Samstag, 15. November 2014

Vor 80 Jahren begann der "Lange Marsch".

Mao Zedong bewältigt den Langen Marsch auf dem Pferderücken.
aus nzz.ch, 15. 11. 2014

Der «Lange Marsch» von Chinas Kommunisten 
Mao marschiert an die Macht 

von  Nina Belz

Vor 80 Jahren sind Chinas Kommunisten zum «Langen Marsch» aufgebrochen. Heute als Mythos gepflegt, war der Marsch eigentlich eine panische Flucht. Für den Aufstieg Maos war er indes essenziell. Der «Lange Marsch» wird in China noch heute als Gründungsmythos der chinesischen Revolution gefeiert. Die Darstellung der Massenbewegung der chinesischen Kommunisten, die vor rund 80 Jahren ihren Anfang nahm, hat nicht viel mit der Realität zu tun. Der «grosse Sieg» war eigentlich eine verzweifelte Flucht, um nicht von den Nationalisten niedergemetzelt zu werden. Und dennoch haben nur wenige der schätzungsweise knapp 100 000 Menschen, die sich im Oktober 1934 dem «Langen Marsch» anschlossen, dessen Ende erlebt.

Ohne Plan und ohne Ziel

In den dreissiger Jahren herrscht in China Bürgerkrieg. Die nationalistische Kuomintang verfolgt die Kommunisten mit eiserner Härte. Aus den grossen Städten ins Landesinnere vertrieben, gründeten die Kommunisten Anfang der dreissiger Jahre in der südöstlichen Provinz Jiangxi eine Sowjetregion als Basis. Doch auch dort sind sie bald von den Nationalisten eingekreist. Im Oktober 1934 beschliesst die kommunistische Parteiführung heimlich die Räumung der Basis. An dieser folgenreichen Entscheidung ist der 40-jährige Mao Zedong, damals Vorsitzender der Sowjetregion, nicht beteiligt. Für seine weitere Karriere wird diese Flucht, die mutmasslich am 27. Oktober ihren Anfang nahm (das exakte Datum ist umstritten), allerdings von grosser Bedeutung sein. Mao schliesst sich einer Truppe von rund 85 000 Mann an. Nur 32 Frauen sind dabei, unter ihnen auch Maos dritte Frau, He Zizhen. Sie wird zu den wenigen gehören, die ein Jahr später noch leben.

Die Fluchtbewegung ist, so überhastet sie kam, ein chaotisches Unterfangen. Weder über das Ziel noch die Richtung ist man sich beim Aufbruch einig. Weniger als ein einziger langer Marsch verteilen sich die kommunistischen Soldaten und ihre Anhänger auf mehrere Märsche, die sich in Richtung Norden und Westen bewegen. In manchen Gruppen verteilen sich die Menschen zum Teil auf einer Distanz von bis zu 80 Kilometern.

Grosse Verluste

Als die Nationalisten der Kuomintang den Massenexodus bemerken, greifen sie die schlecht ausgerüsteten Kommunisten immer wieder an. Besonders verheerend ist der Angriff am Fluss Xiang (Hunan-Provinz). Bei der Schlacht, die fast eine Woche dauert, wird die kommunistische Truppe um fast die Hälfte reduziert. Es sind aber nicht nur die «glorreichen» Kampfhandlungen, welche den Kommunisten zusetzen. Die Flucht ist strapaziös, und die Kommunisten sind schlecht ausgerüstet und arm. Tausende fallen Hunger und Krankheit zum Opfer.

Angesichts der hohen Verluste wird im Januar 1935 in Zhunyi, Provinz Guizhou, ein Krisentreffen der Parteiführung einberufen. Auch Mao ist dabei. Unter schweren Vorwürfen werden die Verantwortlichen für die Koordination des «Langen Marsches» abgesetzt. Mao hingegen wird in das Ständige Komitee des Politbüros berufen und bekommt erstmals eine einflussreiche Führungsposition in der Partei. Über die Frage, wo die Kommunisten ihre neue Basis aufbauen sollten, herrscht allerdings auch nach dem Treffen Uneinigkeit. Mao plädiert für die nordwestliche Provinz Shaanxi, woraufhin ihm einige Kommandanten den Rücken kehren.

Mao treibt seine noch etwa 15 000 Mann umfassende Gefolgschaft weiter in Richtung Norden, gegen Gansu, durch Sümpfe und über zahlreiche Berge. Kälte und Kämpfe mit lokalen Stämmen erweisen sich für mehr als die Hälfte seiner Truppe als tödliche Feinde.

In der Höhle zu neuen Kräften

Nach knapp einem Jahr, am 20. Oktober 1935, erreicht Mao schliesslich zusammen mit noch rund 6000 Personen das Ziel, die südwestlich von Peking gelegene Provinz Shaanxi. In der Höhlenstadt Yanan baut er das neue Hauptquartier der Kommunisten auf. Der «Lange Marsch» hat Mao im ganzen Land berühmt gemacht und hilft ihm, seine Gefolgschaft unter den Bauern zu vergrössern sowie seine Macht zu konsolidieren. Der «Lange Marsch» wird fortan zum Symbol für Ausdauer und Widerstandskraft der Kommunisten verklärt – und ist bis heute Bestandteil des Gründungsmythos der Volksrepublik, die Mao am 1. Oktober 1949 ausrief.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen