aus Süddeutsche.de,
Erfindung des Lagerfeuers
Funken für die Zivilisation
Seit mindestens einer Million Jahren hantieren die Menschen mit Feuer. Seit etwa 400 000 Jahren beherrschen sie es und können es entfachen, wenn es nötig ist. Die Vorfahren der heutigen Menschen wurden davon stark geprägt, wie zahlreiche Wissenschaftler belegt haben. Die Erfindung des Kochens veränderte zum Beispiel den menschlichen Körper. Weil gegarte Speisen mehr Nährstoffe verfügbar machten, trug dies dazu bei, dass das Volumen des menschlichen Gehirns über die Jahrtausende anstieg und sich der Verdauungstrakt veränderte, wie etwa der Anthropologe Richard Wrangham gezeigt hat. Feuer bot außerdem Schutz vor Raubtieren. Es etablierte einen zentralen Ort in Gemeinschaften, an dem gekocht wurde und vieles mehr.
Witze und Geschichten dominieren die Gespräche am Lagerfeuer
Feuer verlängerte auch den Tag für die Menschen, die einst als Jäger und Sammler durch das Land zogen. Die Flammen spendeten neben Wärme eben auch Licht. Nur wie wichtig dieser Zugewinn an verfügbarer Zeit für die Menschheit war, dazu existiere erstaunlich wenig Wissen, schreibt die Anthropologin Wiessner. Die Forscherin von der Universität Utah beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den !Kung, die in Namibia und Botswana noch heute als Jäger und Sammler leben. Für ihre Studie wertete Wiessner unter anderem Gespräche und Geschichten der !Kung aus, die sie schon vor 40 Jahren aufgezeichnet hatte, und fügte diesen Daten neue Beobachtungen hinzu.
Die Inhalte der Gespräche unterschieden sich je nach Uhrzeit. Bei Tageslicht teilten die !Kung vor allem ökonomisch relevante Informationen etwa zur Jagd, beklagten sich über Widrigkeiten des Lebens und missliche Situationen und tratschten über Verfehlungen anderer !Kung. Witze, Geschichten und andere Themen fanden hingegen wenig Raum. Das war an den Abenden am Lagerfeuer ganz anders: Mehr als 80 Prozent der Gespräche beinhalteten Geschichten; Tratsch, Gejammer oder Themen des Tagwerks fanden im Schein der Flammen hingegen sehr wenig Beachtung.
Im Schein des Notebooks am digitalen Lagerfeuer
Um die 15 Personen saßen abends um die Feuer, berichtet Wiessner, und sorgten mit ihren vom Tagesalltag abgekoppelten Gesprächen dafür, dass sich der Zusammenhalt verstärkte und Geschichten überliefert blieben. Die !Kung schaffen es also, ihre Abende frei von Arbeit zu halten. Im Dunklen lässt es sich eben schlecht jagen und sammeln. In den heutigen Industrieländern ist das anders: Die Erfindung des Kunstlichts hat die Grenze zwischen Tag- und Nachtwerk perforiert. Statt in der Gruppe um das Feuer zu sitzen und Zeit zu teilen, kann man auch allein im Schein des Notebooks hocken und ökonomisch relevante E-Mails verfassen - über die man sich dann am digitalen Lagerfeuer Facebook beschwert.
aus scinexx
Lagerfeuer als Kulturfaktor
Gesellschaftliches Beisammensein könnte kulturelle Entwicklung gefördert haben
Lagerfeuer als Kulturfaktor
Gesellschaftliches Beisammensein könnte kulturelle Entwicklung gefördert haben
Einige Buschleute der Kalahari in Botswana und Namibia leben heute
noch so, wie es für den Menschen während seiner Entwicklungsgeschichte
typisch war: Die Jagd und das Sammeln von Nahrung bilden die
Lebensgrundlage der kleinen Gemeinschaften der Buschleute. Auch das
Feuer spielt bei ihnen noch eine buchstäblich zentrale Rolle: Abends
versammeln sie sich meist in Gruppen von etwa 15 Leuten um ein
Lagerfeuer zur gemütlichen Runde.
Tagsüber ernsthaft, abends entspannt
Über was sie sich im flackernden Feuerschein unterhalten, hat Polly Wiessner von der University of Utah gezielt untersucht. Für ihre Studie zeichnete sie bei Besuchen Gespräche der Buschleute während des Tages und während des abendlichen Beisammenseins auf. Übersetzter der faszinierenden Klicksprache der Buschleute lieferten Wiessner anschließend das Material für ihre Auswertungen.
Dabei stellte die Forscherin einen großen Unterschied zwischen Tagesgeschehen und abendlicher Gesellschaft fest: Tagsüber drehten sich drei Viertel der Gespräche um Themen der Nahrungsbeschaffung und um andere ökonomische Aspekte des Lebens der Buschleute. "Die Tages-Gespräche haben außerdem viel mit sozialer Kontrolle zu tun: Kritik, Beschwerden und Streitpunkte prägen die Konversationen", berichtet Wiessner.
Feuerschein schafft Intimität
Ganz anders dagegen die Gespräche im abendlichen Feuerschein der Lagerfeuer: Sie entfernten sich von den Sorgen des Alltags. 81 Prozent der Zeit wurden hier Geschichten erzählt, gesungen, getanzt und man sprach über weit entfernt lebende Gruppen von Buschleuten. Außerdem waren Normen und Bräuche häufige Themen. „Die Atmosphäre eines Feuers in der Dunkelheit verbindet, besänftigt und stimuliert Menschen. Der Feuerschein schafft offenbar Intimität", sagt Wiessner. „Da entspannt man sich und wünscht sich Frohsinn und Unterhaltung. Wenn es am Tag Konflikte gab, versöhnen sich die Beteiligten abends oft wieder", so die Forscherin.
Viele anthropologische Studien haben sich vor allem auf die Vorteile des Kochens und auf andere praktische Aspekte des Feuers konzentriert. „Aber kaum jemand hat sich mit dem Einfluss der Tagesverlängerung durch das Licht des Feuers auf die soziokulturelle Entwicklung des Menschen befasst", sagt Wiessner. Sie ist überzeugt: Der nächtliche Feuerschein erlaubte es den frühen Jäger- und Sammlergesellschaften entspannte Sozialkontakte zu pflegen, ohne dass dies zu Lasten des Nahrungserwerbs ging. Das könnte die Entwicklung der Kultur entscheidend gefördert haben, meint die Wissenschaftlerin.
(PNAS, 2014; doi: 10.1073/pnas.1404212111)
Tagsüber ernsthaft, abends entspannt
Über was sie sich im flackernden Feuerschein unterhalten, hat Polly Wiessner von der University of Utah gezielt untersucht. Für ihre Studie zeichnete sie bei Besuchen Gespräche der Buschleute während des Tages und während des abendlichen Beisammenseins auf. Übersetzter der faszinierenden Klicksprache der Buschleute lieferten Wiessner anschließend das Material für ihre Auswertungen.
Dabei stellte die Forscherin einen großen Unterschied zwischen Tagesgeschehen und abendlicher Gesellschaft fest: Tagsüber drehten sich drei Viertel der Gespräche um Themen der Nahrungsbeschaffung und um andere ökonomische Aspekte des Lebens der Buschleute. "Die Tages-Gespräche haben außerdem viel mit sozialer Kontrolle zu tun: Kritik, Beschwerden und Streitpunkte prägen die Konversationen", berichtet Wiessner.
Feuerschein schafft Intimität
Ganz anders dagegen die Gespräche im abendlichen Feuerschein der Lagerfeuer: Sie entfernten sich von den Sorgen des Alltags. 81 Prozent der Zeit wurden hier Geschichten erzählt, gesungen, getanzt und man sprach über weit entfernt lebende Gruppen von Buschleuten. Außerdem waren Normen und Bräuche häufige Themen. „Die Atmosphäre eines Feuers in der Dunkelheit verbindet, besänftigt und stimuliert Menschen. Der Feuerschein schafft offenbar Intimität", sagt Wiessner. „Da entspannt man sich und wünscht sich Frohsinn und Unterhaltung. Wenn es am Tag Konflikte gab, versöhnen sich die Beteiligten abends oft wieder", so die Forscherin.
Viele anthropologische Studien haben sich vor allem auf die Vorteile des Kochens und auf andere praktische Aspekte des Feuers konzentriert. „Aber kaum jemand hat sich mit dem Einfluss der Tagesverlängerung durch das Licht des Feuers auf die soziokulturelle Entwicklung des Menschen befasst", sagt Wiessner. Sie ist überzeugt: Der nächtliche Feuerschein erlaubte es den frühen Jäger- und Sammlergesellschaften entspannte Sozialkontakte zu pflegen, ohne dass dies zu Lasten des Nahrungserwerbs ging. Das könnte die Entwicklung der Kultur entscheidend gefördert haben, meint die Wissenschaftlerin.
(PNAS, 2014; doi: 10.1073/pnas.1404212111)
(P. Wiessner, PNAS, 23.09.2014 - MVI)
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