„Sporenschlacht“ 1302
Bürgermilizen vernichteten Frankreichs arrogante Ritter
Um den Aufstand der Flamen niederzuschlagen, setzte Philipp IV. von
Frankreich 1302 seine Ritter in Marsch. Bei Courtrai trafen sie auf das
leicht bewaffnete Bürgerheer. Das machte wider Erwarten mit den Reitern
kurzen Prozess.
Diese Basis geriet im 14. Jahrhundert in die Schieflage. Der Grund war der ökonomische Wandel, der auch nördlich der Alpen Fahrt aufnahm. Die Städte gewannen einen Wirtschaftskraft, von der das Gros des Adels nur träumen konnte. Das musste der französische König Philipp IV., „der Schöne“, am 11. Juli 1302 schmerzlich erfahren. Ein Bürgeraufgebot der Städte Flanderns vernichtete sein Heer bei Courtrai (flämisch Kortrijk), im Nordwesten des heutigen Belgiens gelegen.
Der deutsche Historiker Hans Delbrück eröffnete in seiner großen „Geschichte der Kriegskunst“ (1900–1920) mit dieser Schlacht den Aufstieg der „Bürgerwehren und Landsturmaufgebote“. Denn Flandern war um 1300 die prosperierendste Region Europas. Die Tuchproduktion und der Handel hatten Städte wie Gent, Brügge und Antwerpen wohlhabend, ihre Bürgerschaft selbstbewusst gemacht. Aus ihrer Einwohnerschaft ließen sich starke Milizen rekrutieren, denen Übung ermöglicht und Ausrüstung zugestanden werden konnte.
Philipp IV. von Frankreich (reg. 1285-1314)
Das führte 1302 zum Aufstand. Ein jüngerer Sohn des Grafen, Guido, und ein Enkel, Wilhelm von Jülich, stellten sich an seine Spitze. Am 18. Mai stürmten die Flamen das Rathaus von Brügge und massakrierten die königlichen Verwalter. Umgehend reagierte Philipp auf die „Brügger Morgenfeier“ und setzte ein Heer unter dem erfahrenen Grafen Robert von Artois in Marsch.
Jan Breydel und Pieter de Coninck, den Anführern der "Brügger Morgenfeier", wurde auf dem Marktplatz der Stadt ein Denkmal gesetzt
Die Quellen berichten von rund 5000 Reitern und 3000 Armbrustschützen und Speerträgern, die überwiegend in Italien und Spanien angeheuert worden waren. Wenn man davon ausgeht, dass ein Ritter etwa von zwei allenfalls leichtbewaffneten Knechten begleitet wurden, die seine Pferde betreuten und ihm in die Rüstung zu helfen hatten, dürfte die französische Kavallerie weniger als 2000 Mann umfasst haben.
Das flämische Aufgebot zählte vielleicht 10.000 Soldaten. Die wenigen Ritter, die der Adel des Landes stellte, saßen ab und reihten sich in die Schlachtreihe der Infanterie ein, für Delbrück ein „merkwürdiges Bündnis zwischen der Feudalität und der Demokratie, das an den Oberbefehl des Miltiades bei Marathon erinnert“ (wo 490 v. Chr. die Athener unter Führung des Aristokraten Miltiades ein Expeditionskorps des persischen Weltreiches geschlagen hatten).
Da alle Erfahrungen zeigten, dass Leichtbewaffnete zu Fuß gegen einen Schockangriff gepanzerter Reiter keine Chance hatten, gab sich Artois wenig Mühe, das Terrain vor Courtrai zu erkunden. Zudem drängte die Zeit. Die Flamen belagerten die französische Garnison in der Stadt. Dass sie ihre Reihen vor dem furtlosen Fluss Lys aufgestellt hatten, mag den königlichen Feldherrn in seiner Siegesgewissheit bestärkt haben. Sein Gegner stand buchstäblich mit dem Rücken zur Wand.
Das sahen auch Guido von Flandern und Wilhelm von Jülich so. Aber ihre Leute waren bereit, das Risiko auf sich zu nehmen und alles auf eine Karte zu setzen. Denn bei einer Niederlage drohte der endgültige Verlust der Freiheit. Aus diesem Grund erging auch der scharfe Befehl bei Todesstrafe, keine Gefangenen zu machen. Das widersprach den mittelalterlichen Gepflogenheiten, waren Lösegelder doch eine lukrative Einnahmequelle. Das Verbot sollte sicherstellen, dass die Schlachtlinie der Flamen intakt blieb. Eine weitere Maßnahme waren sogenannte Wolfsgruben, die in den sumpfigen Boden zu beiden Seiten des Gröningen-Baches getrieben wurden, hinter dem die Flamen Aufstellung genommen hatten.
Artois ließ seine Schützen den Kampf eröffnen. Ob es die Schüsse der erfahrenen Söldner waren oder einfach ein Trick, auf jeden Fall zogen sich die Flamen hinter den Gröningen zurück, sodass ihnen die Schützen nicht folgen konnten. Daraufhin gab der französische Feldherr seinen Rittern das Zeichen zum Sturm.
Spitzen von zwei Goedendags im Museum von Courtrai/Kortrijk in Belgien
Wie üblich nahmen die Reiter wenig Rücksicht auf die Leichtbewaffneten, die gleichwohl ein Hindernis darstellten. Dies, das sumpfige Ufer, der Bach selbst und die Wolfsgruben sorgten dafür, dass sich die Attacke an den Flanken bereits vor der gegnerischen Linie festlief. Nur im Zentrum erreichten die Franzosen die feindliche Linie, die aber standhielt, bis eine Abteilung Ritter, die in Reserve gehalten worden war, die Lage stabilisierte.
Dann geschah etwas, was es bis dahin noch nicht gegeben hatte. Die flämischen Bürgersoldaten gingen zum Angriff über. Da sie auf menschliche Beute verzichteten, sondern ihre Ordnung beibehielten, kam ihre entsetzliche Waffe dabei voll zur Geltung, der Goedendag. Der Chronist Wilhelm Guiart beschreibt sie als „Große Schäfte schwer beschlagen. Mit einem langen, vorne spitzen Eisen.“ Mit einer Länge von bis zu 150 Zentimetern konnte der Goedendag – ähnlich der Hellebarde der Schweizer Reisläufer – sowohl zum Stoß als als auch zum Schlag eingesetzt werden.
Gegen Panzerreiter, die ihre Formation aufgegeben hatten und einzeln von mehreren Fußsoldaten attackiert wurden, erwies sich der Goedendag als höchst wirkungsvolle Waffe. Mit ihm konnte das Pferd getötet oder der Ritter zu Boden geschlagen werden. Die wuchtige Spitze aus Eisen durchdrang auch starke Panzerungen.
Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg war die Disziplin. Guido und Wilhelm war es gelungen, die Milizen in dieser Taktik zu schulen. Das erklärt auch, warum die Schlachtreihe im Zentrum dem Angriff der Ritter standhielt und die Angriffe von den Flanken koordiniert vorgetragen wurden.
Gemälde von Nicaise de Keyser (1813–1887)
Die Verluste der Franzosen waren entsetzlich. Rund 700 Ritter sollen gefallen sein, darunter Robert von Artois und zwei Marschälle von Frankreich. Die Sieger sammelten mehr als 500 vergoldete Sporen ein und brachten sie in die Liebfrauenkirche von Courtrai. Als „Guldensporenslag“ wurde der 11. Juli im 19. Jahrhundert zum Nationalfeiertag der Flamen.
Wenige Jahre später, 1315, bewiesen die Eidgenossen gegen die Habsburger bei Morgarten, dass der Sieg von leicht bewaffneten Fußsoldaten über Ritter kein Einzelfall bleiben sollte. Während die Schweizer zur gefürchteten Militärmacht aufstiegen, dezimierten englische Bogenschützen im Hundertjährigen Krieg wiederholt die französische Ritterschaft. Ab 1420 zeigten schließlich die böhmischen Hussiten, dass das Machtmonopol der Panzerreiter endgültig gebrochen war. Den Massenheeren und ihren Feuerwaffen gehörte die Zukunft.
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