Mittwoch, 22. Juni 2016

Der Wert geistiger Arbeit.

aus Süddeutsche.de, 20. Juni 2016, 18:14 Uhr

Naturwissenschaftler Osarenkhoe Uwuigbe
Was kostet ein Gedanke?
Der 21-jährige Naturwissenschaftler Osarenkhoe Uwuigbe kommt in seinen Berechnungen zu einer überraschenden Erkenntnis.

Es ist schon kurios. Alles kann man angeblich messen und alles hat seinen Preis. Nicht nur die Gurke im Supermarkt oder das neue iPhone, auch abstrakte Vorgänge glaubt der Mensch in Preisen berechnen zu können: den möglichen "Brexit"; den offenbar abgewendeten "Grexit"; VWs Dieselgate oder auch das Erwachsenwerden von Kindern, bis sie endlich auf eigenen Beinen stehen. Die Kosten für solch komplexe Dinge haben sogenannte Experten genau beziffert. Nur das, was der Mensch seit Jahrtausenden tut (im besten Fall jedenfalls), das lässt sich angeblich nicht in einem Preis ausdrücken: das Denken.

Ist ja auch schwierig. Wie soll man es messen? Umso verdienstvoller ist es, dass Osarenkhoe Uwuigbe einen Versuch unternommen hat, dem Wert der Gedanken auf die Schliche zu kommen - aus Spaß, aber doch mit dem nötigen Ernst. Jedenfalls hat er darüber eine kleine wissenschaftliche Abhandlung geschrieben. Darauf gekommen ist der 21-Jährige, weil er der englischen Redewendung "A penny for your thoughts" - was so viel heißt wie: "Ich würde gern wissen, was du denkst" - auf den Grund gehen wollte. Da passte es, dass er an der Universität von Leicester in England Naturwissenschaften studierte und dort das Fach als interdisziplinäre Disziplin gelehrt wird. Das heißt, man lernt, wie man das Wissen aus unterschiedlichen Fachbereichen verknüpft, um Probleme zu lösen.

Simple Erklärung

Uwuigbe verband Neuro- und Naturwissenschaften und kam zu dem Ergebnis: Denken kostet so gut wie gar nichts. Oder präziser ausgedrückt: "Mit einem Penny oder umgerechnet etwas mehr als einem Cent könnte man eine Denkleistung von drei Stunden, sieben Minuten und 30 Sekunden kaufen", sagt Uwuigbe. Wie kommt man auf so was? Der Naturwissenschaftler hat dafür eine ziemlich simple Erklärung: "Das Gehirn braucht im Durchschnitt eine Leistung von 20 Watt zum Denken. Wenn der Preis für die Stromerzeugung wie derzeit in England bei 16 Pence pro Kilowattstunde liegt, dann erhält man für einen Penny eine Denkleistung von etwas mehr als drei Stunden."

Schwieriger ist es im Vergleich dazu auszurechnen, wie wertvoll ein Gedanke ist. "Dazu müsste man wissen, wie lang der Gedanke ist", sagt Uwuigbe. "Generell gilt: Je länger, desto wertvoller." Über die Qualität des Gedankens sagt der Preis dann allerdings immer noch recht wenig aus. Die kann man nicht messen. Jeder würde sie unterschiedlich einschätzen und die meisten hielten ihre eigenen Gedanken wohl für besonders herausragend - selbst wenn keiner davon erfährt. Nach der Definition des Uwuigbes ist ein Gedanke erst mal nur eine bewusste Idee im Kopf. Er muss nicht ausgesprochen werden.

Insofern, könnte man diesmal mehr im Scherz als im Ernst hinzufügen, kommt noch eine weitere Erkenntnis aus der Forschungsarbeit Uwuigbes hinzu: Selbst brillante Gedanken sind demnach nicht nur wert-, sondern auch nutzlos, wenn ihnen keine Taten oder Worte folgen.

Leben könnte man jedenfalls nicht vom Denken allein. "Um sich ein 20-Pfund-Lunch im Restaurant leisten zu können, müsste man 6250 Stunden oder mehr als 260 Tage denken", flachst Uwuigbe. "Wenn man wirklich so viel Zeit mit Denken verbringen will, hat man sich das Essen definitiv verdient."

Andererseits schaffen es ja viele ihre Gedanken zu monetarisieren, indem sie sie aufschreiben, Reden halten, gemeinsam mit anderen etwas entwickeln oder erfinden. Die Wertsteigerung kann dann ziemlich hoch sein. Uwuigbe ist gerade selber auf der Suche danach, wie er seine Geistesarbeit in ein monatliches Gehalt umwandeln könnte. Nach dem Studium würde er jetzt am liebsten einen Job in der Nanotechnologie finden.


Nota. - Wirklich lustig ist das nicht. Dafür ist der Denkfehler zu elementar, um nicht zu sagen zu plump. Eine Ware ist soviel wert, wie ihre Herstellung kostet. Nach den klassischen Wertlehre lösen sich die Kosten letzten Endes in die Herstellungskosten der insgesamt verbrauchten Arbeit(szeit) auf. Sagen wir also per Analogie: in die Herstellungskosten des verbrauchten elektrischen Stroms.

Aber jetzt kommt die Pointe: In der Realität ist ein Arbeiter schneller, geschickter, stärker als der andere. Es ist der Markt, auf dem alle Arbeiten miteinander gemein werden und sich ein Mittelwert herausbildet, so dass die Arbeitsstunde des einen wie zwei Stunden, die des andern aber nur wie eine halbe Stunde gewertet wird.

Sind die Herstellungskosten von einem Watt Strom aus der Steckdose dieselben wie von einem Watt Gehirn-strom? Vergesellschaften sie sich miteinander auf irgendeinem Markt, so dass sich regelmäßig ein Durch-schnittswert ausbildet? -

Uwuigbes Rechnung ist nicht lustig, sondern einfach nur blöd.
JE

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