Schon die Ritter spielten Fußball
Claudia Ehrlich
Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes
Wer glaubt, heute ginge es auf dem Spielfeld grob zu, der würde sich über den mittelalterlichen Fußball wundern: Das Spiel stand den damals allseits beliebten Steinschlachten und Faustkämpfen in nichts nach. Es kam ohne Spielfeld aus, Stadttore dienten als Tor. Fußball wird seit Jahrhunderten gespielt, das beweisen alte Quellen. In England und Italien war dieser Sport spätestens seit dem zwölften Jahrhundert weit verbreitet. In der Renaissance erhoben ihn die Medici-Fürsten zum Nationalspiel. Der Kulturhistoriker Wolfgang Behringer von der Universität des Saarlandes hat die Geschichte des Fußballs vom ersten Auftauchen in den Quellen bis heute erforscht.
Warum sind an manch altem Gemäuer in englischen oder italienischen Altstädten die Fenster auch der oberen Stockwerke vergittert? Warum betrieb man in schwindelnder Höhe solch teuren Aufwand? Die Antwort von Wolfgang Behringer: „Fußball! Zu Renaissance-Zeiten hatten die Menschen ihre Erfahrung damit: Sie wollten die teuren Fenstergläser vor den harten Bällen schützen.“ Fußball ist weit älter, als man vielleicht vermuten würde. Zwar ist er keine antike olympische Disziplin. Aber Professor Behringer hat in unzähligen Quellen – in Chroniken, Briefwechseln, Tagebüchern, Memoiren – Nachweise gefunden, die bis ins Mittelalter reichen.
Aus welcher Zeit stammt der älteste Beleg für den Fußball? „Quellen aus dem Mittelalter nennen nur Ballspiele, ohne weitere Unterscheidung. Ballspiele waren damals generell sehr beliebt. Etwa das dem Volleyball ähnliche Pallone, das in Deutschland und Italien die populärste Sportart war. Als die Quellen für Fußball einsetzen, gibt es diesen schon, so dass man über seine Anfänge nur spekulieren kann. Der vielleicht älteste handfeste Nachweis stammt aus dem Jahr 1137: Es handelt sich um einen Bericht vom Tod eines Jungen, der beim Fußballspiel in England starb“, erklärt Behringer.
„Ab dem Spätmittelalter waren England, Italien und auch Frankreich die Fußball-Hochburgen“, sagt der Historiker. Ein Spiel dauerte oft so lange es hell war, von morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit. Das Spielfeld konnte kilometerlang sein. Stadttore dienten an manchen Tagen als Tor. Zum Beispiel waren Faschingsdienstag und Aschermittwoch beliebte Termine für große Fußballturniere. Die Zahl der Spieler war nicht begrenzt und zimperlich ging es auch nicht zu. „Mord und Totschlag waren verboten, sonst war der Körpereinsatz nicht groß beschränkt. Massenraufereien, Unfälle, sogar Tote waren nicht selten – auch Blutrache nach solchen Vorfällen ist bekannt.“ Und so wurde der Fußball des Öfteren verboten: zwischen 1314 und 1667 insgesamt 30 Mal. „1424 wurde eine Geldstrafe für das Fußballspielen verhängt“, sagt Behringer.
In Italien traten beim Calcio genannten Fußball ganze Dörfer und Stadtviertel gegeneinander an. „Die Medici, die wie der sportbegeisterte Cosimo I. selbst spielten, erhoben das Spiel in Zeiten der Renaissance zu ihrem Markenzeichen, machten ihn in Florenz zum Nationalsport“, erklärt der Historiker. Die Medici pflegten eine galantere Spielart, zivilisierten das wilde Spiel. Zwar immer noch recht grob, aber bereits mit genauen Regeln, versuchten die 27 Spieler einer Mannschaft das gegnerische Zelt-Tor zu treffen. Der Ball, so eine Quelle aus dem Jahr 1625, war aus weißem Leder und mit Luft gefüllt.
„Regelmäßig fanden große Spiele auf der Piazza Santa Croce oder auf dem Platz vor der Kirche Santa Maria Novella statt, was große Zuschauermassen anzog. Ein Anlass, einen großen Calcio zu veranstalten, wurde bei jeder Gelegenheit wahrgenommen, etwa bei Staatsbesuchen, Hochzeiten oder an Festtagen“, sagt Behringer. Im Winter wurde das Spiel kurzerhand aufs Eis verlegt – so geschehen 1491, als in Florenz der Arno zufror. „Ebene, nicht zugebaute Flächen ohne Wälder waren selten, da wurde die freie Eisfläche sofort zum Fußballplatz erklärt“, erläutert er.
Und Deutschland? „Deutschlands Fußballtradition ist eher jung“, erklärt er. Hier waren andere Ballspielarten beliebter, bei denen aber auch bisweilen der Fuß zum Einsatz kam, etwa beim Pallone, bei dem die Spieler verhindern mussten, dass der Ball auf den Boden fiel. In dieser Hinsicht – so fand Behringer in Tagebüchern heraus – könnte Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg im 16. Jahrhundert als einer der ersten verifizierten Fußballer in Deutschland gelten. Der Herzog war sehr sportlich. „In seinen Tagebüchern findet sich fast täglich der Eintrag ´Nachmittags Pallone`“, sagt Behringer.
Der Fußball in seiner heutigen Erscheinungsform entstand 1863: „In diesem Jahr wurde Fußball in England Schulsport. Im Zuge dessen legte man die Spielerzahl auf elf fest und formulierte Spielregeln. So wurden etwa grobe Fouls und die Zuhilfenahme der Hände untersagt. Der traditionelle, kampforientierte Football wurde in Rugby umbenannt. Aus einer Sportart wurden damit zwei“, erläutert der Historiker. Die Gründung der meisten deutschen Fußballvereine erfolgte seit den 1890er Jahren.
Bei den Olympischen Spielen der Neuzeit wurde Fußball olympische Disziplin, so in Paris 1900 bei den zweiten Olympischen Spielen, damals siegte Großbritannien im Fußballturnier, Frankreich im Rugby. „1908 kam es in London erstmals zu einem richtigen Turnier zwischen Nationalmannschaften – das englische Team gewann im Viertelfinale gegen Schweden 12:1 und das sogar ohne Trainer. 17:1 spielten die Dänen im Halbfinale gegen Frankreich – Torschützenkönig Sopus Niesen ging mit zehn Toren Rekord in die Geschichte ein. Im Finale siegte Großbritannien gegen Dänemark“, sagt Behringer.
Kontakt für die Presse:
Prof. Dr. Wolfgang Behringer
Tel: 0681-302-2319 oder 302-3337; Email: behringer@mx.uni-saarland.de
Zur Sportgeschichte hat Wolfgang Behringer ein Buch veröffentlicht:
„Kulturgeschichte des Sports. Vom antiken Olympia bis ins 21.Jahrhundert“ erschienen bei C.H. Beck, 2012, ISBN 978-3-406-63205-1
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