Dienstag, 17. März 2015
Spinnt Varoufakis?
Schäuble meint, kein Mensch in Europa könne ihm sagen, was die griechische Regierung wirklich will. Da hat er Recht. Erstens, weil niemand weiß, wie die Kräfte innerhalb von Syriza wirklich verteilt sind; das muss sich erst noch erwiesen. Aber zweitens, weil die internationale Finanzpolitik eine Sache von einem Tag auf den andern ist. Da muss jeder Beteiligte pokern, und wer pokert, legt seine Karten nicht auf den Tisch, schon gar nicht, wenn er, wie die griechische Regierung, noch gar nicht weiß, welches Blatt er überhaupt hält.
Was man hat, mehr oder weniger, sind die Auffassungen des Wirtschaftstheoretikers Varoufakis. Der stellt sich vor: die Euro-Zone als ein Größeres Deutschland mit Südeuropa als Peripherie. Mit Griechenland - und mit Spanien und Portugal, wohl gar mit Italien und Frankreich - soll dieses Größere Deutschland verfahren wie Westdeutschland nach 1990 mit seinem Beitrittsgebiet: Heut kosten sie uns teuer, doch wenn sie morgen florieren, zahlen sie's uns hundertfach zurück.
Nach dem Marshall-Plan ein Merkel-Plan.
Wenn er das heute den Griechen erzählt, klingt es wie "gegen Berlin". Aber in Frankreich klänge es schon ganz anders... Welche Mehrheit wäre in Europa für solch einen Plan zu haben? Schon: Was geschähe einem Politiker in Deutschland, der das zu seinem Programm machte?
So wie sein Vergleich mit dem Vertrag von Versailles, so hinkt auch diese historische Parallele. Amerika war in den Krieg eingetreten, nachdem das New Deal es mehr schlecht als recht aus der Großen Depression der dreißiger Jahre bugsiert hatte, und der Krieg erwies sich als ein Konjunkturprogramm jenseits aller Keynes' schen Träume; aber dann war er plötzlich zuende, die aufgeblähten Kapazitäten lagen brach, noch ehe England und Frankreich ihre Kredite zurückzahlen konnten. Es war ein Gebot der Selbsterhaltung, dass Amerika den Wiederaufbau Europa betrieb.
Ist es heute ein Gebot der Selbsterhaltung, dass Deutschland den Rest Europas saniert? Wenn es ihm gelänge, in Deutschland selbst eine nennenswerte politische Kraft davon zu überzeugen, käme kein Mensch mehr auf die Idee, Varoufakis für einen Links-Radikalen zu halten. (Ich glaube, er hält sich selbst nicht dafür.)
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