Dienstag, 3. Dezember 2013

Kultur als Wirtschaftsfaktor.

aus NZZ, 3. 12. 2013

Cézanne sticht Citroën aus
Frankreichs Kulturindustrie, wirtschaftlich - die nackten Zahlen sprechen für sich

zit. · Frankreichs Kulturindustrie wiegt wirtschaftlich schwerer als die hiesige Autoindustrie und nur wenig leichter als die Telekom- oder die Chemieindustrie. Dies ist eines der Ergebnisse einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young) über einen Sektor, dessen Bedeutung - gleich jener seines Gegenstands: der Kunst und Kultur - durch Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft oft noch unterschätzt wird. Im Auftrag der Urheberrechtsgesellschaft Sacem und ihrer in der Plattform «France Créative» vereinten Partner erstellt, bildet dieses «erste Panorama der kulturellen und kreativen Industrien» eine Art Lobbyarbeit mit Erkenntnisgewinn.

Schon die nackten Zahlen vermitteln einen Eindruck von der ökonomischen Bedeutung des Kultursektors. Dessen Branchen - in der Studie nach abnehmendem wirtschaftlichem Gewicht: grafische und plastische Künste, Fernsehen, Presse, Musik, Bühnenkünste, Verlag, Videospiele, Film, Radio - erwirtschafteten 2011 einen Gesamtumsatz von 74,6 Milliarden Euro (davon 80 Prozent direkt) und beschäftigten insgesamt 1,2 Millionen Personen (davon 92 Prozent direkt).

In etlichen dieser Branchen belegt Frankreich einen Spitzenplatz. So besitzt es mit Universal Music Group das weltweit grösste Major-Label, mit Hachette den zweitgrössten Verlagskonzern, mit Ubisoft den drittgrössten Videospiel-Entwickler. Als Kunstmarkt steht es international an vierter Stelle, als Filmproduzent an dritter, als Film- und Musik-Exportateur gar an zweiter. Endlich ist Frankreich das mit Abstand attraktivste Reiseziel in der Welt. Ein Drittel der Besuche von Ausländern fallen in die Sparte «Kulturtourismus»; 2011 generierte diese 18 Milliarden Euro Einnahmen.

Kulturprodukte stiften Identität: Ein Lied, ein Roman, sogar eine Fernsehserie oder ein Zeichentrickfilm mag die «Volksseele» verkörpern, ein Waschmittel oder eine Kopfwehtablette eher nicht (bei Autos lässt sich darüber streiten, ob sie als Designprodukte nicht auch Kulturerzeugnisse sind). Hierauf gründet das französische Konzept der «exception culturelle», das für Kulturprodukte wegen ihrer Doppelnatur als Konsumware und Allgemeingut einen Sonderstatus fordert. Ist es wegen dieser auch EU-relevanten Spezialbehandlung, dass sich Europas Kulturindustrie überdurchschnittlich entwicklungsfreudig und krisenresistent zeigt? In dem Sektor wuchs die Erwerbstätigenquote zwischen 2000 und 2007 im Jahresmittel um 3,5 Prozent (in der Gesamtwirtschaft bloss um 1 Prozent). Und während der Krise 2008 bis 2011 wurden proportional weniger Stellen abgebaut.


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