Freitag, 28. Februar 2020

Westgenossi?

aus nzz.ch, 28. 2. 2020

"Umgekehrt kümmerte es die Christlichdemokraten in Thüringen nicht gross, dass sie durch ihr faktisches Wahlbündnis mit der AfD die Bundespartei in eine Identitätskrise stürzen würden. Als sie merkten, was sie bis hin zum Vertrauensverlust bei den eigenen Wählern angerichtet hatten, flüchteten sie in eine Konstruktion zur Rettung ihrer Pfründen. Statt die Bürger rasch an die Urnen zu rufen, um so einen Ausweg aus der verfahrenen Lage zu finden, will man die Pattsituation künstlich verlängern. Selten führten Abgeordnete in solcher Dreistig- keit vor, dass es ihnen hauptsächlich um ihre Mandate und Diäten geht."


Nota. - NZZ-Chefredakteur Eric Gujer meint aber ausdrücklich, dass es sich um keine Ost-Besonderheit handle; die im Westen seien auch nicht besser.

Dass die Genossis seit 30 Jahren im Westen kein besseres Beispiel gefunden hätten, ist aber nur halb richtig. Denn es gibt zwei Unterschiede. Der erste ist, dass der Fetisch Identität im Westen dem Opportunismus immer noch entgegensteht, während er im Osten mit ihm identisch ist.

Und zweitens der Umstand, dass Angela Merkel seit zwanzig Jahren im Westen führend ist. Die ist pragmatisch, aber eben nicht opportunistisch, wie die Griechenland- und die Flüchtlingskrise ultimativ bewiesen haben. De- ren 'Identität' macht aus, dass sie allezeit streng an der Sache orientiert ist und eben nicht an sich.

*

Zwar liebäugelt Gujer zum Schluss unübersehbar mit dem Kontinuitätstandem Laschet-Spahn. Aber er ist so klug, doch gleich anzufügen:

"Ein neuer Mann an der Spitze bringt frischen Wind, jedoch nicht automatisch neue Ideen. Und auch die AfD, die der intellektuellen Entkernung der CDU ihre Existenz verdankt, verschwindet deswegen nicht. Die Götter- dämmerung ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben."

Mit Röttgen wäre es vielleicht anders.
JE




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen