aus nzz.ch,
Trump und die Aussenpolitik
Die liberale Weltordnung wird erschüttert
Die
Welt muss sich nicht nur auf die Präsidentschaft eines impulsiven
Machtmenschen einstellen. Trumps Sieg erschüttert auch die Grundfesten
der Weltordnung, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg galt.... Die Wirklichkeit sieht leider weniger rosig aus. Zum einen hat Trump durchaus eine festgefügte Ideologie von der Rolle Amerikas in der Welt, auch wenn seine Überzeugungen im Nebel seiner Halbsätze und seines Halbwissens nicht so leicht erkennbar sind. Zum andern greifen die «checks and balances» vor allem in der Innenpolitik, wo die Exekutive an Grenzen stösst, die ihr der Kongress, die Gerichte und die föderalistischen Strukturen setzen. In der Aussenpolitik hingegen hat ein Präsident viel freiere Hand.
Er kann als Oberkommandierender das Militär in Kriege schicken oder auch zurückziehen, wie er will. Er legt die Leitlinien der Diplomatie fest und ernennt die Botschafter im Ausland. Völkerrechtlich bindende Verträge beengen seinen Spielraum, aber viele sind kündbar, und niemand kann die USA zwingen, internationale Abmachungen einzuhalten. Sowohl aus dem Klimavertrag von Paris als auch aus dem Atomabkommen mit Iran könnte Trump mit einem Federstrich aussteigen, was er auch bereits angedroht hat. Der Kongress kann einem Präsidenten dank seiner Budgethoheit das Leben erschweren, aber es ist eine stumpfe Waffe, wie die Demokraten vor einem Jahrzehnt erfahren mussten, als sie vergeblich versuchten, den Geldhahn für den Irakkrieg zuzudrehen.
Angesichts der
republikanischen Mehrheit im Kongress hat Trump diesbezüglich vorerst
ohnehin wenig zu befürchten. Was ist vor diesem Hintergrund von Trump zu
erwarten? Worin besteht der Kern seiner aussenpolitischen
Überzeugungen? Erstens betrachtet es der Republikaner nicht als Amerikas
Aufgabe, freiheitliche Regeln und Werte auf dem Globus zu verbreiten.
Damit stellt er sich in einen Gegensatz zu allen Präsidenten der letzten
achtzig Jahre, die zwar in unterschiedlicher Ausprägung, aber doch
recht konsistent eine solche Politik verfolgt hatten. Der Gedanke, dass
die USA von einer freiheitlichen Weltordnung profitieren und es sich
lohnt, für Demokratie im Ausland einzutreten, scheint ihm fremd. Er
betonte im Wahlkampf vor allem die Lasten, die mit der Rolle als
Ordnungsmacht einhergehen.
Geringschätzung für Allianzen
Damit
verbunden ist, zweitens, seine Verachtung für die traditionelle
amerikanische Bündnispolitik. Er betrachtet Allianzen rein
merkantilistisch nach dem Gesichtspunkt, was für beide Seiten dabei
herausspringt und wer wie viel dafür bezahlt. So hat der künftige
Präsident im Wahlkampf damit gedroht, sich den Bündnisverpflichtungen
gegenüber den Nato-Partnern in Europa und Ländern wie Japan und Südkorea
zu entziehen, falls die Alliierten nicht mit «fairen» Beiträgen die von
Washington geschaffene Sicherheit abgelten. Mit dem Instinkt eines
Geschäftsmannes scheint Trump darauf zu bauen, dass den reichen Ländern
Europas und Asiens die eigene Sicherheit sehr viel mehr wert sein
müsste. Auf die Betroffenen kommen damit harte Verhandlungen zu.
Dass
die USA so ihre Glaubwürdigkeit untergraben und zur Destabilisierung
ganzer Weltregionen beitragen könnten, ist Trump entweder nicht bewusst
oder für ihn zweitrangig. Ebenso unterschätzt er wohl die Gefahr, dass
ein Auseinanderbrechen der bisherigen Sicherheitsarchitektur und die
Vermehrung bewaffneter Konflikte die USA zuletzt doch noch zwingen
könnten, als Ordnungsmacht einzuschreiten, dann aber zu viel höheren
Kosten.
Neben der
Bündnispolitik hält Trump, drittens, auch die traditionelle
Freihandelspolitik der USA für falsch. Er macht sie für den Verlust von
heimischen Arbeitsplätzen verantwortlich und erzielte damit im Wahlkampf
grosse Resonanz. Dass er sich für die Ratifizierung des unter Obama
ausgehandelten transpazifischen Freihandelsvertrags starkmachen wird,
ist schwer vorstellbar. Damit zerbricht auch ein Kernstück von Obamas
Konzept einer strategischen Umorientierung auf Asien, zweifellos zur
Freude Pekings.
Viertens macht
Trump kein Hehl aus seiner Bewunderung für autoritäre Herrschaftsformen
– ob in Russland, China, Nordkorea oder im Irak Saddam Husseins. Dies
bedeutet noch nicht, dass Trump selber diktatorische Neigungen ausleben
wird, auch wenn seine Geringschätzung der Gewaltenteilung immer wieder
durchschimmert. Aber seine Bewunderung gilt der «Effizienz» (um nicht zu
sagen Ruchlosigkeit), mit der autoritäre Regime vorgehen können, und
der Tatkraft, die darin zum Ausdruck kommt. Ob eine Administration Trump
die Tradition aufrechterhält, allen Ländern der Welt Noten bezüglich
Einhaltung der Menschenrechte zu verteilen, bleibt abzuwarten. Aber der
Präsident selber wird ein Land wie China kaum im Lichte der dortigen
Repression betrachten, sondern primär durch eine handelspolitische
Brille. Spannungen sind dabei programmiert, aber das Faktum einer
Einparteidiktatur in Peking wird der Republikaner nicht stören.
Ähnliches
gilt für Russland, allerdings mit potenziell dramatischeren Folgen.
Wiederholt hat Trump die Absicht bekundet, die Beziehungen zu Moskau zu
verbessern. Das dürfte auf einen Abbau der amerikanischen Sanktionen
hinauslaufen, zumal Trump über die völkerrechtswidrige Annexion der Krim
bisher kein kritisches Wort verloren hat. Wie Trump auf einen
russischen Angriff auf das Baltikum reagieren würde, ist angesichts
seiner Nonchalance in Nato-Fragen völlig offen – und nur schon diese
Ungewissheit illustriert, in welche sicherheitspolitische Krise Trumps
Wahlsieg Europa gestürzt hat.
Der
künftige Präsident hat zudem durchblicken lassen, dass er dem Kreml
freie Hand in Syrien lassen will. Kritik an der Bombardierung Aleppos
kommt ihm nicht über die Lippen. Die ehemalige Rebellenhochburg sei
faktisch ohnehin gefallen, sagte er einmal irreführend; bei anderer
Gelegenheit stellte er Russland als glaubwürdigen Partner bei der
Terrorbekämpfung in Syrien hin.
Stiller Triumph des Kremls
Ohne
Zweifel bedeutet Trumps Sieg auch einen Erfolg des Putin-Regimes, das
seine Grossmachtambitionen künftig noch hemmungsloser ausleben kann.
Eine bitterböse Ironie liegt darin, dass Moskau möglicherweise einen
Beitrag zu Trumps Sieg leistete, nämlich mit den Hackerangriffen auf
demokratische Funktionäre, deren E-Mails mitten in der heissen Phase des
Wahlkampfs «enthüllt» wurden. Statt entschlossen auf diese politische
Manipulation zu reagieren, wird die Administration Trump wohl geneigt
sein, die Untersuchung versanden zu lassen.
Die
Vorstellung, dass der Chef im Weissen Haus ein Hampelmann des Kremls
sein könnte, hätte frühere Generationen von Amerikanern erschauern
lassen. Die Trump-Bewegung liess sich davon aber ebenso wenig beirren
wie von der Warnung der aussenpolitischen Elite, der Milliardär werde
den USA irreparablen Schaden zufügen. Wie gross dieser ausfallen wird,
lässt sich noch gar nicht abschätzen – doch die Folgen wird Amerika
vermutlich noch lange nach der Ära Trump spüren.
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