aus Der Standard, Wien, 24. Juni 2016
Affen zeigen im Alter ähnliches Verhalten wie Menschen
Forscher: Die Zahl der Sozialkontakte geht zurück, die Tiere beschränken sich lieber auf ihren engsten Kreis
Göttingen/Zürich – Man muss Vorsicht walten lassen, wenn man Parallelen zwischen Menschen und anderen Primaten zieht, ein deutsch-schweizerisches Forscherteam glaubt aber eine gefunden zu haben. Und zwar geht es um das Sozialverhalten im reiferen Alter. Mit zunehmendem Alter konzentrieren sich Berberaffen ähnlich wie Menschen auf eine kleinere Gruppe von Sozialpartnern, schreiben Wissenschafter des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) in Göttingen und der Universität Zürich in der Fachzeitschrift "Current Biology".
Dieses Verhalten, das beim Menschen schon länger bekannt ist, sei offenbar tiefer in der Evolution verankert als bisher angenommen, sagte die DPZ-Affenforscherin Julia Fischer. Affen können das Lebensende nicht lang-fristig antizipieren Das soziale Netzwerk von Menschen im Alter werde kleiner, sagt DPZ-Verhaltensbiologin Laura Almeling. "Sie pflegen dann vor allem Beziehungen zu den Menschen, die ihnen wirklich wichtig sind." Es werde darüber diskutiert, ob das nicht nur mit der abnehmenden Vitalität, sondern auch mit dem Bewusstsein der eigenen Endlichkeit zu tun habe könnte, so Almeling.
Letzterer Punkt ist entscheidend: Bei Affen könne dies nämlich nicht der Fall sein: "Denn Affen sind sich nicht bewusst, dass ihre Lebenszeit begrenzt ist." Man müsse daher davon ausgehen, dass das veränderte Verhalten von Menschen im Alter fest in der Evolution verankert ist.
Die Studie
Die Wissenschafter hatten 118 Tiere im Alter von vier bis 29 Jahren in einem französischen Affenpark beobachtet und verschiedene Verhaltensexperimente gemacht. Das Resultat: Auch die Affen werden mit zunehmendem Alter wählerischer. Bereits im jungen Erwachsenenalter haben sie ein deutlich gesunkenes Interesse an neuen Gegenständen und weniger gut bekannten Artgenossen.
Dies zeige sich besonders bei der gegenseitigen Fellpflege, sagte Almeling. "Diese ist bei den Affen das Maß für die soziale Beziehung." Während die jungen Tiere noch sehr häufig ihre Pflegepartner wechseln, beschränken sich betagtere Affen auf einen kleiner werdenden Kreis befreundeter Tiere. "Die älteren Berberaffen verlieren zwar nicht das Interesse an einem Miteinander", sagte die Forscherin. "Sie konzentrieren sich aber auf eine kleinere Gruppe."
"Die Affen werden mit zunehmendem Alter auch vorsichtiger im Umgang mit Neuem und weniger risikofreudig", hat Almeling herausgefunden. Auch darin seien sie älteren Menschen ähnlich. Auf Hilfeschreie von Artgenossen dagegen reagieren die Tiere bis ins hohe Alter. Die Reaktion auf die Schreie befreundeter Affen, etwa auf die der besten Freundin, sei jedoch stärker. (APA, red, 24. 6. 2016)
Link
Current Biology: "Motivational Shifts in Aging Monkeys and the Origins of Social Selectivity"
Nota I. - Das Einigeln in der eigenen Gruppe ist ein eher weiblicher Charakterzug, der Drang nach draußen ist eher männlich. Verweiblichen Primaten also mit zunehmendem Alter? Wenn man das Weibliche als die Ursprungsnorm und das Männliche als die Variation auffasst, dann kehren sie eher zum Ausgangspunkt zurück: Sie "entmännlichen". (Aber Sie wissen längst: Sowas ist immer nur mit sehr viel Mostrich zu genießen.)
Nota II. - 'Alte Menschen reduzieren ihre Sozialkontakte, weil sie wissen, dass sie bald sterben' - ao lautet ja wohl das Argument. Es ist auch plausibel; aber nur, wenn man 'wissen' nicht als 'sich einer Sache bewusst sein' auffasst. Kein Mensch denkt sich: 'Nein, den muss ich nicht kennenlernen, ich sterbe ja bald.' Aber er weiß natürlich, dass er inzwischen ganz schön alt geworden ist; und wenn sich auch sträubt, dies zu denken, so spürt er es doch. - Mehr braucht man von den Berberaffen auch nicht zu verlangen.
JE
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