aus FAZ.NET, 18.01.2021
Seinen Wahlerfolg hat Armin Laschet anderen Eigenschaften zu verdanken als einem ausgeprägten wirtschaftspolitischen Profil. Auch wenn er im Bewerbungsrennen immer wieder mal versuchte, Akzente etwa in der Digitalisierung zu setzen, war damit gegen Herausforderer Friedrich Merz und dessen Reformer-Image schwer zu punkten. Andererseits kann Laschet einfach Zahlen sprechen lassen und auf die Erfolge der schwarz-gelben Wirtschafts- und Standortpolitik verweisen. „Armin Laschet hat das Land eindeutig nach vorn gebracht“, bescheinigt ihm selbst NRW-Unternehmerpräsident und Merz-Fan Arndt Kirchhoff.
Das bevölkerungsreichste Bundesland, beim politischen Wechsel 2017 noch Schlusslicht, hat zwar aufgeholt. Aber seine Wirtschaft wächst immer noch langsamer als im Bundesdurch-schnitt. Und es steht mit seinen Energiekonzernen, mit Stahl und Chemieindustrie vor einer riesigen Herausforderung durch Klimaschutz und Energiewende.
Während des Parteitages erinnerte Laschet an die langen nächtlichen Runden im Kanzleramt, auf denen der Kohleausstieg verhandelt und besiegelt wurde. Und er, der Bergmannssohn, musste anschließend vertreten, dass mehrere Tausend RWE-Beschäftigte ihren Job verlieren werden. Von einem „Zusatzopfer“ des Landes für den Klimaschutz sprach er danach. Doch er brachte auch Zusagen für 15 Milliarden Euro Strukturhilfen mit, mit denen das Rheinische Revier eine neue Zukunft bekommen soll.
Der von Klimaschützern geforderte frühere Ausstieg aus der Kohleverstromung war mit Laschet nicht zu machen, ebenso verteidigt er das umstrittene Kohlekraftwerk Datteln 4, das nach dem Willen vieler Kritiker gar nicht hätte ans Netz gehen dürfen. Diesen Konflikt zwischen Klimaschutz, Versorgungssicherheit und dem Bedarf an bezahlbaren Strom muss der Ministerpräsident eines Industrielandes wie Nordrhein-Westfalen aushalten. Auch die Aussicht, dass die Union nach der Bundestagswahl auf die Grünen angewiesen sein könnte, schreckt ihn dabei nicht. „Wenn wir Schwarz-Grün machen wollen, dürfen wir nicht selbst schon halb grün sein“, sagte er einmal.
Laschet gehört zu jenen, denen die Industriepolitik auch in Europa zu kurz kommt. Ohne ordnungspolitische Berührungsängste setzt er sich für die Schaffung „europäischer Champions“ ein, die stark genug sind, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Andererseits ist für ihn unvorstellbar, dass etwa die Stahlproduktion aus Deutschland abwandert, und er hat dabei als Landesvater natürlich Thyssen-Krupp vor Augen. „Thyssen-Krupp gehört zur DNA von Nordrhein-Westfalen, Stahl ist systemrelevant, und wir können nicht akzeptieren, dass wir in Deutschland keine Stahlproduktion haben“, sagte Laschet auf einer Protest- Kundgebung der IG Metall.
Deshalb sei es richtig, den Umstieg auf ökologische Stahlproduktion und die Wasserstoffwirtschaft finanziell zu unterstützten. Eine klare Grenze freilich verläuft für Laschet dort, wo es um direkte Staatsbeteiligungen an notleidenden Unternehmen geht. Am Ende glaube er nicht, dass der Staat der bessere Unternehmer sei, sagte er gemünzt auf Thyssen-Krupp.
„Zur DNA unserer Wirtschaftsgeschichte“ zählt Laschet wiederum auch die Marken Karstadt und Kaufhof. „Der Erhalt eines wettbewerbsfähigen Einzelhandels ist von enormer Bedeutung für viele Kommunen und vor allem zahlreiche Mitarbeiter. Jeder Kampf lohnt sich hier.“
Laschet hatte, als sich der Warenhauskonzern mitten im Insolvenzverfahren befand und zahlreiche Filialen schließen wollte, mehrfach mit dem Eigentümer René Benko besprochen und auf den Erhalt weiterer Standorte in NRW gedrängt. Dass die Zentrale und ein Warenhaus in Essen gerettet werden, verkündete der Ministerpräsident später höchstselbst – und kam dem Unternehmen damit zuvor.
Als es um Arbeitsplätze in seiner Heimat Aachen ging, wurde Laschet noch deutlicher: Auf einer Gewerkschafts-Kundgebung von Continental-Mitarbeitern, die gegen die Werksschließung und der Verlust von 1800 Stellen protestierten, warf der Ministerpräsident dem Unternehmen „kalten Kapitalismus“ vor. Nicht nur die Beschäftigten am Standort, auch die Landesregierung hatte sich zuvor von Contis Schließungsplänen überrumpelt gefühlt. In zwei Telefonaten bat der damalige Unternehmenschef Elmar Degenhart Laschet später um Entschuldigung.
Manches, was unter seiner Amtszeit angestoßen wurde, wertet Laschet selbstbewusst als Blaupause für den Rest der Republik. Dann ist er bei den zusammen mit der FDP und ihrem Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart entwickelten „Entfesselungspaketen“, einem Bündel von Initiativen für die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, für die digitale Verwaltung und den Ausbau der Breitbandnetze. Laschet preist Nordrhein-Westfalen als Vorreiterland beim Bürokratieabbau, eine solche „Entfesselung“ brauche es auch im Bund, um die Wirtschaft schneller aus der Corona-Krise herauszubringen.
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