Im Ruhrgebiet ist nur der Wandel konstant
Die Energiewende stellt Deutschlands grösstes Industriegebiet wieder einmal vor neue Herausforderungen
Die Energiewende stellt Deutschlands grösstes Industriegebiet wieder einmal vor neue Herausforderungen
von Gerd Kolbe, Bonn
Die Berliner Energiepolitik beschert dem Bundesland Nordrhein-Westfalen einen weiteren Strukturwandel. Den grossen Stromkonzernen, einem der Pfeiler der heimischen Wirtschaft, geht es schlecht.
Braunkohle im Aufwind
Der abrupte Meinungswandel hat
sich gelohnt. Kaum eine Region hat so viel Nutzen vom Kurswechsel in
Berlin wie das rheinisch-westfälische Industriegebiet. Denn längst hat
dort ein neues Kapitel des seit Jahrzehnten permanenten Strukturwandels
begonnen. Steinkohle und Stahl bestimmen längst nicht mehr die
ökonomischen Geschicke der Region. Der Automobilkonzern Opel wird zum
Jahresende sein Werk in Bochum schliessen. Als Nächste geraten nun die
beiden grössten deutschen Energiekonzerne RWE und E.On in Bedrängnis.
Schon hat ein spürbarer Personalabbau begonnen. Die Konzerne ziehen die
Konsequenzen aus der Energiewende, dem Abschied von der Kernkraft und
dem unerwartet raschen Wachstum der alternativen Energien.
Wenn jeder Hausbesitzer zum
Stromproduzenten werden kann, kommen die grossen Versorgungsunternehmen
nicht mehr auf ihre Kosten. Man kann den Stromriesen nicht einmal
vorwerfen, die Lage falsch eingeschätzt zu haben. Auch die Politik hat
sich geirrt. Niemand nämlich hatte vorausgesehen, dass alternative
Energien dank üppigen Subventionen, die der Stromverbraucher letztlich
durch höhere Abgaben bezahlt, schon jetzt in der Lage sind, bis zu einem
Viertel des deutschen Strombedarfs zu decken. Dennoch hat die
Produktion von Braunkohle-Strom 2013 mit 162 Milliarden Kilowattstunden
fast wieder den Stand von 1990, dem Jahr der Wiedervereinigung,
erreicht. Deutschland ist trotz dem Abschalten von acht Atomkraftwerken
immer noch Stromexporteur.
Das Nachbarland Frankreich rechnet sich immer noch hoch an, mit seinem sauberen Atomstrom die Umwelt zu schonen. Kaum ein Franzose weiss indes, dass in bestimmten Zeiten Strom aus dem rheinischen Braunkohlerevier ins französische Netz fliesst - dann nämlich, wenn den französischen Meilern im Hochsommer das Kühlwasser ausgeht oder in der Vorweihnachtszeit ungewöhnlich hohe Stromspitzen zu bewältigen sind. Noch jeder Manager bei RWE, dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk, pflegt schadenfroh darauf hinzuweisen, wenn anderswo wieder einmal über die CO2-Schleudern westlich und nordwestlich von Köln geschimpft wird.
Mögen auch von Umweltschutzorganisationen veranlasste Gerichtsverfahren die Baugenehmigungen oft um Jahre verzögern - in Nordrhein-Westfalen gehen immer wieder neue Kraftwerke in Betrieb. Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Kohleabbau im Tagebau Garzweiler II bis zum Jahr 2045 fortgeführt werden darf. Immer weiter fressen sich in einem 48 Quadratkilometer grossen Gebiet nordwestlich von Köln die gigantischen Schaufelbagger ins Land. In einer Tiefe von über 200 Metern entstehen Mondlandschaften, die später wieder aufgefüllt und in Naherholungsgebiete umgewandelt werden sollen. 45 Millionen Tonnen Braunkohle will der Energieriese RWE Power dort fördern. Für wen und für was? Unlängst machte das Gerücht die Runde, aus wirtschaftlichen Gründen werde der Braunkohlebergbau schon früher eingestellt. Die Umweltorganisationen jubelten, und viele der 7500 Einwohner der Dörfer, die dem braunen Gold noch weichen sollen, freuten sich. Der RWE-Konzern dementierte unverzüglich.
Das Nachbarland Frankreich rechnet sich immer noch hoch an, mit seinem sauberen Atomstrom die Umwelt zu schonen. Kaum ein Franzose weiss indes, dass in bestimmten Zeiten Strom aus dem rheinischen Braunkohlerevier ins französische Netz fliesst - dann nämlich, wenn den französischen Meilern im Hochsommer das Kühlwasser ausgeht oder in der Vorweihnachtszeit ungewöhnlich hohe Stromspitzen zu bewältigen sind. Noch jeder Manager bei RWE, dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk, pflegt schadenfroh darauf hinzuweisen, wenn anderswo wieder einmal über die CO2-Schleudern westlich und nordwestlich von Köln geschimpft wird.
Mögen auch von Umweltschutzorganisationen veranlasste Gerichtsverfahren die Baugenehmigungen oft um Jahre verzögern - in Nordrhein-Westfalen gehen immer wieder neue Kraftwerke in Betrieb. Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Kohleabbau im Tagebau Garzweiler II bis zum Jahr 2045 fortgeführt werden darf. Immer weiter fressen sich in einem 48 Quadratkilometer grossen Gebiet nordwestlich von Köln die gigantischen Schaufelbagger ins Land. In einer Tiefe von über 200 Metern entstehen Mondlandschaften, die später wieder aufgefüllt und in Naherholungsgebiete umgewandelt werden sollen. 45 Millionen Tonnen Braunkohle will der Energieriese RWE Power dort fördern. Für wen und für was? Unlängst machte das Gerücht die Runde, aus wirtschaftlichen Gründen werde der Braunkohlebergbau schon früher eingestellt. Die Umweltorganisationen jubelten, und viele der 7500 Einwohner der Dörfer, die dem braunen Gold noch weichen sollen, freuten sich. Der RWE-Konzern dementierte unverzüglich.
Der Anteil des Solar- und
Windstroms wird weiter wachsen. Der Bedarf an herkömmlicher Energie wird
abnehmen. Schon deswegen ist langfristig nicht auszuschliessen, dass
die Braunkohle uninteressant wird. Ihre Förderung setzt Investitionen
über lange Zeit voraus. Doch wer will heute schon voraussagen, wie die
Versorgungslage im Jahr 2040 aussieht. Die Rolle, die ihr zugedacht ist,
kann die Braunkohle nur unzulänglich spielen. Sie soll eine Brücke
bilden für die Zeit des Übergangs. Doch Kohlekraftwerke lassen sich
nicht einfach abschalten, bloss weil gerade der Wind heftig weht oder
die Sonne unentwegt scheint. Sie funktionieren wirtschaftlich nur rund
um die Uhr. Schon bald werden die Regierungen in Berlin und Düsseldorf
vor der Frage stehen, ob sie mögliche Stillstandszeiten aus staatlichen
Mitteln finanzieren wollen. Gaskraftwerke wären ideal, um Zeiten mit
hohem Aufkommen an alternativen Energien zu überbrücken. Doch auch hier
zögern die Stromversorger. Sie befürchten, dass sich ihre Investitionen
nicht lohnen und sie in Zukunft nicht mehr gebraucht werden.
Bei allem darf und kann die
Landesregierung nicht übersehen, dass Nordrhein-Westfalen ein
Industrieland ist. Die verbliebenen Stahlwerke, stahlverarbeitenden
Unternehmen, Chemiefabriken und die Aluminiumbranche brauchen viel
Strom. Ihnen wird momentan noch die hohe Ökoabgabe erlassen, die jeder
private Verbraucher zusätzlich zum Strompreis entrichten muss. Schon
droht Gefahr aus Brüssel. Die EU-Kommission sieht darin eine Subvention,
die abgeschafft gehört.
Umstrittenes Geschäftsmodell
Umstrittenes Geschäftsmodell
Der Düsseldorfer
Wirtschaftsminister, der Sozialdemokrat Garrelt Duin, unterstreicht bei
jeder Gelegenheit, dass man neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien
auch eine solidere Grundlage für die konventionellen Kraftwerke braucht.
Die Unternehmen brauchten Planungssicherheit, sagt er. Der bisherige
CDU-Fraktions-Chef Karl-Josef Laumann, der als Staatssekretär nach
Berlin wechselte, ist schon einen Schritt weiter. Er bestreitet, dass
das bisherige Geschäftsmodell Zukunft hat. Es sei Pflicht der
Landesregierung, durch kluge Planung die Voraussetzungen für die
Schaffung neuer Arbeitsplätze zu realisieren. Reiner Priggen, der
Fraktionschef des grünen Koalitionspartners in Düsseldorf, empfiehlt dem
Versorgungsunternehmen RWE, sich dezentraler und kleinteiliger
aufzustellen und von zweistelligen Renditen Abstand zu nehmen. Dadurch
indes würden für viele Kommunen, die Aktionäre des RWE-Konzerns sind,
bedeutende Einnahmen wegfallen.
Für Kraft wird das Regieren in den Zeiten der Energiewende nicht einfacher. Die grosse Koalition in Berlin hat den Landespolitikern durch eine Verlangsamung des Anpassungsprozesses die Lage etwas erleichtert. Schon jetzt freilich ist absehbar, dass auch in Düsseldorf SPD und CDU sich inhaltlich näherkommen. Dieser Trend könnte sich unter dem neuen CDU-Partei- und -Fraktions-Chef Armin Laschet noch verstärken. Wer sich um die Zukunft von Industriearbeitsplätzen kümmere, meint er, handle genauso ethisch wie der, der höhere CO2-Ziele fordere.
Für Kraft wird das Regieren in den Zeiten der Energiewende nicht einfacher. Die grosse Koalition in Berlin hat den Landespolitikern durch eine Verlangsamung des Anpassungsprozesses die Lage etwas erleichtert. Schon jetzt freilich ist absehbar, dass auch in Düsseldorf SPD und CDU sich inhaltlich näherkommen. Dieser Trend könnte sich unter dem neuen CDU-Partei- und -Fraktions-Chef Armin Laschet noch verstärken. Wer sich um die Zukunft von Industriearbeitsplätzen kümmere, meint er, handle genauso ethisch wie der, der höhere CO2-Ziele fordere.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen