Sonntag, 7. Februar 2021

Der Augsburger Religionsfrieden und das Deutsche Übel.

aus welt.de, 5. 2. 2021             5. Februar 1555: Ferdinand I. (1503–1564), römisch-deutscher König, eröffnet den Augsburger Reichstag

Sein Pakt rettete das Reich – und zerbrach den Bruder
 Um das Heilige Römische Reich nicht ins Chaos des Religionskriegs abgleiten zu lassen, lud Ferdinand I. 1555 die Fürsten zum Reichstag nach Augsburg. Sein kaiserlicher Bruder Karl V. war entsetzt und zog die Konsequenzen.

Tagelang hatten die beiden Brüder 1552 im abgeschiedenen Villach miteinander gerungen. Den älteren, Kaiser Karl V. (1500–58), plagte sein Gewissen, „sich auf Dauer und ohne Heilmittel mit der (protestantischen) Häresie ins Benehmen zu setzen“. Der jüngere, König Ferdinand I. (1503–64) drang auf einen Kompromiss, um das Heilige Römische Reich vor dem Chaos zu bewahren. Er setzte sich damit durch. Drei Jahre später eröffnete Ferdinand am 5. Februar 1555 in Augsburg den Reichstag, der die Lösung im Streit zwischen Katholiken und Protestanten bringen sollte.

Vorangegangen war ein Triumph Karls. Der streng katholische Herrscher, in dessen spanisch-niederländisch-deutschem Weltreich die Sonne nicht unterging und der sich als Kaiser eines religiös geeinten Europa verstand, hatte im April 1547 bei Mühlberg den Bund der protestantischen Reichsfürsten vernichtend geschlagen, wobei ihn der evangelische Herzog Moritz von Sachsen aus dynastisch-politischen Gründen unterstützt hatte.

Das Friedensgemälde zeigt Ferdinand I. und die Kurfürsten

Doch das machte die Reformation nicht ungeschehen. Denn nachdem Karl die Kurwürde des geschlagenen Johann Friedrich I. von Sachsen auf Moritz übertragen hatte, wechselte dieser die Seiten und stellte sich an die Spitze der Reichsfürsten, die im übermächtigen Kaiser eine Gefahr ihrer Libertät erkannten und den Aufbau eines habsburgischen Erbkaisertums unter allen Umständen verhindern wollten. Diese Fürstenerhebung, der bald ein Krieg gegen Frankreich folgte, zwang Karl geradezu zur Flucht über die Alpen, wo er mit Ferdinand zusammentraf.

Der amtierte seit 1531 als römisch-deutscher König und kannte die Befindlichkeiten seines Adels. Obwohl kaum weniger katholisch gesonnen als sein Bruder, war er Realist genug, um die Gefahren zu erkennen, „käme es wegen der Religionssache zum Bruch“. Karl antwortete darauf, „dass er eher Deutschland verlassen“ werde, als sein „Einverständnis mit den Feinden zu suchen“.

So kam Ferdinand auf dem Augsburger Reichstag die entscheidende Rolle zu. Um dem Reich die permanente Zerreißprobe zu ersparen, strebte er eine Dauerlösung an, der sich – mit Ausnahme einiger geistlicher Herren – die meisten Fürsten anschlossen. Ein Religionsfrieden wurde verabschiedet, der bald mit der Formel „cuius regio, eius religio“ gefasst wurde (Wem das Territorium gehört, der bestimmt die Religion).

Ausnahmeregelungen und eine Öffnungsklausel entschärften die Vorgabe. Das „ius emigrandi“ räumte Untertanen darüber hinaus das Recht der Auswanderung ein. Unter dem Strich stärkte der Reichstag die Fürstenherrschaft in den Territorien des Reiches und erteilte den imperialen Konzeptionen Karls V. eine endgültige Absage.

Verbunden mit einer umfassenden Landfriedensordnung bescherte der „Augsburger Religionsfrieden“ dem Reich über zwei Generationen eine ungewohnte Ruhe, bis der Dreißigjährige Krieg die Konfessionsfrage erneut und in noch brutalerer Form stellte. Denn eine Gruppe hatte man 1555 ausgespart: die Reformierten.

Karl machte daraufhin seine Drohung wahr, legte seine Kronen nieder und zog sich in ein Kloster in der Extremadura zurück. Ferdinand wurde 1558 von den Kurfürsten zum Kaiser gewählt und stach damit Karls Sohn Philipp II. aus, der das spanische Erbe bekam.

 

Nota. - Der Ursprung des pp. Deutschen Sonderwegs war das Unvermögen der deutschen Könige, das feudale Reich zu einem Nationalstaat zu einigen. Zunächst lag es daran, dass der deutsche König in seiner Eigenschaft als römischer Kaiser stets zu sehr im Ausland, nämlich Italien, zu kämpfen hatte, um sich die Reichsfürsten untertan zu machen. Die hatten einen mächtigen Verbündeten in den Päpsten, die neben sich keinen Ebenbürtigen duldeten.

Als während der Renaissance der Kaiser in Norditalien keine Rolle mehr spielte, wäre der Papst in Deutschland auch aus dem Spiel gewesen und hätten die deutschen Könige an die politische Einigung des Reiches gehen können. Aber nun war König und Kaiser ein Habs-burger, dessen dynastische Interessen bei ihrem Vielvölkerstaat lagen und keineswegs in Deutschland: der Bock war Gärtner. Wenn sich die Reichsfürsten gegen die Hausmacht der Habsburger und gar eine eventuelle Erblichkeit der deutschen Krone zur Wehr setzten, han-delten sie prima vista wirklich im nationalen Interesse. Indes - die Reichfürsten als Garanten deutscher Selbstständigkeit, das war erneut... der Bock als Gärtner. Denn nun hatten die katholischen Habsburger im römischen Papst ihren natürlichen Verbündeten. Und in der Gesellschaft Jesu einen übernationalen Geheimbund, der ihre dynastischen Interessen besorg-te - sofern sie nicht die diplomatischen Interessen der Heiligen Stuhls beeinträchtigten. 

Das Dilemma machte die auch förmliche Auflösung des Reichs durch Napoleon unvermeid-lich. Aus dem Befreiungskrieg konnte dank der Protektion aus Wien und Petersburg kein neu-er deutscher Staat entstehen, dafür war der preußischen König zu sehr dynastischer Reichs-fürst und war Großbitanien zu sehr am kontinentalen Gleichgewicht gelegen. Bismarcks kleindeutsche Lösung war eine Hybride und hat Deutschland auf längere Sicht Unglück gebracht.

JE



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