Freitag, 23. Mai 2014

Rudern macht frei.

aus Der Standard,

Am Anfang mussten alle rudern  
Wie Europa in den antiken Reichen der Griechen und Römer seinen Ausgang nahm
von Alois Pumhösel

Um ein Schiff durch Rudern fortzubewegen, bedarf es koordinierter Anstrengung. Immerhin sitzen alle im selben Boot, und nur Zusammenarbeit führt ans Ziel. Eine Gemeinschaft bildet sich. Das Überqueren der Meere trug in der Antike auch dazu bei, dass sich die Vorstellung von einer idealen Gemeinschaft veränderte. Hin zu mehr Teilhabe Einzelner. Hin zur Demokratie.

Athen konnte seine Stellung als Seemacht im fünften Jahrhundert vor Christus nur halten, indem es tausende Bewohner des Stadtstaats, die selbst nicht der Aristokratie angehörten, als Ruderer einsetzte. "Es gab immer einen Zusammenhang zwischen dem Beitrag, den der Einzelne zur Wehrhaftigkeit einer Polis leistet, und seiner politischen Partizipation. Entsprechend dieser Korrelation wollten die Ruderer auch Mitspracherechte haben", beschreibt der deutsche Althistoriker, Altphilologe und Wissenschaftsvermittler Karl-Wilhelm Weeber im Gespräch mit dem Standard eine der Grundlagen für die Entstehung der Demokratie im alten Athen.

Als die gegenwärtige Finanzkrise über Griechenland hereinbrach, schrieb Weeber sein Buch Hellas sei Dank! Was Europa den Griechen schuldet (Siedler), um daran zu erinnern, wo die Fundamente der europäischen Kultur gelegt wurden: Was ist schon eine Wirtschaftskrise gegen die Entwicklung der Demokratie, der Philosophie, des Theaters?

Im alten Griechenland führte die neue politische Anteilnahme der "Kakoi" , der "Schlechten", zu einem neuen Selbstbewusstsein. "Nachdem die Aristokraten jahrhundertelang gepredigt hatten, dass sie nichts wert sind, stellen die Unterdrückten nun fest: Wir schaffen das auch!" - Ein Quantensprung im sozialen Zusammenleben, der einen vergleichsweise großen Teil der Gesellschaft mit neuem Ehrgeiz versah. Für Vollbürger wurde es selbstverständlich, sich einzubringen - eine Eigenschaft, die heute wieder als Vorbild dienen könnte. Die Rhetorik, Mittel der effektiven Beeinflussung, wurde zur Kunstform.

Warum aber waren die Griechen so erfolgreich? Warum sind ihre Lehren nicht im Staub der Geschichte versunken wie viele andere? Auch sie waren beeinflusst von älteren Kulturen und hatten etwa astronomisches Wissen von den Babyloniern übernommen. Auch der Chronist Herodot glaubte, dass von den Barbaren einiges zu lernen sei. "Die Griechen haben nicht alles erfunden, aber sie haben über den Tellerrand hinausgesehen", sagt Weeber.

Antike Horizonterweiterung

Offenheit und Wissensdrang, Annahmen hinzuschreiben und der Kritik preiszugeben, einen Diskurs entstehen lassen - das seien alles Dinge, die uns die Griechen mit auf den Weg gegeben haben, erklärt Weeber. "Sie haben uns gelehrt, aus den Erfahrungen ein System abzuleiten und Methodiken zu entwickeln."

Dass die Lehren der Griechen die Zeiten überdauern konnten, ist den Römern zu verdanken. Auch sie legten eine erstaunliche Offenheit und Adaptionsfähigkeit an den Tag: "Bei allem Machtstreben, bei aller Gewalt, die sie ausgeübt haben, war es eine große Leistung der Römer, dass sie ihre kulturelle Unterlegenheit gegenüber den Griechen erkannt haben", erklärt Weeber, der mit dem Buch Rom sei Dank! bereits auch die Leistungen der Römer gepriesen hat. "Sie haben das Fremde angenommen. Sie haben es zum Vorbild und nicht platt gemacht."

Die Römer übernahmen griechische Grundlagen in Medizin, Mathematik, Theater, Ästhetik, Literatur, Philosophie. Sie entwickelten sie weiter und verbreiteten sie in den eroberten Gebieten. "Die kulturelle Missionierung war ein Mittel der Herrschaftssicherung, ein Mittel, lokale Eliten an sich zu binden", sagt Weeber.

Die Römer waren es auch, die den Grundstein für moderne Rechtssysteme legten. "Die Abkopplung des Rechts von der Willkür der Priester ist früh in der römischen Zeit passiert." Mit der Zeit kam eine große Fallsammlung zustande, systematische Rechtsregeln gingen hervor. Man konnte etwa nicht zweimal für dasselbe Delikt angeklagt werden. Im Zweifel lag das Recht aufseiten des Angeklagten. Und, so Weeber: "Das Eigentumsrecht wurde sehr hoch angesiedelt, das merken wir heute noch in den europäischen Rechtsordnungen." Die Römer sind also mitschuld, dass wir materiellen Dingen so viel Bedeutung geben, könnte man folgern.

Kirche konserviert

Ausgerechnet das Christentum sorgte dafür, dass das antike Wissen nicht vergessen wurde. Die Kirche hielt die lateinische Sprache, den "Transmissionsriemen in die Neuzeit", am Leben. Dank ihr wissen wir heute etwa, dass im Mythos Zeus als weißer Stier die phönizische Königstochter Europa mit eindeutigen Absichten übers Meer nach Kreta entführte. Die alten Griechen und Römer entführten dagegen die Europäer in eine Welt, in der systematisches Denken und gemeinsame Entscheidungen als Ideale gelten.


Nota.

Das erklärt so gut wie gar nichts. Die Überlieferung aus der griechisch-römischen Antike geschah im Oströmische Reich und später im islamischen Raum viel ausdauernder und viel unmittelbarer als im Westreich und den barbarischen Herrschaften der Völkerwanderung. Die müssten demnach viel 'westlicher' geprägt sein als Europa. 

Europa entstand vielmehr im Mittelalter aus der Rivalität der feudalen mit den kirchlichen Gewalten. Zwischen beiden konnte sich eine bürgerliche Welt auftun.
JE 

 

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