Wie sich die Glockenbecherkultur einst in Europa ausbreitete
Umfangreiche
DNA-Analysen zeichnen Wanderbewegungen unserer Vorfahren am Übergang
zwischen Jungsteinzeit und Bronzezeit nach – mit Überraschungen
Wien – Am Ende der Jungsteinzeit breitete sich eine neue Kultur in Europa aus: die Glockenbecherkultur. Sie war gekennzeichnet durch speziell geformte Keramikgefäße, Pfeilspitzen, Kupferdolche, steinerne Armschutzplatten für Bogenschützen und V-förmig durchbohrte Knöpfe. Diese Kultur kam aber nicht wie bisher angenommen aus dem Südwesten, sondern aus dem Osten, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "Nature".
Die Glockenbecherkultur verbreitete sich etwa vor 4.700 bis 4.400 Jahren. Archäologen hatten bisher angenommen, dass sie sich von der iberischen Halbinsel aus auf dem Kontinent ausbreitete, und es war unklar, ob dies durch die Weitergabe von Kultur oder massiven Bevölkerungsbewegungen geschah.
Verdrängte Britannier
Ein Team um David Reich von der Harvard Medical School in Boston (USA) hat nun das Erbgut von 400 urgeschichtlichen Skeletten aus Fundstätten in ganz Europa analysiert, 226 davon gehörten zur Glockenbecherkultur-Kultur. Die Glockenbecher-Menschen der iberischen Halbinsel hatten genetisch keine Gemeinsamkeiten mit jenen aus Zentraleuropa, erklärte Koautor Ron Pinhasi von Universität Wien. Der Knochenexperte und Spezialist für historisches Erbgut folgert daraus, dass die Glockenbecherkeramik sich zwischen Mitteleuropa und der iberischen Halbinsel ohne nennenswerte Migration ausgebreitet hat.
Ganz anders sieht sie Sache in Britannien aus. Dort wurde die ansässige Bevölkerung zu 90 Prozent durch Glockenbecherkultur-Migranten aus den heutigen Niederlanden ersetzt, so der Forscher. Es gäbe aber keine Anzeichen gewalttätiger Verdrängung, sondern die Einheimischen wurden offenbar nach einem großen Einstrom von neuen Siedlern innerhalb einiger Jahrhunderte ersetzt, sagte Kurt Alt von der Danube Private University in Krems.
Bisher habe man geglaubt, dass sich die Glockenbecherkultur als einzige große Bewegung aus dem Westen in Europa verbreitet hat – denn sowohl die Erstbesiedelung, die Eroberung durch Bauernvölker als auch der Einfluss sogenannter "Steppe-Elemente" (der Jamnaja-Kultur) erfolgten vom Osten aus. "Dies hat sich jetzt aber umgedreht, auch die Glockenbecherkultur kam aus dem Osten", so Alt unter Hinweis auf die neuen genetischen Daten. (APA, 26.2.2018)