Samstag, 11. Februar 2017

Was Jesus wirklich sagte.

aus Die Presse, Wien, 11. 2. 2017

Die Suche nach den wahren Worten Jesu

Der Grazer Theologe Christoph Heil untersucht Q als Quelle für die Evangelisten Lukas und Matthäus. In den als ursprünglich geltenden Texten ist noch keine Mystifizierung zu spüren, Weihnachten fehlt.


„Es gibt eine Vielzahl an Texten und Schriften, die irgendetwas über Jesus sagen“, meint der Theologe Christoph Heil. Schwieriger ist die Suche nach der wahren Verkündigung Jesu. Um den ursprünglichen Worten Jesu näherzukommen, forscht der deutsche Wissenschaftler an der Quelle Q. Mit Q erklärt sich die Theologie seit dem 19. Jahrhundert die großen Ähnlichkeiten in den Evangelien nach Lukas und Matthäus. Beide Evangelien erwähnen die Bergpredigt und das Vaterunser. Sonst sind diese Texte im Neuen Testament nirgends in dieser Form zu finden.

Woher also stammen sie? „Als Lösung gilt die Zweiquellentheorie“, sagt Heil, der an der Universität Graz Neutestamentliche Bibelwissenschaft lehrt. „Lukas und Matthäus haben Markus und eine zweite Quelle als Vorlage verwendet.“ Q als zweite Quelle erklärt die 245 Verse, die in Matthäus und Lukas vorkommen, aber nicht aus dem Markus-Evangelium stammen. „Das Besondere an Q ist das Alter“, sagt Heil. Q soll nach dem Tod Jesu um 30 n. Chr bis 70 n. Chr. zustande gekommen sein. Für den deutschen Theologen Heil bezeugt das die Ursprünglichkeit der Quelle: „Es ist in Q noch nichts von einer Hellenisierung, Veränderung oder Mystifizierung der Person Jesu zu spüren.“

Auf den Urtext schließen


Heil ist Teil eines internationalen Forschungsteams, das seit den 1980er-Jahren an der Rekonstruktion der Quelle Q arbeitet. Als Grundlage dienen dem Forschungsteam die verschiedenen schriftlichen Überlieferungen der Verse aus den Evangelien von Matthäus und Lukas. „Aus dem Vergleich der Verse kann man erschließen, wie ein Urtext aussehen kann“, erklärt Heil.


Die Forschungsergebnisse erscheinen seit 1996. Zwölf der 30 geplanten Bände gibt es bereits; dazu kamen im Jahr 2000 eine kritische Ausgabe der Quelle Q und im Jahr 2002 eine griechisch-deutsche Studienausgabe. Heuer sollen im vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt fünf weitere Bände und eine frei zugängliche Online-Publikation erscheinen.

Was besonders auffällt: „Weihnachten kommt in Q nicht vor. Jesus ist für sie der letzte und größte Prophet. Woher er kommt oder wann er geboren wird, interessiert Q nicht“, sagt Heil über den Fokus der Quelle. Die damalige jüdisch-christliche Gemeinde kann mit heute kaum verglichen werden. Für Q standen die göttliche Sendung Jesu, das Gericht und Jesu Aufnahme bei Gott im Vordergrund. „Das Gericht, bei dem ganz brutal die Welt beendet wird, die Frevler sterben und die Gerechten zu Gott kommen, ist typisch für eine jüdische Apokalyptik und Jesus“, so der Forscher.

Erstmals ein liebender Gott


Neu ist in der Quelle Q bei Jesus, dass Gott nicht nur richtet, sondern auch als liebender Gott auftritt. Neben dem strengen richtenden Bild von Gott zeigt Q Gott als Retter und liebenden Vater oder Mutter – und damit eine neue Perspektive im Neuen Testament. Als Beispiel nennt Heil die Erzählung vom verlorenen Sohn im Lukas-Evangelium. „Gott will als Vater, dass der abgefallene Sohn zum Guten findet. Das ist für eine damalige jüdische Umwelt ziemlich erstaunlich.“ Eine Spannung, die die Theologie aushalten müsse, meint der Theologe: „In der Bibel geht es nicht nur um das Gericht, aber auch nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen.“

 

LEXIKON


Die Quelle Q, auch Logienquelle Q genannt, gilt neben Markus als zweite Quelle für die Evangelisten Matthäus und Lukas. Die Bezeichnung Q kommt vom Wort Quelle; Logienquelle aus dem Griechischen: logion bedeutet Ausspruch.

Als Synoptiker werden die Evangelien nach Markus, Matthäus und Lukas bezeichnet, deren Texte weitgehend übereinstimmen und einen parallelen Aufbau besitzen.


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