
Romantik ist allerdings “eine deutsche Affäre”, denn nirgends ist Ironie so nötig und in der Geschichte so gegen-wärtig, wie bei uns!
Der hervorragende Zug im deutschen Nationalcharakter ist, spätestens seit dem dreißigjährigen Krieg, seine Zerris-senheit. Was ‘das Deutsche’ sei, war daher immer umstritten. Was hat nicht alles schon – und mit demselben Recht! – als “typisch deutsch” gegolten: Pedanterie und Überschwang, Plumpheit und Poesie, Innerlichkeit und Aggression, gemütliches Selbstgefallen und himmelstürmender Größenwahn, Tiefsinn und Technik, Dumpfheit und Dialektik, Romantik und Realpolitik, der gottergebene Fleiß des Ackerviehs ebenso wie faustisches Genie; Beamtendünkel und versonnene Philosophen, Kunst und Ursprung, Dämon und Philister; Weltanschauung und Schrebergarten, Todes-verachtung und Vollwertkost. Aber alles gründlich!
Der hervorragende Zug im deutschen Nationalcharakter ist, spätestens seit dem dreißigjährigen Krieg, seine Zerris-senheit. Was ‘das Deutsche’ sei, war daher immer umstritten. Was hat nicht alles schon – und mit demselben Recht! – als “typisch deutsch” gegolten: Pedanterie und Überschwang, Plumpheit und Poesie, Innerlichkeit und Aggression, gemütliches Selbstgefallen und himmelstürmender Größenwahn, Tiefsinn und Technik, Dumpfheit und Dialektik, Romantik und Realpolitik, der gottergebene Fleiß des Ackerviehs ebenso wie faustisches Genie; Beamtendünkel und versonnene Philosophen, Kunst und Ursprung, Dämon und Philister; Weltanschauung und Schrebergarten, Todes-verachtung und Vollwertkost. Aber alles gründlich!



Die andern großen Nationen schauen sich selbst in einem lebendigen verbindlichen Menschenbild an, in dessen charakteristischen Zügen die Spuren der gemeinsamen Geschichte lesbar sind. Der englische gentleman personifiziert die historische Vereini-gung von Adel und Großbürgertum zur typisch britischen Oligarchie, im französischen citoyen verbinden sich der plebe-jische Stolz des Sansculotten mit römischer Staatsvergötzung, der amerikani-sche pioneer vereinigt den beengten Blick auf den nächstliegenden Vorteil mit einer kontinentalen Weite des Horizonts.

Kein Wunder! Denn die Bildung eines Volkes zur Nation ist Sache eines um seinen freien Inneren Markt siegreich kämpfenden Bürgertums. Es waren aber die deutschen Städte, die vom dreißigjährigen Krieg verwüstet und entvölkert waren. Was an Bürger-tum übrig war, duckte sich ängstlich unter den Stand der Duodez-”Reichsfürsten”, denen eine deutsche Nation ein Gräuel war. Das Problem der deutschen Verspätung war das Problem unserer rachitischen Bourgeoisie. An Emanzipation war nicht zu denken, als höchstes Lebensziel konnte unser Bürger davon träumen, “bei Hofe zugelassen” zu werden. Und wie ging das? Durch Anbiederung an das höfische Beamtentum. Und das Mittel dazu war Bildung! In den Salons, in den Theatern, Museen und Musiksälen konnten sich deutsche Bürger “gleichrangig” fühlen mit den Edelleuten, und – wer weiß? – vielleicht wurde man wie Goethe und Schiller sogar geadelt. Bildung war der deutsche Ersatz für bürgerliche Befreiung.


Dagegen erwuchs vor guten hundert Jahren der Wandervogel, der zur Jugendbewegung ausuferte, zu der Jugendbewegung, die das Beiwort “deutsch” nicht braucht, weil sie sowieso einzig war. Sie knüpfte direkt und ausdrücklich an die Romantik an, und Ironie war ihr neben der Blauen Blume – wer weiß das schon noch? – gar nicht fremd; war doch ihr Ideal das vogelfreie Fahrende Volk, “ehrlos bis unter den Boden”!





Aber dann – ja, dann wird man selbst zum Ironiker.
im November 2008
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen