Steinzeit-Genies gab es überall
Im
Kaukasus wurden über 300.000 Jahre alte Steinwerkzeuge gefunden, die
zeigen, dass eine technologische Innovation zweimal unabhängig
voneinander entwickelt wurde
Storrs/Wien - Die Altsteinzeit ist etwas ganz Besonderes, weil sie als einziger Abschnitt unserer Geschichte nicht uns allein gehört. Es ist die früheste Epoche, die anstelle von natürlichen Faktoren nach einer Kulturtechnik - dem Gebrauch von Steinwerkzeugen - benannt wurde. Doch wandten diese Technik verschiedene Spezies an. Manche dieser sogenannten Hominina gehören zu unserer direkten Ahnenreihe, andere waren eher so etwas wie Cousins.
Doch gab es für jede technische Neuerung einen einzigen Erfinder, dessen Erkenntnisse von Generation zu Generation und im weiteren Verlauf sogar von Art zu Art weitergereicht wurden? Eine im Fachmagazin "Science" veröffentlichte US-Studie über eine Revolution in der Werkzeugherstellung weist eher darauf hin, dass die gleichen Ideen unabhängig voneinander in ganz verschiedenen Köpfen Gestalt annehmen konnten.
Eine Population, zwei verschiedene Techniken
Ein internationales Forscherteam um Daniel S. Adler von der University of Connecticut in Storrs untersuchte 335.000 bis 325.000 Jahre alte Steinwerkzeuge, die in der Region von Nor Geghi in Armenien gefunden worden waren. Zum Teil waren die tausenden Fundstücke nach einer Methode bearbeitet worden, die damals schon seit einer Million Jahre in Umlauf war: Man schlug von einem Stein so lange Splitter ab, bis ein brauchbarer Faustkeil übrigblieb - der Rest war Abfall.
Andere Stücke hingegen waren bereits nach der innovativen Levalloistechnik angefertigt. Dafür wurde der Steinkern sorgfältig präpariert, und die Abschläge erfolgten so gezielt, dass sich auch die scharfkantigen Splitterteile als Werkzeuge nutzen ließen: eine raffiniertere und zugleich ressourcensparende Methode.
Interpretation der Funde
In Afrika und später Eurasien setzte sich diese Methode vor 400.000 bis 200.000 Jahren durch. Bislang wurde sie zumeist als Kulturexport aus der afrikanischen Urheimat betrachtet. Die erstmals außerhalb Afrikas belegte gleichzeitige Verwendung beider Techniken im Kaukasus werten Adler und seine Kollegen jedoch als Indiz dafür, dass die Innovation vor Ort entwickelt wurde - unabhängig vom afrikanischen "Patent".
Zwei Folgerungen ergeben sich daraus: Zum einen, dass Werkzeuge eines bestimmten Stils nicht immer als Belege für die Ausbreitung einer konkreten Menschengruppe taugen müssen, wofür sie in der Anthropologie gerne herangezogen werden. Und zum anderen: Kluge Köpfe gab es auch in der Steinzeit überall. (jdo)
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