Brüder im Glauben an strafende Götter sind enge Brüder
Moralisierende Götter sind jene, die strenge Gebote erlassen und sie auch streng überwachen. Sie schaffen einen starken Zusammenhalt derer, die an sie glauben – auch wenn sie einander gar nicht kennen –, und eine Ausbreitung dieser Gesellschaften.
von Jürgen Langenbach
Macht haben alle Götter, aber ihr Umgang damit lässt sie in zwei große Gruppen unterteilen: Bei den einen, etwa an den Höfen von Zeus und Odin, geht es nach Lust und Laune zu, sie schmieden untereinander Ränke, betreiben ihre Liebschaften, so gehen sie auch mit den Menschen um, der rachsüchtige Poseidon verfolgt Odysseus quer durch die Meere, der liebestolle Zeus arbeitet mit allen Finessen. Solche Götter, auch viele ältere Naturgötter, haben keine Gesetze, sie erlassen auch keine, sie wollen nur Opfer und Rituale.
Ganz anders ist es bei den moralisierenden Göttern: Sie verfügen strenge Gebote, überwachen sie und strafen, sind unduldsam, auch gegenüber anderen Göttern. Das mag das Überleben der Gläubigen fördern, Carlos Botero (North Carolina State University) hat es vermutet, als er die ganze Erde auf Umweltbedingungen und Gottheiten durchforstete: Wo die Natur mild ist und freigiebig und Jäger und Sammler nur zugreifen müssen, da gibt es keine Gesetze von oben.
- Moralisierende Religionen und andere.
- Entstanden die Religionen aus dem Überfluss?
- Nicht die Not, sondern der Überfluss.
Aber wo man dem Boden mühsam etwas abgewinnen muss und/oder die Natur launisch ist, wo das Überleben enge Kooperation und harte Disziplin fordert, werden Tafeln aufgestellt, die das Zusammenleben rigide regeln: „Die Wahrscheinlichkeit moralisierender Götter wächst dort, wo die Umwelt variabler und weniger vorhersehbar ist“, schloss Botero und verwies auf eine frappante Parallele: Seine Weltkarte der moralisierenden Götter ist fast deckungsgleich mit einer, auf der das Brutverhalten von Vögeln verzeichnet ist: Auch die rücken in rauen Umwelten zusammen, dort kommen zum Brüten halbwüchsige Helfer (Pnas 47, S. 16784).
Religion haben Vögel natürlich nicht, und allzu große und ausdifferenzierte soziale Verbände bilden sie auch nicht. Aber sie behalten einander gut im Blick. Das ist auch die Machtgrundlage der Überirdischen, die Totempfähle der Indianer haben viele Augen, der christliche Gott wird als Auge in einem Dreieck symbolisiert. Und je genauer ein Gott die Seinen im Blick hat und je härter er Verfehlungen straft, desto größer wird die Kooperationsbereitschaft derer, die an ihn glauben, auch wenn sie einander nicht kennen und nie kennenlernen werden, also nicht auf Gegenleistung spekulieren.
Wie viel gibt man ab, je nach Gott?
Das ist das vorerst letzte Wort in der alten Debatte, ob moralisierende Götter für die Bildung komplexer Gesellschaften bzw. sozialer Kooperation nötig sind. Bisherige ethnologische Befunde sind wenig konsistent, und psychologische Befunde haben oft wenig Aussagekraft, weil sie in Labors in den USA mit Studenten gewonnen wurden. Deshalb hat Benjamin Purzycki (University of British Columbia) sieben Ethnien in aller Herren Länder aufgesucht, mit verschiedenen Ökonomien und Religionen. Die hat Purzycki abgefragt, dann kam ein Experiment: Die Testpersonen erhielten Geld, sie konnten es aufteilen, etwas für sich behalten, etwas für einen Glaubensbruder zur Seite legen, der am anderen Ende der Erde lebt.
Dem gaben sie um so üppiger, je stärker sie sich von ihrem Gott beobachtet sahen und je höhere Strafen sie von ihm fürchteten (Nature 10. 2.): „Das Bekenntnis zu moralisierenden, wissenden und strafenden Göttern stärkt soziale Bande, die breitere vorgestellte Gemeinschaften schaffen“, schließt Purzycki und meint damit, dass solche Götter nicht nur den Zusammenhalt von Menschen gleichen Glaubens fördern, sondern auch die Ausbreitung ihrer Gesellschaften.
Nota. - Das ist beinahe eine Tautologie: Gesellschaften, die keinen starken inneren Zusammenhang brauchen, brauchen auch keine moralisierende Religion. Nicht ganz so banal ist: Völker ohne engen Zusammenhalt kön-nen ihre Nachbarn nicht unterwerfen.
Mohammeds Lehre gab den Stämmen auf der arabischen Halbinsel einen Zusammenhalt, den sie vorher nicht kannten. Sie eroberten innerhalb von ein, zwei Generationen den Vorderen Orient und Nordafrika. Wäre der Prophet nicht bewaffnet gewesen, hätte er sie nicht vereinigen können, wären sie nicht vereinigt gewesen, hätten sie nichts erobern können. Doch das Reich wurde zu groß, das Herrenvolk zu klein, der Zusammenhalt löste sich auf, die Religion erstarrte.
Das Christentum hatte keinen bewaffneten Propheten. Es brauchte viele Jahrhunderte, um dem Abendland einen (höchst prekären) Zusammenhalt zu verschaffen – wenigstens nach außen. Aber so hat es – das Abendland – sich die Welt unterworfen. Dabei löste die Religion sich allerdings auf, und ein paar Generation später auch die Weltherrschaft des Abendlands.
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen