Ein Schauspiel für den Frieden
Wie die Stadt Baden vor 300 Jahren die Auswirkungen zweier Kriege zu spüren bekam
Wie die Stadt Baden vor 300 Jahren die Auswirkungen zweier Kriege zu spüren bekam
von André Müller
Der Friede von Baden bereinigte 1714 die Zwiste des Spanischen Erbfolgekriegs. Für die Stadt an der Limmat war der Kongress eine willkommene Ablenkung vom eigenen Unglück. Nur den Herren aus Zürich und Bern kam der hohe Besuch ungelegen.
Im Frühjahr 1714 muss Baden ein trauriges Bild abgegeben haben: Die Stadt war von Artilleriebeschuss gezeichnet. Ihre Festungsmauern waren geschleift, die herausgebrochenen Mauerstücke lagen verstreut im Stadtgraben. Die städtische Schatzkammer war von Zürich und Bern geplündert worden. Dennoch hielten die europäischen Grossmächte hier den grossen Friedenskongress ab, der einen Schlussstrich unter den Spanischen Erbfolgekrieg zog und sich 2014 zum 300. Mal jährt. Weshalb aber fand der Kongress überhaupt vor dieser tristen Kulisse statt?
1712 war Baden bereits
Hauptschauplatz eines Waffengangs geworden. Im Zweiten Villmergerkrieg
fochten allen voran Zürich und Bern gegen die katholischen
Innerschweizer Orte und den St. Galler Abt um die Vorherrschaft in der
Eidgenossenschaft. Die stolze Bäderstadt beherbergte zu jener Zeit die
eidgenössische Tagsatzung und war Gemeine Herrschaft der acht Alten
Orte. Sie genoss jedoch grosse Freiheiten. Nun hatte sich Baden aber auf
der Seite der Innerschweizer in den Konflikt einspannen lassen: Es nahm
Truppen aus der Innerschweiz auf und fungierte als Sperre zwischen den
Zürcher und den Berner Soldaten.
Strafaktion gegen Baden
Eine folgenschwere Entscheidung:
Bald schon belagerten die übermächtigen Gegner die Stadt, und Baden, von
den katholischen Verbündeten im Stich gelassen, kapitulierte. Die
Zürcher, denen die Badener Festungswerke schon länger ein Dorn im Auge
gewesen waren, nutzten den Sieg für eine regelrechte Strafaktion:
Gemeinsam mit den Bernern schleiften sie die Stadtmauern, entwaffneten
die Bevölkerung und teilten das städtische Vermögen unter sich auf.
Zudem bauten sie eine protestantische Kirche und verwendeten dafür
Steine aus dem niedergerissenen Mauerwerk. Im Landfrieden von Aarau
(1712) setzten die Sieger überdies durch, dass die anderen Orte - ausser
den neutral gebliebenen Glarnern - nicht länger an der Herrschaft über
Baden beteiligt sein sollten.
Ein anderer Krieg verhalf Baden
indes kurz darauf zu seinem grössten Auftritt auf der internationalen
Bühne, über den anlässlich seines Jubiläums auch die diesjährigen
Badener Neujahrsblätter berichten: Hier fand vor 300 Jahren der dritte
und letzte Friedenskongress zum Spanischen Erbfolgekrieg statt. Seit
1701 hatte Frankreich gegen Österreich, Grossbritannien und die
Generalstaaten der Niederlande um die spanische Thronfolge gekämpft. Auf
Friedenskongressen in Utrecht (1713) und Rastatt (1714) waren zwar die
wichtigen Fragen zwischen den Grossmächten bereits bereinigt worden.
Doch das Heilige Römische Reich war an den Friedensschlüssen nicht
beteiligt und musste die Rastatter Beschlüsse noch formell
nachvollziehen. Deshalb entschied man sich, in der neutralen
Eidgenossenschaft den Frieden zwischen Frankreich und dem Reich
feierlich zu bestätigen, obwohl es nicht mehr viel zu bereden gab.
Feiern - und verhandeln
Der Inhalt des Übereinkommens
stand in seinen Grundzügen fest, dessen Form gab aber zu umso mehr
Streitereien Anlass, so dass sich der Kongress über den ganzen Sommer
1714 hinzog. Die Bevollmächtigten der Habsburger und der Bourbonen
nutzten die Zeit derweil für üppige Festmähler und ausgelassene
Unterhaltung. Insbesondere der französische Bevollmächtigte, Graf Du
Luc, sparte nicht an Annehmlichkeiten für sich und seine Gäste. So liess
er es sich nicht nehmen, eine ganze Theatertruppe in seinem Gefolge
mitzuführen, die französische Komödien zum Besten gab.
Die Einwohner waren zu den
Aufführungen nicht eingeladen und wohnten auch dem diplomatischen
Schauspiel nur als Zuschauer bei. Dennoch schienen sie an der barocken
Pracht Gefallen zu finden, wenn man der Chronik des Stadtfähndrichs
Joseph Caspar Dorer glauben darf. Der Kongress brachte den Badenern auch
handfeste Vorteile: Wegen der akuten Platznot liessen sich die
Stadthäuser zu phantastischen Preisen an die Delegationen vermieten. Um
den hohen Diplomaten einen ansehnlichen Tagungsort zu präsentieren,
liessen die Stadtherren aus Zürich und Bern zudem die Kriegsschäden
ausbessern und Mauerstücke aus Baden wegräumen.
Dass der französische König
ausgerechnet Baden und nicht Frauenfeld oder Schaffhausen als Tagungsort
auswählte, kam den protestantischen Orten ungelegen. Wegen des
Kongresses erhielten die internen Streitigkeiten der Eidgenossenschaft
mehr Aufmerksamkeit, als ihnen lieb sein konnte. Denn nicht nur in der
Innerschweiz gab es Stimmen, welche die Beschlüsse von Aarau umstossen
und Baden wieder unter die Herrschaft aller Alten Orte stellen wollten.
Der päpstliche Gesandte soll sich am Rande des Kongresses dafür
eingesetzt haben, und auch das katholische Frankreich, als grosser
Bündnispartner der Innerschweizer, war diesem Vorhaben gegenüber nicht
abgeneigt: Als sich nämlich Ludwig XIV. bezüglich des Kongresses
offiziell an die Herren von Baden wandte, adressierte er sein Schreiben
an alle Orte, nicht bloss an Zürich, Bern und Glarus.
Das Ende einer grossen Ära
Letzten Endes fruchteten diese Bemühungen jedoch nicht. Vor allem die kaiserliche Delegation war nicht daran interessiert, sich in die eidgenössische Politik einzumischen, da dies die protestantischen Mächte verärgert und neue Religionskonflikte hervorgerufen hätte.
Für Baden begann nach dem Kongress
eine schwierige Zeit. Es hatte mit ökonomischen Problemen zu kämpfen,
weil die Tagsatzung als Folge des Zweiten Villmergerkrieges nach
Frauenfeld abgewandert war. Erst im 19. Jahrhundert sorgten die Bäder
und die neu aufkommende Industrie für neuen Wohlstand im Kurort. Der
Kongress von 1714 blieb der Stadt immerhin als rauschendes Abschlussfest
einer grossen Periode in Erinnerung.
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