Freitag, 11. November 2016

Es war einmal der Atlantikpakt.

aus nzz.ch,

Trump und die Aussenpolitik
Die liberale Weltordnung wird erschüttert
Die Welt muss sich nicht nur auf die Präsidentschaft eines impulsiven Machtmenschen einstellen. Trumps Sieg erschüttert auch die Grundfesten der Weltordnung, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg galt.

von Andreas Rüesch

... Die Wirklichkeit sieht leider weniger rosig aus. Zum einen hat Trump durchaus eine festgefügte Ideologie von der Rolle Amerikas in der Welt, auch wenn seine Überzeugungen im Nebel seiner Halbsätze und seines Halbwissens nicht so leicht erkennbar sind. Zum andern greifen die «checks and balances» vor allem in der Innenpolitik, wo die Exekutive an Grenzen stösst, die ihr der Kongress, die Gerichte und die föderalistischen Strukturen setzen. In der Aussenpolitik hingegen hat ein Präsident viel freiere Hand.

Er kann als Oberkommandierender das Militär in Kriege schicken oder auch zurückziehen, wie er will. Er legt die Leitlinien der Diplomatie fest und ernennt die Botschafter im Ausland. Völkerrechtlich bindende Verträge beengen seinen Spielraum, aber viele sind kündbar, und niemand kann die USA zwingen, internationale Abmachungen einzuhalten. Sowohl aus dem Klimavertrag von Paris als auch aus dem Atomabkommen mit Iran könnte Trump mit einem Federstrich aussteigen, was er auch bereits angedroht hat. Der Kongress kann einem Präsidenten dank seiner Budgethoheit das Leben erschweren, aber es ist eine stumpfe Waffe, wie die Demokraten vor einem Jahrzehnt erfahren mussten, als sie vergeblich versuchten, den Geldhahn für den Irakkrieg zuzudrehen. 

Angesichts der republikanischen Mehrheit im Kongress hat Trump diesbezüglich vorerst ohnehin wenig zu befürchten. Was ist vor diesem Hintergrund von Trump zu erwarten? Worin besteht der Kern seiner aussenpolitischen Überzeugungen? Erstens betrachtet es der Republikaner nicht als Amerikas Aufgabe, freiheitliche Regeln und Werte auf dem Globus zu verbreiten. Damit stellt er sich in einen Gegensatz zu allen Präsidenten der letzten achtzig Jahre, die zwar in unterschiedlicher Ausprägung, aber doch recht konsistent eine solche Politik verfolgt hatten. Der Gedanke, dass die USA von einer freiheitlichen Weltordnung profitieren und es sich lohnt, für Demokratie im Ausland einzutreten, scheint ihm fremd. Er betonte im Wahlkampf vor allem die Lasten, die mit der Rolle als Ordnungsmacht einhergehen.

Geringschätzung für Allianzen

Damit verbunden ist, zweitens, seine Verachtung für die traditionelle amerikanische Bündnispolitik. Er betrachtet Allianzen rein merkantilistisch nach dem Gesichtspunkt, was für beide Seiten dabei herausspringt und wer wie viel dafür bezahlt. So hat der künftige Präsident im Wahlkampf damit gedroht, sich den Bündnisverpflichtungen gegenüber den Nato-Partnern in Europa und Ländern wie Japan und Südkorea zu entziehen, falls die Alliierten nicht mit «fairen» Beiträgen die von Washington geschaffene Sicherheit abgelten. Mit dem Instinkt eines Geschäftsmannes scheint Trump darauf zu bauen, dass den reichen Ländern Europas und Asiens die eigene Sicherheit sehr viel mehr wert sein müsste. Auf die Betroffenen kommen damit harte Verhandlungen zu.

Dass die USA so ihre Glaubwürdigkeit untergraben und zur Destabilisierung ganzer Weltregionen beitragen könnten, ist Trump entweder nicht bewusst oder für ihn zweitrangig. Ebenso unterschätzt er wohl die Gefahr, dass ein Auseinanderbrechen der bisherigen Sicherheitsarchitektur und die Vermehrung bewaffneter Konflikte die USA zuletzt doch noch zwingen könnten, als Ordnungsmacht einzuschreiten, dann aber zu viel höheren Kosten.

Neben der Bündnispolitik hält Trump, drittens, auch die traditionelle Freihandelspolitik der USA für falsch. Er macht sie für den Verlust von heimischen Arbeitsplätzen verantwortlich und erzielte damit im Wahlkampf grosse Resonanz. Dass er sich für die Ratifizierung des unter Obama ausgehandelten transpazifischen Freihandelsvertrags starkmachen wird, ist schwer vorstellbar. Damit zerbricht auch ein Kernstück von Obamas Konzept einer strategischen Umorientierung auf Asien, zweifellos zur Freude Pekings.

Viertens macht Trump kein Hehl aus seiner Bewunderung für autoritäre Herrschaftsformen – ob in Russland, China, Nordkorea oder im Irak Saddam Husseins. Dies bedeutet noch nicht, dass Trump selber diktatorische Neigungen ausleben wird, auch wenn seine Geringschätzung der Gewaltenteilung immer wieder durchschimmert. Aber seine Bewunderung gilt der «Effizienz» (um nicht zu sagen Ruchlosigkeit), mit der autoritäre Regime vorgehen können, und der Tatkraft, die darin zum Ausdruck kommt. Ob eine Administration Trump die Tradition aufrechterhält, allen Ländern der Welt Noten bezüglich Einhaltung der Menschenrechte zu verteilen, bleibt abzuwarten. Aber der Präsident selber wird ein Land wie China kaum im Lichte der dortigen Repression betrachten, sondern primär durch eine handelspolitische Brille. Spannungen sind dabei programmiert, aber das Faktum einer Einparteidiktatur in Peking wird der Republikaner nicht stören.

Ähnliches gilt für Russland, allerdings mit potenziell dramatischeren Folgen. Wiederholt hat Trump die Absicht bekundet, die Beziehungen zu Moskau zu verbessern. Das dürfte auf einen Abbau der amerikanischen Sanktionen hinauslaufen, zumal Trump über die völkerrechtswidrige Annexion der Krim bisher kein kritisches Wort verloren hat. Wie Trump auf einen russischen Angriff auf das Baltikum reagieren würde, ist angesichts seiner Nonchalance in Nato-Fragen völlig offen – und nur schon diese Ungewissheit illustriert, in welche sicherheitspolitische Krise Trumps Wahlsieg Europa gestürzt hat.

Der künftige Präsident hat zudem durchblicken lassen, dass er dem Kreml freie Hand in Syrien lassen will. Kritik an der Bombardierung Aleppos kommt ihm nicht über die Lippen. Die ehemalige Rebellenhochburg sei faktisch ohnehin gefallen, sagte er einmal irreführend; bei anderer Gelegenheit stellte er Russland als glaubwürdigen Partner bei der Terrorbekämpfung in Syrien hin.

Stiller Triumph des Kremls

Ohne Zweifel bedeutet Trumps Sieg auch einen Erfolg des Putin-Regimes, das seine Grossmachtambitionen künftig noch hemmungsloser ausleben kann. Eine bitterböse Ironie liegt darin, dass Moskau möglicherweise einen Beitrag zu Trumps Sieg leistete, nämlich mit den Hackerangriffen auf demokratische Funktionäre, deren E-Mails mitten in der heissen Phase des Wahlkampfs «enthüllt» wurden. Statt entschlossen auf diese politische Manipulation zu reagieren, wird die Administration Trump wohl geneigt sein, die Untersuchung versanden zu lassen.

Die Vorstellung, dass der Chef im Weissen Haus ein Hampelmann des Kremls sein könnte, hätte frühere Generationen von Amerikanern erschauern lassen. Die Trump-Bewegung liess sich davon aber ebenso wenig beirren wie von der Warnung der aussenpolitischen Elite, der Milliardär werde den USA irreparablen Schaden zufügen. Wie gross dieser ausfallen wird, lässt sich noch gar nicht abschätzen – doch die Folgen wird Amerika vermutlich noch lange nach der Ära Trump spüren.



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