Sonntag, 31. Januar 2021

Heute vor 92 Jahren.

 

aus welt.de, 31. 1. 2021                               Leo Trotzki alias Lew Bronstein (1879–1940), Berufsrevolutionär, muss ins Exil

So rechnete Stalin mit seinem schärfsten Gegner ab
Am 31. Januar 1929 wurde der Revolutionär und Schöpfer der Roten Armee, Leo Trotzki, aus der Sowjetunion ausgewiesen. Er begann eine elfjährige Odyssee durch verschiedene Länder, gejagt von Mordkommandos seines Erzfeindes Stalin.
Die Gerüchteküche brodelte. Seit Anfang des Jahres 1929 gab es immer mehr Meldungen in deutsch- wie englischsprachigen Blättern über die Zukunft von Leo Trotzki. Seit gut einem Jahr lebte der ehemals nach Lenin (und vor Stalin) mächtigste Mann der Sowjetunion in der Verbannung in Alma-Ata, der Hauptstadt der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Doch nun mehrten sich Berichte, denen zufolge der Schöpfer der Roten Armee und Sieger im Russischen Bürgerkrieg die UdSSR endgültig verlassen sollte. 
 

Am 31. Januar 1929, einem Donnerstag, war es so weit: Trotzki wurde formal aus dem Machtgebiet Stalins ausgewiesen. Doch was war sein Ziel? Der deutschsprachige „Revaler Bote“ meldete, der Revolutionär wolle nach Deutschland kommen; die Reichsregierung werde diesem Wunsche nicht entgegentreten, sofern er als „einfacher Ausländer“ komme und sich den „deutschen Gesetzen unterwerfen wolle“. Doch in der gleichen Nummer druckte das Blatt ein Dementi aus Berlin: Man habe sich mit der Causa Trotzki „noch nicht befasst“, ließ die Pressestelle der Reichsregierung in Berlin verlauten.



Der Organisator der Roten Armee.

Der „Manchester Guardian“ veröffentlichte am selben Tag andere Informationen: Trotzki habe sich mit seiner Familie auf den Weg in die Türkei gemacht. Zuvor habe der prominen-teste Kommunist der Welt offiziell in Ankara (damals noch „Angora“ geschrieben) angefragt, ob seine Einreise genehmigt würde. Kemal Atatürk, der starke Mann der laizistischen Türki-schen Republik, habe das zugesagt. Er gewährte ihm anschließend sogar politisches Asyl, auf der Insel Büyükada, einem beliebten Erholungsort in der Nähe von Istanbul.

Trotzki, geboren als Lew Bronstein 1879 in der heutigen Ukraine, war bereits seit etwa seinem 17. Lebensjahr Sozialist und Revolutionär. Mit noch nicht einmal 20 Jahren wurde er 1899 erstmals in Verbannung geschickt. Seit 1902 nannte er sich Trotzki – das war der Name auf seinem gefälschten Pass, mit dem er aus der Verbannung floh. Kurz darauf traf er in London Lenin und wurde schließlich sein engster und wichtigster Mitarbeiter: ein Berufsrevolutionär.


Trotzki 1940 in Mexiko

Doch nach deren Sieg wandte sich ebendiese Revolution gegen Trotzki – und zwar in Gestalt von Josef Stalin, dem Generalsekretär der KPdSU. Mit seiner Kombination aus absoluter Rücksichtslosigkeit (über die Trotzki allerdings ebenso verfügte) und geschicktem Spiel mit Loyalität wie Angst schaffte er es, die Männer aus dem einst engsten Kreis um den 1924 verstorbenen Revolutionsführer Lenin von der Macht zu verdrängen – erst aus ihren Posi-tionen in Regierung und Partei, dann aus der Partei selbst, anschließend in die Verbannung, schließlich oft, wie im Falle Trotzkis, ins Exil.

Für Trotzki war der 31. Januar 1929 der Beginn einer unsteten Reise. Spätestens seit 1932 verfolgten Mordkommandos auf Befehl aus Moskau ihn. Er musste die Türkei verlassen, lebte nacheinander in Frankreich und Oslo, schließlich ab 1937 in Mexiko-Stadt. Hier gab es am 24. Mai 1940 einen Überfall auf sein Haus, ausgeführt von mehreren als Polizisten verkleideten Agenten.

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Drei Monate später, am 20. August 1940, folgte der nächste Anschlag, diesmal ausgeführt von dem Spanier Ramón Mercader. Er hatte sich seit 1938 gezielt in die Nähe des Exilanten vor-gearbeitet – und nun schlug er einen Eispickel in seinen Schädel. An dieser Wunde starb Trotzki nach gut elf Jahren im Exil am 21. August 1940.


 

Donnerstag, 28. Januar 2021

Judenvertreibung und Vernichtung in Österreich.


aus nzz.ch, 25.01.2021                           Zwischen 1938 und 1945 wurden etwa 65 000 österreichische Juden ermordet. Seit 2000 erinnert am Judenplatz in Wien ein Mahnmal der britischen Künstlerin Rachel Whitehead an die Opfer.

Verhaftet, vertrieben und verbrannt: 
Vor 600 Jahren machten die Juden in Österreich eine traumatische Erfahrung 
Im Mittelalter war Wien ein Ort der jüdischen Gelehrsamkeit. Doch 1421 ordnete Albrecht V. die Vernichtung der Juden an. Der damaligen Katastrophe sollten weitere folgen – nur durch öffentliche Erinnerung sind Lehren aus der Leidens-geschichte zu ziehen.
 
von Jan-Heiner Tück
 
Der Judenplatz im ersten Wiener Gemeindebezirk ist ein vielschichtiger Erinnerungsort. Er hält einschneidende Daten der jüdischen Leidensgeschichte in Wien präsent. Das erste Trauma ist die Wiener Gesera, die Vertreibung und Ermordung der Juden durch Herzog Albrecht V. im Jahr 1421. Das zweite Trauma ist das Pogrom, das Kaiser Leopold I. 1670 veranlasste, um die Juden für vermeintliche Verbrechen zu strafen. Das dritte Trauma ist die Deportation und Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten. Der Judenhass, der sich immer wieder in barbarischen Exzessen entlud, hat viele Ursachen. Neben ökonomischen und sozialen spielen religiöse Motive eine wichtige Rolle.

Im Mittelalter genossen die Juden im Herzogtum Österreich zunächst relativen Schutz. Das jüdische Leben konnte sich entfalten. Von den Zünften ausgeschlossen, fokussierten sich Juden auf Geldverleih und Handel. Sie gelangten teilweise zu erheblichem Wohlstand. Der Judenplatz in Wien war das Zentrum des jüdischen Lebens. In der Nachbarschaft zur herzoglichen Residenz «Am Hof» gab es neben einer Synagoge und einem Spital auch eine Schule. Wien war ein Ort jüdischer Gelehrsamkeit, an dem so renommierte Rabbiner wie Isaak ben Mose wirkten.

Herzog Albrecht V. (1397–1439) knüpfte zunächst an die moderate Judenpolitik seiner Vorgänger an, vollzog in den Jahren 1420/21 aber eine radikale Kehrtwende, als er die Inhaftierung, Vertreibung und Vernichtung der Juden anordnete, wenn diese die Taufe verweigerten. Die antijüdische Barbarei erreichte ihren Kulminationspunkt, als am 12. März 1421 die letzten in Wien verbliebenen Juden auf einer Wiese nahe der Donau auf einem Scheiterhaufen zusammengetrieben und bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. 92 Männer und 120 Frauen. Die Asche der Verbrannten soll anschliessend nach Gold und Schmuck durchsucht worden sein.

Nach der «Gesera», dem jüdischen Bericht über dieses Pogrom aus dem 16. Jahrhundert, soll es zuvor in der Synagoge zu einer kollektiven Selbstverbrennung gekommen sein. Die bedrängten Juden hätten sich der Zwangstaufe widersetzt und so ein leuchtendes Beispiel für die Heiligung des göttlichen Namens gegeben. Obwohl es unter den Inhaftierten vereinzelt zu Selbsttötungen kam, ist sich die Forschung einig, dass mit dem Massensuizid ein Topos der jüdischen Märtyrertheologie aufgenommen wird, um die Juden in ihrer Standhaftigkeit zu stärken. Eine Selbstverbrennung ist aus anderen Quellen nicht belegt.

Das sogenannte Jordanhaus am Judenplatz erinnert bis heute an die Schrecken der Gesera. In die Fassade ist ein Relief mit der Taufe Jesu eingelassen. Eine lateinische Inschrift verbindet die biblische Szene mit der Verbrennung der Juden und bietet folgende Deutung: «Durch die Fluten des Jordan wurden die Leiber von Schmutz und Übel gereinigt. Alles weicht, was verborgen ist und sündhaft. So erhob sich 1421 die Flamme des Hasses, wütete durch die ganze Stadt und sühnte die furchtbaren Verbrechen der Hebräerhunde. Wie damals die Welt durch die Sintflut gereinigt wurde, so sind durch das Wüten des Feuers alle Strafen verbüsst.»

Religiöse und ökonomische Motive

Der Kommentar bietet theologisch aufgeladene Hassrede. Die Juden werden durch eine gezielte Dehumanisierungsstrategie zu Tieren degradiert und als «Hebräerhunde» bezeichnet. Wie die Taufe am Jordan die Sünden wegwäscht, so soll der Brand in Wien die «furchtbaren Verbrechen» tilgen, welche die Juden begangen haben sollen. Neben ökonomischem Neid – der «Luxus» der Juden wurde von ihren Schuldnern gerne angeprangert – spielen hier religiöse Motive hinein.

Der klassische Antijudaismus zählt zu den «Verbrechen» der Juden, dass sie den Messias verworfen haben. Seit der Osterpredigt des Melito von Sardes im 2. Jahrhundert ist der Vorwurf des «Gottesmordes» geläufig. Das Dekret Albrechts, das im März 1421 die Ermordung der Juden verfügt, führt einen Hostienfrevel an. In Enns an der Donau soll sich ein reicher Jude gegen Geld Zugang zum heiligen Altarsakrament verschafft und dieses mit anderen Glaubensgenossen entweiht haben. Dieses fingierte Sakrileg wird zur Rechtfertigung der antijüdischen Massnahmen herangezogen.

Schliesslich wird der politische Verdacht lanciert, die Juden hätten mit den Hussiten kollaboriert, die sich in Böhmen gegen Kirche und König erhoben hatten, Kelchkommunion praktizierten und weitreichende Kirchenreformen in Gang gesetzt hatten. Dieses Gerücht einer Verbrüderung mit den aufständischen Hussiten wurde in der Wiener Theologischen Fakultät aufgegriffen und gezielt zugespitzt, um die Juden als Verräter und untreue Untertanen des Herzogs zu brandmarken.

Albrecht selbst war in Böhmen in militärische Auseinandersetzungen mit den Hussiten verwickelt, auch brauchte er enorme Summen, um die Verpflichtungen seines Heiratsvertrags erfüllen zu können. Ihm kam das Gerücht entgegen, die Juden würden mit den Hussiten paktieren. Die Konfiszierung von Geld und Besitz konnte er so als gerechte Strafe für jüdische «Verbrechen» hinstellen. Mit der Ausschaltung seiner Gläubiger waren seine finanziellen Probleme gelöst. In der Forschung ist allerdings umstritten, ob es nur wirtschaftliche oder nicht vielmehr auch religiöse Gründe waren, die Albrecht zur Wende in der Judenpolitik veranlasst haben.

Kirche ersetzt Synagoge

Die Wiener Gesera von 1421 markiert einen Bruch in der jüdischen Geschichte, die nach dem Basler Judaisten Alfred Bodenheimer «ungebrochen gebrochen» mit Traumata konfrontiert ist. Gleichwohl kann sich das jüdische Leben in Wien nach und nach erholen. Vor den Mauern der Stadt, in der Unteren Werd, erfolgte eine neue Ansiedlung. König Ferdinand I. gewährte den Juden das Privileg, Handel und Geldverleih zu betreiben, im Ghetto wurde eine neue Synagoge errichtet.

Doch Kaiser Leopold I. (1640–1704) erliess 1670 ein Edikt, das erneut die Vertreibung der Juden verfügte, ein Ereignis, das als die zweite Wiener Gesera ins kollektive Gedächtnis der Juden einging. Der Einfluss seiner streng katholischen Gattin Margarita Theresa von Spanien, die antijüdische Einstellung des damaligen Bischofs, aber auch das Drängen des Jesuiten und kaiserlichen Beichtvaters Emerich von Sinelli stehen im Hintergrund des Edikts. Auf dem Platz der zerstörten neuen Synagoge im Unteren Werd wurde die Leopoldskirche errichtet. Eine lateinische Inschrift über dem Portal, die bis heute erhalten ist, hält die Umwandlung fest. Die Kirche als das «neue Israel» tritt an die Stelle der alten Synagoge.

1670 verfügte ein Edikt die erneute Vertreibung der Juden. Hier ist ihr Auszug aus Wien abgebildet.

An das dritte Trauma der jüdischen Leidensgeschichte erinnert am Judenplatz das Mahnmal der Shoah-Opfer Österreichs, das von der britischen Bildhauerin Rachel Whitehead gestaltet und im Jahr 2000 eingeweiht wurde. Während der NS-Herrschaft zwischen 1938 und 1945 wurden in Österreich etwa 65 000 Juden aus ihren Wohnungen vertrieben, in Konzentrationslager deportiert und umgebracht. Das Mahnmal dokumentiert 45 Ortsnamen von Vernichtungslagern und bietet eine europäische Topografie des NS-Terrors. Zugleich erinnert es an das Judentum als Religion des Buches. 65 000 nach aussen gekehrte Bücher stehen für die ungeschriebenen Lebensgeschichten der jüdischen Opfer, deren Namen in einem Archiv des Jüdischen Museums verzeichnet sind.

Aus der Geschichte lernen

Die Mitschuld der katholischen Kirche an den judenfeindlichen Massnahmen liegt auf der Hand. Die Wiener Theologen zur Zeit der ersten Gesera ziehen den Vorwurf auf sich, an der Stimmungsmache gegen Juden mitgewirkt zu haben und den grausamen Plänen des Herzogs nicht entgegengetreten zu sein, obwohl ein päpstliches Verbot vorlag, das Zwangstaufen an Juden untersagte. Bei der zweiten Wiener Gesera 1670 spielt wiederum die antijüdische Haltung der Kirche eine zentrale Rolle, hohe Kleriker stehen als treibende Kraft hinter dem Edikt Leopolds. Auch die Nationalsozialisten haben trotz ihrer kirchenfeindlichen Politik antijüdische Stereotype der christlichen Predigt gerne aufgenommen und sie rassenideologisch verschärft.

Der Judenplatz dokumentiert nicht nur das Versagen, sondern auch das Umdenken der katholischen Kirche. Bereits 1998 hat der Wiener Erzbischof, Christoph Kardinal Schönborn, nahe dem Jordanhaus eine Inschrift anbringen lassen, welche die Schuld der Christen an der ersten Wiener Gesera, aber auch während der Zeit des «Dritten Reiches» öffentlich einräumt. Anlässlich der 350-jährigen Wiederkehr der zweiten Gesera hat Schönborn im vergangenen Jahr einen eindringlichen Brief an den Präsidenten der Israelitischen Religionsgemeinschaft, Oskar Deutsch, geschrieben und in allen Kirchen der Erzdiözese Wien eine Fürbitte verlesen lassen, die den Juden Bestand und Wachstum in Frieden wünscht und sie dem Segen des allmächtigen Gottes anvertraut. Bei den jüngsten Attacken gegen Rabbiner haben sich die Bischöfe Österreichs umgehend solidarisiert.

Aus der Geschichte kann man lernen, dass aus der Geschichte nichts gelernt worden ist, lautet eine zynische Devise. Diese Devise, die sich auf die periodisch aufflackernde Gewalt gegen Juden stützen könnte, lässt sich 2021 anlässlich des 600-Jahr-Jubiläums der ersten Wiener Gesara nur widerlegen, wenn die jüdischen Traumata öffentlich in Erinnerung gerufen werden. So kann aus der Erinnerungssolidarität mit den damaligen jüdischen Opfern eine Quelle erhöhter Wachsamkeit gegen neu aufkeimenden Antisemitismus werden.

Über öffentliche Schuldgeständnisse und Solidaritätsgesten hinaus ist die akademische Theologie gefordert, das klassische Überbietungsdenken zu überwinden. Bildprogramme, welche die triumphal lächelnde Ekklesia auf die verblendete Synagoge herabschauen lassen, oder Substitutionstheologien, welche die Kirche als das «neue Israel» profilieren, haben eine ruinöse Wirkungsgeschichte gehabt.

Demgegenüber gilt es heute, die bleibende theologische Würde Israels anzuerkennen und das Gespräch auf Augenhöhe zu führen. Schulter an Schulter sollten Juden und Christen Zeugnis für den einen Gott ablegen und an die Zehn Gebote als Richtschnur des Handelns erinnern. Auch könnten sie die Hoffnung auf die kommende Welt deutlicher ins Wort bringen, um den flinken Advokaten der Diesseitsvertröstung nicht widerstandslos das Feld zu überlassen.

Jan-Heiner Tück ist Professor am Institut für Systematische Theologie der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. 2020 ist im Herder-Verlag sein Buch «Gelobt seist du, Niemand. Paul Celans Dichtung – eine theologische Provokation» erschienen.

 

Nota. - Was soll so ein Eintrag am Tag nach dem 27. Januar? Zeigen, dass Judenverfolgung schon immer gang und gäbe war, und der nationalsozialistische Völkermord nur der traurige Höhepunkt einer ansonsten fast normalen Sache? Das würde ihn, trivialisierend, verharmlo-sen. Der Versuch der großindustriellen Ausrottung einer ganzen Ethnie war aber einzigartig. Während der peloponnesischen Kriege pflegten die Sieger keine Gefangenen zu machen, sondern die unterlegene Polis wurde schlicht und einfach massakriert. Kein Überlebender sollte auf Rache sinnen können. Die Mongolen unter Timur Lenk verfuhren nicht anders; sie wollten keine Kolonien errichten, sondern Beute machen.

Der nationalsozialistische Völkermord war anders, weil die Juden anders sind. 

Sie sind eine Volksgruppe, weil sie eine Bekenntnisgemeinschaft sind, aber eine Bekenntnis-gemeinschaft, weil sie ein Volk sind. Weder wollen sie ein anderes Volk beherrschen, noch wollen sie ihren Glauben verbreiten. Sie wollen für sich bleiben, denn dazu wurden sie aus-erwählt. Von Andern konnten sie über Jahrtausende nur ausgeschlossen werden, weil sie sich selber ausgeschlossen haben. Ghetto heißt ein Inselchen in der Lagune von Venedig, dort siedelten sich Juden an und waren unter sich und hatten das Privileg (!), nach ihrem eigenen Gesetz zu leben und nicht nach den Gesetzen der christlichen Republik Venedig. Das wurde zum Namensgeber für die Existenz des jüdischen Volks im Abendland.

Da sie als Händler und namentlich als Geldwechsler und Verleiher den Mächtigen der christ-lichen Staatengebilde nützlich waren, weil Christen verboten war, Zinsen zu nehmen und um-sonst auch der frömmste Christ nix borgen mag, gewährten sie ihnen Privilegien, die sie über das gewöhnliche Volk erhoben und es ihnen zum Feind machten. Ihre Sonderstellung als Eth-nie beruhte auf ihrer Sonderstellung als Kultusgemeinde.

Doch ihre Sonderstellung in der christlichen Gesellschaft war real. Als die europäischen Ge-sellschaften immer weniger christlich und immer sekulärer wurden, verstand sich die Sonder-stellung der Juden immer weniger wie von selbst, und revolutionäre Köpfe wie Johann G. Fichte und der getaufte Jude Karl Marx erkannten "die Judenfrage" als gelöst, sobald nur die Juden auf ihre exklusiven Gemeindegesetze verzichten und sich dem allgemeinen bürgerlichen Recht unterwerfen würden.

Was dann im Lauf des neunzehnten Jahrhunderts weitgehend geschehen ist - die bürgerliche Judenemanzipation hat stattgefunden. Doch hätten sie sich über Nacht alle taufen lassen: Von Grundbesitz und von zünftigem Handwerk waren sie wegen ihres Glaubens seit Jahrhunder-ten ausgeschlossen worden. Sie hatten Handel treiben und Zinsen nehmen dürfen, doch wenn sie dafür nicht die nötigen Mittel besaßen, blieben ihnen nur unzünftige Tagelöhnerarbeiten oder noch ehrlosere Erwerbsweisen. 

Eine soziale Judenemanzipation hat nie stattgefunden. Noch in der Arbeiterbewegung, die in den jüdischen Gemeinden naturgemäß nie den Ton angeben konnte, gab es andereseits stets jüdische Sonderbünde, die sich doch nur ethnisch oder religiös definieren konnten. Unterm Strich: Um Bürger zu werden "wie alle andern", wurde ihnen zugemutet, aufzuhören, ethnisch oder konfessionell Juden zu sein

Sie waren in den sich ausbildenden Massengesellschaften die sich-selbst-isolierende Minderheit par excellence. Wer immer einen Sündenbock brauchte, musste nicht suchen; er bot sich ihm an.

Bis hierhin reicht die Berichterstattung des gesunden Menschenverstands. Weiter nicht. Ver-stehe, wer kann.

JE


Dienstag, 26. Januar 2021

Als das ägyptische Getreide ausblieb.

 

aus derStandard.at, 25. Jänner 2021                                                                                                  Ruinen von Soknopaiou Nesos, einem in der Spätantike untergegangenen Dorf im ägyptischen Fayum-Gebiet

Spätantiker Klimawandel löste Massenauswanderung und Siedlungssterben aus
Forscher führten Niedergang im Fayum-Gebiet auf schwächelnden Monsun im Quellgebieten des Nils im äthiopischen Hochland zurück

Das spätantike Ägypten hatte in einigen Regionen mit Klimaschwankungen zu kämpfen, denen sogar ganze Siedlungen zum Opfer fielen. Eigentlich galt das oasenartige Fayum-Gebiet rund 130 Kilometer südwestlich von Kairo als Kornkammer des römischen Reichs. Und doch verfielen dort gegen Ende des dritten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung mehrere ehemals blühende Siedlungen. Die Bewohner waren ausgewandert, weil sie Probleme bei der Bewäs-serung ihrer Felder hatten – das geht zumindest aus bisherigen Ausgrabungen und zeitgenös-sischen Papyri hervor.

 

 

Ein Team um die Althistorikerin Sabine Huebner von der Universität Basel konnte nun die Ursachen hinter dem landwirtschaftlichen Niedergang bestimmen: Im Fachjournal "Studies in Late Antiquity" berichten sie von veränderten Umweltbedingungen in weit im Süden liegenden Regionen, die sich auf die Fruchtbarkeit im Fayum-Gebiet auswirkte.

Schwächelnder Monsun

Die Untersuchung bestehender Klimadaten weisen darauf hin, dass sich der Monsunregen in den Quellgebieten des Nils im äthiopischen Hochland plötzlich und andauernd abschwächte. Die Folge davon waren niedrigere Hochwasserstände des Stroms im Sommer. Dies belegen geologische Sedimente aus dem Nildelta, dem Fayum und dem äthiopischen Hochland, die langjährige Klimadaten über den Monsun und den Wasserstand des Nils liefern.

Vermutlich ebenfalls eine Rolle gespielt hat dabei ein starker tropischer Vulkanausbruch um 266, der im Folgejahr eine unterdurchschnittlich schwache Nilflut mit sich brachte. Größere Eruptionen sind aus Schwefelsäureablagerungen in Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis bekannt und bis auf drei Jahre genau datierbar. Dabei führen jeweils bis in die Stra-tosphäre geschleuderte Teilchen zu einer Klimaabkühlung und bringen dadurch das lokale Monsunsystem durcheinander.

Anpassung an die geänderten Bedingungen

Im dritten Jahrhundert war das ganze römische Reich von Krisen betroffen, die in der Provinz Ägypten durch über 26.000 erhaltene beschriebene Papyri relativ gut dokumentiert sind. Für das Fayum-Gebiet finden sich darauf Aufzeichnungen von Bewohnern, die wegen der Wasser-knappheit Wein statt Getreide anbauten oder auf Schafhaltung umstellten. Andere beschuldig-ten ihre Nachbarn des Wasserdiebstahls oder wandten sich für Steuererleichterungen an die römischen Behörden. Diese und weitere Anpassungsstrategien der Bevölkerung zögerten das Sterben der Dörfer über mehrere Jahrzehnte hinaus.

"Wie auch heute waren die Folgen des Klimawandels nicht überall die gleichen", sagt Huebner. Während Regionen an den Rändern der Wüste stark mit der Trockenheit konfrontiert waren, hätten andere von den Zuzügen aus den aufgegebenen Dörfern eher profitiert. "Neues Wissen über das Zusammenwirken von Klima, Umweltveränderungen und gesellschaftlichen Ent-wicklungen ist daher hoch aktuell." Der Klimawandel der Spätantike wurde indes nicht – wie der heutige – überwiegend vom Menschen verursacht, sondern beruhte auf natürlichen Schwankungen. (red.)

Montag, 25. Januar 2021

Ausgezwitschert.

Es ist schon ganz in Ordnung, dass Twitter & Co. einem amerikanischen Präsidenten "den Stecker ziehen" können. Nicht in Ordnung war, dass ein amerikanischer Präsident seine Art der Machtausübung einem privatwirtschaftlich verfassten Medium überantwortet hat. Dass es ein solches ist und dass es seinen eigenen Erwerbsinteressen verpflichtet ist und nicht den Interessen des Staatsoberhaupts, wusste er vorher. Wenn das Unternehmen meint, dessen Art der Nutzung schade seiner Stelleung auf dem Markt, tut es das, was man von ihm erwarten musste, es knipst ihn aus. Das Risiko ist der Scharlatan wissentlich eingegangen. Er hat das höchste öffentliche Amt seines Landes zu Markte getragen. Ein Glück, dass er die Folgen selber noch erleben durfte.

 

 

Sonntag, 24. Januar 2021

Die Macht der Scharlatane.


aus FAZ.NET, 23. 1. 2021                                                                      Hieronymus Bosch, Der Scharlatan

Die Meister der Fälschung 
Grete de Francesco schrieb in den dreißiger Jahren ein Buch über die Figur des Scharlatans. Seine Neuausgabe zeigt, wie überraschend aktuell das Thema gerade jetzt ist.
 
Von Peter Rawert

Angeblich war es ihre literarische Begegnung mit dem Cavaliere Cipolla, dem Illusionisten und dämonischen Hypnotiseur aus Thomas Manns Novelle und Faschismusparabel „Mario und der Zauberer“, die sie den Entschluss für ihr Buch fassen ließ. „Ich wußte aber sofort, daß ich als Autor stumm zu bleiben hatte, daß mir gerade die gleichnishafte Größe des Themas das äußerste Maß von Zucht auferlegte, daß ich zu schweigen und der Stoff zu sprechen hatte“, schrieb Grete de Francesco später an Thomas Mann. „Ich vermied die Gegenwart, ich vermied jede ,geistreiche‘ Parallele, ich trat zurück, um der übermächtig sich erhebenden Anklage Raum zu geben ... und war bestrebt, die Tarnung so dicht zu machen, daß dieses trojanische Pferd ... in Deutschland Eingang findet.“

Ihr Buch, „Die Macht des Charlatans“, erschien 1937 in Basel. Goldmachern, Quacksalbern, Wurm- und Wundärzten, Magnetiseuren, Taschenspielern, Salbenkrämern und anderen Marktschreiern ist die Abhandlung gewidmet. Ihr Inhalt ist tatsächlich rein historisch. Jeden aktuellen Bezug hat sich die Autorin versagt. Es sind Alchemisten wie Leopold Thurneißer und Marco Bragadino, Wiedergänger wie der Graf St. Germain, Heiler wie Doktor Eisenbarth, John Taylor, James Graham oder Franz Anton Mesmer, Zauberkünstler wie Jacob Philadel-phia, beamtete Scharlatane wie der Helmstedter Hofrat Gottfried Christoph Beireis oder schlicht anarchische Charaktere wie Giuseppe Balsamo alias Comte Alessandro Cagliostro, deren Leben und Taten de Francesco verhandelt. Nach Art einer phänomenologisch arbei-tenden Soziologin formt sie deren Charakterzüge und Verhaltensweisen zu einem überzeitlichen Typus: zum Scharlatan als Inbegriff des Fälschers, welcher der Wahrheit, dem Wissen und den Worten den Echtheitsgehalt raubt und so die Leichtgläubigen – seine Opfer – verführt. Zu politischen Bewegungen und ihren Anführern schweigt die Autorin konsequent. Doch besteht kein Zweifel daran, dass das, was für sie der normative Kern von Scharlatanerie ist, für Scharlatane aller Fakultäten gilt, auch die politischen.

Der Scharlatan als Wohltäter

Versucht man zu erfassen, was den Protagonisten dieser Darstellung ausmacht, kommt ein Bild zustande, von dem man instinktiv meint, es zu kennen, ohne es sich selbst je so klar vor Augen geführt zu haben. Der Scharlatan lebt von der Hoffnung seiner Opfer. Denkende Menschen meidet er, gläubigen hingegen wendet er sich zu. Er verspricht, Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen, seien es kindliche oder erwachsene, seien sie materiell oder ideell. Der Scharlatan ist Alchemist und Magier zugleich. Er beherrscht die Kunst der Verwandlung. Er hat den Stein der Weisen. Er macht Blei zu Gold, aus Armen Reiche, aus Kranken Gesunde und aus Einsamen Geliebte. Er versteht sich auf arkane Rezepte, spirituelle Praktiken und auf die Kommunikation mit dem Jenseits.

Befriedigung der eigenen Geltung

Sein Wissen und seine Fähigkeiten hat der Scharlatan an bedeutenden Akademien und auf ausgedehnten Reisen erworben – meist durch den Orient oder den Fernen Osten. Manches weiß er von Brüdern aus geheimen Logen oder anderen hermetischen Zirkeln. Er verkehrt in hochmögenden Kreisen. Der Scharlatan ist Wohltäter. Handelt er für die Armen, so verzichtet er auf Honorare. Die Befriedigung der eigenen Geltung ist ihm wichtiger als der materielle Vorteil. Seine Menschenbehandlung gründet gleichwohl auf Verachtung. Mitleid ist ihm fremd, Einfalt nutzt er aus und verspottet sie zugleich.

Der Scharlatan hat bedeutende Erfindungen gemacht. Deren Einsatz verheißt das Ende irdischer Mühen. Auch auf die Herstellung von Allheilmitteln wie Theriak versteht er sich. Nicht Experten lässt er über ihre Wirkung urteilen, allein die Halbgebildeten sollen sie bewerten, weil er selbst nur halbes Wissen verkauft.

Für seine Verdienste hat der Scharlatan Orden und Ehrenzeichen erhalten. Gern schmückt er sich mit akademischen Graden. Auch Adel steht ihm gut zu Gesicht. Das Adelsrecht ist sein Metier. Überdies hat er oft militärische Ränge erklommen. Sie qualifizieren ihn für strategische und diplomatische Missionen. Er brilliert in den ungewöhnlichsten Disziplinen, beherrscht alte und neue Sprachen und versteht sich auf die Kunst. Man nennt ihn einen Polyhistor, einen Universalgelehrten.

Kritik verdirbt ihm sein Geschäft

Der Scharlatan liebt Latinismen und erfundene Worte. Die Sprache ist sein wichtigstes Requisit. Er nutzt sie mit überbordender Gelehrsamkeit. In Wahrheit ist er oberflächlich, setzt auf vages Wissen. Seine empirische Basis ist allein das persönliche Erlebnis. Tatsächlich ist er ein Meister der Fälschung. Zugleich gibt er vor, Fertigkeiten auf den entlegensten Gebieten zu haben. Der Magnetismus oder die Automatenkunst gehören dazu. Auch in der Geisterbeschwörung ist er firm. An den Teufel glaubt er nicht, aber er spielt mit dessen Nimbus.


Auch der Maler Giandomenico Tiepolo lief dem ein oder anderen Scharlatan über den Weg, etwa beim Karneval. Fresko in der Villa Valmarana in Vicenza, 1757.

Der Scharlatan ist unduldsam. Er hasst Kritik. Sie quält ihn und verdirbt sein Geschäft. Ähnlich ist es mit der Neugier. Der Scharlatan lebt vom Geheimnis. Er ist in ständiger Angst vor Entlarvung. Deshalb ist er stets in Eile. Der Scharlatan ist Verschwörungstheoretiker. Er deutet die Geschichte vom Ende her. Das bloß Konsekutive ist bei ihm kausal. Was ihm nicht passt, stellt er dar, als sei es von unsichtbarer Hand und mit Absicht gegen ihn gelenkt. Der Scharlatan hat mächtige Feinde, gegen die er seine Anhänger in Stellung bringt.

Der Scharlatan ist Populist und mehr noch: Er ist Propagandist. Unentwegt arbeitet er mit Schlagworten. Sie sind einfach, wiederholbar und gefühlsbetont. Ein jeder kann ihren Inhalt mit seinen eigenen Vorstellungen füllen. Der Scharlatan meidet Sammelbegriffe. Nicht vom „Wetter“ spricht er, sondern von Blitzen, Sturm und Hagel, nicht von „Waffen“, sondern von Kanonen, Mörsern und Bomben. Er will die Ohren seiner Hörer sturmreif schießen. Oft setzt er dazu auch auf Musik. Märsche sind es, die er liebt, besonders das Defilee. Er weiß, welche Macht der Rhythmus über die Menschen hat. Und seine wichtigste Erkenntnis: Er weiß, dass die Leichtgläubigen zwar die Lüge verachten, die ganze Wahrheit aber gleichwohl scheuen. Deshalb negiert der Scharlatan die Wahrheit nicht. Das unterscheidet ihn vom bloßen Betrüger. Er ersetzt sie vielmehr durch eine neue Erzählung.

Die Tarnkappe der Kulturgeschichte

Es drängt sich auf, de Francescos historischen Scharlatan und seine Verheißungen in die Gegenwart zu holen. Aus Gold werden dann Bitcoins und Derivate, aus dem arkanen Wissen der Logenbrüder die Produkte der modernen Esoterikbranche, aus dem Perpetuum mobile die „Freie Energie“, aus der Erlösung von der Armut das bedingungslose Grundeinkommen und soziale Gerechtigkeit, aus den Wohltaten für die Armen die Brosamen aus der Hand von Gemeinnützigkeitsfunktionären, aus Theriak werden Globuli, aus schlicht erfundenen akademischen Weihen werden Titel, deren Verleihung auf Copy-and-paste-Plagiaten beruht, aus plötzlich auftretenden Pandemien werden die klandestinen Vernichtungspläne internationaler Eliten, und aus der Wahrheit werden „alternative Fakten“, die sich nicht mehr bloß von Mund zu Mund verbreiten, sondern in Echtzeit durch die sozialen Netzwerke des World Wide Web rauschen.

Wasser zu Wein? Eine von Cagliostros leichteren Übungen! Stich aus dem 18. Jahrhundert.

Aber halt: Nicht jeder ist ein Scharlatan, der bloß zuweilen scharlataneske Züge offenbart. Wer bloß unduldsam ist, mag dem Verdikt entgehen. Ebenso der schlicht Eitle, der Titelsüchtige, der aufdringlich Wohltätige oder der nur übermäßig Laute. De Francescos Zuschreibungen sind keine Brandzeichen. Sie bilden vielmehr nur Punkte einer Prüfliste, deren Anwendung nach dem Prinzip eines „Je-mehr-desto-Scharlatan“ erfolgt. Volker Breidecker, der die nun erschienene Neuausgabe von de Francescos Buch (Die Andere Bibliothek. 320 S., Abb., geb., 44,– €) mit einem klugen biographischen Essay über die Autorin versehen hat, stellt überdies zu Recht fest, dass es zum doppelbödigen, aber sehr ernst zu nehmenden Witz des Buches gehört, dass es nicht nur den Fingerzeig auf den Noch-nicht- oder Doch-gerade-schon-Scharlatan gestattet, sondern zugleich die kritische Reflexion auf den Status und die Existenz des modernen Intellektuellen – auch und gerade im Wege der Selbstbetrachtung.

De Francescos Hoffnung, mit ihrem Buch unter der Tarnkappe der Kulturgeschichte zu den gegen den Scharlatan „immunen Menschen“ durchzudringen – für die Autorin jene mit Humor, Distanz, Ironie und Geist –, hat sich in Deutschland nicht erfüllt. Auch unter Lesern im Exil war die Rezeption des Werkes verhalten. In öffentlichen Bibliotheken hierzulande befinden sich erstaunlich wenige Exemplare. Nur selten boten und bieten Antiquare es an. Breidecker äußert die Vermutung, dass die damals im Reich kursierenden Stücke von „höherer Stelle“ eingezogen und vernichtet wurden. Die Vermutung ist nicht abwegig.

Grete de Francesco wurde 1893 als Margarethe Emilie Weissenstein in Wien geboren. Sie absolvierte Studien an der Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie in München und diplomierte später als erste weibliche Absolventin der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin mit einer nicht mehr auffindbaren Arbeit über „Das Gesicht des faschistischen Italien“. Durch Heirat und die Zeitläufte erhielt sie die italienische Staatsangehörigkeit. Ganz überwiegend arbeitete sie als freie Journalistin. Kurzzeitig war sie beim Feuilleton der „Frankfurter Zeitung“ angestellt. Eine Unzahl von Ortswechseln prägte ihre oft prekären Lebensverhältnisse. Wohl von 1937 an war sie in Mailand ansässig. Nach der deutschen Besetzung Norditaliens im September 1943 verbarg sie sich zeitweise in einem „Irrenhaus“ für Frauen. Im Herbst 1944 fiel sie der SS in die Hände. Vermutlich im Februar 1945 wurde sie im KZ Ravensbrück umgebracht. Ob ihre jüdische Abstammung ihr zum Verhängnis wurde, ihr Buch oder beides, weiß niemand. Fest steht nur, dass sie der Macht des Scharlatans zum Opfer fiel.

Nota. - Thomas Mann gehört nicht zu meinen Hausgöttern. Doch dass er auch Hitler mit einem Jahrmarktshypnotiseur verglichen hätte, traue ich ihm nicht zu. Oder gar mit dem verwirrten Hanswurst Trump! Der war nur eine Farce und keine Tragödie. Aber es hätte schlimmer kommen können...

JE

 

 

Freitag, 22. Januar 2021

Frühformen der Münze.

 

aus derStandard.at, 21. Jänner 2021      Spangenbarren waren ein typisches Zahlungsmittel in der frühen Bronzezeit.

Jahrtausendealte Währung
So sahen im bronzezeitlichen Europa die Vorläufer des Geldes aus
Forscher untersuchten Ringe, Spangen und Äxte, die vor allem eines haben mussten: Standardgröße

Ehe Münzen aufkamen, waren im bronzezeitlichen Europa andere Objekte aus Metall in Umlauf, die eine vergleichbare Funktion erfüllten – etwa Ringe, Spangen oder Äxte aus Kupfer oder Bronze. Diese Objekte waren in Form und Gewicht standardisiert, und das so genau, dass man Gewichtsunterschiede mit der Hand nicht feststellen kann. Das berichten niederländische Archäologen, die das Proto-Geld aus der Zeitraum von etwa 2150 bis 1700 vor unserer Zeitrechnung untersucht haben.

Großes Sample

Die Entwicklung von Geld und kohärenten Gewichts- und Maßsystemen gehört zu den bedeutendsten prähistorischen Entwicklungen des menschlichen Intellekts, schreiben Maikel Kuijpers und Catalin Popa von der Fakultät für Archäologie der Universität Leiden in ihrer Arbeit, die im Fachjournal "Plos One" veröffentlicht wurde. Sie untersuchten in ihrer Studie mehr als 5.000 Ösenringe, Spangenbarren und Axtklingen aus Kupfer und Bronze.

Ringe und Spangen wurden dabei vor allem in der Donauregion in Süddeutschland, Nieder-österreich und Teilen Tschechiens gefunden, Axtklingen typischerweise in Mittel- und Nord-ostdeutschland, heißt es in der Arbeit. Dazwischen gibt es ein Gebiet, in dem Ringe, Spangen und Äxte regelmäßig zusammen gefunden wurden, vor allem in Mähren und Böhmen. In ge-ringerer Zahl kommen diese Objekte auch in Südskandinavien vor.

Viele dieser Objekte wurden in großer Zahl gefunden, manchmal in Horten mit mehreren hundert Stück. So wurde etwa 2014 in Oberding in Bayern ein Depot mit 796 Spangenbarren aus Kupfer entdeckt, der aus der frühen Bronzezeit stammt. "Für unsere Untersuchung haben wir gezielt Horte ausgewählt, die mindestens fünf Ringe, Spangen und/oder Äxte enthalten haben", sagt Kuijper.

Das Weber-Fechner-Gesetz

Kuijpers und Popa verglichen die Gewichte dieser Objekte statistisch, und zwar unter Einbe-ziehung des sogenannten "Weber-Fechner-Gesetzes", das aus der Wahrnehmungspsychologie kommt. Demnach müssen Gegenstände in der Hand einen Gewichtsunterschied von rund zwei Prozent aufweisen, damit man ihn wahrnehmen kann. Um also die Gewichtszunahme eines Objekts mit 50 Gramm wahrzunehmen, muss dessen Gewicht auf 51 Gramm steigen. Wiegt der Gegenstand ein halbes Kilo, muss er um zehn Gramm zulegen, um schwerer zu wirken. Dieses Prinzip war in einer Zeit und Region entscheidend, in der es noch keine Waa-gen gab und die Menschen Gewichte mit der Hand vergleichen mussten.

Um als "Geld" dienen zu können, mussten Objekte wie diese Ringe eine Standardgröße haben.

Der Studie zufolge waren etwa 70 Prozent der untersuchten Ringe – sie hatten ein Durch-schnittsgewicht von rund 195 Gramm – einander ähnlich genug, um in der Hand nicht als unterschiedlich schwer wahrgenommen zu werden. Die Spangenbarren teilten die Forscher in eine schwerere und eine leichtere Gruppe. Bei letzterer hatten 38 Prozent der Spangen ein Gewicht von rund 81 Gramm, bei ersterer wogen 71 Prozent etwa 186 Gramm. Geringer war die Übereinstimmung bei den Axtklingen, wo rund ein Drittel der untersuchten Objekte ein Gewicht von rund 285 Gramm hatte.

Die Autoren vermuten jedenfalls, dass diese Ähnlichkeit in Form und Gewicht, zusammen mit der Tatsache, dass diese Objekte oft in Horten entdeckt wurden, auf eine Verwendung als frü-he Form einer standardisierten Währung hindeuten. Es gebe auch Belege dafür, dass sie über größere Entfernungen ausgetauscht wurden: "Wir sehen etwa Ringe, die in Dänemark oder Frankreich gefunden wurden, wenn auch nicht so viele wie in der Hauptregion", so Kuijpers.

Wie es weiterging

Am Ende der Frühbronzezeit seien Ösenringe und Spangenbarren dann verschwunden und es begann ein Handel mit Altmetall und Gusskuchen. Voraussetzung dafür seien zwei Entwick-lungen gewesen, betonen die Forscher: Jene von Waagen und die kognitive Entwicklung eines Wägesystems. Die frühesten Belege dafür in Mittel- und Westeuropa würden aus der mittleren Bronzezeit stammen. (APA, red.)

 

Donnerstag, 21. Januar 2021

It's over.

Ja, wo war der Trump'sche Mob denn gestern? Haben wir nicht alle zur Amtseinführung Bidens mit einem neuen Sturm aufs Capitol gerechnet?

Es stellt sich heraus, es war alles wieder nur Bluff. Und das Ding am 6. Januar war kein Putschversuch, sondern wieder nur eine von diesen Schnapsideen, bei denen er sich nichts weiter gedacht hat.

Vier Jahre lang hieß es, wir hätten ihn nicht ernst genug genommen. Na ja, er hatte doch diesen Atomkoffer! 

Jetzt wird uns erst richtig klar, auf welchem Schleudersitz die Welt vier Jahre lang gesessen hat. Angst und bange konnte einem werden, nur ernstnehmen konnte man ihn nicht.



Mittwoch, 20. Januar 2021

Noch ein Untoter.

 
 
 
„Wir werden wiederkehren – in irgendeiner Form“
 
 

Er ist hoffentlich zu klug, um...


...sich vor der Zeit außerhalb von Bayern aufs Glatteis zu begeben.

Dass er aber den Leuten zu reden gibt, kann ihm in Bayern und außerhalb nicht schaden. Strauß und Stoiber waren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, doch dann war Schluss. Söder hat noch viel Zeit. 

Die braucht er aber auch, um den Ruf des wendigen Karrieristen wieder loszuwerden.