Freitag, 3. Januar 2014

Der Friede von Baden.

aus NZZ, 3. 1. 2014                                       Holländischer Kupferstich mit einer Ansicht von Baden aus Anlass des Friedenskongresses von 1714

Ein Schauspiel für den Frieden
Wie die Stadt Baden vor 300 Jahren die Auswirkungen zweier Kriege zu spüren bekam

von André Müller 

Der Friede von Baden bereinigte 1714 die Zwiste des Spanischen Erbfolgekriegs. Für die Stadt an der Limmat war der Kongress eine willkommene Ablenkung vom eigenen Unglück. Nur den Herren aus Zürich und Bern kam der hohe Besuch ungelegen.

Im Frühjahr 1714 muss Baden ein trauriges Bild abgegeben haben: Die Stadt war von Artilleriebeschuss gezeichnet. Ihre Festungsmauern waren geschleift, die herausgebrochenen Mauerstücke lagen verstreut im Stadtgraben. Die städtische Schatzkammer war von Zürich und Bern geplündert worden. Dennoch hielten die europäischen Grossmächte hier den grossen Friedenskongress ab, der einen Schlussstrich unter den Spanischen Erbfolgekrieg zog und sich 2014 zum 300. Mal jährt. Weshalb aber fand der Kongress überhaupt vor dieser tristen Kulisse statt?

1712 war Baden bereits Hauptschauplatz eines Waffengangs geworden. Im Zweiten Villmergerkrieg fochten allen voran Zürich und Bern gegen die katholischen Innerschweizer Orte und den St. Galler Abt um die Vorherrschaft in der Eidgenossenschaft. Die stolze Bäderstadt beherbergte zu jener Zeit die eidgenössische Tagsatzung und war Gemeine Herrschaft der acht Alten Orte. Sie genoss jedoch grosse Freiheiten. Nun hatte sich Baden aber auf der Seite der Innerschweizer in den Konflikt einspannen lassen: Es nahm Truppen aus der Innerschweiz auf und fungierte als Sperre zwischen den Zürcher und den Berner Soldaten.

Strafaktion gegen Baden

Eine folgenschwere Entscheidung: Bald schon belagerten die übermächtigen Gegner die Stadt, und Baden, von den katholischen Verbündeten im Stich gelassen, kapitulierte. Die Zürcher, denen die Badener Festungswerke schon länger ein Dorn im Auge gewesen waren, nutzten den Sieg für eine regelrechte Strafaktion: Gemeinsam mit den Bernern schleiften sie die Stadtmauern, entwaffneten die Bevölkerung und teilten das städtische Vermögen unter sich auf. Zudem bauten sie eine protestantische Kirche und verwendeten dafür Steine aus dem niedergerissenen Mauerwerk. Im Landfrieden von Aarau (1712) setzten die Sieger überdies durch, dass die anderen Orte - ausser den neutral gebliebenen Glarnern - nicht länger an der Herrschaft über Baden beteiligt sein sollten.

Ein anderer Krieg verhalf Baden indes kurz darauf zu seinem grössten Auftritt auf der internationalen Bühne, über den anlässlich seines Jubiläums auch die diesjährigen Badener Neujahrsblätter berichten: Hier fand vor 300 Jahren der dritte und letzte Friedenskongress zum Spanischen Erbfolgekrieg statt. Seit 1701 hatte Frankreich gegen Österreich, Grossbritannien und die Generalstaaten der Niederlande um die spanische Thronfolge gekämpft. Auf Friedenskongressen in Utrecht (1713) und Rastatt (1714) waren zwar die wichtigen Fragen zwischen den Grossmächten bereits bereinigt worden. Doch das Heilige Römische Reich war an den Friedensschlüssen nicht beteiligt und musste die Rastatter Beschlüsse noch formell nachvollziehen. Deshalb entschied man sich, in der neutralen Eidgenossenschaft den Frieden zwischen Frankreich und dem Reich feierlich zu bestätigen, obwohl es nicht mehr viel zu bereden gab.

Feiern - und verhandeln

Der Inhalt des Übereinkommens stand in seinen Grundzügen fest, dessen Form gab aber zu umso mehr Streitereien Anlass, so dass sich der Kongress über den ganzen Sommer 1714 hinzog. Die Bevollmächtigten der Habsburger und der Bourbonen nutzten die Zeit derweil für üppige Festmähler und ausgelassene Unterhaltung. Insbesondere der französische Bevollmächtigte, Graf Du Luc, sparte nicht an Annehmlichkeiten für sich und seine Gäste. So liess er es sich nicht nehmen, eine ganze Theatertruppe in seinem Gefolge mitzuführen, die französische Komödien zum Besten gab.

Die Einwohner waren zu den Aufführungen nicht eingeladen und wohnten auch dem diplomatischen Schauspiel nur als Zuschauer bei. Dennoch schienen sie an der barocken Pracht Gefallen zu finden, wenn man der Chronik des Stadtfähndrichs Joseph Caspar Dorer glauben darf. Der Kongress brachte den Badenern auch handfeste Vorteile: Wegen der akuten Platznot liessen sich die Stadthäuser zu phantastischen Preisen an die Delegationen vermieten. Um den hohen Diplomaten einen ansehnlichen Tagungsort zu präsentieren, liessen die Stadtherren aus Zürich und Bern zudem die Kriegsschäden ausbessern und Mauerstücke aus Baden wegräumen.

Dass der französische König ausgerechnet Baden und nicht Frauenfeld oder Schaffhausen als Tagungsort auswählte, kam den protestantischen Orten ungelegen. Wegen des Kongresses erhielten die internen Streitigkeiten der Eidgenossenschaft mehr Aufmerksamkeit, als ihnen lieb sein konnte. Denn nicht nur in der Innerschweiz gab es Stimmen, welche die Beschlüsse von Aarau umstossen und Baden wieder unter die Herrschaft aller Alten Orte stellen wollten. Der päpstliche Gesandte soll sich am Rande des Kongresses dafür eingesetzt haben, und auch das katholische Frankreich, als grosser Bündnispartner der Innerschweizer, war diesem Vorhaben gegenüber nicht abgeneigt: Als sich nämlich Ludwig XIV. bezüglich des Kongresses offiziell an die Herren von Baden wandte, adressierte er sein Schreiben an alle Orte, nicht bloss an Zürich, Bern und Glarus.

Das Ende einer grossen Ära

Letzten Endes fruchteten diese Bemühungen jedoch nicht. Vor allem die kaiserliche Delegation war nicht daran interessiert, sich in die eidgenössische Politik einzumischen, da dies die protestantischen Mächte verärgert und neue Religionskonflikte hervorgerufen hätte.

Für Baden begann nach dem Kongress eine schwierige Zeit. Es hatte mit ökonomischen Problemen zu kämpfen, weil die Tagsatzung als Folge des Zweiten Villmergerkrieges nach Frauenfeld abgewandert war. Erst im 19. Jahrhundert sorgten die Bäder und die neu aufkommende Industrie für neuen Wohlstand im Kurort. Der Kongress von 1714 blieb der Stadt immerhin als rauschendes Abschlussfest einer grossen Periode in Erinnerung.


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