Sonntag, 15. Juli 2018

Die zwei Seiten der Medaille.

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Habt ihr's schon gemerkt? Europäische Migrationspolitik und höhere Rüstungsausgaben sind zwei Seiten einer Me- daille.

Die Wanderbewegungen werden bleiben, mal größer, mal kleiner. Durch kluge Politik wird man einiges lenken kön- nen, aber Wunder wird man nicht wirken. Und auch dann nur einiges lenken können, wenn nicht jeder sein klein Süppchen alleine kocht, sondern Zuwanderregionen und Abwanderegionen gemeinsam handeln.

Das ist das globale Problem, es wird uns lange erhalten bleiben. Das spezifisch europäische Problem ist, dass wir eine Union haben und nur behalten werden, wenn wir sie vertiefen. Das ist keine philosophische Frage, sondern angesichts der Flüchtlingsströme eine akute. Einige Länder liegen den Flüchtlingen zugewandt, sie haben Grenzen nach außen, andere werden von den Flüchtlingen bevorzugt, weil sie reicher sind (und aus kulturellen Gründen wohl auch). Wenn jeder nach eigenem Gutdünken handelte, würde die Union auseinanderfliegen, denn wenn jeder sich selbst der nächste ist, werden bei Engpässen alle Andern zum Gegner. Der einzige Weg ist, Europa nach innen weiter zu vereinigen, damit es nach außen einheitlich handeln kann.

Das wäre wohlbemerkt im Fall der Festung Europa nicht anders. Um nach außen lückenlos überwachen zu können, müsste man mit dem Überwachen im Innern beginnen. Dass Europa auf diese Art einiger würde, ist gottlob wenig wahrscheinlich, denn es wäre ein Albtraum.

Doch wie steht es überhaupt um Europa in der Welt? 

Der europäische Einigungsprozess war, heißt es, das Ergebnins zweier Weltkriege. Des ersten? Ganz im Gegenteil. Das Ergebnis des zweiten war in erster Linie die Aufteilung der Welt in zwei Hegemonien. Im Osten Stalins Sowjet- union und ihre Satelliten, im freien Westen Amerika und seine Verbündeten. Doch die Verbündeten waren Vasallen unter Amerikas nuklearem Schutzschild, und Amerika wollte lieber starke Vasallen als zersplitterte schwache. Dass sie aus dem Schatten ihres Hegemons treten könnten, war nicht abzusehen, dazu war der gemeinsame Gegner zu mächtig.

Seit einem Vierteljahrhundert gibt es einen gemeinsamen Gegner nicht mehr. Auf den Ländern Osteuropas lastete der Warschauer Pakt wie ein bleierner Deckel, die Sowjetunion hat ihren Satrapien im RGW nichts geschenkt. Die Amerikaner ließen sich die Vasallität ihrer Verbündeten im Gegenteil einiges kosten. Finanziell, indem sie die exor- bitanten Rüstungskosten weitgehend auf die eigne Kappe nahmen. Politisch, indem sie jeden folgsamen Duodezty- rannen in ihre Freie Welt mit aufnahmen.

Sicherheit gab es genug. Als Chruschtschow in Kuba mit dem Feuer spielte, wurde er von der Kollektiven Führung prompt aus dem Verkehr gezogen. Und im Juni 1953, im Oktober 1956 und im August 1968 haben die Westalliier- ten nicht mit der Winper gezuckt. Selbst das großmäulige China hat während des ganzen Vietnamkriegs die Füße bemerkenswert still gehalten. Summa summarum hatte die Welt noch nie so eine lange Friedensperiode erlebt.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist das vorbei. Die Länder Osteuropas sind unter den amerikanischen Schild ge- schlüpft, mit Blick auf ihren östlichen Nachbarn, und mit dem Alten Europa wollten sie sich nur zu schnell wieder- vereinigen. Die europäische Gemeinschaft wusste nicht, wie ihr geschah. Um das Gewicht des wiedervereinigten Deutschlands auszugleichen, haben sie die D-Mark im €uro aufgelöst - und Deutschland die Verantwortung für die ganze Union aufgebürdet.

Doch die Kosten blieben bei Amerika. Das hatte nun aber keinen Feind mehr, um dessentwillen es ein Heer von Vasallen alimentieren müsste. Obama hat damit angefangen, Amerika aus der Rolle des Weltgendarms zurückzu- ziehen, aber die Pazifisten, die ihm applaudierten, stehen dumm da, seit sein Nachfolger das Programm America first konsequent fortführt. Ein vereintes Europa ist - je stärker es ist, umso mehr - einer von vielen seiner Konkurrenten, es gibt keinen Grund mehr, ihm vor Russland, China, Japan oder sonstwem einen Rabatt einzuräumen.

Wenn nicht die Flüchtlingkrise Europa zwänge, sich nach innen zusammen zu reißen, täte es die Einsicht Amerikas in seine neue Rolle in der Welt. Sie können künftig ohne uns, und wir müssen künftig ohne sie.

Das wird sich in den Verteidugungsetats niederschlagen. Doch wer für eine abgestimmte Flüchtlinspolitik Europas eintritt, wird das in Kauf nehmen müssen.




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