Mittwoch, 17. Februar 2021

Am Anfang der islamischen Eroberung.


aus welt.de, 10. 2. 2021

So richteten sich die Muslime in den eroberten Städten ein
In Tiberias am See Genezareth haben Archäologen die Grundmauern einer Moschee aus dem 7. Jahrhundert entdeckt. Sie zeigt, wie schlicht die arabischen Eroberer in den neu gewonnenen Gebieten ihre Garnisonen ausstatteten.

Vermutlich hatte die Stadt Tiberias ihre Tore den Eroberern bereits freiwillig geöffnet, bevor die Entscheidung auf dem Schlachtfeld fiel. Das würde eine spektakuläre Entdeckung erklären, die jetzt Archäologen der Hebräischen Universität Jerusalem am See Genezareth gemacht haben. In der Stadt am westlichen Ufer des Sees legten sie die Grundmauern einer Moschee aus der Frühzeit des Islams frei.

Das Erstaunliche an dem Bauwerk ist, dass es sich offenbar nicht um eine umgewandelte Kirche handelt (was bei einer gewaltsamen Besetzung erwartet werden könnte), sondern dass es von Grund auf als islamisches Gotteshaus errichtet wurde. Bei früheren Ausgrabungen in den 1950er-Jahren waren die Wissenschaftler noch davon ausgegangen, dass die Muslime einen byzantinischen Markt umgewidmet hatten. Die Leiterin der aktuellen Kampagne, Katia Cytryn-Silverman, ging eine Schicht tiefer und stieß auf Münzen und Tongefäße, die auf die Zeit zwischen 660 und 680 datiert werden. Das würde bedeuten, dass der gesamte Bau bereits unter arabischer Herrschaft errichtet wurde.

Luftaufnahme des Ausgrabungsgeländes in Tiberias aus dem Jahr 2013 
Luftaufnahme des Ausgrabungsgeländes in Tiberias aus dem Jahr 2013
Wenige Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed 632 verließen die muslimischen Heere die Arabische Halbinsel und drangen nach Palästina und Syrien vor. Im August 636 versuchte der byzantinische Kaiser Herakleios mit einem großen Heer, die Invasoren zu stoppen. Am Jarmuk, der von Osten kommend unweit des Südendes des Sees Genezareth in den Jordan mündet, kam es zur Schlacht, die mit einer vernichtenden Niederlage der Oströmer endete. Die Levante wurde Teil des Arabischen Weltreichs.

Es ist gut möglich, dass Tiberias zuvor bereits kampflos von den Arabern eingenommen worden war. Kurz nach Christi Geburt gegründet, war die Stadt lange Hauptstadt Galiläas; die Endredaktion des palästinensischen Talmud wurde hier erarbeitet. Auch nach der Besetzung bildeten Christen und Juden die Mehrheit der Bevölkerung. Historiker gehen sogar davon aus, dass die meisten Bewohner den welthistorischen Machtwechsel kaum bemerkt haben. Nur Sprache, Habitus und Religion der Steuereinnehmer hatten sich verändert.

Die Araber wollten wohl auch kein Exempel statuieren. „Sie haben die Gebetshäuser von anderen nicht zerstört, sondern sie haben sich in die Gesellschaften eingefügt, deren Anführer sie nun waren“, sagt Katia Cytryn-Silverman. Mindestens bis zum Bau einer größeren Moschee im 8. Jahrhundert sei eine byzantinische Kirche das Hauptgebäude in Tiberias geblieben.

Eine Zwangsbekehrung fand nicht statt, nicht zuletzt, weil Nichtmuslime zur Zahlung der Dschizya, einer Kopfsteuer, verpflichtet waren, mit der die Heere entlohnt wurden. „Die byzantinischen Münzen blieben in Umlauf, und Verwaltungsdokumente wurden weiterhin in griechischer Sprache verfasst“, schreibt der amerikanische Althistoriker Glen W. Bowersock.

At the foot of Mount Bernice, stones from the Al-Juma (Friday) Mosque are visible through overgrown plants, in Tiberias, northern Israel, Wednesday, Jan. 27, 2021. Archaeologists said recent excavations at the ancient city of Tiberias have discovered the remnants of one of the earliest mosques in the Islamic world. The foundations of the Muslim house of worship date to the late 7th century. (AP Photo/Maya Alleruzzo)So stellen sich die Fundamente der Moschee derzeit dem Betrachter dar
Für das Gebet der muslimischen Verwalter und Garnison wurde ein schlichter Bau errichtet, mit dem die neuen Herren keineswegs Repräsentationszwecke verbanden. Die Dimensionen des Gebäudes, Grundriss und vorgegebene Richtung zum Gebet, ähnelten denen anderer Moscheen aus dieser frühen Zeit. Es handelte sich dabei in der Regel um weiträumige Rechtecke, die von einer Außenmauer begrenzt wurden und in denen ein Dach, das häufig auf wiederverwendeten Säulen ruhte, den Gläubigen Schutz vor der Sonne bot. Die sparsam eingerichtete Moschee, die Mohammed in Medina eingerichtet hatte, wird in alten Texten als Vorbild angeführt.

Andere bekannte Moscheen aus frühislamischer Zeit, etwa die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem und die Prophetenmoschee in Medina, werden bis heute als Gotteshäuser genutzt und können deshalb nicht in vergleichbarer Weise von Archäologen untersucht werden. Daher bietet der Fund in Tiberias Archäologen die seltene Chance, die Architektur eines der ersten muslimischen Gebetshäuser zu studieren, sagt Katia Cytryn-Silverman.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen