Zwei Milliarden Klimaflüchtlinge bis 2100?
Steigende Meeresspiegel könnten Massenflucht aus Küstengebieten auslösen
Dass es in Zukunft immer mehr Klimaflüchtlinge geben wird, ist nicht neu. Bereits im Jahr 2010 waren weltweit 42 Millionen Menschen auf der Flucht vor klimabedingten Naturkatastrophen – Tendenz stark steigend. Die Gründe sind dabei vielfältig: Vor Kurzen erst warnte die UN, dass allein der zunehmende Landverlust durch Bodenerosion in den nächsten zehn Jahren 50 Millionen Menschen zu Flüchtlingen machen wird. Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas könnte zudem schlicht zu heiß für eine Besiedlung werden.
Ozean frisst Küstengebiete
Doch dies ist noch nicht alles, wie Charles Geisler von der Cornell University und Ben Currens von der Kentucky University erklären. Denn wie sie ermittelt haben, könnten vor allem die steigenden Meeresspiegel eine wahre Völkerwanderung auslösen. "Bisher hat die Menschheit beträchtliche Mühe darauf verwendet, den Meeren neues Land abzuringen", erklärt Geisler. "Aber jetzt müssen sie mit dem Gegenteil leben – die Ozeane erobern weite Landflächen unseres Planeten zurück."
Besonders von Überschwemmungen bedroht sind schon heute gerade die dicht besiedelten und fruchtbaren Küstenniederungen und Flussdeltas. Geht der Klimawandel ungebremst weiter, könnten bis 2100 weite Teile dieser Flächen überflutet oder zumindest von regelmäßigen Sturmfluten bedroht sein, sagen die Forscher.
Massenexodus aus den Küstengebieten
"Jüngste Forschungen deuten darauf hin, dass der globale Meeresspiegelanstieg die niedrig liegenden Küstengebiete schneller als erwartet gefährden wird", so Geisler und Currens. "Dies wird die Küstengeografie verändern, die bewohnbare Landmasse verringern und signifikante Migration aus den Küstengebieten heraus auslösen." Vom Meer vertrieben müssen die Küstenbewohner weiter ins Inland ausweichen, möglicherweise wird es sogar Massenumsiedlungen und Evakuierungen geben.
Hinzu
kommt: Bis 2100 werden die Ballungsräume entlang der Küsten noch
dichter besiedelt sein als heute. Nach Schätzungen der UN könnte die
Weltbevölkerung bis 2050 auf neun Milliarden Menschen anwachsen, bis
2100 könnten es elf Milliarden sein. Geisler und Currens schätzen, dass
bis zum Jahr 2060 bereits 1,4 Milliarden Menschen zu Klimaflüchtlingen
werden könnten. Bis zum Jahr 2100 könnten es im Extremfall zwei
Milliarden werden – knapp ein Fünftel der gesamten Menschheit.
Wird nutzbares Land knapp?
Das Problem: Die Flächen im Landesinneren sind begrenzt. Ein Teil davon ist für eine Besiedlung oder Bebauung ungeeignet – beispielsweise, weil sie zu gebirgig sind. Ein weiterer Anteil ist zu trocken und durch Desertifikation nicht bewohnbar und auch nicht als Anbaufläche nutzbar. Auch dort, wo schon Ballungsräume liegen und die Landschaft weitgehend zersiedelt und bebaut ist, bleibt nur wenig Raum für die einwandernden Küstenbewohner.
"Wir werden schneller, als uns lieb ist, mehr Menschen auf immer weniger Land haben" sagt Geisler. Er und sein Kollege schätzen, dass rund ein Drittel der globalen Landfläche nicht ohne weiteres besiedelbar oder nutzbar ist. Die Konkurrenz um Land und die Landnutzung könnte sich daher erheblich verschärfen. Denn um die Menschen zu ernähren, werden auch künftig große Landflächen für die Landwirtschaft benötigt.
Beste Vorbeugung ist Klimaschutz
Er und sein Kollege appellieren an die Länder, frühzeitig Strategien für die kommende Verlagerung der Bevölkerung weiter landeinwärts zu entwickeln. Tatsächlich haben einige Regionen, darunter der US-Bundesstaate Florida bereits Pläne dazu, wie ein zunehmender Einstrom von Menschen ins Inland künftig aufgefangen werden kann.
Noch allerdings könnte das Extremszenario abgewendet werden - durch entschiedenen Klimaschutz. "Wir stehen unter Druck, die Treibhausgas-Emissionen auf heutigen Niveau zu halten", sagt Geisler. "Das ist die beste Versicherung gegen den Klimawandel, den Meeresspiegelanstieg und die katastrophalen Konsequenzen, die den Küsten, aber auch dem Landesinneren in Zukunft drohen könnten." (Land Use Policy, 2017; doi: 10.1016/j.landusepol.2017.03.029)
(Cornell University, 27.06.2017 - NPO)
Nota. - Das ist etwas anderes als der Flüchtlingsstrom von 2015. Da ging es ums Asylrecht; um politische Verfolgung und um humanitäre Katastrophen. Da kann man immer noch hoffen, dass uns die irgenwann erspart bleiben. Denn das Asylrecht ist ein Grundrecht, das kann man nicht nach oben begrenzen. Da müsste man sich schon darauf verlassen können, dass die Nachbarn mithelfen.
Nota. - Das ist etwas anderes als der Flüchtlingsstrom von 2015. Da ging es ums Asylrecht; um politische Verfolgung und um humanitäre Katastrophen. Da kann man immer noch hoffen, dass uns die irgenwann erspart bleiben. Denn das Asylrecht ist ein Grundrecht, das kann man nicht nach oben begrenzen. Da müsste man sich schon darauf verlassen können, dass die Nachbarn mithelfen.
Hier ist aber die Rede von einer historischen Migration. Das ist keine Sache der Grundrechte, sondern des bloßen Menschenverstands, dass wir uns darauf vorbereiten müssen - um die Ströme womöglich so zu lenken, dass die aufnehmenden Länder gar einen Vorteil davon haben. Das ginge von Anfang an nur im Zusammenwirken der europäischen Nachbarn, denn zu uns werden sie drängen. Ob es realistischer Weise eine europäische Obergrenze geben kann (Wo sollten denn die hin, die nicht zu uns dürften?), wird man sehen müssen, aber es ist keine Sache des Rechts, sondern der tatsächlichen Möglichkeiten. Dass die Flüchtlingsströme in Europa je nach aktueller Zumutbarkeit gelenkt werden müssen, liegt auf der Hand - und dass grundsätzlich ein Land das Recht haben muss zu sagen: Im Augenblick geht nicht mehr. Dass es im konkreten Fall Meinungsverschiedenheiten geben wird, auch.
Übrigens: Selbst dass man die, die zuviel sind, an den Grenzen nicht einfach abknallen kann, ist keine Frage des guten oder bösen Herzens, sondern ein Sache des kühlen Verstandes: Dann stünde die Welt in Flammen, und von einer internationalen Friedensordnung dürfte nichtmal mehr geträumt werden.
Übrigens: Selbst dass man die, die zuviel sind, an den Grenzen nicht einfach abknallen kann, ist keine Frage des guten oder bösen Herzens, sondern ein Sache des kühlen Verstandes: Dann stünde die Welt in Flammen, und von einer internationalen Friedensordnung dürfte nichtmal mehr geträumt werden.
JE
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