Sonntag, 12. August 2018

Deutschland hat gar kein Ausländerproblem.


Deutschland sei kein Einwanderungsland, klagt die heutige Frankfurter Allgemeine. Sie illustriert es mit dem Foto von einer Gruppe von Kindern mit Kopftuch, schwarz-rot-goldener Schärpe und türkischem Winkelement.

Die Einwanderungsdebatte in Deutschland litte an ihrer Verlogenheit - wer sagt das nicht! Doch in welchem Punkt? Der Fall Özil bringt es an den Tag - aber doch nicht zur Sprache. Zur Sprache, das ist dies: Bevor Deutschland ein Einwanderungsproblem hat, hat es ein Türken-Problem, das aus irgendeinem Grund nicht ausgesprochen werden darf und zu einem allgemeinen Ausländerproblem breitgeredet wird.

Die türkische Minderheit in Deutschland ist ein Sonderfall auf der ganzen Welt. Nirgends sonst gibt es eine so starke Volksgruppe, die mit dem Land, in das sie eingewandert ist, historisch und kulturell nichts verbindet. Das Unikum erkennt man schon daran, dass die hiesigen Türken nicht einmal selbstverständlich Deutsch sprechen können. Die Algerier in Frankreich, die Inder und Westinder in Großbritannien und, o Gott, ja: die Schwarzen in Amerika ver- bindet mit dem Land, in dem sie leben, eine lange, schmerzhafte Geschichte, aber auch eine Sprache, die schon in ihrem Herkunftsland als ein Kulturgut geschätzt war. Nichts dergleichen verbindet die Türken mit Deutschland. Diese Minderheit ist das rein künstliche Produkt des Arbeitskräftemangels in Westdeutschland infolge des langen Wirtschaftswunders (kenn'se noch?).

Das ist schon schwierig genug. Und doch fängt das Hauptproblem hier überhaupt erst an. Die erste türkische Gene- ration in Deutschland lebte auf gepackten Koffern. Ein paar Jahre ordentlich Geld verdienen, dann zurück in die Türkei und ein Stück Land für die ganze Familie kaufen, das war die allegemeine Einstellung. Gibt es eine Statistik, die sagt, in wie vielen, nämlich wenigen Fällen sich die Gastarbeiter-Existenz wirklich so abgespielt hat? Aber Realität hatte die Illusion schon, denn sie hielt die Türken davon ab, sich hier in irgendeiner Weise häuslich einzurichten. Sie lebten in den baulich prekärsten Vierteln und taten nichts für die Verbesserung des Wohnumfelds; 'für die paar Jahre?'

Das ist nun lange her, aber zu einer Volksgruppe in Deutschland hat sich die türkische Minderheit nie konstituieren können.* Das hat mit ihrer eignen nationalen Identität oder richtiger: dem Mangel daran zu tun. Da ist zunächst die große Masse der Kurden, die sich im Kemalismus nie zuhause gefühlt hat, und bei den ethnischen Türken buhlten Graue Wölfe und Islamisten um dessen Erbe. Letztere haben zur Zeit ein Bündnis, doch wer weiß, ob es Erdogan überlebt. Die absurde Situation: Seine stärkste Basis hat Erdogan unter den Türken in Deutschland; dass er unter rechtsstaatlichen Bedingungen in der Türkei überhaupt eine Mehrheit fände, darf bezweifelt werden. Dass aber darum unter den deutschen Türken die Bereitschaft, nachhause zurückzukehren, nennenswert gestiegen wäre, ist nicht zu erkennen. Nicht nur wissen sie nicht, wo sie hingehören. Sie wissen nicht einmal, wo sie hingehören wollen.

Die Vorbehalte vieler Deutscher gegen zuwandernde Ausländer beruhen auf Zweifeln an deren Loyalität gegen ihr Gastland. Die hat Mesut Özil nun legitimiert: "Die wollen ja gar keine Deutschen sein! Wie kommen sie dann aber darauf, gleiche Rechte zu fordern?"

*) Erkenntlich nicht zuletzt daran, dass sich eine türkische politisch-kulurelle Elite in Deutschland, die beide Seiten gegeneinander repräsentieren und ergo miteinander vermitteln könnte, nie ausgebildet hat.


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