Wie die Maya sesshaft wurden:
Bleiben, wo gefeiert wird
Die präkolumbische Hochkultur ist für ihre Bautätigkeit berühmt. Diese setzte offenbar bereits ein, bevor sich eine sesshafte Gesellschaft etablierte
von David Rennert
Tucson/Wien - Seibal im guatemaltekischen Tiefland war einst eine bedeutende Stadt der Maya: Zu ihrer Blütezeit im neunten Jahrhundert dürfte sie bis zu 10.000 Einwohner gezählt haben. Ihr Ursprung liegt ersten Besiedlungsspuren zufolge freilich schon viel länger zurück, nämlich an die 2000 Jahre.
Wie auch bei andere präkolumbischen Städten ging man bei Seibal bisher davon aus, dass öffentliche Plätze und wichtige Zeremonienbauten erst nach der Sesshaftwerdung der Kultur errichtet wurden. Eine Annahme, die nun ein internationales Forscherteam um Takeshi Inomata von der University of Arizona in einer Studie im Fachblatt "PNAS" anzweifelt: Demnach gibt es deutliche Hinweise darauf, dass öffentliche, rituell bedeutsame Bauten teilweise schon von umherziehenden Jägern und Sammlern errichtet wurden - Jahrhunderte vor deren Sesshaftwerdung. Dies lasse etwa die Entdeckung eines öffentlichen Platzes vermuten, den die Forscher auf rund 950 vor unserer Zeitrechnung datieren.
Bautätigkeit vor Besiedelung
Aus dieser Zeit gibt es fast keine Spuren permanenter Besiedelung der Umgebung. Selbst 250 Jahre später, als die größten Pyramiden und Tempel entstanden, dürfte nur eine kleine Elite dauerhaft in Seibal gelebt haben, so die Wissenschafter. "An der Entstehung dieser Infrastruktur müssen aber viel mehr Menschen beteiligt gewesen sein als die unmittelbaren Bewohner", so Inomata. Der Forscher geht davon aus, dass unterschiedliche Gruppen von Jägern, Sammlern und nomadischen Bauern zusammenarbeiteten und gemeinsam an Festen und Zeremonien teilnahmen, ehe sie sich nach und nach niederließen.
Kultureller Schmelztiegel
Das würde auch einer weiteren gängigen Annahme widersprechen: Nämlich der, dass bereits sesshafte Gruppen mit mobilen Clans in der Region zwar koexistierten, aber wenig kooperierten. "Man sollte meinen, dass zuerst eine entwickelte Gesellschaft entsteht und dann erst die öffentliche Bautätigkeit beginnt - dabei könnte es in vielen Fällen genau umgekehrt sein", meint Inomata. Demnach wäre gerade die Kooperation unterschiedlicher Gruppen über die Jahrhunderte ein entscheidender gesellschaftsbildender Faktor gewesen.
Dieser Prozess war erst 400 bis 300 vor unserer Zeitrechnung abgeschlossen, als die Maya eine vollständig sesshafte Agrargesellschaft bildeten. Freilich entwickelte sich diese in der Folge zunehmend kriegerisch und war streng hierarchisch organisiert - doch ihr Ursprung dürfte in den Worten der Autoren ein "kultureller Schmelztiegel" gewesen sein.
Abstract
PNAS: "Development of sedentary communities in the Maya lowlands: Coexisting mobile groups and public ceremonies at Ceibal, Guatemala"
Nota. - Auch die Kultstätte von Göbekli Tepe im Südosten der heutigen Türkei wurden von Nomaden errichtet. Sie wurde auch später nicht zum Zentrum einer größeren Siedlung. Auch Stonehenge war keine Ansiedlung, sondern eine Pilgerstätte. Kultische Feste mögen ganz allgemein der Ursprung höherer Kultur gewesen sein. Und auf den Festen wurde gefeiert, wie wir noch heute feiern: mit berauschenden Getränken. Johan Huizinga könnte mehr Recht gehabt haben, als man ihm glauben mochte.
JE
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