Mittwoch, 28. Februar 2018

Auch die Glockenbecherkultur kam aus dem Osten.

aus derStandard, 26. Februar 2018, 06:00

Wie sich die Glockenbecherkultur einst in Europa ausbreitete
Umfangreiche DNA-Analysen zeichnen Wanderbewegungen unserer Vorfahren am Übergang zwischen Jungsteinzeit und Bronzezeit nach – mit Überraschungen

Wien – Am Ende der Jungsteinzeit breitete sich eine neue Kultur in Europa aus: die Glockenbecherkultur. Sie war gekennzeichnet durch speziell geformte Keramikgefäße, Pfeilspitzen, Kupferdolche, steinerne Armschutzplatten für Bogenschützen und V-förmig durchbohrte Knöpfe. Diese Kultur kam aber nicht wie bisher angenommen aus dem Südwesten, sondern aus dem Osten, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "Nature".

Die Glockenbecherkultur verbreitete sich etwa vor 4.700 bis 4.400 Jahren. Archäologen hatten bisher angenommen, dass sie sich von der iberischen Halbinsel aus auf dem Kontinent ausbreitete, und es war unklar, ob dies durch die Weitergabe von Kultur oder massiven Bevölkerungsbewegungen geschah.

Verdrängte Britannier

Ein Team um David Reich von der Harvard Medical School in Boston (USA) hat nun das Erbgut von 400 urgeschichtlichen Skeletten aus Fundstätten in ganz Europa analysiert, 226 davon gehörten zur Glockenbecherkultur-Kultur. Die Glockenbecher-Menschen der iberischen Halbinsel hatten genetisch keine Gemeinsamkeiten mit jenen aus Zentraleuropa, erklärte Koautor Ron Pinhasi von Universität Wien. Der Knochenexperte und Spezialist für historisches Erbgut folgert daraus, dass die Glockenbecherkeramik sich zwischen Mitteleuropa und der iberischen Halbinsel ohne nennenswerte Migration ausgebreitet hat.

Ganz anders sieht sie Sache in Britannien aus. Dort wurde die ansässige Bevölkerung zu 90 Prozent durch Glockenbecherkultur-Migranten aus den heutigen Niederlanden ersetzt, so der Forscher. Es gäbe aber keine Anzeichen gewalttätiger Verdrängung, sondern die Einheimischen wurden offenbar nach einem großen Einstrom von neuen Siedlern innerhalb einiger Jahrhunderte ersetzt, sagte Kurt Alt von der Danube Private University in Krems.

Bisher habe man geglaubt, dass sich die Glockenbecherkultur als einzige große Bewegung aus dem Westen in Europa verbreitet hat – denn sowohl die Erstbesiedelung, die Eroberung durch Bauernvölker als auch der Einfluss sogenannter "Steppe-Elemente" (der Jamnaja-Kultur) erfolgten vom Osten aus. "Dies hat sich jetzt aber umgedreht, auch die Glockenbecherkultur kam aus dem Osten", so Alt unter Hinweis auf die neuen genetischen Daten. (APA, 26.2.2018)

Dienstag, 27. Februar 2018

"Keiner hat das Recht, nicht beleidigt zu werden."

Ein Interview mit Condoleezza Rice

aus nzz.ch, 26. 2. 2018

... Sie haben auf den sozialen Fortschritt in den USA hingewiesen. Die Mitglieder von Minderheiten sind zu Bürgern im vollen Sinne geworden. An den Universitäten ist in den letzten zwanzig Jahren zugleich eine Kultur der Political Correctness (PC) entstanden, die alle darauf verpflichtet, ihre Kollegen mit Samthandschuhen anzufassen. Schränkt die PC das freie Lehren, Reden und Denken ein, oder ist sie ein blosses Scheinproblem?

PC ist eine ernstzunehmende Bedrohung für die Existenz von Universitäten. Wenn ich höre, dass Studenten sich wohl fühlen wollen, hört bei mir der Spass auf. Es ist nicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich Leute in meinen Kursen wohl fühlen, im Gegenteil – es ist mein Job, sie dazu zu bringen, die Wohlfühlzone zu verlassen. Sie müssen sich mit Ideen auseinandersetzen, die nicht in ihr Weltbild passen. Verstehen Sie mich richtig – es geht nicht darum, Leute zu beleidigen oder schlecht zu behandeln, aufgrund ihrer Ethnie oder ihrer Religion. Es geht an einer Universität darum, in der Erkenntnis gemeinsam weiterzukommen, und die kennt nun einmal weder Ethnie noch Religion.
Wann ist die Bewegung gekippt, von einer Bewegung, die Anstand verbriefen wollte, zu einer Aktion, die Schutz vor unbequemen Meinungen fordert?

Der Prozess, der mit den besten Absichten begann, verlief schleichend. Zuerst ging es um gleichen Respekt für alle – das war gut. Doch das Blatt hat sich gewendet, eine kleine extreme Minderheit begann so zu argumentie- ren: Wann immer du etwas sagst, das mich als Angehöriger einer Minderheit beleidigt, auch wenn du es nicht so gemeint hast, habe ich das gute Recht, beleidigt zu sein und dir den Mund zu verbieten. Eines Tages haben wir gemerkt, dass die Studentenschaft – und auch die Gesellschaft – in immer kleinere Identitätsgruppen zerfällt, die nichts mehr miteinander zu tun haben wollen. Jede Gruppe fühlt sich benachteiligt, klagt ihre eigenen Missstände an, jede hat ihr eigenes Narrativ.

Geben Sie in Ihren Kursen Trigger-Warnungen, weil Sie befürchten müssen, dass Studenten mit Ihren Aussagen nicht umgehen können?

Nein, ich tue genau das Gegenteil. Zu Beginn meiner Kurse sage ich allen ehrlich und direkt: Keiner von euch hat das Recht, nicht beleidigt zu werden. Ihr könnt euch nicht auf die amerikanische Verfassung berufen, um euch unangenehmen intellektuellen Erfahrungen zu entziehen. Lernt, damit umzugehen.

Sie bleiben also gelassen?

Absolut. Die Studenten ändern sich auch – die jüngeren, so scheint mir, sind wieder härter im Nehmen. Die Bewegung der PC hat den Zenit überschritten. Amerikanische Institutionen brauchen zuweilen etwas Zeit, aber sie können sich selber korrigieren. ...

Interviewer: René Scheu.


Nota. - Frau Rice dürfte injured gesagt haben - correct übersetzt mit dem hierzulande allseits beliebten verletzt.
JE 

 

Sonntag, 25. Februar 2018

Beizeiten das Haus bestellen.

aus tagesspiegel.de, 25. 2. 2018

Von wegen führungsschwach. Angela Merkel ist offenbar fest entschlossen, ein politisches Erbe zu hinterlassen, an dem keiner ihrer Nachfolger vorbeikann.

... Merkels Personaltableau zeigt insgesamt, dass die CDU-Chefin den Kern ihres politischen Erbes zu verteidigen gedenkt. Dieser Kern besteht in dem, was ihr Kritiker als „Sozialdemokratisierung“ und Verrat am Althergebrachten vorwerfen. Man kann aber, mit einem gerade wieder schwer in Mode kommenden Begriff, genau so gut „Erneuerung“ dazu sagen. 

Die passte nicht jedem, weil sie Gewissheiten infrage stellte und an Pfründen kratzte. Man konnte auch in jedem einzelnen Fall über Stilfragen und pädagogisches Geschick – oder Mangel an solchem – reden. Bloß ändert das nichts daran, dass die CDU nur deshalb noch Volkspartei ist, weil sie neue Wählerschichten erschlossen hat. Die SPD hat das versäumt, mit den bekannten Folgen: Die gewerkschaftstreuen Malocher sterben ihr weg, und die GemeinschaftskundelehrerInnen werden nicht mehr. Manche von denen wählen sogar heimlich CDU. 

Der Strategin Merkel dagegen war früh klar, dass die Mitte ein beweglicher Ort ist. Eine bürgerliche Mehrheitspartei kann sich der Drift einer Gesellschaft nicht prinzipiell verweigern, selbst um den Preis nicht, dass ein neuer Kurs manchen Traditionalisten unter Protest von Bord gehen lässt. Sie kann allenfalls versuchen, die Bewegung so zu beeinflussen, dass nicht zu viele seekrank werden.
 
Allerdings steht nirgendwo geschrieben, dass der Ort immer nur in eine Richtung wandert. Womit die Frage hinter den Wort- und Stellungspielen um die Rolle des Konservativen und seiner Symbolfiguren in der CDU erreicht wäre: Dreht die Mitte grade scharf nach rechts?

Konservative Mode ist noch kein Rechtsruck

Der Augenschein – Donald Trump, Victor Orbán, Sebastian Kurz, Alexander Gauland – liefert den Anhängern dieser Theorie Indizien. Aber man muss immer aufpassen, nicht in die politische Börsenkursfalle zu tappen. Nicht jeder demoskopische Kursanstieg ist der Beginn einer Hausse. Selbst der Einzug der AfD in den Bundestag war erst mal nichts weiter als die späte – und letztlich sogar maßvolle – Quittung für den frühen Flüchtlingskurs Merkels und ihres Partners SPD. Eine generelle Wende im Zeitgeist beweist das nicht, auch wenn einer wie Spahn clever seine Marktlücke als modischer Konservativer erkannt hat. ...


Montag, 19. Februar 2018

Die hat noch Eisen im Feuer - und vor allem Feuer.



Die Zurückgebliebenen der Union haben so lange über ihr mangelndes Profil und ihre Führungsschwäche ge- mosert, dass sie sich nun nicht beklagen können, wenn endlich durchgegriffen wird. Und, wie es sich gehört, zuerst bei ihnen.





Donnerstag, 15. Februar 2018

"Sie wäre damit praktisch unangreifbar."


Augsburger Allgemeine

In der FAZ berichtet Frank Lübberding  heute über die gestrige Sendung von Anne Will. Als „größter Fehler der Bundeskanzlerin“ wurde dort genannt, die Bildung einer Minderheitsregierung auszu- schließen.

... Eine Minderheitsregierung kann es nämlich nur nach einer gescheiterten Regierungsbildung geben. Der Bundespräsident müsste eine Kanzlerin ernennen, die im letzten Wahlgang mit einer relativen Mehrheit gewählt worden wäre. Er hätte noch die Alternative, Neuwahlen anzuordnen. Wenn er aber einen solchen Kanzler ernennt, wäre dieser im deutschen Verfassungsrecht in einer einzigartig starken Position. Er könnte nur noch mit einem konstruktiven Misstrauensvotum gestürzt werden, das angesichts der Sitzverteilung im derzeitigen Bundestag auszuschließen ist. Nur der Bundeskanzler könnte noch Neuwahlen herbeiführen; er müsste dafür eine Sachfrage mit der Vertrauensfrage verbinden. Somit hätte er genügend Möglichkeiten, um die Opposition unter Druck zu setzen.

Vor allem die Sozialdemokraten hätten jede Woche die gleiche Debatte zu führen, die sie gerade beim Koalitionsvertrag zelebrieren. Jede Gesetzgebungsinitiative dieser CDU/CSU-Minderheitsregierung wäre für sie eine Herausforderung. Sie würden bei einer Ablehnung für die Handlungsunfähigkeit des Landes verantwortlich gemacht, aber ihre Zustimmung nutzte lediglich der Regierung. Diese kann sogar mit dem Stellen der Vertrauensfrage den Termin für Neuwahlen bestimmen. 

Das Blatt fährt fort:

Die auch gestern Abend artikulierte Erwartung an ein diskutierendes Parlament, wo allein die ihrem Gewissen verantwortlichen Abgeordneten entscheiden, ist naiv. Es wäre vielmehr ein Parlament, wo der Machtkampf zum Dauerzustand wird. Jede Wasserstandsmeldung der Meinungsforscher bestimmte dann noch mehr die Perspektive aller politischen Akteure als das heute schon der Fall ist.

*
 
Das kann nicht die wahre Meinung des Autors sein. Denn wäre es so, dann wäre die Rolle der Kanzlerin die eines Korkens auf den Wogen. Zu Recht hatte er aber gerade gesagt: In einer Minder- heitsregierung wäre Angela Merkel stärker denn je. Alle Vorgaben, alle Initiativen könnten nur von ihr kommen, denn jede Initiative "aus der Mitte des Parlaments" wär schon vorab gescheitert; käme sie nämlich von 'links', hätte sie außer der Regierungsfraktion auch die Opposition von 'rechts' -, und käme sie von 'rechts', hätte sie außer der Regierungsfraktion auch die Opposition von 'links' gegen sich. Merkel "wäre damit praktisch unangreifbar", schlussfolgert Frank Lübbberding ganz richtig - und hätte endlich freie Hand, in ihrem eignen Laden durchzugreifen.

Wäre der Bundestag also wieder langweilig wie immer? Nein, denn dass die Oppositionen sich - jedenfalls auf absehbare Zeit - gegenseitig blockieren, ändert ja nichts daran, dass die Regierung sich eine Mehrheit - 'rechts' und/oder 'links' - jedesmal wortgewaltig neu erkämpfen müsste! Sobald die Fraktionszwänge aufweichen, und das werden sie, ist die parlamentarische Demokratie der Bundes- republik eine andere geworden.



Mittwoch, 14. Februar 2018

"Wir schaffen das."



"Wir schaffen das" statt Demutsgesten: Eine fast schon trotzige Kanzlerin stellt an Aschermittwoch klar, dass sie alles andere als amtsmüde ist – und Lust auf die GroKo hat. "Es ist die Aufgabe von Politik, zu dienen und nicht rumzumosern." 
aus WeLT.de
 
Um keinen Preis durfte es so aussehen, aber ich glaube immer fester: Die Minderheitsregierung war von Anfang an das, was sie im Auge hatte. FDP und Sozis haben sich unmöglich gemacht, die Grünen hat sie längst in der Tasche: Sie wäre mächtiger als je zuvor, auch eine negative Mehrheit ist gegen sie nicht möglich. Wenn sie freie Hand haben wollte, eine neue Führungsriege in der CDU in Stellung zu bringen welche bessere Gelegenheit könnte sie sich wünschen?

Ob die Sozialdemokraten die Große Koalition knapp billigen oder knapp ablehnenen mit denen ist in diesem Zustand kein Staat zu machen. Es wäre diese Konstellation, die das Ende der Ära Merkel bedeutet weil sie sie über Jahre am Regieren hindern würde. Es darf eben nur nicht so aussehen, als ob sie es wäre, die das 'schmerz- liche' Arrangement mit den Sozis aufkündigt. Traut denen noch einer zu, dass sie in den kommenden Wochen keinen Fehler begehen, der Angela Merkel den Rückzug erlaubt, ohne das Gesicht zu verlieren?

Ich glaube, die ist macchiavellistischer, als sich ihre 'Kritiker' vorstellen können. Sie hat gepokert, und das kann sie mit ihrem Gesicht besser als die andern.









 

Montag, 12. Februar 2018

Die SPD ist nicht in einem Zustand...



... in dem sie noch regieren kann. Ihre Mitglieder täten gut daran, jetzt gegen die Koalition zu stimmen. Ob sie damit ihre Partei retten, ist egal - jedenfalls ersparen sie Deutschland eine Regierung, die nicht arbeitsfähig ist, weil des einen Partners einzige Sorge ist, ob in vier Jahren Frau Nahles oder Herr Scholz ihr Kanzlerkandidat wird.

O Gott, wenn wir die Merkel nicht hätten!


Sonntag, 11. Februar 2018

Es war doch das Große Heidnische Heer.

aus derStandard.at, 10. 2. 2018

Englisches Massengrab stammt aus der Zeit des Großen Heidnischen Heeres
Radiokarbondatierung hatte verwirrende Ergebnisse geliefert –

Bristol – Die frühmittelalterlichen Annalen der Angelsächsischen Chronik berichten vom sogenannten Großen Heidnischen Heer, das im späten 9. Jahrhundert aus Dänemark kommend in England einfiel. Es soll sich zwar weniger um einen einheitlichen Heereszug von Wikingern als um eine lose Ansammlung von Einzelgruppen gehandelt haben – doch waren diese durch die schiere Anzahl an Kämpfern so durchschlagskräftig, dass sie weite Teile des Landes eroberten.

Als in den 1970er Jahren in Repton in Derbyshire ein Massengrab gefunden wurde, schien bald festzustehen, dass es sich dabei um ein Relikt dieses Heeres handeln müsste. Ausgrabungen in den 70er- und 80er Jahren förderten nicht nur einzelne Wikingergräber zu Tage, sondern unter einem künstlich aufgeschütteten Hügel auch eine Grabkammer mit den Überresten von mindestens 264 Menschen. Zwischen den Gebeinen lagen Waffen und Artefakte von Wikingern sowie Silbermünzen, die auf die Zeit zwischen 872 und 875 datiert wurden. Alles passte zusammen.


Dann aber funkte die vermeintlich unfehlbare Radiokarbonmethode zur Altersbestimmung dazwischen und lieferte einige recht verwirrende Ergebnisse. Diese deuteten darauf hin, dass die Knochen, von denen viele Spuren von Gewalteinwirkung zeigten, nicht auf ein einziges Massaker zurückgingen, sondern aus ganz verschiedenen Zeitaltern stammten. Nun sah es eher so aus, als wäre die Grabkammer über Jahrhunderte hinweg immer wieder mit neuen Gebeinen befüllt worden.

Forscher der University of Bristol konnten diesen Widerspruch nun ausräumen. Laut dem Team führte eine mittlerweile bekannte Schwäche der Radiokarbondatierung zu den seltsamen Ergebnissen, der sogenannte "Marine reservoir effect". Durch den Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten – und so etwas stand bei einem Seefahrervolk wie den Wikingern täglich auf dem Speisezettel – gelangt Kohlenstoff in den Körper und schließlich in die Knochen, der wesentlich älter sein kann als der in durchschnittlicher landbasierter Nahrung. Messergebnisse können dadurch verzerrt werden.


Einer der Frauenschädel aus dem Massengrab.

Das Team um Cat Jarman hat den Effekt durch Kalkulation des entsprechenden Nahrungsanteils herausgerechnet und kam so zum Ergebnis, dass das Massengrab tatsächlich das ist, was es dem äußeren Anschein nach immer war: eine Grabstätte, die nach einem Einzelereignis angelegt wurde. Und dieses Ereignis stammt aus der Zeit des Großen Heidnischen Heers. 80 Prozent der Toten im Grab waren Männer zwischen 18 und 45 Jahren.

Dass immerhin ein Fünftel der Toten Frauen waren, zeigt, dass die Wikinger nicht nur auf einen raschen Plünderungszug vorbeigekommen waren, sondern auch eine längere Besiedlung im Auge hatten. Es war die nächste – und noch nicht die letzte – Welle von germanischen Invasionen, die dem ehemals keltisch-römischen Britannien schließlich sein heutiges Gesicht gaben. (red,)

Samstag, 10. Februar 2018

Sein verrücktes wildes Jahr.

I.
II. 
III.
Zeichnungen: Gut; aus Neue Zürcher





Stell dir vor, der wäre Kanzler geworden!



So dämlich kann einer allein doch gar nicht sein. Zum Kanzlerkandidaten hatte er nicht das Nervenkostüm, nicht das Charakterformat und nicht einmal den weiten Horizont. Zum Parteivorsitzenden schon gar nicht - das muss er doch gewusst haben! Und Kanzler konnte er so nicht werden.

Allein ist er auch nicht so blöd gewesen. Die SPD war es vor ihm. Da sie programmatisch der Merkel nichts ent- gegensetzen können als höchstens immer mal eine Kleinigkeit, mussten sie personell ein Pfund in die Waagschale werfen, doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Dass er bei aller Fülle ein Pfund nicht ist, hat Gabriel gewussst, da hat er lieber Schulz ins Messer laufen lassen. Und all die andern Sozis haben sich gegenseitig besoffen geredet. Wenn sie keinen haben, ziehn sie einfach wen aus dem Ärmel und hoffen, ihre Besoffenheit steckt an. Hat sie sogar, aber doch nur für ein paar Wochen. Seither ein endloser Katzenjammer. Sie haben keinen Kopf, sie haben keine Köpfe, sie haben nicht einmal Gesichter. Die Nahles darf den Nachlass verwalten. Schulz muss einem nicht leidtun, aber ihr darf man es gönnen.



Freitag, 9. Februar 2018

Meint immer noch einer, die SPD...



...habe die Koalitionsverhandlungen gewonnen?






Deine Vorfahren waren Neger.

So könnte der "Cheddar Man" vor 10.000 Jahren ausgesehen haben: tiefdunkle Haut, aber helle AUgen.
aus scinexx

Steinzeit-Briten waren dunkelhäutig
Vor 10.000 Jahren lebender Jäger und Sammler besaß Gene für dunkle Haut und helle Augen
 
Von wegen blond und hellhäutig: Die steinzeitlichen Europäer behielten die dunkle Haut ihrer afrikanischen Vorfahren offenbar länger als gedacht. DNA-Analysen eines vor 10.000 Jahren in England gestorbenen Mannes enthüllen, dass dieser noch dunkelhäutig war. Dafür aber besaß er bereits helle, blaue Augen. Möglicherweise etablierte sich die heute typische helle Haut der Europäer sogar erst mit der Jungsteinzeit, so die Vermutung der Forscher.

Als sich der Homo sapiens in Afrika entwickelte, hatte er eine dunkle Haut – angepasst an das sonnenreiche Klima. Doch als unsere Vorfahren dann vor rund 50.000 Jahren nach Europa zogen, kamen sie in deutlich sonnenärmere Gefilde. Ihre dunkle Haut war hier eher ungünstig: "Helle Haut kann UV-Licht besser absorbieren und das hilft, einen Vitamin-D-Mangel zu vermeiden", erklärt Tom Booth vom Museum of Natural History in London.
 
"Deshalb hat man bis vor Kurzem gedacht, dass der Homo sapiens relativ schnell nach seiner Ankunft in Europa eine hellere Haut entwickelte", so der Forscher. Hinweise darauf liefern auch DNA-Analysen, die Relikte von Neandertalergenen in den Erbgutbereichen für unsere Hautpigmentierung fanden. Das spricht dafür, dass unsere Vorfahren durch Kreuzungen mit den hellhäutigeren Neandertalern eine hellere Haut bekommen haben könnten.

DNA-Analyse beim "Cheddar Man"

Doch nun stellt das Skelett eines steinzeitlichen Mannes aus England dieses Szenario in Frage. Seine Überreste wurden schon 1903 in einer Höhle in Somerset entdeckt. Der "Cheddar Man", wie er nach einer nahen Schlucht getauft wurde, war 1,66 Meter groß und bereits als junger Mann gestorben – warum, weiß man nicht. Datierungen ergaben, dass das Skelett rund 10.000 Jahre alt ist. Der Cheddar Man ist damit das älteste fast vollständige Skelett eines Homo sapiens in Großbritannien.

Der Schädel des Cheddar Man
 
(Natural History Museum London, 09.02.2018 - NPO)
 
 
 

Donnerstag, 8. Februar 2018

Christlich-Sozialdemokratische Union.



Die SPD hat die Koalitionsverhandlungen gewonnen? So darf es ruhig aussehen. Denn sie hängt am Tropf von Angela Merkel, und das darf nicht so aussehen, sonst ginge ihr Mitgliederentscheid womöglich ins Auge. Im Ernst glaubt keiner, dass die grad nochmal davongekommenen Sozis den Schneid haben und die Koalition platzen lassen. Was wäre denn die Alternative? Sich in der Opposition regenerieren?!  Wogegen sollten sie denn opponieren, wenn Merkel eine Politik des sozialen Ausgleichs und der europäische Einigung verfolgt, wie es jeder Sozialdemokrat auch täte! Einen ideologischen Shibboleth wie die Bürgerversicherung durchkauen und ansonsten unter viel Geschrei hinter jedem Komma zwei, drei Punkte mehr fordern? Man sieht es ja auch so schon: Außer Personalthemen haben die Sozialdemokraten nichts aufzuweisen, was die Öffentlichkeit interessieren müsste. 

Tja - außer dem Mitgliederentscheid.


Ich klage nicht, dass "die Volksparteien ununterscheidbar geworden" sind. Da kann man doch nur froh sein, dass der gesunde Menschenverstand schließlich eine politische Heimat gefunden hat, und dann gleich eine so - naja - große! Das muss man institutionell verankern, sonst wird sie kleiner. Denn anstelle des gesunden Menschenver- standes meldet sich an den zurückgebliebenen Rändern das ungesunde Volksempfinden, und an diese Seite(n) werden die Sozialdemokraten ohnehin noch einiges verlieren (die Union hat das Gröbste schon hinter sich). 

Die Sozialdemokraten sind Sektierer. Die geben eher noch den letzten Absatz ihres Grundsatzprogramms auf, als dass sie auf ihre "Identität", sprich: ihre angestammte Boutique (samt ihren Posten) verzichten. Den Weg frei ma- chen für neue politische Gestaltungen werden die nicht. Man wird sie an die fünf Prozent drücken müssen, um sie politisch unschädlich zu machen. Wird die Große Koalition das beschleunigen oder verschafft sie ihnen eher eine Verschnaufpause? Das ist wie Lesen im Kaffeesatz. Nur ihr augenscheinlicher Triumph bei den Koalitionsverhand- lungen - das war ein Pyrrhussieg.

aus Tagesspiegel.de





Montag, 5. Februar 2018

Als die Wikinger Britannien eroberten.

Knochen und Schädel von Wikingern aus dem Massengrab  im englischen Repton.
aus scinexx

Massengrab der Wikinger identifiziert
Grabhügel mit fast 300 Toten des "Großen Heidnischen Heeres"

Tote Krieger: In England haben Archäologen ein Massengrab der Wikinger identifiziert. Neuen Datierungen nach stammen die Knochen der fast 300 Toten aus dem neunten Jahrhundert – und damit aus der Zeit, in der die Große Wikingerarmee in dieser Region lagerte. Zusammen mit zwei weiteren Gräbern und Grabbeigaben geben diese Funde neue Einblicke in die Zeit der frühen Wikingerbesatzung Englands, so die Forscher im Fachmagazin "Antiquity".

Im späten neunten Jahrhundert eroberte eine aus Dänemark kommende Wikingerarmee weite Teile Englands. Aus historischen Aufzeichnungen geht hervor, dass Teile dieses "Großen Heidnischen Heeres" im Winter 873 nahe des Ortes Repton in der Grafschaft Derbyshire den König der angelsächsischen Mercier besiegte und anschließend dort überwinterte.

Fast 300 Tote Wikinger

Jetzt zeigt sich, dass die Wikinger in Repton auch ein Massengrab ihrer gefallenen Krieger hinterließen. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren hatten Archäologen in dieser Gegend mehrere Wikingergräber sowie ein Hügelgrab mit knapp 300 Toten entdeckt. Doch aus damaligen Datierungen schloss man, dass diese Knochen nach und nach dort deponiert worden waren, denn die Knochen schienen alle unterschiedlich alt.

Das aber war ein Irrtum, wie nun Cat Jarman von der University of Bristol und ihre Kollegen herausfanden. Ihren neuen Datierungen zufolge stammen alle Toten aus der Zeit zwischen 872 und 875 – und damit genau aus der Zeit, in der die große Wikingerarmee in dieser Region lagerte. "Die neuen Radiokarbondaten beweisen zwar nicht, dass diese Toten der Wikingerarmee angehörten, es ist aber sehr wahrscheinlich", sagt Jarman.


Auch einige Frauen waren unter den toten Wikingern, hier ein Frauenschädel aus dem Massengrab. 
Auch einige Frauen waren unter den toten Wikingern, hier ein Frauenschädel aus dem Massengrab.

Waffen und viele verletzte Tote

Untersuchungen des Grabhügels ergaben, dass dort die Gebeine von mindestens 264 Menschen begraben wurden. 80 Prozent der Toten waren Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren, viele zeigten Anzeichen für schwere Verletzungen. Unter den Toten waren auch Frauen – möglicherweise ist dies ein weiterer Hinweis darauf, dass es bei den Wikingern auch Kriegerinnen gab. 

"Die Datierung dieser Knochen im Massengrab von Repton ist wichtig, denn bisher wissen wir nur wenig über die ersten Wikingerkrieger in England", erklärt Jarman. "Mit ihnen und ihren Nachfolgern begann die Geschichte der skandinavischen Siedlungen in England." Neben den Knochen fanden die Archäologen Wikingerwaffen im Grab, darunter eine Axt und mehrere Messer, sowie einige silberne Münzen.
 
Tote Kinder und ein Doppelgrab

Am Eingang des Massengrabs haben die Forscher ein weiteres, durch große Steine markiertes Grab von vier Jugendlichen entdeckt. Die bei ihrem Tod zwischen acht und 18 Jahre alten Jungen wurden gemeinsam bestattet, möglicherweise im Rahmen eines rituellen Begräbnisses, wie die Archäologen erklären. Aus Aufzeichnungen sei bekannt, dass die Wikinger hochrangige Tote manchmal auch durch Opferungen ehrten.

Unmittelbar neben dem Massengrab liegt eine weitere gesonderte Grabstelle, in der zwei Wikinger mitsamt Grabbeigaben bestattet waren. Bei dem älteren der beiden Toten lagen ein Wikingerschwert sowie ein Pendant zu Thors Hammer und weitere Utensilien, wie die Archäologen berichten. Dem Toten, der offenbar schwere Verletzungen erlitten hatte, wurde zudem ein Wildschwein-Eckzahn zwischen die Beine gelegt – möglicherweise als Ersatz für seine im Kampf verletzten Geschlechtsteile. (Antiquity, 2018; doi: 10.15184/aqy.2017.196)


(University of Bristol, 05.02.2018 - NPO)

Samstag, 3. Februar 2018

Afrika war nicht immer unterentwickelt.

aus derStandard.at, 3. Februar 2018, 11:00

Historiker: "Afrika war ein dynamischer Kontinent"
Lange galt der Kontinent als geschichtslos, jetzt hat François-Xavier Fauvelle ein wunderbares Buch über Afrika im Mittelalter geschrieben – als Zentrum eines blühenden Welthandels

"Die Geschichtsschreibung über Afrika wird immer fragmentarisch bleiben. Sie wird weiterhin gekennzeichnet sein von der Einmaligkeit gewisser historischer Fundstücke und deren Verschiedenheit", sagt der französische Historiker François-Xavier Fauvelle.

Standard: Afrika und Geschichte – das galt lange als Widerspruch. Geben Sie dem Kontinent mit Ihrer Erforschung des afrikanischen Mittelalters seine Geschichte zurück?

François-Xavier Fauvelle: Tatsächlich fällt es vielen immer noch schwer, den Begriff Geschichte auf Afrika anzuwenden. Diese Unwissenheit wurzelt in alten abendländischen Vorurteilen. Sie wurden geschaffen, um den Sklavenhandel zu rechtfertigen. Manchmal nimmt die Unwissenheit subtilere Formen an, etwa wenn man Afrika als Wiege der Menschheit bezeichnet oder die afrikanischen Kunstwerke als primitive Kunst betrachtet. Das kann durchaus in guter Absicht geschehen. Dennoch wird damit die Vorstellung eines Afrika aufrechterhalten, das seit seinen Anfängen keine Veränderung erfuhr und dessen Bewohner in ihrer natürlichen Umgebung erstarrten. Ich möchte sowohl den Vorurteilen entgegentreten als auch all den Mythen, mit denen der Mangel an Kenntnissen aufgefüllt wurde.

Standard: Der Historiker Jacques Le Goff wandte sich dagegen, das europäische Mittelalter als finstere Periode anzusehen. Gilt das auch für Afrika?

Fauvelle: Heute gibt es in der Geschichtswissenschaft eine Strömung von Historikern, die in Fortsetzung von Le Goff eine weite Sicht auf das Mittelalter hat. Wenn ich vom afrikanischen Mittelalter spreche, dann nicht, um einen den Lesern bekannten Begriff zu verwenden. Vielmehr möchte ich damit deutlich machen, dass Afrika teilnahm an den Entwicklungen, die im christlichen Europa, aber auch in Byzanz und der islamischen Welt stattfanden. Der Handel über weite Entfernungen, die Netze international tätiger Kaufleute, die Bedeutung des Goldes und der Sklaven, der städtische Raum als Umschlagplatz für Waren – all das sind mittelalterliche Phänomene, und Afrika wirkte daran mit.

Standard: Wird Afrika damit wieder Teil der Weltgeschichte, aus der es lange ausgeklammert blieb?

Fauvelle: Wenn ich dazu beitragen kann, wäre das für mich ein großer Erfolg. Das Afrika, mit dem ich mich als Historiker und Archäologe befasse, ist weit weg vom Bild der "Stämme". Man sieht in ihm die Entwicklung von Individuen, die Akteure der Geschichte waren, Regenten, Kaufleute, Verwalter, religiöse Autoritäten. Es ist ein Afrika der Reiche, Städte und Handelsbeziehungen. Zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert, also vor den ersten Kontakten mit europäischen Forschungsreisenden, fand in weiten Teilen Afrikas ein blühender Handel statt. Das war ein dynamischer Kontinent. Es entstanden Handelsstädte und Staaten, die mit der Welt außerhalb Afrikas Beziehungen unterhielten. Staaten wie Mali etwa genossen im 14. Jahrhundert in Europa und der islamischen Welt hohes Ansehen.

Standard: Weshalb kam der islamischen Welt diese Bedeutung zu?

Fauvelle: Die zentrale Stellung der islamischen Welt war eine Besonderheit des Mittelalters. Dieser zivilisatorische Raum, der sich von Spanien und Marokko im Westen bis zu Afghanistan im Osten erstreckte, stellte weder politisch, noch religiös oder sprachlich eine Einheit dar. Er wurde geeint durch den Handel. In alle Richtungen erschloss diese muslimische Zivilisation neue Handelswege, durch die Sahara in Richtung der Länder der Sahelzone und quer über den Indischen Ozean nach Kenia, Tansania, Mosambik und Madagaskar. Aber auch wenn es die muslimischen Kaufleute waren, die in "die Länder der Schwarzen" reisten, beruhte die Entdeckung auf Gegenseitigkeit. Es fand in den Regionen Afrikas ein reger kultureller Austausch statt. Die afrikanischen Regenten und Kaufleute verkauften Sklaven und Gold an ausländische Kaufleute. Zugleich aber stellten sie ihre eigenen Forderungen nach Stoffen, Metallen, die selten waren in Afrika, wie etwa Kupfer, oder nach Porzellan, das die muslimischen Kaufleute aus dem Nahen Osten und China importieren mussten.

Standard: Um den Goldhandel wurde ein großes Geheimnis gesponnen ...

Fauvelle: Weder die muslimischen Kaufleute im Mittelalter noch später die portugiesischen Kaufleute wussten, wo das Gold herkam, das sie kauften. Die Goldrouten waren so lang, dass sie in mehrere Abschnitte unterteilt waren und die einzelnen Zwischenhändler auch nur eine teilweise Vorstellung von ihnen hatten.

Standard: Aber welchen Sinn hatten Geschichten wie die, dass Gold wie Karotten wachse?

Fauvelle: Sie bildeten einen Schutzschirm. Die afrikanischen Kaufleute, die das Gold in die nordafrikanischen Städte brachten, waren daran interessiert, ihr Geheimnis über die Orte, an denen es gewonnen wurde, zu hüten. Sie fürchteten, dass ihre Handelspartner sich sonst selbst an den Minen bedienen würden. Die afrikanischen Regenten, die das Gold an Ausländer verkauften, wollten das Geheimnis seiner Herkunft ebenfalls bewahren, um ihr Monopol zu sichern. So hatten die ausländischen Kaufleute, die bei den lokalen Regenten in Mali oder Kilwa, einem autonomen Sultanat an der westafrikanischen Küste, das Gold kauften, nur eine vage Vorstellung, wo es herkam. Das gilt noch mehr für jene, die das Gold in der islamischen Welt oder in Europa verarbeiteten.

Standard: Kann man sich vorstellen, wie Afrika heute aussähe, wenn seine Entwicklung nicht vom gewaltsamen Einbruch der Portugiesen beendet worden wäre?

Fauvelle: Geschichtsfiktion ist immer schwierig. Zweifellos befanden sich weite Gebiete Afrikas im Mittelalter auf einem wirtschaftlichen und politischen Entwicklungsniveau, das dem Europas vergleichbar war. Die Ankunft der europäischen Mächte an den Küsten Afrikas und der massive Sklavenhandel in Richtung Amerika erklären zum Teil, warum dem afrikanischen Kontinent der Start in die Moderne versagt blieb. Hinzu kamen innerafrikanische Faktoren wie etwa die im Vergleich zu Europa, Indien oder China große demografische Schwäche.

Standard: Am Ende Ihres Buches berichten Sie von Vasco da Gamas Afrika-Umsegelung und seinem freundlichen Empfang an den ostafrikanischen Küsten. Hätte zu diesem Zeitpunkt die Geschichte noch einen anderen Verlauf nehmen können?

Fauvelle: Vermutlich wäre es den international tätigen Handelsleuten des Indischen Ozeans damals noch möglich gewesen, sich die Eindringlinge vom Halse zu schaffen. Bei ihrer Abreise aus Lissabon 1497 waren die Portugiesen eine kleine Bande schmutziger, kranker und brutaler Europäer. Ihre Ankunft an der ostafrikanischen Küste wurde durch ein Missverständnis erleichtert. Der indische Historiker Sanjay Subrahmanyam, der eine Biografie über Vasco da Gama schrieb, erfasste das. 
Bevor die Portugiesen sich in Afrika gewaltsam ein Reich verschafften, wurden sie in der zivilisierten Welt des Indischen Ozeans mit relativem Wohlwollen aufgenommen, weil man sie für hinduistische Kaufleute hielt. Muslimische Kaufleute, die mit dem Mittelmeer vertraut waren und den Portugiesen in Indien wiederbegegneten, erkannten, welche Barbaren diese waren, und wünschten sie zum Teufel. Aber die Geschichte verlief anders. Dem Machtaufstieg der Portugiesen folgte jener der Niederländer sowie weiterer europäischer Nationen.

Standard: Das kleine goldene Nashorn von Mapungubwe, das Ihrem Buch den Titel gibt, stellen Sie als ein gestohlenes und wiedergefundenes Objekt vor, das dennoch für immer verloren ist ...

Fauvelle: Für Archäologen ist es wichtig, wie Fundgegenstände zu uns gelangen. Wir brauchen den Zusammenhang, in dem ein Objekt gefunden wird. Der Fundort kann Aufschluss über ein Objekt geben. Die koloniale Archäologie war oft nichts weiter als eine Plünderung, was sich leider in zahlreichen Regionen bis heute fortsetzt. Wer davon profitiert, ist der internationale Kunstmarkt. Afrikanischen Ländern fehlt es an Mitteln, um ihrem archäologischen Erbe Respekt zu verschaffen.

Standard: Wie beurteilen Sie die archäologische Situation in Afrika? Müsste mehr gegraben werden?

Fauvelle: Viele Fundstätten warten auf Entdeckung. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Mit meinen französischen und äthiopischen Kollegen habe ich mehrere mittelalterliche äthiopische Städte ausgeforscht. Und wenn man Berichte islamischer Reisender liest, die zahlreiche Städte und Hauptstädte erwähnen, bleibt auf diesem Gebiet noch eine Menge zu entdecken.

Standard: Besteht eine Chance, all die noch offenen Fragen über die afrikanische Vergangenheit zu beantworten?

Fauvelle: Die Geschichtsschreibung über Afrika wird immer fragmentarisch bleiben. Sie wird weiterhin gekennzeichnet sein von der Einmaligkeit gewisser historischer Fundstücke und deren Verschiedenartigkeit. Die Mehrzahl der afrikanischen Gesellschaften hat nichts Geschriebenes hervorgebracht. Wir sind daher auf schriftliche Funde von außerhalb angewiesen. Die erzählen aber nicht dieselbe Geschichte. Die Beschreibung einer Stadt durch einen Geografen oder einen Reisenden stimmt nicht mit dem überein, was man bei archäologischen Ausgrabungen von dieser Stadt entdeckt. In dieser Geschichte der "Lücken" besteht die große Herausforderung. 

Interview: Ruth Renée Reif 
 
François-Xavier Fauvelle, geb. 1968, spezialisierte sich nach dem Studium auf Archäologie und die Geschichte Afrikas. Er ist Professor für Afrikanische Geschichte an der Uni Toulouse, wo er das Team "Pôle Afrique" leitet, und Direktor mehrerer archäologischer Forschungsprogramme in Afrika. Sein Buch "Das goldene Rhinozeros" wurde mit dem Großen Preis des Geschichtsfestivals "Rendezvous de l'histoire" ausgezeichnet. 


Nota. - Erst die Portugiesren, dann die Holländer, schließlich die Engländer... Das ist zu wenig, um zu erklären, warum auf eine Blüte ein ununterbrocherer Verfall folgte. Schließlich sind erst die Englän- der im 19, Jahrhundert tief ins Innere des Kontinents eingedrungen. Die andern hatten sich auf die Handelsplätze an der Küste beschränkt. Den Handel konnten sie sich unterwerfen; aber Handel womit? Der frühere Reichtum hatte ja wohl auf realen Gütern beruht, die erst durch Austausch zu Geld wurden. Wo ist dieser materielle Reichtum abgeblieben? Die Kolonisierung kann mancherlei erklären - aber immer nur in concreto; die Fakten im Detail können durch einen bloßen Begriff nicht ersetzt werden, sonst tritt nur ein Mythos an Stelle eines andern.
JE