aus welt.de, 7. 1. 2021
Den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, hat der Gewaltausbruch im US-Kapitol nicht überrascht. Neben dem Brandstifter Donald Trump sieht der CDU-Vorsitzkandidat die Republikanische Partei in der Verantwortung.
WELT: War das Geschehen im Kapitol ein Putschversuch oder einfach nur Randale, Herr Röttgen?
Norbert Röttgen: Weder noch. Es war die Folge des Aufrufs des noch amtierenden Präsi-denten der Vereinigten Staaten, das Parlament dieses Landes zu stürmen. Das ist kein Putsch, weil es nicht darum geht, die Regierung zu stürzen...
WELT: Die wird ja immer noch von Trump geführt.
Röttgen: So ist es. Aber es war auch nicht nur Krawall. Das ist das Historische, das Drama-tische an dem, was wir gesehen haben: dass der amtierende gewählte Präsident das Volk an-gestachelt und angestiftet hat, das Kapitol zu attackieren.
Er tut das mit dem Anspruch, dass das, was dort stattfindet, nämlich die Bestätigung des demokratisch gewählten Präsidenten Joe Biden, ein Diebstahl der Demokratie sei, gegen den man sich wehren müsse. Der Präsident ist der Brandstifter. Er wollte das Gebäude der Demokratie in Brand setzen.
WELT: Wie bewerten Sie Trumps Versuche, in das laufende Geschehen einzugreifen?
Röttgen: Das war so, als wenn der Brandstifter ruft: Es brennt, und ich will nicht, dass es brennt.
WELT: Was ist Trumps Strategie? Wohin soll das Ganze führen?
Röttgen: Ich habe gehofft, dass es nicht passiert. Aber dass die Agitation gegen die demo-kratische Wahl durch Trump zu Gewalt führen könnte, das ist keine Überraschung. Damit musste man rechnen. Meine Interpretation ist, dass es ihm wie immer nur um sich geht und seine Legende: Ich bin nicht abgewählt worden. Das war Betrug. Das war in Wahrheit ein Erdrutschsieg für mich. Und der wurde gestohlen.
In seinem grenzenlosen Narzissmus ist es ihm egal, was infolge passiert, nämlich dass Anhänger von ihm auch zu Gewalt greifen – wenn er es nicht sogar einkalkuliert hat.
WELT: Sehen Sie die geordnete Machtübergabe von Trump zu Biden nun gefährdet?
Röttgen: Das Gebäude ist attackiert. Die Anhänger von Trump haben randaliert. Es sind vier Tote zu beklagen. Also so richtig geordnet würde ich das jetzt nicht mehr nennen. Aber der eigentliche demokratische Prozess, nämlich die Bestätigung durch den Kongress, die hat ja dann doch stattgefunden.
Trotzdem werden die Wunden und die Schäden bleiben. Sowohl was die tiefe politische Spaltung der Bevölkerung anbelangt, als auch das historische Versagen der Republikanischen Partei, die sich durch ihre führenden Vertreter im Senat und im Repräsentantenhaus – selbst angesichts dieser Ereignisse – noch nicht eindeutig von Donald Trump losgesagt und endgültig eine Trennlinie gezogen hat. Das ist eine weitere schwere Enttäuschung im Verhalten dieser Republikanischen Partei.
WELT: Erwarten Sie, dass es Konsequenzen gegen Donald Trump geben wird?
Röttgen: Ich denke, dass man das Geschehen strafrechtlich untersuchen wird. Wenn er eine noch etwas längere Amtszeit hätte, würde ich sagen: Wenn es einen Fall für ein Amtsenthebungsverfahren gibt, dann ist es dieser. Aber seine Amtszeit ist ja in 13 Tagen zu Ende. Er hat nun endgültig selbst das Verdikt über seine Amtszeit gesprochen.
WELT: Gehen wir davon aus, dass Joe Biden am 20. Januar dieses Kapitel beenden wird. Aber Trump ist dann ja nicht weg. Seine Anhänger sind nicht weg. Was für ein politisches Klima erwarten Sie in den nächsten Monaten in den Vereinigten Staaten?
Röttgen: Durch das Verhalten von Trump und dadurch, dass die Republikanische Partei sich nach dem Wahltag nicht klar zu diesem demokratischen Wahlsieg bekannt und erklärt hat, ist die politische Spaltung noch einmal tiefer geworden. Ich bin fest davon überzeugt, dass Joe Biden seine wichtigste Aufgabe darin sieht, das Land politisch zu versöhnen. Ich glaube weiter, dass es gut für dieses Vorhaben ist, dass die Republikaner keine Mehrheit im Senat haben. Mit einer solchen Mehrheit hätten sie vom ersten Tag an auf Wahlkampf gesetzt – für die Kongresswahlen in zwei Jahren und für die Präsidentschaftswahlen in vier Jahren.
Jetzt sind die Republikaner viel stärker unter dem Zugzwang, Bidens Angebot der Kooperation und Versöhnung anzunehmen. Allerdings wird Joe Biden auch mit seiner eigenen Partei, die in beiden Häusern eine Mehrheit hat und entsprechend selbstbewusst sein wird, Diskussionen zu führen haben. Aber die Versöhnung der Bevölkerung ist eine zentrale Aufgabe von Administration und Parlament.
WELT: Sehen Sie außenpolitische Implikationen des Geschehens im Kapitol? Eine Reaktion aus China war, den Krawall in Washington mit den Protesten in Hongkong zu vergleichen.
Röttgen: Das ist ein Beispiel für die Schwächung des Ansehens der amerikanischen Demokratie. Und wegen der überragenden Bedeutung dieses Mutterlandes der Demokratie für die internationale Zusammenarbeit ist das auch ein Schlag für alle anderen Demokratien in der Welt. Die autoritären Regime, die ja konsequent daran arbeiten, ihre Systemüberlegenheit als Antidemokraten zu demonstrieren, werden ein mehr oder weniger unverhohlenes Freudenfest feiern.
WELT: Aus der deutschen Politik waren vereinzelt Stimmen zu hören, die Vergleiche gezogen haben mit den Ereignissen vor dem Reichstagsgebäude vor einigen Wochen. Ist das passend?
Röttgen: Nein, das ist ganz überwiegend unpassend. Denn das Besondere an der Situation in den USA besteht darin, dass der amtierende gewählte Präsident zu diesem Angriff auf das Gebäude der Demokratie angestachelt und angestiftet hat.
Aber was man auch in Deutschland sehen kann: Agitation, Hass und das Verächtlichmachen der staatlichen Institutionen bereiten den Boden, der zu Gewalt führt, auch zu einem gewalt-samen Kampf gegen die Demokratie. Das ist etwas, was man auch in anderen Demokratien und auch in Deutschland beobachten kann, namentlich durch die AfD in unserem Land. Dem müssen wir nun noch entschiedener entgegentreten.
Nota. - Ja, damit musste man rechnen. Aber ich hatte was Ernsteres erwartet, irgendwas auf institutioneller Ebene, wofür er dann sein Volk auf die Straße ruft. Aber doch nicht sowas Jämmerliches! Ich glaube, er weiß wirklich nicht mehr, was er tut. Das Geraune über seine mentale Verfassung passte so gut in seine Desinformationsmanier, dass man fast glauben mochte, er habe es selber angezettelt. Um nicht in die Falle zu laufen und ihn zu unterschät-zen, habe ich ihn dann wohl überschätzt. Sie sollten ganz schnell den 25. Verfassungszusatz aktivieren.
JE
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