Samstag, 10. Januar 2015

Der deutsche Sonderweg.


Krone des heiligen Römischen Reichs

Die Süddeutsche brachte zu Silvester eine launige Glosse zu der Meldung, dass Deutschland von internationalen Meinungsforschern erneut als das beliebteste Land der Welt ermittelt wurde.

Dazu habe ich einen Kommentar geschrieben, den Sie womöglich übersehen haben. Darum hier nochmal, zugleich als als Kommentar zum gestrigen Eintrag:


Der deutsche Sonderweg begann im neunten Jahrhundert, als die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reichs an den deutschen König fiel, weil sein französischer Kollege nur noch über einen Schrebergarten rund um Paris herrschte.

Machen wirs kurz: Der Papst in Rom (und dann erst in Avignon!) hatte den deutschen König zum Gegner, nicht die andern europäischen Fürsten, ihn verwickelte er in Norditalien in endlose Scherereien, ihn hinderte er am Aufbau eines nationalen Staats.

Mit der Reformation wurde dann der deutsche König - inzwischen ein Habsburger Dynast - zum ultramontanen Stipendiaten, während die deutschnationale Karte in die Hände der protestantischen Reichsfürsten fiel. Und mit dem Dreißigjährigen Krieg war mit einem deutschen Staat Schluss.

Ohne Rivalität mit der (noch) einig einzigen Kirche, ohne deutsch-römische Königs- und Kaiserkrone konnte in Mitteleuropa ein Nationalstaat entstehen, der sich gegen Richelieu und gegen den Sonnenkönig hätte aufrichten können, hätte England keine Gelegenheit gefunden, zum Schiedsrichter und Garanten des "europäischen Gleichgewichts" aufzusteigen, und wäre Großbritannien womöglich nie zum Herren der Meere und der Welt geworden.

Oder das alles doch, aber unter ganz anderen Umständen und zu ganz anderer Zeit...

Ganz unwahrscheinlich ist aber, dass unter diesen anderen Umständen ein deutscher Nationalstaat am Anfang des zwanzigsten Jahrhundert sich in der Lage eines Zuspätgekommenen befunden hätte, der um seinen Platz an der Sonne gegen alle andern Krieg führen musste.

Der erste Weltkrieg ist an der Erschöpfung aller beteiligten Parteien zu Ende gegangen. Nein, zu Ende eben nicht, nach einer Verschnaufpause musste Deutschland einen zweiten Anlauf nehmen, wenn ihm die Weltre- volution nicht zuvor kam. Sie kam es nicht, und beim zweiten Mal war Deutschland wirklich am Ende. Am Ende? Mitnichten. Die Westmächte brauchten es dringend, um ihren Bestand gegen Stalins Russland zu wahren, und so stieg Deutschland auf wie Phönix aus der Asche. Das Deutsche Jahrhundert ist so zu seinem Abschluss gekommen.

Wenn es nicht pompös klänge, möchte man sagen, ein tausendjähriger Zyklus sei abgeschlossen, und Deutschland steht in seiner teuer erkauften Bescheidenheit größer da, als es sich in seinen wahnsinnigsten Momenten hat träumen lassen. Wenn das mal gutgeht! Wenn wir jemand anders als Mutti Merkel an der Spitze hätten, müsste uns mulmig werden.



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