aus welt.de, 31. 1. 2021 Leo Trotzki alias Lew Bronstein (1879–1940), Berufsrevolutionär, muss ins Exil
Am 31. Januar 1929, einem Donnerstag, war es so weit: Trotzki wurde formal aus dem Machtgebiet Stalins ausgewiesen. Doch was war sein Ziel? Der deutschsprachige „Revaler Bote“ meldete, der Revolutionär wolle nach Deutschland kommen; die Reichsregierung werde diesem Wunsche nicht entgegentreten, sofern er als „einfacher Ausländer“ komme und sich den „deutschen Gesetzen unterwerfen wolle“. Doch in der gleichen Nummer druckte das Blatt ein Dementi aus Berlin: Man habe sich mit der Causa Trotzki „noch nicht befasst“, ließ die Pressestelle der Reichsregierung in Berlin verlauten.
Der „Manchester Guardian“ veröffentlichte am selben Tag andere Informationen: Trotzki habe sich mit seiner Familie auf den Weg in die Türkei gemacht. Zuvor habe der prominen-teste Kommunist der Welt offiziell in Ankara (damals noch „Angora“ geschrieben) angefragt, ob seine Einreise genehmigt würde. Kemal Atatürk, der starke Mann der laizistischen Türki-schen Republik, habe das zugesagt. Er gewährte ihm anschließend sogar politisches Asyl, auf der Insel Büyükada, einem beliebten Erholungsort in der Nähe von Istanbul.
Trotzki, geboren als Lew Bronstein 1879 in der heutigen Ukraine, war bereits seit etwa seinem 17. Lebensjahr Sozialist und Revolutionär. Mit noch nicht einmal 20 Jahren wurde er 1899 erstmals in Verbannung geschickt. Seit 1902 nannte er sich Trotzki – das war der Name auf seinem gefälschten Pass, mit dem er aus der Verbannung floh. Kurz darauf traf er in London Lenin und wurde schließlich sein engster und wichtigster Mitarbeiter: ein Berufsrevolutionär.
Doch nach deren Sieg wandte sich ebendiese Revolution gegen Trotzki – und zwar in Gestalt von Josef Stalin, dem Generalsekretär der KPdSU. Mit seiner Kombination aus absoluter Rücksichtslosigkeit (über die Trotzki allerdings ebenso verfügte) und geschicktem Spiel mit Loyalität wie Angst schaffte er es, die Männer aus dem einst engsten Kreis um den 1924 verstorbenen Revolutionsführer Lenin von der Macht zu verdrängen – erst aus ihren Posi-tionen in Regierung und Partei, dann aus der Partei selbst, anschließend in die Verbannung, schließlich oft, wie im Falle Trotzkis, ins Exil.
Für Trotzki war der 31. Januar 1929 der Beginn einer unsteten Reise. Spätestens seit 1932 verfolgten Mordkommandos auf Befehl aus Moskau ihn. Er musste die Türkei verlassen, lebte nacheinander in Frankreich und Oslo, schließlich ab 1937 in Mexiko-Stadt. Hier gab es am 24. Mai 1940 einen Überfall auf sein Haus, ausgeführt von mehreren als Polizisten verkleideten Agenten.
Drei Monate später, am 20. August 1940, folgte der nächste Anschlag, diesmal ausgeführt von dem Spanier Ramón Mercader. Er hatte sich seit 1938 gezielt in die Nähe des Exilanten vor-gearbeitet – und nun schlug er einen Eispickel in seinen Schädel. An dieser Wunde starb Trotzki nach gut elf Jahren im Exil am 21. August 1940.
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