200 Jahre Indogermanistik
Bianca Wiedemann M.A.
Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena
09.05.2016 09:50
Sprache wandelt sich ständig. Das ist ein nicht erst seit der einsetzenden Globalisierung in allen Lebensbereichen zu beobachtendes Phänomen, sondern geht bis in die Ursprünge der Menschheit zurück. Es gibt keine einzige natürliche Sprache, die im Laufe der Jahrhunderte unverändert geblieben ist. So gehören die meisten der heute gesprochenen Sprachen Europas und einige Sprachen des Vorderen Orients (z. B. Persisch) und Südasiens (z. B. Hindi und Urdu) zur Familie der indogermanischen Sprachen. Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch oder etwa Französisch haben sich durch die Kolonisation in viele Gebiete der Erde verbreitet, so dass inzwischen etwa die Hälfte der gesamten Menschheit eine indogermanische Sprache spricht. Viele dieser Sprachen sind schon seit sehr alter Zeit bezeugt: Das Indische und Griechische beispielsweise seit dem 2. Jahrtausend vor Christus. Die Indogermanistik (auch Indogermanische Sprachwissenschaft, Vergleichende Sprachwissenschaft, Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft) beschäftigt sich mit der Geschichte dieser Sprachen und untersucht, wie sich die Sprachen aus der gemeinsamen Grundlage des „Urindogermanischen“ entwickelt haben.
In diesem Jahr feiert die wissenschaftliche Fachrichtung ihr 200-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass haben die Friedrich-Schiller-Universität Jena und die Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig eine internationale Tagung organisiert. Sie findet unter dem Titel „Sanskrit und die Sprach-Revolution – 200 Jahre Indogermanistik“ vom 17. bis 18. Mai in Berlin und vom 19. bis 20. Mai in Jena statt. Ziel der internationalen Tagung ist es, die vielfältigen Facetten, aktuellen Theorien und Methoden sowie die Arbeitsgebiete der Indogermanistik und ihre Vernetzung sowie Interaktion mit anderen Fächern aufzuzeigen und den wissenschaftlichen Austausch zu vertiefen.
Die Indogermanistik etablierte sich als wissenschaftliche Fachrichtung im Jahr 1816 mit dem Erscheinen der bahnbrechenden Arbeit von Franz Bopp, dem späteren Ordinarius für orientalische Literatur und allgemeine Sprachkunde an der Berliner Universität. In seinem Buch mit dem sperrigen Titel „Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache“ lieferte Bopp anhand der systematischen Darstellung des Verbalsystems der untersuchten Sprachen – und nicht nur, wie bisher andere Forscher, anhand einzelner Wörter – den methodischen Nachweis, dass diese Sprachen von einer gemeinsamen früheren Sprachstufe abstammen und ihre Ähnlichkeit auf genetischer Verwandtschaft beruht.
Wie kaum ein anderes geisteswissenschaftliches Fach verbindet die Indogermanistik eine größere Anzahl von Einzelphilologien, darunter Germanistik, Latinistik, Gräzistik, Indologie, Keltologie und Orientalistik, indem sie durch die übergreifende sprachwissenschaftliche Herangehensweise Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Einzelsprachen, aber auch zwischen den Literaturen sowie gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Gegebenheiten dieser Einzelsprachen untersucht. Der Lehrstuhl für Indogermanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist einer der wenigen Lehrstühle in Deutschland, der den gesamten Studiengang in seiner vollen Breite, vom Bachelorkernfach und -ergänzungsfach bis hin zum konsekutiven Masterstudiengang Indogermanistik anbietet.
Anlässlich der Tagung wird in Zusammenarbeit mit dem in Jena gegründeten Verein „Sprachwissenschaft im Dialog“ eine Ausstellung zur Indogermanistik und ihrer Teilgebiete, die auch die Interaktion mit den angrenzenden Fächern würdigt, sowohl in Berlin als auch in Jena gezeigt und ist als verleihbare Wanderausstellung für die interessierte Öffentlichkeit konzipiert. Große Teile der Ausstellungstafeln und haptischen Exponate wurden von Studierenden im Jenaer Praxismodul zur Indogermanistik unter der Leitung von Dr. Bettina Bock erarbeitet.
Weitere Informationen zur Tagung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, sind zu finden unter: http://www.oriindufa.uni-jena.de/iskvo/bopp2016.html sowie https://www2.hu-berlin.de/indogermanistik/bopp2016/programm.php.
Kontakt:
Prof. Dr. Sabine Ziegler, Dr. Bettina Bock
Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Arbeitsstelle FSU)
Lehrstuhl für Indogermanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zwätzengasse 12, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944087; 03641 / 944385
E-Mail: ziegler[at]saw-leipzig.de; bettina.bock[at]uni-jena.de
Weitere Informationen: http://www.oriindufa.uni-jena.de/iskvo/bopp2016.html sowie https://www2.hu-berlin.de/indogermanistik/bopp2016/programm.php
http://www.uni-jena.deNota. - Als ich noch studierte, durfte man 'indogermanisch' nicht sagen; indoeuropäisch hieß das damals. Weil sich ihr Fach noch etwas mehr als die andern an den Nationalsozialismus angeschmiegt hatte, wollten sie jede Spur davon verwischen. Doch dem Ausdruck 'indogermansich' hatte nie die Vorstellung zugrunde gelegen, Inder und alle andern seien 'letzten Endes' Abkömmlinge der einen germanischen Urrasse. Vielmehr stammte der Ausdruck daher, dass diese Sprachfamilie von den Indern im Osten bis zu den Germanen im Westen (Island) reicht.
Hat sich die angestrengte Korrektheit inzwischen verflogen, oder hat ihnen das Wort Indoeuropäistik nur zu schlecht im Ohr geklungen)
JE
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