Dienstag, 24. Mai 2016

Wie kam die Moral in die Welt?

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Wie kam die Moral in die Welt? 
Vorträge von Philip Pettit

Bernd Frye 
Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main  

20.05.2016 11:35 

Bei der Veranstaltung der Kolleg-Forschergruppe „Justitia Amplificata“ in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität spricht der politische Philosoph am 30. und 31. Mai 2016 über „How Language Gives Birth to Ethics“.

FRANKFURT. Wenn sich einer der meistdiskutierten politischen Philosophen der Gegenwart einem ebenso zeitlosen wie grundlegenden Thema auf neue Art und Weise widmet, darf man schon gespannt sein. Philip Pettit, gebürtiger Ire mit Professuren in Princeton, USA, und an der Australian National University in Canberra, fragt, wie die Moral in die Welt gekommen sei. Wie entstanden allgemeine Vorstellungen von Richtig und Falsch, Gut und Böse, und wann kann man jemanden wirklich für sein Handeln verantwortlich machen?

„How Language Gives Birth to Ethics“ heißt die zweiteilige Vorlesung an der Goethe-Universität, in der Pettit diesen Fragen nachgehen wird. Er entwickelt seinen Gegenstand in aufeinander aufbauenden Vorträgen. Sie beginnen jeweils um 18.15 Uhr im Hörsaalzentrum (Raum HZ 3) auf dem Campus Westend. Am 30. Mai geht es um „Reports, avowals and pledges“, und am 31. Mai stehen „Desirability and responsibility“ im Mittelpunkt. Veranstaltet werden die Vorlesungen – sie finden in englischer Sprache statt – von der Kolleg-Forschergruppe „Justitia Amplificata“ in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“. Der Eintritt ist frei, die interessierte Öffentlichkeit herzlich willkommen.

Für Philip Pettit ging die Entwicklung moralischer Vorstellungen Hand in Hand mit einer Ausdifferenzierung des Sprachgebrauchs. Mögen Menschen in frühen Phasen der Zivilisationsgeschichte vor allen Dingen einfache Mitteilungen („reports“) über Sachverhalte des Alltags ausgetauscht haben, war ihre Kommunikation in der Folgezeit auch zunehmend davon geprägt, Wünsche und Hoffnungen auszudrücken, sich selbst anderen gegenüber zu erklären und Versprechungen abzugeben. Mit diesem Wandel der Gewohnheiten schlug auch die Geburtsstunde der Moral.

Die Entstehung der Moral, wie sie Pettit rekonstruiert, ist ganz wesentlich mit dem Wunsch der Menschen verbunden, als verlässliche und glaubwürdige Gesprächspartner ernst genommen zu werden. Um dies zu erreichen, legen sie ihre Überzeugungen und Wünsche offen und gehen damit Verpflichtungen ein, an denen sie gemessen werden können. Durch derartige  Praktiken – nicht nur von Individuen, sondern auch von größeren Gruppen – bilden sich Muster des Erwünschten und Wünschenswerten, die uns in die Lage versetzen, Handlungen zu beurteilen und Akteure verantwortlich zu machen.

Philip Pettit ist Laurance S. Rockefeller University Professor of Politics and Human Values an der Princeton University und Distinguished University Professor of Philosophy an der Australian National University. Er gilt als einer der bedeutendsten politischen Philosophen der Gegenwart, dessen Breitenwirkung auf die philosophische und politiktheoretische Diskussion der letzten Jahre kaum zu unterschätzen ist. Als politischer Berater war er unter anderem für die spanische Regierung unter José Luis Zapatero tätig.

Neben zahlreichen wichtigen Beiträgen zur Metaphysik und der Philosophie des Geistes, zur Sozialontologie und Philosophie der Sozialwissenschaften sowie zur Moralphilosophie hat er mit seinem Buch „Republicanism: A Theory of Freedom and Government“ (1997) maßgeblich zu einer Wiederbelebung republikanischen politischen Denkens beigetragen. Eine seiner jüngsten Publikationen ist im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienen: „Gerechte Freiheit – Ein moralischer Kompass für eine gerechte Welt“. Hier plädiert Pettit für das Ideal der Freiheit als Nichtbeherrschung in ihrer ursprünglichen republikanischen Form.

Justitia Amplificata („Erweiterte Gerechtigkeit - konkret und global“) ist eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Kolleg-Forschergruppe an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und an der Freien Universität Berlin. Die Forschergruppe und den Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität verbinden zahlreiche Kooperationen.

Gastwissenschaftler beider Institutionen arbeiten am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität in Bad Homburg. Dort forscht Philip Pettit in diesen Wochen als Senior Fellow von Justitia Amplificata. Im Wintersemester 2011/2012 hielt der Philosoph zwei vielbeachtete Vorträge zum Thema „Republican Justice and Democracy“ im Rahmen der Frankfurt Lectures des Exzellenzclusters.

Philip Pettit: How Language Gives Birth to Ethics
Montag, 30. Mai 2016, Lecture I: Reports, avowals and pledges
Dienstag, 31. Mai 2016, Lecture II: Desirability and responsibility

Jeweils18.15 Uhr, Campus Westend, Hörsaalzentrum HZ 3
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Theodor-W.-Adorno-Platz 5, 60323 Frankfurt am Main

Vorträge in englischer Sprache.
Der Eintritt ist frei, die interessierte Öffentlichkeit herzlich willkommen.

Kontakt:
Koordinationsbüro der Kollegforschergruppe „Justitia Amplificata“, Valérie Bignon, Tel.: 069/798-36524, Mail: bignon@em.uni-frankfurt.de,
http://www.justitia-amplificata.de, http://www.normativeorders.net/de

Weitere Informationen: http://www.normativeorders.net/de/component/content/article/69-veranstaltungen/4... - Weitere Details zu den Vorträgen
Nota. - Es verschlägt einem doch jedesmal wieder die Spucke, welche jämmerlichen Platitüden es in den Vereinigten Staaten zu akademischer Prominenz bringen - und danach auch noch uns Europäer zu verblöden heischen! Da haben sie in wirklich jedem Fach eine Handvoll Koriphäen, die Weltspitze sind; aber danach kommt erst mal über eine endlose Durststrecke nichts. Der durchschnittliche amerikanische Hochschulabsolvent ist so dumm, dass es einem die Tränen in die Augen treibt. Dort entfalten sich dann rhetorische Talente, deren Breitenwirkung auf die philosophische und politiktheoretische Diskussion der kommenden Jahre kaum zu unter(!)schätzen ist.
Diesmal Philip Pettit also. Er tischt uns eine kindische Robinsonade auf, wo lauter isolierte Individuen den Wunsch entwickeln (nach der wievielten Generation?), "Gesprächspartner" zu finden, von denen sie 'ernstgenommen' werden; und so entwickelt sich die Sprache, in der sie ihre Wünsche und Privatmeinungen austauschen, und da ein Wort das andere gibt, bilden sich allmählich werthaltige Redeweisen aus, die schließlich einen moralischen Kompass für die ganze Welt bieten. 
Der unbedarfte gesunden Menschenverstand wird vermuten, das Recht sei entstanden, indem nach und nach alle ihre persönlichen Moralvorstellungen auf den Tisch gepackt und schließlich eine Quersumme daraus gezogen haben. Und so erwartet er, dass das positive Recht sich die Moral, aus der es stamme, zum aktuellen Maßstab nimmt.
Der historisch informierte und mit kritischem Auge bewehrte Denker könnte ihm entgegenhalten, die Menschen hätten bei der Reproduktion ihres materiellen Lebens von allem Anfang kooperiert, so hätten sich, gemeinsam mit der Sprache, soziale Umgangsformen ausgebildet, die die Individuen im Laufe vieler Generationen verinnerlicht haben und nun als ihre persönliche Moral auffassen.
Der ununterschätzbar breitenwirkende Prof. Pettit scheint einen Unterschied zwischen Recht und Moral gar nicht erst zu kennen. Nimmt auch er selbstverständlich und unausgesprochen an, das Recht habe sich aus den individuellen Moralen summiert, und wenn beide in Gegensatz gerieten, müsse immer die Moral das letzte Wort behalten? 
Einer der bedeutendsten politischen Philosophen der Gegenwart wäre sich allerdings bewusst, dass das Problem - denk mal an, da ist eins! - mit historischen Reminiszenzen nicht zu erledigen ist. Wie immer die historische Filiation verlaufen sein mag: Jetzt gibt es die zwei Reiche erstens von Recht und Politik und zweitens von persönlicher Moral, und es findet sich faktisch (und lässt sich philosophisch reflektieren), dass beide nicht auf einander reduzierbar sind. JE

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