Montag, 1. September 2014

Sorgen um unser Rechtssystem.



Heute gehen zwei Meldungen ein, die zueinander passen wie die Faust aufs Auge. Einerseits nimmt, obwohl seit einiger Zeit sowohl die Anzahl der Straftaten als auch das subjektive Bedrohungsgefühl zurückgehen, der Ruf nach härteren Strafen weiter zu.

Nach einem halben Jahrhundert wachsender Permissivität wieder ein konservativer Pendelausschlag, könnte man meinen; vielleicht kündigt sich ja eine allgemeine Rückkehr zu alten Werten an, der demnächst auf andere Gesellschaftsfelder übergreift. 

Das könnte man je nach politischem Standort so oder so bewerten.

Zugleich erfahren wir aber, dass die Ermittlungsverfahren immer schludriger geführt werden und in den Strafverfahren die Vorarbeit von Polizei und Staatsanwalt inzwischen ein so starkes Gewicht bekommt, wie es in in unserer freiheitlichen Rechtsordnung eigentlich nicht vorgesehen war.

Dass durch die Neuen Medien die Öffentlichkeit für solche Themen sensibilisieret würde, kann man nicht sagen, Twitter und Facebook tragen vielmehr das Ihre zu demagogischer Stimmungsmache bei, sie machen die Atmosphäre nicht sachlicher, sondern hysterischer. Der Fall Edathy ist ein Beispiel dafür, und mehr als das mag man schon gar nicht mehr sagen, um sich nur nicht das Maul zu verbrennen.
JE


Wunsch nach höheren Strafen
 wächst


Blandina Mangelkramer  
Kommunikation und Presse
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 

01.09.2014 13:09 

Die Bereitschaft, Straftaten härter zu bestrafen, nimmt seit Jahren zu. Und das, obwohl sowohl die Angst, Opfer eines Verbrechens zu werden, als auch die Kriminalität insgesamt zurückgehen. Das sind Ergebnisse aus einer Langzeitstudie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Für diese einzigartige Langzeitstudie hat Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Streng, Emeritus am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, zwischen 1989 und 2012 rund 3100 Jurastudierende befragt, die gerade mit ihrem Studium begonnen hatten. Bewusst wählte der Rechtswissenschaftler Studienanfänger aus, da sie zum einen über noch wenig Fachwissen verfügen und damit gut als Abbild der allgemeinen Bevölkerung dienen und zum anderen da sie später einmal als Richter, Staatsanwälte, Verteidiger oder in Ministerien einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Rechtsprechung und Gesetzgebung haben werden. Sein Ziel war es, herauszufinden, wie die jungen Frauen und Männer die allgemeine Kriminalitätslage bewerten, inwieweit sie sich bedroht fühlen und wie hart sie bestrafen würden. Diese Daten verglich der Forscher zusätzlich mit der offiziellen Kriminalitätsstatistik.

Es stellte sich heraus, dass das allgemeine Bedrohungsgefühl durch Kriminalität kurz nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung erheblich anstieg und danach wieder zurückging. Das Risiko, selbst Opfer eines körperlichen Angriffs zu werden, schätzten die Befragten im Lauf der Jahre zunehmend geringer ein – aktuell ist diese Angst nur noch schwach ausgeprägt. Im gleichen Zeitraum veränderte sich bei den Befragten jedoch die Einstellung darüber, wie hart bestraft werden sollte: Die Studierenden der nachfolgenden Jahrgänge würden bei gleichen Delikten mittlerweile höhere Strafen verhängen als noch zu Beginn der Studie – und das, obwohl sie sich eigentlich sicherer fühlen.

Doch wie hat sich die Kriminalität in diesem Zeitraum entwickelt – könnte die veränderte Strafmentalität sich dadurch erklären lassen? Ein Blick auf die Kriminalstatistiken zeigt, dass die Zahl der Gewaltdelikte seit Beginn von Strengs Studie angestiegen ist. Seit 2007 jedoch laufen die Entwicklungen auseinander: Seitdem nämlich sinkt die Anzahl der Gewalttaten im Gegensatz zur Strafhärte, die weiterhin zunimmt. Was dabei besonders irritierend ist: Die Haltung der Befragten gegenüber Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag wird ebenfalls unerbittlicher, obwohl seitdem auch die Anzahl dieser Verbrechen zurückgeht. Die Gesamtkriminalität – hierzu zählen neben Gewaltverbrechen unter anderem auch Diebstahl, Sachbeschädigung oder Wirtschaftsdelikte – sinkt übrigens bereits seit kurz nach Wiedervereinigung kontinuierlich und kann daher ebenfalls nur schwer als Erklärung für den Wunsch nach härteren Strafen dienen.

Zieht man neben der offiziellen Kriminalitätsstatistik, die nur die registrierten Fälle erfasst, weitere Informationen zur Kriminalitätsentwicklung heran, zeigt sich ein weiteres interessantes Ergebnis. In der Langzeitstudie wurden die Teilnehmer auch gefragt, ob sie selbst schon einmal Opfer einer Gewalttat geworden sind. Der Anteil derer, die bereits einen körperlichen Angriff erlebt haben, ist über die komplette Langzeitstudie weitgehend konstant geblieben – doch der Anstieg in der Kriminalstatistik, wenn er denn real wäre, hätte sich laut Streng in irgendeiner Weise auch unter den Befragten widerspiegeln müssen. So legen die Ergebnisse der Befragungen nahe, dass die Opfer, insbesondere jene, die bei einer Straftat auch verletzt wurden, mittlerweile eher bereit sind, das Verbrechen anzuzeigen – ein Befund, den andere Studien stützen und der die Diskrepanz zur offiziellen Statistik erklären könnte.

Doch warum nimmt der Wunsch nach höheren Strafen zu, obwohl sich die Befragten sicherer fühlen und die Kriminalität zurückgeht? Der Rechtswissenschaftler führt dafür eine ganze Reihe von Erklärungsansätzen an. So greifen Medien das vorhandene Interesse an Kriminalitätsthemen nicht nur auf, sondern verstärken es durch ihre intensive Berichterstattung. Hinzu kommen politische Akteure, die das Thema „Kriminalität und Strafe“ weniger sachlich als vielmehr medienwirksam behandeln. 

Darüber hinaus nimmt seit Jahren die Zahl der Unterhaltungssendungen, in denen es um Mord geht, zu. So sind laut Strengs Studie Befragte, die viele dieser Sendungen konsumieren, auch die strengeren Bestrafer. Als eine weitere mögliche Erklärung für eine veränderte Strafmentalität führt Streng die Verunsicherung durch gesellschaftliche Umbrüche wie der Wiedervereinigung oder der Globalisierung an. Der Wunsch nach härteren Strafen könnte ein intuitiver Versuch sein, mit sozialen Problemen umzugehen und Unsicherheiten symbolisch zu bekämpfen. Ein anderer Grund könnte der zunehmende Fokus auf die Opferperspektive sein, der die Identifikation mit den Opfern steigert und so die Tendenz zu strengeren Strafen unterstützt.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Streng
Tel.: 09131/85-29280 bzw. -24755
franz.streng@fau.de





Jörg Heeren 
Pressestelle  
Universität Bielefeld

01.09.2014 11:02  
 
Tagung am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität
Bielefeld


„Die Mehrzahl der Strafverfahren erfolgt heute in verkürzter Form und ohne umfangreiche Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung“, sagt der Jurist Professor Dr. Stephan Barton von der Universität Bielefeld. Obwohl gesetzlich nicht so vorgesehen, würden entscheidende Weichen schon im Ermittlungsverfahren gestellt, das von Polizei und Staatsanwaltschaft dominiert wird. Diese Aufwertung der Ermittlungsverfahren kommt laut Barton jedoch weitgehend wildwüchsig zustande.



Diese neue Entwicklung steht im Mittelpunkt der fünften Bielefelder Verfahrenstage am 17. und 18. September im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Titel der Tagung: „Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens“.

Professor Dr. Stephan Barton leitet die Tagung zusammen mit Professor Dr. Ralf Kölbel (Ludwig-Maximilians-Universität München) und Professor Dr. Michael Lindemann (Universität Bielefeld). „Eigentlich sollen Befragungen und weitere Maßnahmen im Ermittlungsverfahren dazu dienen, die Entscheidung über die Anklageerhebung vorzubereiten. Doch inzwischen hat dieses frühe Verfahrensstadium an Bedeutung für den späteren Verfahrensausgang gewonnen“, sagt Barton. So verliert das Hauptverfahren an Bedeutung, in dem sich Richter mit den Beweisen befassen und über Schuld und Unschuld entscheiden. Und das, obwohl laut Gesetz die Hauptverhandlung Kern eines Strafverfahrens ist. Die Aufwertung der Ermittlungsverfahren gehe nicht auf koordinierte Anstrengungen des Gesetzgebers zurück, sondern sei in den vergangenen Jahren fast völlig ungeregelt zustande gekommen, erklärt Barton.

Ziel der Tagung ist zum einen eine Bestandsaufnahme und kritische Analyse dieser Entwicklung, zum anderen sollen rechtspolitische Vorschläge zu einer gezielten Weiterentwicklung des Ermittlungsverfahrens erarbeitet werden. Eingeladen haben die Tagungsleiter dazu rund 20 Referentinnen und Referenten aus Justiz, Anwaltschaft, Polizeipraxis und Politik sowie aus Fachdisziplinen wie Strafrechtswissenschaft, Rechtssoziologie, Kriminologie, Politikwissenschaften, Kommunikationstheorie und Neurophilosophie. An der Tagung nehmen insgesamt etwa 70 Forscherinnen und Forscher, Praktikerinnen und Praktiker teil.

Medienvertreter sind herzlich eingeladen, über die Veranstaltung zu berichten.

Tagungszeiten
Mittwoch, 17. September: 10 Uhr bis 18.30 Uhr
Donnerstags, 18. September: 9 Uhr bis 15.30 Uhr


Kontakt bei inhaltlichen Fragen:
 

Prof. Dr. Stephan Barton, Universität Bielefeld
Fakultät für Rechtswissenschaft
Telefon: 0521 106-3910
E-Mail: stephan.barton@uni-bielefeld.de

Kontakt bei organisatorischen Fragen:
 

Trixi Valentin, Universität Bielefeld
Zentrum für interdisziplinäre Forschung
Telefon: 0521 106-2769
E-Mail: trixi.valentin@uni-bielefeld.de 



Weitere Informationen:  http://www.uni-bielefeld.de/ZIF/AG/2014/09-17-Barton.html




Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE      

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