aus nzz.ch, 5. 1. 2021
Spätestens die Corona-Krise hat der westlichen Wertegemeinschaft die aggressiv-expansionistische Agenda des KP-Regimes in Peking vor Augen geführt. Donald Trump erkannte die Gefahr, handelte aber im Alleingang – ein Fehler, den Joe Biden nicht wiederholen wird.
Die Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China werden auch unter Präsident Joe Biden angespannt bleiben. Bei keinem Thema ist die amerikanische Politik und Gesellschaft so einig wie bei der Frage, ob China eine Herausforderung für die Vereinigten Staaten darstellt. Sowohl ökonomisch als auch politisch wird das bilaterale Verhältnis problematisch bleiben. Der KP-Generalsekretär Xi Jinping ist aber auf die weitere Eskalation des Konflikts vorbereitet und hat seinerseits die Weichen für die kommenden Jahre gestellt.
Es bleibt das historische Verdienst des scheidenden Präsidenten Trump, die von China ausgehenden Gefahren für liberale Demokratien und Ökonomien klar benannt zu haben. Anders als dies in Europa gelegentlich wahrgenommen wird, hat Trump den Konflikt aber nicht gesucht. Im Mai 2018 lag ein unterschriftsreifes Handelsabkommen zwischen den beiden Staaten vor. Trump wollte Ergebnisse, er wollte einen «Deal». China, mutmasslich Xi persönlich, zog die Zustimmung zum bereits ausgehandelten Abkommen zurück, forderte Nachbesserungen und veränderte den Vertragstext in der irrigen Annahme, die Regierung Trump werde den einseitigen Vertragsänderungen zustimmen. Ein schnaubender amerikanischer Präsident setzte daraufhin die bis heute anhaltenden Strafzollrunden in Gang.
Seit 2018 haben sich nicht nur die Beziehungen zwischen China und den USA, sondern auch Chinas Beziehungen zu allen westlichen Staaten dramatisch verschlechtert. Auch die Europäische Union ist heute auf die Linie Donald Trumps eingeschwenkt. Vorteilhaft für Biden ist deshalb, dass nahezu alle Verbündeten der USA am gleichen Strang ziehen. Die Liste der Länder, die China heute kritisch sehen, ist lang und reicht von Australien über Japan und Kanada bis zu nahezu allen Ländern der Europäischen Union. Besonders bemerkenswert ist, dass Indien seine jahrelange Zurückhaltung aufgegeben hat und nun bereit ist, in das Lager der Länder zu wechseln, die die Zusammenarbeit mit China entweder nicht ausbauen oder gar reduzieren wollen. Die militärischen Konflikte zwischen China und Indien im Jahr 2020 haben dafür gesorgt, dass Delhi die Hoffnung auf eine geordnete und friedliche Kooperation mit China zu den Akten gelegt hat
- China und die Welt.
- Chinas Staat als Kapitalist.
- Chinas Staatskapitalismus (II).
- Chinas politisches System behindert seinen Aufstieg zur Wissenschaftsmacht.
- China tritt kürzer.
Die Regierungen von OECD-Ländern werden bei dieser Abkehr von China von ihren Bürgerinnen und Bürgern unterstützt. Gemäss einer im Oktober 2020 veröffentlichten Umfrage des amerikanischen Pew Research Center hatten 73 Prozent der Befragten in vierzehn OECD-Staaten eine negative oder sehr negative Sicht auf China. Die USA, Australien und Japan waren die Länder mit der grössten negativen Wahrnehmung Chinas.
Diese Entwicklungen werden es Präsident Biden stark erleichtern, die Chinapolitik seines Vorgängers fortzusetzen und zugleich amerikanische Alleingänge zu vermeiden. Die Koalition der Staaten, die Chinas Politik mit beträchtlichem Argwohn verfolgen, ist gross. Selbst Deutschland, das 2018 mehr nach China exportierte als die nächsten acht EU-Länder zusammen, hat inzwischen erkannt, dass es gefährlich ist, mit einem totalitären Staat Geschäfte zu machen und sich in Abhängigkeit von aggressiven Staaten zu begeben.
Präsident Biden wird neue Koalitionen schmieden und damit an die Traditionen früherer amerikanischer Präsidenten anknüpfen. Er wird mehr leisten müssen als Barack Obama, der es nicht geschafft hat, jenseits geschliffener Reden Brücken zu bauen und Allianzen zu pflegen. Der neue kalte Krieg sorgt aber zwangsläufig dafür, dass Differenzen zwischen den Verbündeten an Bedeutung verlieren gegenüber dem Ziel, das machtbewusste und aggressiv auftretende China einzudämmen.
All dies weiss auch Generalsekretär Xi Jinping. Allerdings scheut er sich nicht, seine diplomatischen Kämpfer immer ungehemmtere Attacken reiten zu lassen. Diese «Wolfskrieger» verfolgen einen äusserst aggressiven Stil, der mit herkömmlicher Diplomatie nichts gemein hat. Xi legt es offenbar aber darauf an, die Kontakte zu westlichen Ländern zu reduzieren. Im neuen Fünfjahresplan, der im November vorgestellt wurde und für 2021 bis 2025 gelten soll, wird eine sogenannte duale Zirkulation angestrebt.
Im Kern geht es dabei darum, Chinas Binnenwirtschaft auszubauen und von Importen unabhängig zu machen. Zugespitzt formuliert, strebt Peking nach Autarkie. Diese neue, auf die Stärkung des chinesischen Binnenmarkts zielende Politik könnte sich auch auf die Belt-and-Road-Initiative negativ auswirken. Eine Volkswirtschaft, die ihre Verflechtung mit dem Ausland reduziert, benötigt auch keine kostspieligen Infrastrukturprojekte in anderen Staaten.
Der zukünftige Präsident Biden hat also einerseits leichtes Spiel, weil er viele Freunde hat, die die USA bei ihrer chinakritischen Politik unterstützen. Andererseits zeigt das Streben Pekings nach Selbstisolation, dass die sicherheitspolitischen Risiken im neuen kalten Krieg wachsen werden. Zu hoffen ist, dass Biden, anders als einige seiner Vorgänger aus der Demokratischen Partei, die USA nicht in einen neuen militärischen Konflikt stürzen wird.
Heribert Dieter ist Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Nota. - Wäre China ein liberaler Rechtsstaat - welches Problem hätten wir mit seinem Vordrin-gen in der Welt? Wirtschaftliche Konkurrenz, nun ja, aber die belebt das Geschäft. Alles andre wäre Sache normaler Diplomatie.
Doch ein liberaler Rechtsstaat ist China nicht, und darin besteht das ganze Problem. Ach nein, nicht, dass es mehr militärische Despotien stützen würde als weiland Amerika und die Sowjet-union zusammen. Dazu ist auf die Dauer sein eignes politisches und Gesellschaftssystem viel zu fragil. Und gerade das ist das Problem: Je mächtiger China in der Welt dasteht, um so grö-ßer die globale Katastrophe, wenn sein Regime eines Tages implodiert.
Einen wesentlichen Charakterzug hat Chinas aggressive Außenpolitk mit Putins (und übrigens auch Erdogans) Kraftmeierei gemein: den Bonapartismus. Als Herrschaftssystem beruht er darauf, dass über einem prekären Kräftegleichgewicht im Innern ein scheinbar souveräner Machthaber das Zünglein an der Waage spielt und mal der einen, dann der andern Seite nach-gibt. Und wenn der innere Druck zu hoch wird, lässt er Dampf ab nach außen.
Der Namensgeber Napoleon III. führte ohne Not Kriege in der Lombardei, auf der Krim, in Mexiko. Und dann gegen Deutschland, das bei der Gelegenheit zu einem Staat überhaupt erst wurde: Bismarck war ein besonders gescheiter Bonpartist. So macht es Putin, von dem es vor nicht allzulanger Zeit hieß, mit seiner Popularität sei es vorbei, er müsse bald das Feld räumen. Dann annektierte er die Krim und zündelte er in der Ostukraine, und als Obama kalte Füße bekam, setzte er sich in Syrien fest.
Über die sich verschärfende Systemkrise in China wurde noch unlängst viel geschrieben. Seit Xi Liping ist dagegen eine totalitäre Verhärtung nach innen und Aggression nach außen zu vermerken. Totalitäres und Duales System zugleich? Autarkie und Beherrschung des Welt-markts? Prosperität und Massenarmut?
Chinas Vordringen in der Welt muss baldestmöglich aufgehalten werden. Denn wenn sein inneres Regime wie nahezu unvermeidlich zusammenbricht, fliegen dem Rest der Welt die Fetzen um die Ohren.
JE
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