Donnerstag, 30. Juli 2015

China - nach der Euphorie jetzt Panik?

Investors react as they look at computer screens showing stock information at a brokerage house in FuyangEntsetzt verfolgen private Investoren auf Bildschirmen die Talfahrt der Aktien am 28 . Juli in einem Maklerunternehmen in Fuyang


aus Süddeutsche.de, 30. Juli 2015, 21:18 Uhr

Der Pakt zwischen Staat und Volk bröckelt
Die Legitimität der KP-Herrschaft in China hängt am Erfolg der Wirtschaft. Doch seit Wochen fallen an den

Kommentar von Christoph Giesen

Wie Politik in China funktioniert, lässt sich in den Geschichtsbüchern der Partei nachlesen: Neun Monate nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens bestellte Chinas Reformer, Deng Xiaoping, im März 1990 die Führung ein. "Warum unterstützt uns das Volk?", fragte er in die Runde und gab die Antwort gleich selbst: "Weil sich die Wirtschaft entwickelt hat." Der Alte stellte sodann eine zweite Frage: "Was aber, wenn das Wachstum plötzlich stagnieren sollte oder die Zuwachsraten jährlich nur bei vier bis fünf Prozent liegen, vielleicht sogar nur bei zwei bis drei Prozent, welche Folgen hätte das?" Und wieder antwortete Deng selbst: "Es wäre nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern auch ein politisches." Kurz: Die Legitimation der Kommunistischen Partei Chinas hängt ab vom Wachstum der Wirtschaft.

Daher gilt in China ein unausgesprochenes Abkommen zwischen Bevölkerung und Staatsführung: Ihr haltet euch aus der Politik heraus, wir sorgen dafür, dass die Wirtschaft brummt und es allen besser geht. Doch dieser Pakt ist brüchig geworden.

Die KP warb für den Aktienkauf, um ihren Einfluss zu sichern

Seit Wochen fallen an den Börsen in Shanghai und Shenzhen die Kurse. Bis zu einem Drittel sind die Notierungen zurückgegangen. Panisch versuchte die Führung in Peking die Kursstürze abzumildern, Tausende Aktien ließ sie vom Handel aussetzen, Stützkäufe wurden angeordnet - vergeblich. Das Vertrauen von Millionen Anlegern ist futsch, genauso wie ein Großteil ihres Geldes. Viele von ihnen waren hochriskante Wetten eingegangen. Für jede Aktie, die sie kauften, liehen sie sich das Geld für bis zu neun weitere. Geht das gut, wird man schnell reich, läuft die Wette schief, verliert man alles. Und Millionen Chinesen haben verloren.

Dass sie überhaupt zu Anlegern wurden, dafür trägt die Staatsführung die Verantwortung. Es war die Propaganda der Partei, die laut für die Börse trommelte. Wer Aktien kaufe, lebe den "chinesischen Traum", hieß es. Noch im Mai, als etliche Analysten bereits vor einem Platzen der Blase warnten, verkündete die Volkszeitung, das Sprachrohr der Partei, dass die richtig ertragreiche Zeit erst jetzt beginne. Eine teuere Vorhersage.

Doch warum sollten überhaupt Millionen Chinesen, von denen laut Umfragen zwei Drittel keinen weiterführenden Schulabschluss haben, plötzlich zu Aktionären werden? Die Rechnung der Regierung war simpel.

Wer das Wirtschaftswachstum steigern will, kann dazu an drei Stellschrauben drehen: dem Export, den Staatsausgaben und dem Konsum. Bis etwa 2007 war das Wachstum relativ normal verteilt. Die Ausfuhren stiegen, die Binnennachfrage auch, und die staatlichen Investitionen waren zwar hoch, aber noch vertretbar. Seit der Finanzkrise im Westen ist das Wachstum jedoch aus dem Gleichgewicht geraten. Um die Einbrüche im Exportgeschäft zu kompensieren, flossen Milliarden in den Ausbau des Hochgeschwindigkeitszug-Netzes, neue Flughäfen wurden errichtet und Autobahnen geteert. Etliche Städte und Präfekturen sind deshalb beinahe zahlungsunfähig. Auch viele Staatsunternehmen haben seitdem hohe Schulden in den Büchern stehen. Mit dem Börsenboom sollte sich das alles ändern.

Die verschuldeten volkseigenen Konzerne sollten sich gesundstoßen. Kleinere Unternehmen, die bei der Kreditvergabe notorisch übergangen werden, sollten endlich an Kapital kommen, indem sie sich an den Märkten refinanzieren. Außerdem sollte das an der Börse gewonnene Geld in den Konsum fließen. Neue Autos, neue Handys, neue Wohnungen, für Chinas Wirtschaftswachstum - vor allem aber, um die Macht der Partei zu festigen.

Mit dem Platzen der Aktienblase ist jedoch das Gegenteil eingetreten. Wie soll der Konsum angekurbelt werden, wenn Millionen ihre Rücklagen an der Börse verzockt haben? Die Autoindustrie beklagt bereits deutliche Absatzrückgänge. Geht das Schlingern an der Börse noch lange weiter, dürfte die Binnennachfrage in China erheblich leiden. Um das Wachstum in den kommenden Jahren dennoch wie vorgesehen bei jährlich etwa sieben Prozent zu halten, muss die Führung wohl wieder neue Schulden machen und neue Staatsaufträge ausschreiben.

Die ökonomische Unwucht wird zunehmen, genauso wie der politische Druck, denn das Vertrauen in den Staat und die Allmacht der Partei ist merklich beschädigt. Die Führung reagiert darauf mit Härte: In der Außenpolitik schlägt Peking zunehmend nationalistische Töne an, und in China selbst sind Anwälte und Bürgerrechtler ständig neuen Repressionen ausgesetzt. Der Deal, den Deng seinen Genossen vor 25 Jahren diktierte und den ein ganzes Volk stillschweigend duldet, er ist dabei, anders auszugehen.


Nota. - Maos Volksrepublik China war ein feudalbürokratisches System wie die Sowjetunion, dessen feudale Züge trotz des Personenkults um den Großen Vorsitzenden von Anbeginn viel stärker ausgeprägt waren als imzunächst bonpartistischen, schließlich totalitären System Stalins. Anders Hätte Mao im Politbüro nie in die Minderheit geraten können, hätte keine "Kulturrevolution" anzetteln müssen und wäre die Viererbande nicht davongejagt worden - von dem gestrigen Zuchthäusler Deng Xiaoping. Das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens hat, jenseits aller Ideologie, die PARTEI genau in dem Moment noch einmal zusammengeschweißt, als in Osteuropa die Überreste des Stalinismus auseinanderzufallen begannen. Dass das reichen könnte, Maos Volksrepublik vor dem Schicksal der Sowjetunion zu bewahren, habe ich nie geglaubt, so sehr das von manchen westlichen Kapitalstrategen herbeigejubelt wurde.

Erst im letzten Winter schrieb ich: "Der chinesische Traum möchte wohl auch Putins Traum sein: ein weltmarktfähiger Staatskapitalismus mit dynamischer privatkapitalistischer Speerspitze unter enger Kontrolle einer straff charismatisch geführten Einheitspartei mit einer arkanischen Nationalmythologie. Auch weltpolitisch kommen sie sich näher. Putins 'eurasische' Idee passt gut auf einen russisch-chinesischen Block. - Aber das staatskapitalistische Modell ist eine Chimäre. Es kann nicht anders funktionieren - wenn es funktioniert - denn als ein bürokratisches Monstrum, und Bürokratie ist Korruption und Unsachlichkeit, da mögen die zyklischen Reinigungskampagnen noch so terroristisch durchgeführt werden. Ein monolithischer Staat müsste totalitär verfasst sein, aber bei seiner privat- und staatskapitalistischen Doppelnatur kann er nicht totalitär verfasst sein. Die konfuzianische Reichsbürokratie hielt eine asiatische Wasserbaugesellschaft zusammen, die ohne sie nicht bestehen konnte. Eine sozusagen säkularisierte "Partei", die sich bei einer - wie bei Kung Ze - rein pragmatischen Mentalität aus den jeweils Besten eines Studienjahres rekrutiert, wäre, gerade weil sie entbehrlich und für den Auftritt auf dem Weltmarkt sogar hinderlich ist, nicht nur Spiegel, sondern Hohlspiegel aller widerstreitenden sozialen Interessen. Es ist zu befürchten, dass das mit einem ganz großen Knall endet, an den sich die Welt noch lange erinnern wird."

Die Sowjetunion ist am Ende einfach ausgelaufen wie eine Badewanne, mit lautem Gurgeln zwar, weil es so schnell ging, aber ohne großen Knall. Dass es in China ohne großen Knall nicht abgehen wird, schwant nun auch den Claqueuren, die gestern noch ein alternatives Entwicklungsmodell für die Dritte Welt beweihräuchert haben. Wünschen kann man ihn eigentlich nicht, aber wie sollte das anders ausgehen?

JE



Freitag, 24. Juli 2015

Ist der Ackerbaus doppelt so alt wie bisher angenommen?

Ohalo II, Dani Nadel
aus derStandard.at, 22. Juli 2015, 20:09

Menschen experimentierten schon vor 23.000 Jahren mit Ackerbau
Archäologen fanden in Siedlungsresten am See Genezareth Wildvarianten verschiedener Getreidesorten


Ramat Gan – Der Ackerbau als Alternative zur Jäger-und-Sammler-Lebensweise startete seinen Siegeszug um die Welt in der Jungsteinzeit vor etwa 12.000 Jahren im Nahen Osten. Die ersten, zaghaften Anfänge der Landwirtschaft reichen allerdings viel weiter in die Zeit zurück: Israelische Forscher berichten nun in einer Studie im Fachjournal "Plos One" von Funden am See Genezareth, die belegen, dass der Mensch bereits vor rund 23.000 Jahren mit dem Anbau von Nahrungspflanzen experimentierte.

Den Ursprung der Landwirtschaft als weitgehende Ernährungsgrundlage legen Wissenschafter nach aktuellen Erkenntnissen rund 10.000 Jahre vor Beginn der Zeitrechnung. Damals wurden Jäger und Sammler im Gebiet des fruchtbaren Halbmondes, das sich in einem Bogen vom östlichen Mittelmeer bis zum Persischen Golf erstreckt, allmählich sesshaft und begannen mit dem Anbau von Pflanzen. Wie die Forscher um Ehud Weiss von der Bar Ilan University in Ramat-Gan (Israel) nun berichten, erprobten Menschen in der Siedlung Ohalo II am See Genezareth schon gut 11.000 Jahre früher die Kultivierung von Getreide.

Konservierte Ursiedlung

Ohalo II war vor etwa 23.000 Jahren besiedelt, wurde später aber überflutet. Die Siedlung wurde 1989 entdeckt, als der Wasserspiegel des Sees nach massiver Wasserentnahme und einigen Dürre-Jahren dramatisch gesunken war. Dabei kamen etliche Hütten zutage, mit pflanzlichen und tierischen Überresten, Werkzeugen, Perlen und Holzobjekten. Diese Reste waren sehr gut erhalten, da sie unter den Sedimenten des Sees vor äußeren Einflüssen geschützt waren.


Unter den Pflanzen fanden die Forscher Wildvarianten verschiedener Getreidesorten, wie Hafer, Gerste oder Emmer. Die Pflanzen wurden geerntet und die Körner verarbeitet, wie Spuren an Steinklingen und an einem Mahlstein belegen. Ein überdurchschnittlich hoher Anteil dieser Getreidepflanzen wies Veränderungen an der Ähre auf, die die Forscher auf längerfristige Kultivierung zurückführen. Die Wissenschafter vermuten allerdings, dass das Experiment Ackerbau in der Region zunächst wieder eingestellt wurde.

Das erste Unkraut

Besonders aufschlussreich sei der Fund von Pflanzen, die mit der Anlage von landwirtschaftlichen Flächen auftauchen, weil sie sich gut an ein Leben in der vom Menschen gestalteten Umwelt angepasst haben. Zumeist stören solche Pflanzen den Anbau und werden als Unkräuter bezeichnet. Die Forscher sprechen bei ihrem Fund von "Proto-Unkräutern", von denen sie 13 verschiedene Arten fanden. Möglicherweise hätten die Menschen einige dieser Pflanzen zum Verzehr gesammelt, da sie zum Teil essbare Teile besäßen.
"Bereits vor der Entstehung eines voll entwickelten Landbaus hatten Menschen grundlegende Kenntnisse von Landwirtschaft und, noch bedeutsamer, sie handelten vorausschauend und planten", erläuterte Weiss. "Die gegenwärtigen Ergebnisse von diesem Standort, in der Wiege der Zivilisation gelegen, belegen, dass unsere Vorfahren schlauer und geschickter waren, als wir angenommen haben. Obwohl sich die eigentliche Landwirtschaft erst sehr viel später entwickelte, hatte der Versuch schon begonnen."
Wie landwirtschaftliche Kulturtechniken vor etwa 12.000 Jahren ihren Durchbruch erlebten und immer weiter verfeinert wurden, hatten Archäologen um Simone Riehl von der Universität Tübingen 2013 im Fachjournal "Science" beschrieben. Sie hatten im Iran am Rande des Fruchtbaren Halbmonds Pflanzenreste aus einer mindestens 2.200 Jahre langen Siedlungsepoche entdeckt. Die Funde zeigten, wie die Menschen vor gut 11.700 Jahren mit einer rudimentären Landwirtschaft begannen, dann im Laufe der Jahrhunderte immer professionellere Anbaumethoden entwickelten und die Pflanzen nach ihren Bedürfnissen züchteten. (APA, red.

Sonntag, 19. Juli 2015

Gesundheitswahn und Körperkult.

aus beta.nzz.ch, 10.7.2015, 05:30 Uhr

Der Körper als Ersatzreligion
Gestählte Träume

von Marc Tribelhorn

...

Letzte Sinninstanz

Die Postmoderne hat die Wohlstandsgesellschaft mit einer bizarren Fitnessbegeisterung überzogen, die historisch einzigartig ist. Soziologen wie Robert Gugutzer interpretieren den grassierenden Körperkult als eine Art Ersatzreligion. Der Körper ist nicht mehr nur physische Grundlage des Daseins, sondern letzte Sinninstanz. Diese Entwicklung manifestiert sich im Boom der Fitnessindustrie, die sich mit ihren Dienstleistungen und Produkten ganz auf die Optimierung und Ästhetisierung von Körpern spezialisiert und damit allein in der Schweiz Milliarden umsetzt. Laut den Zahlen des Bundesamts für Sport wächst seit zwanzig Jahren der Anteil der Personen stetig, die mehrmals pro Woche Sport treiben. Die Eidgenossen, ein Volk von Bewegungsfanatikern.

Ein Sechstel der Bevölkerung quält sich mittlerweile regelmässig hinter den gläsernen Fassaden der rund 1200 Fitnessanlagen. Tendenz steigend. Motivation sind dabei weniger der Wettkampfgeist, die Freude an der Bewegung oder die Prävention gegen Zivilisationskrankheiten wie Rückenschmerzen vom Sitzen im Büro. In der Studie zum Sportverhalten der Schweizer Bevölkerung stufte über die Hälfte der Befragten es als wichtig ein, dass sie «durch das Training ihre Attraktivität steigern können, indem sie schlank und fit bleiben». «To look better naked» heisst es etwas expliziter bei den Amerikanern.

Signum der Leistungswilligen

Wenig überraschend schreibt sich auch die Leistungsgesellschaft in die Leiber ein. Fitness gilt als Arznei, um in der stressigen Arbeitswelt bestehen zu können. Der athletische Körper offenbart die Selbstdisziplin einer Person, ihre Willensstärke, ihr Gesundheitsbewusstsein, ihre Belastbarkeit. Längst ist es nicht mehr allein Gevatter Staat, der zu mehr Sport und gesunder Lebensführung aufruft, auch viele Unternehmen motivieren ihre Belegschaft dazu. Die Verzahnung von Sportlichkeit und Arbeitskraft scheint evident: Der Körper wird zum Signum der Leistungswilligen. Die Fitnesscenterkette Silhouette etwa wirbt damit: «Arbeitnehmer, Unternehmer, Behörden, Organisationen . . . Sie haben es bereits verstanden: Sport erhöht die Produktivität!» Und zitiert eine Studie, wonach «ein Sportler eine bestimmte Arbeit in 8 Stunden erledigen kann, wofür ein Nichtsportler mindestens 9,5 Stunden benötigt» – wenn er denn vor lauter Training noch zum Arbeiten kommt.

Beruhigend nur, dass die Realität weit entfernt von den gestählten Träumen vieler ist – ein Blick in die Badeanstalten des Landes genügt.


Nota. - Das ist ja immer lobenswert, wenn einer den giftigen Hauch des Kapitals wittert und anprangert, und in der Schweiz vielleicht auch nötiger als anderswo. Aber hier bei uns ist der Leistungswille schon zu großen Teilen Vorwand. Ayurveda und Wellness gehören ja längst auch dazu! Der wahre tiefere Sinn des Fitness- und Gesundheitsrummels ist der: Endlich, ENDLICH dürfen sie sich hemmungs- und pausenlos nur mit sich selber beschäftigen - ohne links und rechts zu schauen oder auch nur geradeaus: Gesundheit hat Vorfahrt. Seht nur, wie sie durch die Parks joggen und alles über den Haufen rennen, was nicht schnell genug zur Seite springt, hört, wie sie sich im Biomarkt mit den andern Kunden über die Wege ihrer Verdauung austauschen, beachtet, wie sie die paar verbliebenen Raucher mit Worten und Blicken züchtigen, die sich mit ihrem schädlichen Laster noch in die Öffentlichkeit wagen! Immer denken sie nur Ich! Ich! Ich!, aber sie dürfen so tun, als meinten sie Gemein- wohl und Volksgesundheit. Sie dürfen, indem sie ihr Liebstes hätscheln, sich fühlen als die besseren Menschen, wie eine ideelle Sitzblockade und permanente Lichterkette. Es ist das zehrende Selbst, das sich aufspielt als Zeuge Jehovas und ein lebendes Mahnmal den Sündigen. 
JE 



Samstag, 18. Juli 2015

Weil ich es mir wert bin.

aus beta.nzz.ch, 18.7.2015, 05:30 Uhr                                      Nix zu sehen

Permanente Selbstverwirklichung
Das bin ich mir wert
Mit der Zunahme des Wohlstands wächst der Wunsch, sich um mehr als das blosse Überleben zu kümmern. Doch macht die Beschäftigung mit den eigenen Bedürfnissen zufriedener?

von Seraina Kobler

Der obere Stock in einer grossen Schweizer Buchhandlung erinnert an eine Spielecke für Erwachsene: «Zen-color»-Mandalas verleihen angeblich Ruhe und Kraft. Wer es lieber gegenständlicher mag, greift zum Malbuch «Blumenmeer und Gartenzauber». Etwas weiter versprechen kleine und grosse Helfer wahlweise Ruhe («Yin-Yoga-Box mit Karten für individuelles Üben»), Gelassenheit («Warten – Erkundungen eines ungeliebten Zustandes») oder innere Freiheit («Die Kunst, sich selbst auszuhalten»). Regelmässig stürmen Bücher aus der Selbsthilfe-Abteilung die Schweizer Bestseller-Listen.

Leben mit Happy End

Hinter den Verkaufserfolgen steht die Sehnsucht nach einem glücklichen Leben. Verwundern tut dies nicht: Die Bewältigung des Alltags ist für viele zu einem Leistungssport geworden. Ähnlich wie die technischen Geräte, die der moderne Mensch immer bei sich trägt, soll auch er immer schneller und effizienter werden. Und das natürlich ganz «smart», also mit einer ausgewogenen «Work-Life-Balance». Dies bedeutet ein tägliches Aufeinander-Abstimmen von Familie, Freizeit, Partnerschaft und Arbeit. Bei der Navigation helfen Heftchen wie «Flow», eine Art «Landlust für Latte-Macchiato-Mädchen», wie der «Spiegel» schreibt. Thematisch verspricht das Magazin, das sich rund um Achtsamkeit, positive Psychologe und Selbstgemachtes dreht, den Rückzug in die Idylle. In den letzten zwei Jahren konnte die Auflage mehr als verdreifacht werden, auf heute 210 000 Exemplare. Zum Vergleich: Das deutsche Nachrichtenmagazin «Focus» verkauft Woche für Woche etwa 500 000 Hefte.

Die Hinwendung zum Selbst ist zu einem lukrativen Wirtschaftszweig geworden. Die Wartezimmer von Psychologen und Lebensberatern sind voll, die persönlichen To-do-Listen werden immer länger. Möglich macht dies eine grosse materielle und gesellschaftliche Freiheit, die sich in den letzten Jahrzehnten mit der Zunahme des Wohlstandes in der Schweiz entwickelt hat.


Ein guter Indikator für dessen Auswirkungen sind die Wünsche und Sorgen der Jugend. Dabei steht auch die Berufsarbeit zunehmend im Fokus, wie dasneuste Credit-Suisse-Jugendbarometer zeigt. Wer bei der Arbeit keine Freude empfinde, solle den Beruf wechseln, so das überwiegende Credo der Befragten. Grund dafür sind die tiefen Arbeitslosenzahlen, aber auch das Wissen um die soziale Absicherung. Nur eine Minderheit war der Ansicht, dass man froh sein könne, wenn man überhaupt einen Job habe. Das überwiegend positive Lebensgefühl der Jugend kommt nicht von ungefähr: Wir können alles schaffen, wenn wir uns nur genug bemühen, flüstert uns der Zeitgeist ein.

An Bedeutung gewinnt dabei zunehmend der Drang zur persönlichen Weiterentwicklung und bewussten Lebensführung. Der Stellenwert der Freizeit habe sich seit den 1970er Jahren substanziell verändert, schreiben die Soziologen Jürgen Mittag und Diana Wendland in einem Aufsatz. Infolge wirtschaftlich gesicherter Existenzgrundlagen hätten sich kollektive und individuelle Wertvorstellungen gewandelt. Während die Bedeutung materieller Sicherheit abnahm, gewannen Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung und Lebensqualität an Gewicht. Es zeichnen sich verstärkt Individualisierungstendenzen ab. 

Dabei vermischen sich die verschiedenen Lebensbereiche zusehends: Der Beruf muss erfüllen und Spass machen, Beschäftigungen in der Freizeit sollen den Status steigern. Beiden Lebensbereichen gemein ist die stärkere Fokussierung auf das eigene Ich und die sich daraus ergebenden Bedürfnisse. Das Angebot der Möglichkeiten kann den Sinnsuchenden mitunter verwirren. Fast monatlich werden etwa neue Yoga-Arten kreiert: auf einem Stand-up-Paddel-Board, schwebend in Tüchern oder zur Anregung der Hormone in den Wechseljahren. Reicht Bewegung nicht aus, empfiehlt sich ein Achtsamkeits-Seminar auf der Alp, am Strand einer Mittelmeerinsel oder das Züchten vergessener Tomatensorten im Schrebergarten – je nach Vorliebe. Bleibt dafür keine Zeit, gibt es wenigstens eine Anti-Stress-App fürs Smartphone.

Ego-zentrierte Gesellschaft

Für eine Gesellschaft birgt die Ego-Zentrierung Gefahren. Denn diese höhlt den Sinn für die soziale Verantwortung aus und kann zu einer Entsolidarisierung führen. Insbesondere dann, wenn die dauerhafte Beschäftigung mit dem eigenen Glück und dessen Konsum zu einer Abwendung vom Politischen führt. Der amerikanische Publizist David Brooks fordert in seinem neuen Buch eine radikale Kehrtwende: Weniger Egoismus und Selbstverwirklichung, dafür mehr Demut und Aufopferung. Die kapitalistische Logik habe «biblische Sünden» zu vielversprechenden Eigenschaften gemacht. Die von ihm formulierte Kritik an der einseitigen Ausrichtung auf das Ökonomische würde man von einem Verfechter liberal-konservativer Werte nicht unbedingt erwarten, schrieb die «NZZ am Sonntag» kürzlich. Klar ist: Lebenssinn lässt sich mit dem Ausmalen von Mandalas nicht erlangen. Er lässt sich höchstens gut verkaufen.

Eine Bewegung weg vom Individuum und zurück zur Gemeinschaft müsste dennoch bei den Privilegierten beginnen. Aus einem einfachen Grund: weil sie es sich leisten können.


Nota. - Nicht eine "Bewegung weg vom Individuum und zurück zur Gemeinschaft" ist angezeigt, sondern eine Bewegung weg vom zehrenden Selbst und hin zum sich-selbst-verantwortenden Ich. Es ist nicht wahr, dass - in welchem Sinne denn? - "Privilegierte" sich das eher leisten können als Otto Normalverbraucher. So war das, als der Proletarier seine Arbeitskraft jeden Tag aufs neue verkaufen musste bei Strafe des Hungertods für sich und seine Familie. So ist das schon lange nicht mehr im westlichen Wohlfahrtsstaat. Es muss niemand mehr verhun- gern und erfrieren, selbst wenn er nicht arbeiten will. Niemand ist so existenziell vom Elend bedroht, dass er ihm seine Würde opfern müsste. Die Frage ist immer nur, was sie ihm wert ist. 
JE



Freitag, 17. Juli 2015

Nuhr zu wahr.



Dieter Nuhr hat getwittert: "Meine Familie hat demokratisch abgestimmt: Der Hauskredit wird nicht zurückgezahlt. Ein Sieg des Volkswillens!" Da ist ein Shitstorm über ihn niedergeangen. 

Den kommentiert er in der heutigen FAZ. Er schließt:

"Der Zivilisation fehlt in der Anonymität des Virtuellen ihre wichtigste Grundlage: die Haftbarkeit des Einzelnen. Die Erfindung des Individuums als haftbare, sein eigenes Handeln verantwortende Person war die Voraussetzung für die Errichtung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer großen Errungenschaften: Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde. Die anonymen Massenaufläufe im Internet entheben den Einzelnen aus der bürgerlichen Verantwortlichkeit.

Die pöbelnde Masse tritt heute wieder selbstbewusst als Handelnder auf. Die Anonymität des Internets bedeutet insofern einen zivilisatorischen Rückschritt in Richtung Faschismus und Mittelalter, Pogrom und Hexenverbrennung. Es ist die Aufgabe der kommenden Jahrzehnte, unter den Akteuren im Internet eine Kultur der Aufklärung zu schaffen, um die digitale Welt in ein bürgerliches Zeitalter zu überführen."

Ich kann ihm nur zustimmen.



Dienstag, 14. Juli 2015

Nun also doch: Griechenland.




Hätte ich mich schon früher zu Griechenland äußern sollen?

Ich werde mich nicht klüger geben, als ich bin. Von Wirtschaftspolitik verstehe ich wenig, von Finanzpolitik gar nichts, und so werde ich auch hinterher nicht den Naseweis spielen.

Doch so, dass mir gar nichts einfiele, ist es nun auch nicht. Ich denke, wenn ein Oberster Strippenzieher, der zwar an den Umständen nichts ändern kann, aber alle Akteure an der Leine hält, dieses Stück hätte inszenieren müssen, hätte er es nicht besser gekonnt. Nicht nur die griechische Regierung muss vor ihren Wählern bestehen, die andern Regierungen müssen es auch. Jeder muss glaubhaft machen, dass er bis ans Äußerste gegangen ist, was er seinem Land zumuten kann.

So viel nach innen. Nach außen musste Europa glaubhaft machen - nicht: glauben machen -, dass es keinen der seinen, und wenn er ihm noch so auf der Nase getanzt hat, untergehen lässt. Um des Erhalts der Union willen; aber der ist jeder von ihnen aus Eigeninteresse beigetreten, und aus Eigeninteresse müssen sie sie erhalten. Und es muss glaubhaft machen, dass es sich nicht ewig auf der Nase tanzen und dann auch noch erpressen lässt.

Das sind alles nur politische Erwägungen und keine wirtschaftlichen? Das hört sich so an, als wäre Wirtschaft etwas handfest Reales und Politik Laune und Phantasie. Dabei ist die wirtschaftliche Verflechtung Europas längst viel enger als seine politische Einigung, und noch nie war es umgekehrt. Ob die Einführung einer gemeinsamen Wäh- rung ökonomisch gesehen verfrüht war, mag man diskutieren, aber die politischen Erwägungen, die sie forciert haben, waren gewichtig. Und nun haben wir sie, sie wieder abzuschaffen würde tausendmal mehr Unwägbarkeiten zeitigen, als ihre Bewahrung auch unter widrigen Umständen.


Der Euro ist ja nicht durch seine eigenen Regeln in Bedrängnis gekommen, sondern weil Griechenland sich seiner- zeit regelwidrig eingeschlichen hat. Das haben die andern Regierungen nicht gewusst, aber sie hätten es wissen können. Nur fand sich damals wohl keiner bereit, so wie Schäuble heute den europäischen Sittenwart zu spielen; und das war nicht gut so, stimmt's? Das griechische Volk hat es vielleicht nicht wissen können, aber ob es das wissen wollte, steht in den Sternen. Die Vorteile waren zu offenkundig, wer konnte da widerstehen!

Ja ja, die früheren Regierungen waren schuld. Aber Griechenland ist schon seit langem wieder ein demokratisches Land, die Griechen haben ihre Regierungen selber gewählt. Mehr als abwählen konnten sie sie nicht, das ist wohl wahr, und es ist nicht gerecht, dass nun der Kleine Mann die Zeche bezahlen soll. Aber wäre es gerecht, wenn Andere sie zahlen müssten? "Die Reichen sollen zahlen, die haben sich die doch Taschen am vollsten gestopft!" Und mit diesem Versprechen hat Syriza die Wahlen gewonnen. Aber unternommen hat die neue Regierung nichts in diese Richtung.

An der Stelle ein Wort zur sich noch immer so nennenden Linken. Die Machtergreifung der Arbeiterklasse und die Diktatur des Proletariats wurden für Griechenland nicht in Vorschlag gebracht. Aber ein wirklicher Systemwechsel wäre nur dies gewesen. Es mit der Weltrevolution doch nochmal versuchen, das ist die einzig denkbare radikale Al- ternative. Ich kann verstehen, dass das keiner mehr riskieren will. Aber dann bleiben eben nur kleine Alternativen und Basteln am Detail. Und dass man das griechische Volk nicht in die Verelendung treiben darf, wissen auch die europäischen Regierungen, und nicht aus Barmherzigkeit, sondern aus Eigeninteresse. Alles in Allem - wenn ein oberster Strippenzieher die Regie geführt hätte, wäre das Schauspiel kaum anders ausgefallen; und wäre auch nicht rascher über die Bühne gegangen, denn nur wenn es bis zum allerletzten Moment dauerte, konnten alle glaubhaft bleiben.

Und natürlich geht das Basteln am Detail jetzt überhaupt erst los, wo sollen die 50 Phantastilliarden* für den Treu- handfonds denn herkommen, wollen sie das Parthenon nach Las Vegas verhökern oder nach Shanghai? - Entschie- den ist ja momentan nur, dass die Griechen wirklich nicht aus dem Euro rauswollen und dass die anderen sie wirk- lich nicht rauswerfen. Das war bislang nicht sicher und musste der Welt erst glaubhaft gemacht werden. Darum war das Theater nicht überflüssig, sondern unverzichtbar; "alternativlos", wie jemand sagen würde.


*) so nennt sie die FAZ



Samstag, 11. Juli 2015

Beginn des Werkzeugbaus.

bearbeiteter Stein vom Turkana-See
aus beta.nzz.ch, 20.5.2015, 19:04 Uhr 

Verhaltensevolution 
Älteste Steinwerkzeuge entdeckt 
In Kenya haben Wissenschafter etwa 3,3 Millionen Jahre alte Werkzeuge aus Stein gefunden. Die Entdeckung wirft neue Fragen zu unseren Vorfahren auf. 

Die Vorfahren des Menschen haben vermutlich schon viel früher als bisher angenommen einfachste Steinwerkzeuge angefertigt. So fanden Archäologen der amerikanischen Stony-Brook-Universität Hammersteine und andere bearbeitete Steine in der Nähe des Turkana-Sees im Norden Kenyas, die 3,3 Millionen Jahre alt sein sollen. Die Forscher stellen ihre Entdeckung in der Fachzeitschrift «Nature» vor. 

800 000 Jahre älter als bisherige Funde 

Die bisher ältesten bekannten Steinwerkzeuge schreiben Experten der Oldowan-Kultur vor 2,5 Millionen Jahren zu. Der Name «Oldowan» leitet sich von einer Schlucht in Afrika ab, in der viele Fossilien und Werkzeuge entdeckt worden waren. Diese Steinwerkzeuge erschienen aber bereits zu ausgefeilt, um Zeugnisse der ersten Versuche unserer Vorfahren zu sein, solche Werkzeuge herzustellen, wie die Archäologin Erella Hovers von der Hebrew-Universität in Jerusalem in einem Begleitkommentar zur Studie schreibt. 

Gemäss Untersuchungen datieren die neuen Funde nun auf 800 000 Jahre früher. Sie stellen damit die Ansicht infrage, dass erst die direkten Vorfahren des modernen Menschen, die nach heutigen Kenntnissen vor etwa 2,8 Millionen Jahren auftraten, in der Lage waren, scharfkantige Werkzeuge herzustellen. 

Hinweise auf kognitive Entwicklung 

Insgesamt fanden die Forscher 149 steinerne Artefakte in dem Gebiet, das sie «Lomekwi 3» nannten; von Hammersteinen bis hin zu Amboss-artigen Steinen, die jedoch alle technisch weniger ausgefeilt sind als die Oldowan-Funde. 

Dennoch können die Werkzeuge Aufschluss über die Evolution des menschlichen Hirns geben. Denn für die Herstellung von Werkzeugen ist eine bestimmte Kontrolle der Handmotorik nötig, die entsprechend vor 3,3 Millionen Jahren entstanden sein könnte. 

Die Funde geben «Aufschluss über einen unerwarteten und bisher unbekannten Zeitraum homininen Verhaltens», wie Sonia Harmand von der Stony-Brook-Universität in einer Mitteilung erklärt. Als Hominini wird eine Gruppe von Menschenaffen bezeichnet, die sowohl moderne Menschen (Homo sapiens) als auch unsere ausgestorbenen Vorfahren umfasst. 

Möglicher Werkzeugbauer 

Anthropologen gingen lange davon aus, dass unsere Verwandten aus der Gattung Homo die Ersten waren, die Werkzeuge herstellen konnten. Nun mehren sich allerdings die Hinweise, dass schon frühere Zweige der Hominini, quasi unsere entfernten Cousins, dazu in der Lage waren. 

So wurden nahe den Werkzeugfunden der Schädel und weitere Überreste eines 3,3 Millionen Jahre alten, homininen Fossils (Kenyanthropus platytops) entdeckt. 

Da der genaue Stammbaum des Menschen noch unklar ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, wie Kenyanthropus platytops genau mit anderen homininen Spezies verwandt ist. Für die Archäologen könnte er jedoch einer der möglichen Werkzeugbauer sein. 

Diverse Anwendungen 

Doch nicht nur das Alter der Werkzeuge, sondern auch ihre Fundstelle überraschte die Forscher: So ergaben Analysen, dass das Gebiet früher eine Strauch-Baum-Landschaft war. Laut bisherigen Hypothesen führten klimatische Veränderungen zur Verbreitung von Savannen und damit zu einer ganz anderen Tierwelt. 

Die Entwicklung von Werkzeugen sei eine Reaktion unserer Vorfahren auf das veränderte Nahrungsangebot gewesen, so die Theorie: Sie hätten scharfkantige Steine angefertigt, um damit Fleisch aus Tierkadavern zu schneiden. 

Grösse und Kerben der nun gefundenen Werkzeuge deuteten aber darauf hin, dass unsere Ahnen sie auch anders verwendeten – gerade in einer waldigen Umgebung mit vielen Pflanzen, meint der an der Ausgrabung beteiligte Anthropologe Jason Lewis von der Rutgers-Universität aus dem US-Gliedstaat New Jersey. So könnten sie mit den bearbeiteten Steinen Nüsse oder Wurzelknollen geknackt haben. 

Isolierte Ereignisse 

In ihrem Kommentar zur Studie warnt Hovers aber vor voreiligen Schlüssen. Alter und Aussehen der Funde forderten zwar dazu auf, die bisherigen Modelle über das Zusammenspiel aus Umweltveränderungen, menschlicher Evolution und technologischem Verhalten neu zu bewerten. Ähnlich wie Ausgrabungen von Tierknochen, die auf 3,4 Millionen Jahre datiert wurden und möglicherweise Schnittspuren von Steinwerkzeugen tragen, handle es sich bei den neuen Funden um ein isoliertes Ereignis. Um daraus Neuerungen in der homininen Verhaltensevolution abzuleiten, müssten weitere Untersuchungen folgen und Lücken im zeitlichen Ablauf mit Daten gefüllt werden.

Nota. -  Dass der Gebrauch von Werkzeugen kein menschliches Privileg ist, gehört inzwischen zur Allge- meinbildung. Menschenaffen, Rabenvögel, Seeotter und wer weiß, wer sonst noch... Doch Werkzeuge selber herstellen, das kann nur der Mensch. Es ist, evolutiv betrachtet, der größere Schritt, und anthropolo- gisch betrachtet der entscheidende: Durch das Herstellen von Werkzeug wird der Mensch zum Menschen, es ist "die erste geschichtliche Tat", wie Karl Marx es nennt, denn damit tritt der Mensch über seine Naturgren- ze hinaus: Er beginnt, seine Bedürfnisse selber zu schaffen! Denn aus dem gelegentlichen Bedürfnis nach einem Werkzeug wird so ein systematisches Bedürfnis nach Werkzeugen und ein Bedürfnis nach immer besseren Werkzeugen. Es beginnt unsere Geschichte.
JE