmer an unserer Studie dachten fälschlicherweise, dass
ein solches Erlebnis sie zum Star der Unterhaltung machen würde. Doch
sie irrten sich", sagt Cooney. "Außergewöhnlich zu sein bedeutet, anders
zu sein als andere. Und soziale Interaktion basiert immer
auf Gemeinsamkeiten."
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