Die heutige FAZ veröffentlicht heute unter der Überschrift Deutschlands neue Rolle einen Gas- tkommentar von John Kornblum, dem früheren Botschafter Amerikas in der Bundesrepublik.
Mit
der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten ist eine
Zeitenwende verbunden, deren Verlauf nicht abzusehen ist. Der Bruch mit
der Vergangenheit ist so dramatisch, dass Europa selbst bald von einem
ähnlichen Populismus überrollt werden könnte. Alte Formeln reichen nicht
mehr. Europa muss nicht nur Trump, sondern auch den eigenen Wählern
beweisen, dass es in der Lage ist, ein neues Zeitalter mitzugestalten.
Die Verwirrung in Europa sei noch groß, manche sähen in einer "Vertiefung Europas" die Alternative zur atlantischen Gemeinschaft, die unter Trump zu zerfallen droht.
Die Aufgabe ist gewaltig. Sogar Trump wird allmählich begreifen, dass sie nur transatlantisch bewältigt werden kann. Eine starke europäische Rolle kann Amerika dabei helfen, ein neues gemeinsames, atlantisches Zusam- mengehörigkeitsgefühl zu geben, das seit der Wende schmerzlich vermisst wurde. Der Westen ist nicht zu Ende, vor allem wenn er sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen kann. Bewältigt er diese größte politische und philosophische Aufgabe des 21. Jahrhunderts nicht, kann er zerstritten und richtungslos in die Versenkung fallen.
Die Krise des Westens falle in den grandiosen zivilisatorische Umbruch der Digitalen Revolution und der unkontrollierten Macht von Big Data.
Künftig können bei der Globalisierung, der Digitalisierung, den Menschenrechten, dem Datenschutz die Differenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa größer werden. Behauptet dabei Europa eine unabhängige Vision, kann es Trump helfen, durch die Wirren seiner Politik zu steuern. Und, wenn ich das als Amerikaner sagen darf: Man braucht die Europäer, um unsere eigenen liberalen Prinzipien auch in Zukunft durchzusetzen.
Deutschland falle eine Führungsrolle nicht nur in Europa, sondern bei der Bewahrung und Bewährung des Westens zu.
Es gibt nur ein Land und eine führende Persönlichkeit,
die dieser Aufgabe gerecht werden: Deutschland und Angela Merkel. Die
Weltpresse ist schon längst zu diesem Schluss gekommen. Barack Obama
unterstrich den Punkt während seines Berlin-Besuchs gleich nach der
Wahl. Nur Deutschland ist darüber nicht so glücklich. Vielleicht hilft
es, die neue Rolle zu verstehen, wenn man den Ausdruck „Führung“ durch
das Wort „Verantwortung“ ersetzt.
Die
Zukunft ist schon angekommen. Gefragt sind nicht große Initiativen von
Großmächten; gebraucht werden Strategien und Systeme, um Probleme wie
den Euro, die Flüchtlinge oder die Umwelt unter Kontrolle zu bringen.
Für eine solche Rolle ist die moderne Bundesrepublik gut ausgerüstet. Es
ist aber im Moment ein Land, das sich seit beinahe 70 Jahren bemüht, so
„normal“ wie alle anderen zu sein, und das sich schwer damit tut, sich
in die Verantwortung für die „Normalität“ anderer einzufügen. Es fehlt
ihm noch an der Selbstsicherheit, unter den neuen Bedingungen einer
globalisierten Kultur des 21. Jahrhunderts frei aufzutreten.
Deutschland
soll nicht eine Großmacht im herkömmlichen Sinne sein. Stattdessen
könnte das Land etwas sehr viel Wichtigeres werden: ein integrierender
Knotenpunkt für eine neue Art von Wirtschafts- und Sicherheits- politik;
ein Bindeglied für Informations- und Logistiknetze, das die eurasische
Landmasse auch über den Atlantik mit Nordamerika verbindet. Weder
Amerika noch Europa können es sich leisten, diese Gelegenheit ungenutzt
verstreichen zu lassen. Gefragt ist Zusammenarbeit, um einen neuen
transatlantischen Konsens zu finden.
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