aus NZZ, 13. 11. 2013 Zentralbank
Reformschub in eng gestecktem Rahmen
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas beschliesst eine Stärkung der Marktkräfte
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas beschliesst eine Stärkung der Marktkräfte
von Markus Ackeret, Peking
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei
Chinas hat an seinem Plenum einen Fahrplan für wirtschaftliche Reformen
vorgelegt. Wichtige Themen sind angesprochen. Die konkreten Schritte
werden erst nach und nach bekanntgegeben.
Auch die Kommunistische Partei
Chinas kennt ein Konklave. Am Ende steigt kein weisser Rauch auf. Über
das, was vier Tage lang in einem abgeschotteten Hotel am Rande der
Pekinger Innenstadt besprochen wird, dringen kaum Einzelheiten heraus.
Die detaillierten Entscheidungen der Plenumssitzungen des
Zentralkomitees werden erst mit Verzögerung publiziert. Am vierten Tag
abends veröffentlichen das Staatsfernsehen und die amtliche
Nachrichtenagentur Xinhua die wichtigsten Punkte und ein ideologisch
getränktes Communiqué. Darin werden nach diesem sogenannten dritten
Plenum Schwerpunkte für Reformen formuliert.
Staatskapitalismus
Das Dokument liest sich wie ein
kurzes Regierungsprogramm. Aus ihm spricht Selbstgewissheit, aber auch
die Einsicht, dass ohne tiefgreifende Veränderungen vor allem im
Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat und zwischen städtischer und
ländlicher Bevölkerung die Erfolge der ausgiebig gepriesenen Reform- und
Öffnungspolitik der vergangenen dreissig Jahre nicht weitergeführt
werden können. Keinen Zweifel lässt das unter Federführung des Staats-
und Parteichefs Xi Jinping und wohl Ministerpräsident Li Keqiangs
ausgearbeitete Programm am grundsätzlichen Charakter des sozialistischen
Systems und der Vorherrschaft der Partei.
Zwar soll der Markt künftig die,
wie es heisst, entscheidende Rolle übernehmen und soll die
Regierungsarbeit effizienter, serviceorientierter und gerechter werden.
Das «öffentliche Eigentum» bleibe aber dominant, und die
Staatsunternehmen sollten darin eine führende Stellung behalten. Durch
Stärkung des Wettbewerbs, Öffnung nach innen und aussen - also auch
verstärkt für ausländische Investoren - und Einreissen von
Markt-Barrieren sollen private Initiative und Wirtschaftskraft
gleichzeitig gestärkt werden. Während die Verbesserung der
Lebensbedingungen, des Umweltschutzes und das Vorgehen gegen die
wachsende Kluft zwischen Arm und Reich viel Platz einnehmen, ist
Wachstum kein zentraler Begriff mehr.
Die Verzerrungen, die die
langjährige Wirtschaftspolitik herbeigeführt hat und die sich besonders
in den ungleichen Partizipationsmöglichkeiten von städtischer und
ländlicher Bevölkerung an den Segnungen der Entwicklung zeigt, will die
Partei mit Reformen des Landrechts, der Landwirtschaft und der Aufhebung
der sozialen Unterschiede von Stadt und Land bekämpfen. Das würde
bedeuten, dass auch die ländliche Bevölkerung stärker an
Wohlfahrtsprogrammen teilnehmen kann. Inwieweit damit die heiklen Fragen
des Meldewesens und der Binnenmigration gemeint sind, geht aus dem
Dokument nicht hervor. Auch ist nicht klar, welche Landrechte den Bauern
tatsächlich übertragen werden sollen. Für die angestrebte stärkere
Verstädterung, die Ankurbelung des Konsums und den Abbau sozialer
Spannungen wären solche Reformen unabdingbar. Genauso gälte das für eine
Reform des Steuersystems und des Finanzwesens. Auch diese sind im
Communiqué angesprochen, aber nicht ausgeführt. Klarheit über erste
Schritte dürfte die jährliche «wirtschaftliche Arbeitskonferenz» im
Dezember schaffen.
Neuer Sicherheitsrat
Die zum Teil viel zu hohen
Erwartungen an das Ergebnis dieses Plenums bezogen sich vor allem auf
die Wirtschaft - auch weil das dritte Plenum eines parteiinternen Zyklus
zwischen zwei Parteitagen stets wirtschaftlichen Fragen gewidmet ist.
Xi und der Rest des Politbüros haben sich nicht damit beschieden. Auch
die Vertiefung von Justizreformen, demokratische Prozesse (womit
innerparteiliche gemeint sind) und die Stärkung und Verbreitung der
chinesischen Kultur, auch als «soft power», sind Teil der politischen
Vorstellungen. Xis Anti-Korruptions-Kampagne und die interne
Parteiarbeit fehlen ebenso wenig. Sie bilden das ideologische Gerüst für
die weitere Entwicklung.
Selbst Xis Wort vom Käfig, in den
die Macht gesperrt werden soll, fand Eingang in das Communiqué, obwohl
damit manche Bürger zunächst auf die falsche Fährte einer politischen
Öffnung gelockt worden waren. Mit dem Vorrang der Verfassung vor der
Partei, wie sie es verstanden, hat Xis Konzept nichts zu tun. Die Partei
soll mehr denn je die Zügel fest in der Hand halten. Vielleicht auch
dafür kündigt die Abschlusserklärung des Plenums die Schaffung eines
nationalen Sicherheitskomitees an, dessen Befugnisse noch nicht klar
sind. Mehr Markt und Prosperität soll es nur im Käfig des
kommunistischen Systems geben.
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