Klima: Fiel die Macht des Dschingis Khan vom Himmel?
Als
die Mongolen die halbe Erde eroberten, hatten sie zu Hause
Niederschläge wie nie. Dieser Überfluss kann beim Erfolg mitgespielt
haben.
Von allen Männern, die heute zwischen der Ukraine im Westen und Korea im Osten leben, tragen acht Prozent – 16 Millionen, ein halbes Prozent aller Männer der Erde – im Y-Chromosom eine Signatur, die tausend Jahre zurück und ins zentralste Asien reicht, in die Mongolei. Von dort war 1209 ein Heerführer aufgebrochen, der erst China eroberte und sich dann nach Westen wandte, er raffte in nur 25 Jahren das größte Reich zusammen, das die Geschichte je gesehen hat. Er hieß Tenüdschin, „der Schmied“, bekannt und gefürchtet wurde er als Dschingis Khan.
Natürlich machte er die Eroberungen nicht allein, und auch die Genvariante stammt wohl nicht nur von ihm, obwohl Chris Taylor-Smith (Oxford), der sie bemerkte, das vermutete (Am. J. Hum. Genet. 72, S. 717). Aber er war gar nicht überall mit dabei – etwa bei der Schlacht um die Ukraine, 1223 an der Kalka. Dort führten seine Söhne die Heere, sie vergrößerten das Imperium nach dem Tod des Vaters auch noch. Und überall war natürlich seine Reiterei mit dabei, die gilt auch als eine Erklärung der präzedenzlosen militärischen Erfolge; eine andere zielt auf die Person des Dschingis, der so gnadenlos wie klug war: Er ließ Meere von Blut fließen, von Anfang an, bei der Einung der zerstrittenen mongolischen Klans. Aber er baute auch einen modernen Staat auf, für dessen Zusammenhalt er eine Schrift entwerfen ließ, und er besetzte Positionen nicht nach Herkunft, sondern nach Verdienst.
Nomaden, Menschen ohne Geschichte?
Nur: Was trieb ihn und die Seinen so rastlos voran? „Nomaden sind ,Menschen ohne Geschichte‘. Ihre Ausbrüche aus den Wüsten sind, so wie die Ausbrüche des Vesuv oder Ätna, mechanische Folgen unbelebter physischer Kräfte.“ Das formulierte der Historiker Arnold Toynbee 1934, und er vermutete als „physische Kraft“ eine Dürre, sie hätte die Mongolen zur Landnahme getrieben. Das stieß auf Kritik, aus zwei Richtungen: Zum einen „entmenschliche“ Toynbee im Namen der Zivilisation ihre nomadischen Angreifer, indem er ihnen Willen und Entschlusskraft abspräche.
Und zum anderen hatte man keinerlei Daten über das Klima zur Zeit des Dschingis Khan in der Mongolei. Man wusste nur von einer Dürre in China, weit weg, in einer ganz anderen Klimazone. Wie soll man auch das Klima in der Mongolei vor tausend Jahren rekonstruieren? Es gibt Zeugen; Zwergkiefern, die auf fast nacktem Gestein wachsen und uralt werden, ein Team um Amy Hessl (Columbia University) ist auf sie gestoßen und hat aus den Baumringen das Klima der letzten 1122 Jahre rekonstruiert (Pnas, 10. 3.). Demnach gab es tatsächlich Dürren, und zwar in den Jahren, in denen Dschingis sich nach oben kämpfte: Die Warlords fielen übereinander her, das kann aus der Not der Dürre geboren gewesen sein – Dschingis Khan zwang sie zur Einung.
Aber just in dem Moment, in dem er ans Erobern ging, blühte das Land auf, die Jahre 1211 bis 1225 waren die niederschlagsreichsten der gesamten 1122 Jahre. Sie brachten Überfluss, an allen Nutztieren, natürlich auch an Pferden – jeder Berittene hatte fünf oder sechs. „Auf dieser Welle konnte Dschingis reiten“, erklärt Hessl, „aber“, mahnt ihr Mitarbeiter Neil Pedderson „am Ende hat es Dschingis getan, er und seine Armee“.
Denn zum einen ist der Überfluss als Triebkraft noch weithin Hypothese, die Forscher müssen erst aus Sedimenten von Seen – bzw. den Sporen von Pilzen darin, die sich von Pferdedung ernähren – herauslesen, wie viele Tiere wann getränkt wurden; und zum anderen ist man vorsichtig geworden mit monokausalen Erklärungen wie denen vom Klima. Sie hatten zuletzt eine überhitzte Hausse, gipfelnd in Jared Diamonds „Collapse“.
Eine Macht bleibt das Klima doch, gerade in der Mongolei: Von 2002 bis 2009 herrschte Dürre wie selten – auch das zeigen die Baumringe –, acht Millionen Nutztiere verendeten, und wieder gab es eine Invasion, diesmal im eigenen Land: 180.000 Hirten flüchteten in die Hauptstadt Ulan Bator.
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